Erinnerungsarbeit bei Demenz: Beispiele und praktische Anwendungen

Demenz kann dazu führen, dass Betroffene den Kontakt zu sich selbst und ihrer Umwelt verlieren. Erinnerungsarbeit kann helfen, diese Menschen im Kern ihres Wesens zu erreichen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Erinnerungsarbeit bei Demenz, gibt praktische Beispiele und zeigt, wie sie sowohl den Erkrankten als auch ihren Angehörigen und Pflegekräften zugutekommen kann.

Einführung

Die Erinnerungsarbeit bei Demenz ist ein Ansatz, der darauf abzielt, die geistige Aktivität zu fördern und das Wohlbefinden von Menschen mit Gedächtnisbeeinträchtigungen zu steigern. Sie basiert auf der Idee, dass auch bei fortgeschrittener Demenz noch Erinnerungen und Emotionen vorhanden sind, die durch gezielte Stimulation geweckt werden können.

Wertschätzender Umgang und spirituelle Angebote

Ein wertschätzender Umgang, Körperkontakt und spirituelle Angebote können demenzkranken Menschen Halt und Trost geben. Rosmarie Maier betont in ihrem Buch die Bedeutung eines respektvollen Umgangs und die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und der Lebensgeschichte des Einzelnen. Sie zeigt anhand von Fallbeispielen, wie Basale Stimulation und religiös-spirituelle Elemente in die Betreuung integriert werden können, um den Betroffenen ein Gefühl von Würde und Geborgenheit zu vermitteln.

Basale Stimulation

Basale Stimulation ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Wahrnehmung und Kommunikation von Menschen mit schwerer Beeinträchtigung zu fördern. Durch gezielte Reize wie Berührungen, Düfte oder Klänge werden elementare Erfahrungen vermittelt, die Sicherheit und Orientierung geben können.

Religiös-spirituelle Angebote

Religiöse und spirituelle Angebote können für viele demenzkranke Menschen eine wichtige Quelle des Trostes und der Hoffnung sein. Das gemeinsame Singen von Liedern, das Beten oder das Vorlesen von religiösen Texten kann Erinnerungen wecken und ein Gefühl der Verbundenheit vermitteln. Maier integriert religiöse, kirchliche, traditionelle und spirituelle Aspekte in ihre Arbeit und zitiert Gedichte, Liedtexte, Mariengebete und Andachtsformen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.

Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick

Erinnerungskoffer für Menschen mit Migrationshintergrund

Ein Erinnerungskoffer kann besonders hilfreich sein, um biografische Informationen über Menschen mit Migrationshintergrund zu sammeln, die an Demenz erkrankt sind. Der Koffer enthält Gegenstände aus der früheren Alltagswelt der Betroffenen, die Erinnerungen und Emotionen wecken.

Inhalt und Gestaltung

Der Erinnerungskoffer sollte Originalgegenstände aus der Heimat des Betroffenen enthalten, die in seiner Muttersprache benannt werden. Beispiele hierfür sind:

  • Kinderspiele wie Murmeln, Springseil oder Jo-Jo
  • Küchengeräte aus der Zeit, wie Dosenöffner, Teigroller oder Schürze
  • Gegenstände aus der Schulzeit, wie Schultafel, Stifte oder Schulbücher
  • Fotos vom Urlaub in der Heimat oder in Deutschland
  • Arbeitsfotos, die Gastarbeiter in der Werkstatt oder in der Fabrik zeigen
  • Fotos, die verschiedene Sitten und Gewohnheiten aus unterschiedlichen Ländern zeigen, wie das Treffen in dem Verein oder das erste Auto
  • Alte Zeitungen und Zeitschriften
  • Eine alte Nähmaschine

Anwendung und Nutzen

Der Erinnerungskoffer kann in das Zimmer der Betroffenen gestellt werden, sodass Pflegende, Betreuungskräfte oder Angehörige ihn als Anregung für ein Gespräch oder als Gedächtnistraining nutzen können. Die Koffer können nach Nationalität zusammengestellt werden, damit die Biografiearbeit je nach Herkunftsland durchgeführt werden kann. Angehörige können bei der Zusammenstellung des Koffers und bei der Übersetzung von Lieblingsgegenständen helfen.

Aktivierung und Beschäftigung

Bei der Aktivierung von Menschen mit Gedächtnisproblemen oder Demenz geht es darum, die geistige Aktivität durch sinnvolle Beschäftigungen und leichtes körperliches Training zu fördern. Es gibt nicht die eine sinnvolle Aktivierung, sondern die Beschäftigung muss Spaß und Freude machen, der Kreativität des Erkrankten freien Lauf lassen und individuell auf den Betroffenen zugeschnitten sein.

