Lachgas: Wirkung auf das Gehirn, Risiken und medizinische Anwendung

Lachgas, auch bekannt als Distickstoffmonoxid (N2O), ist ein farbloses Gas mit einem süßlichen Geruch, das in verschiedenen Bereichen Anwendung findet. Ursprünglich in der Medizin als Anästhetikum eingesetzt, erfreut es sich zunehmender Beliebtheit als Partydroge, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkung von Lachgas auf das Gehirn, die damit verbundenen Risiken und seine medizinische Verwendung.

Lachgas in der Medizin: Mehr als nur Schmerzlinderung

Seit seiner ersten Anwendung im Jahr 1844 durch den amerikanischen Zahnarzt Horace Wells hat sich Lachgas als bewährtes Mittel in der Anästhesie etabliert. Besonders in Zahnarztpraxen wird es als schonende Methode zur Anästhesie eingesetzt, vor allem bei Angstpatienten und Kindern. Lachgas wirkt schmerzstillend und betäubend und ermöglicht so eine entspannte Behandlung.

Die Wirkung von Lachgas auf das Gehirn: Eine wissenschaftliche Perspektive

Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben die Wirkung von Lachgas auf das Gehirn genauer untersucht. Prof. Emery Brown, Anästhesiologe am Massachusetts General Hospital und Professor am MIT, beobachtete seit 2012 die Hirnströme seiner Anästhesiepatienten mithilfe von EEG-Aufzeichnungen.

Die Ergebnisse dieser Studie, die im Journal Clinical Neurophysiology veröffentlicht wurden, zeigen, dass etwa sechs Minuten nach Beginn der Verabreichung von hochdosiertem Lachgas (Konzentration > 60 %, Gasfluss > 4 Liter pro Minute) für etwa drei Minuten (manchmal bis zu zwölf Minuten) eine spezifische Gehirnaktivität nachweisbar ist. Diese Aktivität äußert sich in langsamen Deltawellen mit sehr großer Amplitude, ähnlich den Wellen, die im Tiefschlaf auftreten, jedoch in geringerer Ausprägung. Nach diesen drei Minuten treten Beta- und Gammawellen auf, die typisch für eine Lachgassedierung niedrigerer Dosis sind.

Wachzustand vs. Lachgas-Sedierung: Ein Unterschied

Obwohl die Deltawellen während der Lachgassedierung an den Tiefschlaf erinnern, unterscheidet sich der Zustand deutlich vom natürlichen Schlaf. Während ein Mensch aus dem Schlaf jederzeit geweckt werden kann und sich der vergangenen Zeit bewusst ist, erinnert sich ein Patient, der aus einer Lachgas-Narkose erwacht, meist nicht an die Behandlung oder den komatösen Zustand.

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Warum die Deltawellen nach drei Minuten aufhören, ist noch nicht vollständig geklärt. Brown vermutet, dass Lachgas Rezeptoren im Gehirn blockiert, die normalerweise den Wachzustand aufrechterhalten. Wenn bestimmte Rezeptoren im Thalamus und der Großhirnrinde nicht durch Lachgas gebunden werden, empfangen diese Gehirnregionen normalerweise Erregungssignale aus tieferen Erregungszentren des Gehirns. Fehlen diese Signale, tritt eine Bewusstlosigkeit ein, die durch langsame Wellen gekennzeichnet ist. Die Aufrechterhaltung der Deltawellen über einen längeren Zeitraum könnte laut Brown eine Möglichkeit sein, eine Narkotisierung zu erreichen, von der sich Patienten schnell erholen. Er vermutet jedoch eine schnelle Gewöhnung oder einen Desensibilisierungsprozess als Ursache für das schnelle Abklingen der Wellen.

Neurotransmitter und Lachgas: Ein komplexes Zusammenspiel

Lachgas beeinflusst das zentrale Nervensystem (ZNS) durch verschiedene Mechanismen, die zu seinen beruhigenden, schmerzlindernden und euphorisierenden Wirkungen führen. Es wirkt auf mehrere Neurotransmittersysteme im Gehirn, darunter das GABAerge und das glutamaterge System. Lachgas erhöht die Aktivität von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), dem wichtigsten hemmenden Neurotransmitter im ZNS, und wirkt gleichzeitig antagonistisch an NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat), die eine zentrale Rolle bei der glutamatergen Erregung spielen.

