Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall: Was Sie wissen und tun sollten

Ein epileptischer Anfall kann beängstigend sein, sowohl für die betroffene Person als auch für die Zeugen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, was passiert, welche Gefahren bestehen und wie man als Helfer richtig reagiert. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über epileptische Anfälle und die entsprechenden Erste-Hilfe-Maßnahmen.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall äußert sich durch unkontrollierte Muskelaktivität und dauert meist weniger als 2 Minuten. Auslöser können Schlafmangel, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Giftstoffe oder flackernde Lichter sein. Auch Unterzuckerung oder Natriummangel, Drogenkonsum oder Alkoholentzug können Anfälle provozieren. In manchen Fällen liegen ein Schlaganfall, ein Tumor, eine Kopfverletzung oder eine Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute vor. Bei Kindern kann Fieber über 38,5 °C einen Fieberkrampf auslösen.

Von einer Epilepsie spricht man, wenn mehrere Anfälle in größerem zeitlichem Abstand (mehr als 24 Stunden) auftreten. Auch Auffälligkeiten in der Hirnstrommessung (EEG) können zur Diagnose führen. Ein Status epilepticus liegt vor, wenn ein Anfall länger als 5 Minuten dauert oder mehrere Anfälle ohne vollständige Erholung dazwischen auftreten.

Etwa jede zehnte Person erlebt einmal im Leben einen Krampfanfall. Am häufigsten treten Anfälle in der frühen Kindheit und ab 65 Jahren auf. Epilepsie betrifft knapp 1 % der Bevölkerung. In Deutschland erleiden jährlich etwa 14.000 Menschen einen Status epilepticus.

Symptome eines epileptischen Anfalls

Die Symptome eines epileptischen Anfalls können je nach Art des Anfalls variieren. Man unterscheidet fokale und generalisierte Anfälle:

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  • Fokale Anfälle: Diese Anfälle beginnen in einer Hirnhälfte und sind in der Regel weniger schwerwiegend. Sie können zu Wahrnehmungsstörungen, Bewusstseinseinschränkungen, Gefühlsstörungen oder Muskelzuckungen führen. Die betroffene Person kann sich möglicherweise an den Anfall erinnern.
  • Generalisierte Anfälle: Diese Anfälle beginnen in beiden Hirnhälften und verlaufen schwerer. Es kommt zum Bewusstseinsverlust, Muskelzuckungen oder -erstarrungen. Teilweise verlieren die Muskeln plötzlich ihre Spannung, was zu Stürzen führen kann. Eine leichtere Form ist die Absence, die sich oft durch Gesichtsmuskelzuckungen äußert.

Nach dem Anfall kann die betroffene Person schläfrig oder verwirrt sein oder Schwierigkeiten beim Sprechen haben.

Erste Hilfe Maßnahmen während eines Anfalls

Es ist wichtig, ruhig zu bleiben, da ein epileptischer Anfall beunruhigend wirken kann, aber meist harmlos ist und nach kurzer Zeit von selbst aufhört. Hier sind die wichtigsten Maßnahmen, die Sie ergreifen sollten, wenn Sie Zeuge eines epileptischen Anfalls werden:

  1. Ruhig bleiben: Ein epileptischer Anfall sieht für jeden Menschen beunruhigend aus, ist aber meist harmlos und nach wenigen Sekunden, aber meist nach höchstens zwei Minuten wieder vorbei. Es drohen dabei keine langfristigen Hirnschäden und es sterben keine Nervenzellen ab. Nur dann, wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, müssen Sie aktiv werden, eventuell ein Notfellmedikament verabreichen (meist über den Mund oder als Zäpfchen) und einen Notarzt rufen.
  2. Sicherheit gewährleisten: Entfernen Sie gefährliche Gegenstände aus der Umgebung, um Verletzungen zu vermeiden. Polstern Sie den Kopf der Person, zum Beispiel mit einem Kleidungsstück.
  3. Nicht festhalten: Halten Sie die Person während des Anfalls nicht fest, da dies das Risiko von Verletzungen erhöhen kann.
  4. Nichts in den Mund stecken: Versuchen Sie niemals, den Mund der Person zu öffnen oder Gegenstände hineinzustecken, da die Kaumuskulatur plötzlich verkrampfen kann.
  5. Dokumentation: Notieren Sie die Uhrzeit von Anfallsbeginn und -ende, um die Anfallsdauer zu dokumentieren. Wenn möglich, nehmen Sie ein Video des Anfalls auf, da dies dem medizinischen Personal bei der Diagnose helfen kann. Beobachten Sie den Anfall gut und notieren oder merken Sie sich, was genau passiert, welche Körperteile betroffen sind und wie lange der Anfall dauert.
  6. Auf die Uhr schauen und Beginn des Anfalls merken, ebenso wie das Ende. Verletzungen verhindern, vor allem am Kopf. Es kann sein, dass die Patientinnen und Patienten Ihren Unmut äußern oder Ihre Hilfsversuche abwehren. Bleiben Patientinnen und Patienten auch nach dem Anfall bewusstlos oder schlafen ein, ist das okay, solange die Atmung normal funktioniert.
  7. Falls starke Speichelabsonderung auftritt, sollte man den Kopf auf eine Seite drehen, damit sich der/die Patientin nicht verschluckt. Gelegentlich kommt es während eines Anfalls oder unmittelbar danach zum Erbrechen. Niemals etwas zwischen die Zähne schieben, um das Beißen auf die Zunge zu verhindern. Nach dem Anfall ist der/die Patientin meist schlaff und längere Zeit nicht oder nur mit Mühe ansprechbar. Manchmal fallen Betroffene auch in einen tiefen Schlaf. Manchmal besteht nach dem Anfall ein Unruhezustand. Diesen sollte man ebenfalls geduldig abklingen lassen. Verwirrtheit und Sprachstörungen nach dem Anfall sind völlig normale Nebenwirkungen.
  8. Betroffene nicht allein lassen, bis die Verwirrtheit nachgelassen hat und sie sich wieder orientieren können. Auch Sprachstörungen sind ganz normale Nebenwirkungen. Bleiben die Patientinnen und Patienten auch nach dem Anfall zunächst bewusstlos, dann Atemwege auf Erbrochenes und Speichel prüfen und davon befreien und Person spätestens jetzt in die stabile Seitenlage bringen.