Individuelle Anpassung

Es ist wichtig, auf die Interessen und Vorlieben des Betroffenen einzugehen und auf "Altbewährtes" zurückzugreifen. Die Aktivierung muss auf den persönlichen Stand des Betroffenen abgestimmt sein und flexibel gestaltet werden, um der Tagesform Rechnung zu tragen.

Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz

Ziele der Aktivierung

Mit der Beschäftigung von dementen Menschen soll erreicht werden, dass diese sich gebraucht fühlen und wissen, dass sie noch etwas leisten können. Die Aktivierungsangebote sollen dazu beitragen, dass die vorhandenen Fertigkeiten ohne Druck, dafür spielerisch gestärkt und vielleicht sogar ausgebaut werden. Beschäftigung soll den Betroffenen wieder einen Sinn geben und ihnen ein Erfolgserlebnis ermöglichen.

Beispiele für Aktivierungsangebote

  • Malen: Demente Menschen können mit Malen ein Erfolgserlebnis haben, auch ohne Mal- und Zeichentalent. Es gibt spezielle Malvorlagen und Malbücher für Demenzkranke, wie Aquapaint-Bilder oder großformatige Malvorlagen.
  • Puzzles: Puzzles dienen als Beschäftigung und Konzentrationsübung. In der Demenzbetreuung haben sich vor allem die Groß-Puzzles als erprobte Aktivierungsidee bewährt.
  • Biografiearbeit: Fragen zur persönlichen Lebensgeschichte können Gespräche auslösen und Erinnerungen wecken.
  • Gedächtnistraining: Gedächtnistraining ist in jedem Alter gut, aber bei Senioren und Hochbetagten nochmals besonders wichtig.
  • Singen, Lesen, Vorlesen: An altbekannte Lieder oder Geschichten erinnern sich demente Menschen häufig noch recht gut.
  • Bewegung und Mobilisierung: Kleine Spaziergänge im Freien sind hilfreich.
  • Hauswirtschaftliche Beschäftigungen: Viele Arbeiten im Haushalt werden von den dementen Menschen noch gerne ausgeführt.
  • Sinne aktivieren: Im täglichen Leben können die Sinne der Menschen mit Demenz oder Alzheimer ständig trainiert werden.
  • Kalender: Gut lesbare Kalender und Demenzuhren helfen bei der zeitlichen Orientierung.

Erinnerungen wecken und Gespräche anregen

Um schöne alte Erinnerungen zu wecken, können verschiedene Materialien zur Erinnerungspflege eingesetzt werden. Jedes ausgearbeitete Thema bietet viele Gesprächsfragen, passende Gedichte, Lieder, Mitmach-Geschichten, Ideen für Bewegungs-Einheiten und Quiz-Ideen.

Themen für die Erinnerungsarbeit

Es gibt zahlreiche Themen, die sich für die Erinnerungsarbeit mit Senioren eignen, wie zum Beispiel:

  • Schirm und Regen
  • Apfel
  • Geld
  • Schulzeit
  • Zahlen
  • Paare / Was gehört zusammen?
  • Beauty-Runde
  • Friseur
  • Kirmes / Volksfest / Schützenfest
  • Wein / Weinfest
  • Kartoffel
  • Hüte
  • Wasser
  • Weltreise
  • Alte Wörter
  • Milch
  • Wurst
  • Türen
  • Blumen
  • Farben
  • Gemüse
  • Nase
  • Steine
  • Heimat
  • Sport

Gedichte und Lieder

Gedichte und Lieder rund um die verschiedenen Themen können die Erinnerungen der Senioren anregen und ihnen Freude bereiten.

Spiele und Quiz

Spiele und Quiz können die geistige Aktivität der Senioren fördern und ihnen ein Erfolgserlebnis ermöglichen.

Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz

Digitale Biografiearbeit

Digitale Technologien eröffnen neue Möglichkeiten in der therapeutischen Arbeit mit älteren Menschen. Mit Hilfe von Bildern, Videos und Gegenständen können persönliche Erinnerungen wachgerufen werden. Im Forschungsprojekt „Biographiearbeit in Senioreneinrichtungen mit Tablet-Unterstützung zur Verbesserung der Lebensqualität und Kommunikation - BaSeTaLK“ wurde eine tabletgestützte App zur Biographiearbeit mit älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen entwickelt und erprobt.