Die analgetische Wirkung von Lachgas ist teilweise auf die Freisetzung von Endorphinen zurückzuführen, die natürliche schmerzlindernde Substanzen im Körper sind. Das limbische System, das für die Regulierung von Emotionen und Verhalten verantwortlich ist, wird ebenfalls durch Lachgas moduliert.

Darüber hinaus hat Lachgas eine dämpfende Wirkung auf die Großhirnrinde, den Teil des Gehirns, der für höhere kognitive Funktionen wie Denken, Erinnern und Bewusstsein zuständig ist. Es wirkt auch auf das autonome Nervensystem, das unwillkürliche Körperfunktionen wie Herzfrequenz und Atmung steuert.

Die Kombination der dämpfenden Effekte auf die Großhirnrinde und die Hemmung von NMDA-Rezeptoren bewirkt eine milde bis moderate Sedierung. Die analgetischen Eigenschaften von Lachgas, vermittelt durch die Modulation der NMDA-Rezeptoren und die Freisetzung von Endorphinen, ermöglichen es, Schmerzen effektiv zu lindern.

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Aufgrund der schnellen Eliminierung von Lachgas aus dem Körper nach Beendigung der Verabreichung kehrt das ZNS in kurzer Zeit zu seinem normalen Funktionszustand zurück. Im Gegensatz zu anderen Anästhetika hat Lachgas in der Regel einen geringeren Einfluss auf das Atemzentrum im Hirnstamm. Während der Lachgasverabreichung kann es zu leichten Veränderungen im Bewusstsein und in der Wahrnehmung kommen. Bei manchen Patienten können kurzzeitig Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen auftreten.

Insgesamt beeinflusst Lachgas das zentrale Nervensystem durch die Modulation von Neurotransmittern, insbesondere durch die Hemmung von NMDA-Rezeptoren und die Verstärkung von GABAergen Effekten. Diese Wirkmechanismen führen zu Sedierung, Schmerzlinderung und einem Gefühl der Entspannung oder Euphorie.

Lachgas als Partydroge: Ein wachsendes Problem

In den letzten Jahren hat der Konsum von Lachgas als Partydroge, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, zugenommen. Das Gas wird meist in kleinen Kartuschen verkauft, die eigentlich zum Aufschäumen von Schlagsahne verwendet werden. Um Lachgas als Droge zu konsumieren, werden die Kartuschen mit speziellen Geräten (sogenannten Crackern) geöffnet. Das Lachgas wird dann in Ballons gefüllt und aus dem Ballon eingeatmet.

Gründe für die Beliebtheit als Droge

Es gibt verschiedene Gründe, warum der Konsum von Lachgas als Droge zugenommen hat:

  • Leichte Verfügbarkeit: Lachgas ist relativ billig, leicht zu beschaffen und nicht verboten. Es kann legal im Spätkauf um die Ecke oder online erworben werden.
  • Wahrnehmung als "sichere" Droge: Manche Konsumenten haben das Gefühl, dass Lachgas eine relativ sichere Droge ist, da es legal erhältlich ist und die Wirkung nur kurz anhält.
  • Soziale Medien: In den sozialen Medien finden sich zahlreiche Kurzvideos, die den Konsum von Lachgas witzig und harmlos darstellen und so zum Ausprobieren animieren.
  • Kurze Rauschdauer: Die kurze Rauschdauer von wenigen Minuten kann für Konsumenten attraktiv sein, da sie nicht für mehrere Stunden im Vollrausch sind.
  • Langeweile: Viele Jugendliche geben an, dass sie Lachgas konsumieren, um Langeweile zu bekämpfen.

Risiken und Nebenwirkungen des Konsums als Droge

Obwohl Lachgas oft als harmlose Partydroge angesehen wird, birgt der Konsum erhebliche Risiken und Nebenwirkungen:

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  • Unmittelbare Risiken:
    • Sauerstoffmangel: Das Einatmen von reinem Lachgas aus einem Ballon führt zu Sauerstoffmangel in der Lunge, was zu Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Kribbeln, Übelkeit, Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen und Ohnmacht führen kann. In schweren Fällen kann es zu Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Versagen und Hirnschäden kommen.
    • Erfrierungen: Beim Ausströmen aus der Kartusche kühlt das Gas stark ab. Bei direktem Kontakt mit der Haut oder Schleimhaut kann es zu schweren Erfrierungen an Lippen, Mund, Rachen, Stimmbändern und Lunge kommen.
    • Unfälle und Verletzungen: Lachgas beeinträchtigt die Koordination und Wahrnehmung, was zu einem erhöhten Unfall- und Verletzungsrisiko führt. Dies ist besonders gefährlich im Straßenverkehr oder beim Bedienen von Maschinen.
    • Erstickungsgefahr: Das Einatmen von Lachgas aus einer Plastiktüte über dem Kopf oder das wiederholte Ein- und Ausatmen des Gases in einen Ballon ohne Absetzen kann zu Bewusstlosigkeit und Erstickung führen.
    • Lungenverletzungen: Durch den hohen Druck in den Kartuschen kann es zu Lungenrissen kommen, wenn das Gas direkt aus der Kartusche inhaliert wird.
  • Langzeitfolgen:
    • Vitamin B12-Mangel: Häufiger und langfristiger Konsum von Lachgas hemmt die Verwertung von Vitamin B12 im Körper. Vitamin B12 ist wichtig für den Aufbau der Nerven und die Blutbildung. Ein Mangel kann zu Nervenschäden, Blutarmut (Anämie) und psychischen Problemen führen.
    • Nervenschäden: Typische Symptome für Nervenschäden sind Kribbeln oder das Gefühl von Nadelstichen in Händen, Armen oder Beinen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche, Gleichgewichtsstörungen und Lähmungserscheinungen. In schweren Fällen kann es zu Schäden des Rückenmarks kommen, die zu Problemen beim Gehen oder sogar zur Inkontinenz führen können.
    • Psychische Folgen: Wiederholter intensiver Gebrauch von Lachgas kann zu psychischen Folgen wie Psychosen, Halluzinationen und Stimmungsschwankungen führen.
    • Abhängigkeit: Obwohl Lachgas nicht körperlich abhängig macht, kann es zu einer psychischen Abhängigkeit durch das wiederholte Gefühl der Entspannung beim Konsum kommen.
    • Thrombosen, Embolien oder Herzinfarkte: Fachleute vermuten, dass der intensive Gebrauch von Lachgas in seltenen Fällen auch Thrombosen, Embolien oder Herzinfarkte auslösen kann.

Fallberichte und Studien

Eine französische Studie aus dem Jahr 2021 beschreibt zwölf Fälle von Patienten im Alter von 19 bis 28 Jahren, die aufgrund des Konsums von Lachgas neurologische Probleme entwickelten. Alle Patienten hatten teils schwere Schäden im Rückenmark und in peripheren Nerven. Die Nervenschäden führten bei den Betroffenen zu teils erheblichen Gangstörungen. Fünf hatten so starke Einschränkungen, dass sie ohne Hilfe nicht mehr gehen konnten. Eine Person hatte Sehstörungen und zwei Personen entwickelten psychotische Symptome.

Die Studie zeigte, dass Lachgas die chemische Struktur des Vitamin B12 verändert, so dass es dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Dies kann unter anderem zum Abbau der Myelinscheide führen, einer Art Isolierung um Nervenfasern. Ohne Myelinscheide ist die Reizweiterleitung in den Nervenfasern nicht möglich.

Zur Behandlung der neurologischen Schäden bekamen die Patientinnen und Patienten Vitamin B12. Alle Patientinnen und Patienten schienen sich danach zu erholen. Acht Personen, die mehrere Wochen später zu einer Nachuntersuchung kamen, litten aber weiterhin unter sensorischen und Bewegungsstörungen.

Rechtliche Situation und Prävention

In Deutschland sind Erwerb, Besitz und Konsum von Lachgas größtenteils legal. Das Bundeskabinett hat im Juli 2025 allerdings den Gesetzesentwurf zum Verbot von Lachgas als Partydroge beschlossen. Einige Landkreise und Städte verbieten den Verkauf von Lachgas an Kinder und Jugendliche bereits jetzt bzw. prüfen die Umsetzung.

Aufgrund der zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen ist es wichtig, über die Gefahren des Lachgaskonsums aufzuklären und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören:

  • Aufklärungskampagnen: Umfassende Aufklärung über die Risiken und Folgen des Lachgaskonsums, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene.
  • Gesetzliche Regelungen: Einschränkung des Verkaufs von Lachgas, insbesondere an Minderjährige.
  • Suchtprävention: Angebote zur Suchtprävention und -beratung für gefährdete Jugendliche und junge Erwachsene.
  • Elterngespräche: Offene Gespräche mit Kindern und Jugendlichen über die Gefahren des Drogenkonsums, einschließlich Lachgas.

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