Wann den Rettungsdienst rufen?

In folgenden Situationen sollten Sie den Rettungsdienst (112) rufen:

  • Erstanfall: Beim erstmaligen Anfall soll die betroffene Person ins Krankenhaus eingewiesen werden.
  • Anhaltende Bewusstlosigkeit: Gleiches gilt bei wiederholten Anfällen und bei einer anhaltenden Ohnmacht oder Benommenheit nach dem Anfall.
  • Verlängerte Anfallsdauer: Dauert ein solcher Anfall aber länger als gewöhnlich (länger als 5 Minuten), so spricht man vom Status epilepticus. In diesem Fall müssen besondere Maßnahmen zur Unterbrechung des Anfallsgeschehens ergriffen und der Notruf gewählt werden. Das gilt nicht für Auren oder Absencen. Diese sind auch dann ungefährlich, wenn sie ein paar Minuten anhalten.
  • Serien von Anfällen: Wenn auf den ersten Anfall direkt ein zweiter Anfall folgt, ohne dass der/die Patient*in zwischendurch wieder zu Bewusstsein gelangt ist.
  • Verletzungen: Wenn es durch den Anfall zu Verletzungen gekommen ist.

Was tun nach dem Anfall?

Nach dem Anfall ist die Person möglicherweise nicht ansprechbar. Drehen Sie die Person dann in die stabile Seitenlage, um die Atemwege freizuhalten.

Falls bei der betroffenen Person eine Epilepsie bekannt ist und Sie damit vertraut sind, können Sie eine vorhandene Notfall-Medikation verabreichen.

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Bieten Sie Ihre Hilfe fortlaufend an, bis die Betroffenen sich erholt haben, aber drängen Sie nicht. Bieten Sie zum Beispiel Begleitung, Sitzmöglichkeiten oder den Anruf eines Arztes oder eines Notfallkontaktes der Patientinnen und Patienten an. Oft kommt es nach Anfällen zur Amnesie für die Dauer des Anfalls. Gerade bei kurzen Anfällen wie Absencen, die nur wenige Sekunden anhalten, ist es wichtig, dass Sie die Betroffenen danach über ihren Anfall informieren, damit sie diesen in einem Anfallskalender festhalten und Angehörige oder Ärztinnen und Ärzte darüber informieren können.

Medikamentöse Behandlung

Bei einem einzelnen Anfall von kurzer Dauer wird in der Regel auf eine medikamentöse Unterbrechung verzichtet. Ein Status epilepticus wird jedoch mit Medikamenten behandelt. Der Rettungsdienst hält die Atemwege frei und gibt Sauerstoff. Er überwacht Atmung, Blutdruck und Herzrhythmus und legt, wenn möglich, eine Nadel in die Vene, um Medikamente zu spritzen.

Bei einem Status epilepticus oder einer Anfallsserie werden meist Benzodiazepine wie Diazepam oder Lorazepam zur Anfallsunterbrechung verabreicht. Diazepam kann auch als Zäpfchen oder Spray gegeben werden. Sollten Benzodiazepine versagen, stehen im Krankenhaus weitere Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Auch für die eigentliche Ursache gibt es teils Medikamente. Bei niedrigem Blutzucker wird Zuckerlösung in die Vene verabreicht, bei Verdacht auf Alkoholismus Vitamin B1 (Thiamin). Bei Kindern mit Fieberkrampf wird die Körpertemperatur durch Fieberzäpfchen gesenkt.

Möglicherweise hat der/die Arzt/Ärztin für einen akuten Anfall ein krampflösendes Mittel verordnet, das auch von einem Laien angewendet werden kann. Es handelt sich hierbei um Diazepam Rectiolen, die in den After eingeführt werden oder um bukkales Midazolam, das mit Hilfe einer vorbefüllten Spritze ohne Nadel zwischen Wange und Zahnfleisch gespritzt wird.

Risiken und Prävention

Meistens enden Krampfanfälle von allein nach weniger als 2 Minuten. Sie sind dennoch ein Risiko, da es zu Stürzen und Verletzungen kommen kann. Betroffene können Atemprobleme und Herzrhythmusstörungen erleiden, die lebensbedrohlich werden können. Der Status epilepticus erfordert eine sofortige Behandlung, da er in etwa 10 % der Fälle zum Tod führt.

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Bei Epilepsie sollten riskante Situationen konsequent gemieden werden. Besonders gefährlich sind Baden und Schwimmen, da ein Anfall im Wasser zum Ertrinken führen kann. Schwimmen und Autofahren sind mit Epilepsie nicht sicher.

Menschen mit Epilepsie wird zudem geraten, ständig einen Notfallausweis mit sich zu führen, auf dem Kontaktpersonen, eventuell einzunehmende Notfallmedikamente und weitere Informationen hinterlegt sind.

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