Der CareTable

Der CareTable ist ein großer Touchscreen, auf dem Fotos, Filme und Spiele gezeigt werden können. Er lässt sich flexibel in jedem Zimmer einsetzen und kann an die Betten von Pflegebedürftigen mitgenommen werden.

Grenzen der Biografiearbeit

Biografiearbeit ersetzt keine Therapie. Im Mittelpunkt der Erinnerungsarbeit sollten positive Situationen stehen. Es geht darum, die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen zu erhöhen.

Fazit

Erinnerungsarbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Pflege von Menschen mit Demenz. Sie nutzt die vorhandenen Ressourcen und aktiviert ältere Menschen durch den Rückgriff in die Vergangenheit. Die Erinnerung an ihre eigene Lebensgeschichte gibt Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, sich an frühere Erfahrungen und Erlebnisse zu erinnern. Das trainiert und schützt ihr Langzeitgedächtnis. Gleichzeitig macht tiefergehendes Wissen über die Lebensgeschichte der Bewohnerinnen und Bewohner eine individuelle und persönliche Pflege möglich. Als Pflege- oder Betreuungskraft können Sie auf ältere Menschen besser eingehen.

Zusätzliche Aspekte der Beschäftigung bei Demenz

Menschen mit Demenz haben Probleme, ihre alltäglichen Aufgaben zu meistern. Zur Pflege und Betreuung gehört deshalb auch die gezielte Beschäftigung mit Spielen oder anderen Tätigkeiten.

Tipps für die Beschäftigung

  • Beachten Sie das Stadium der Demenz: Überforderung bewirkt negative Reaktionen.
  • Gehen Sie auf persönliche Vorlieben und Abneigungen ein: Die Beschäftigung sollte Spaß machen.
  • Respektieren Sie die Entscheidung des Demenzerkrankten: Lassen Sie es zu, wenn der Erkrankte nicht selbst aktiv werden möchte, sondern lieber beobachtet.
  • Tolerieren Sie „Fehler“: Schimpfen Sie auf keinen Fall, wenn etwas nicht funktioniert.

Beispiele für Beschäftigungen

  • Kunstbetrachtung: Die Betrachtung von Kunst und auch der Umgang mit Kunst schafft Raum für Kommunikation.
  • Kleinere Arbeiten in Haus oder Garten: Achten Sie darauf, keine zu komplizierten oder gefährlichen Aufgaben zu wählen.
  • Kreative Tätigkeiten: Der Umgang mit unterschiedlichen Materialien aus der Natur oder dem Bastelladen kann Demenzerkrankten viel Freude bereiten.
  • Musikhören: Bekannte Schlager aus der Jugendzeit stimulieren fröhliche Erinnerungen und können die Stimmung aufhellen.
  • Erinnerungsalben: Stellen Sie als Pflegender oder Angehöriger konkrete Fragen zur Kindheit oder Jugend des Demenzerkrankten.
  • Vorlesen: Zuhören fördert die Durchblutung im Gehirn.
  • Bewegung: Spaziergänge und Ausflüge sind immer eine sinnvolle Beschäftigung.
  • Berührung: Menschen mit Demenz lassen sich manchmal leichter durch Berührung aktivieren.
  • Spiele: Es gibt Spiele, die speziell für Demenzerkrankte entwickelt wurden.

Verfügbare Ressourcen für die Erinnerungsarbeit

Es gibt eine Vielzahl von Ressourcen, die für die Erinnerungsarbeit mit Menschen mit Demenz zur Verfügung stehen, darunter:

  • Aktivierungsspiele für Menschen mit Demenz: Diese Spiele sind speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnitten und fördern die kognitiven und motorischen Fähigkeiten.
  • Demenzkalender: Demenzkalender helfen bei der zeitlichen Orientierung und bieten eine Struktur für den Tag.
  • Erinnerungskoffer: Erinnerungskoffer können individuell zusammengestellt werden und enthalten Gegenstände, die Erinnerungen wecken und Gespräche anregen.
  • Digitale Angebote: Digitale Angebote wie der CareTable bieten neue Möglichkeiten für die Erinnerungsarbeit und ermöglichen es, auch bettlägerige Menschen zu erreichen.
  • Schulungsangebote: Es gibt diverse Schulungsangebote, die professionellen und ehrenamtlichen Helfern das nötige Wissen und die praktischen Fähigkeiten vermitteln, um die Erinnerungsarbeit effektiv zu gestalten.

tags: #Erinnerungsarbeit #Demenz #Beispiele