Die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz. Eine angemessene Ernährung kann nicht nur Mangelernährung vorbeugen, sondern auch die Lebensqualität verbessern und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Internationale und nationale Leitlinien geben wichtige Empfehlungen für die Ernährung von Demenzkranken, die im Folgenden zusammengefasst werden.
Bedeutung der Ernährung bei Demenz
Bei Menschen mit Demenz beeinflusst der zunehmende Verlust der Gedächtnisleistung auch das Essverhalten. Sie vergessen das Essen und Trinken, erkennen Lebensmittel nicht als solche oder haben keinen Appetit. Damit steigt das Risiko für eine Mangelernährung. Essen und Trinken bedeutet für Demenzkranke aber auch Lebensqualität, schafft Sicherheit und gibt ihnen das Gefühl, selbständig zu handeln. Die Mahlzeit muss deshalb den Bedarf decken, die individuellen Bedürfnisse befriedigen und an die Fähigkeiten der dementen Menschen angepasst werden.
Die Ernährung beeinflusst die Gesundheit und Prognose älterer Menschen. Fehl- und Mangelernährung können das Fortschreiten alterstypischer Krankheiten und Syndrome wie Sarkopenie und Sturzrisiko begünstigen.
Allgemeine Ernährungsempfehlungen für Demenzkranke
Eine angemessene Ernährung für demente Menschen sollte Energie, Nährstoffe und Flüssigkeit in ausreichender Menge sicherstellen und Gewichtsabnahme, Austrocknung und Mangelernährung verhindern. Die Auswahl der Lebensmittel entspricht den allgemeinen Empfehlungen für die Ernährung von älteren Menschen ohne Demenz. Ebenso wichtig wie der gesundheitliche Wert der Speisen ist jedoch die Freude am Essen.
Regelmäßiges Screening auf Mangelernährung
Die Leitlinienautoren betonen, dass die Optimierung der Ernährung integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung von Demenzkranken sein sollte. Dazu bedürfe es eines regelmäßigen Screenings auf Mangelernährung und einer frühen Intervention, wenn Probleme mit der Ernährung auftreten.
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Basismaßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation
Als Basismaßnahmen werden empfohlen, potentielle Ursachen von Mangelernährung zu identifizieren und zu eliminieren und ansprechende Mahlzeiten in einer angenehmen Umgebung anzubieten. Einzelne Nährstoffe sollen nur zum Ausgleich eines erwiesenen Mangels supplementiert werden. Bilanzierte Trinknahrung soll ggf. ergänzend zu diesen Maßnahmen zur Verbesserung des Ernährungszustandes eingesetzt werden. Künstliche Ernährung wird allerdings nur bei leichter und mittelschwerer Demenz als passagere Maßnahme zur Überwindung einer Krisensituation empfohlen.
Individuelle Anpassung der Ernährung
Mit der nachlassenden Gedächtnisleistung verändern sich bei Demenzkranken sowohl geistige als auch körperliche und soziale Fähigkeiten, die zur Nahrungsaufnahme nötig sind. Für die Zeit, in der Demenzkranke ihre Wünsche nicht mehr sprachlich äußern können, sollte rechtzeitig eine Ess- und Trink-Biographie erstellt werden. Dort können Vorlieben, Rituale und Gewohnheiten rund ums Essen und die Mahlzeit festgehalten werden. Vertraute Speisen von früher, die mit schönen Erinnerungen verbunden sind, wecken gute Gefühle, geben Orientierung und fördern den Appetit.
Berücksichtigung von Vorlieben und Abneigungen
Demenz beeinträchtigt die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung. Betroffene bevorzugen dann eher süße Speisen und lehnen Saures ab. Bei fortgeschrittener Krankheit leiden Demente oft auch an einer Schluckstörung. Wenn Essen kaum riecht, nicht schmeckt und schwer zu schlucken ist, schränken sich Auswahl und verzehrte Menge der Nahrung ein. Vertraute Gewürze wie Bohnenkraut und Schnittlauch und intensive, leckere Essensdüfte von frisch gebackenen Waffeln oder Kaffee motivieren zum Essen und Trinken. Ungewöhnlich, aber beliebt: selbst Fleischküchlein und Gemüsesuppe dürfen dann gezuckert werden.
Umgang mit Unruhe und Wandertrieb
Unruhige Demenzkranke stehen beim Essen ständig auf oder sind den ganzen Tag oder nachts auf Wanderschaft. Dadurch erhöht sich ihr Bedarf an Nährstoffen und Energie. Gleichzeitig fehlt ihnen aber Zeit und Muße, ausreichend zu essen und zu trinken. Betroffene sollten mehrere kalorienreiche Speisen oder Getränke in kleinen Portionen über den Tag verteilt zu sich nehmen. Zum Anreichern mit Kalorien eignen sich Pflanzenöl, Nuss- oder Mandelmus ohne Stücke, Eier, Sahne oder Butter. Apotheken bieten hochkalorische Kost als Trinknahrung, Suppen oder Pudding an. Auch auf den Eiweißgehalt des Essens sollte geachtet werden, da es sonst zu Muskelabbau kommen kann. Demente mit Lauftendenzen können beim so genannten „eat by walking“ das Essen als Fingerfood mit auf den Weg nehmen.
Praktische Tipps für die Essenszubereitung und -darreichung
Zu Beginn der Demenz lässt das Kurzzeitgedächtnis nach. Betroffene schalten dann zum Beispiel die Herdplatte nach dem Kochen nicht aus oder stehen vor dem leeren Kühlschrank, weil sie den Einkauf vergessen haben. Demente erinnern sich oft nicht daran, ob sie bereits etwas gegessen oder getrunken haben. Sie essen dann nochmals oder viel zu wenig. Dazu verändert sich das Empfinden von Hunger und Sättigung.
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Demenzkranken fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Wie streicht man ein Butterbrot und wie kocht man einen Grießbrei? Wozu dient das Besteck und wie gelangt der Bissen in den Mund? Solche komplexen Handlungen sind mit fortgeschrittener Demenz kaum mehr zu schaffen. Planen und entscheiden können, was man heute essen will, dauert lange oder geht gar nicht mehr. Fingerfood ist eine gute Alternative zum Essen mit Besteck. Manchen hilft es, wenn sie kleine Impulse erhalten, man ihnen die Hand führt oder die Bewegung vormacht. So lange wie möglich sollten Demente mithelfen dürfen.
Die veränderte Wahrnehmung führt dazu, dass Demente in ihrer eigenen Welt leben, in der sie meist um viele Jahre jünger sind. Manche glauben, sie müssten gleich zur Arbeit gehen, ihre Kinder versorgen oder die Ernte einfahren. Diese vermeintlich dringenden Aufgaben führen zu innerer Unruhe und werden der Mahlzeit vorgezogen. Zeit, Geduld und sich einlassen auf diese andere Welt mit ihren Speisen und Getränken, sind hierbei gute Ratgeber. Demenzkranke erkennen Nahrung nicht mehr als solche oder halten Blumenzwiebeln für essbar.
Spezifische Ernährungsempfehlungen
Die Rolle der Mittelmeerküche
Ein bewährtes Vorbild ist die traditionelle Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl. Studien zeigen, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes senken kann - und zugleich die Hirngesundheit verbessert.
Polyphenole (natürliche Stoffe, die Pflanzen ihre Farbe geben) sind in Obst, Gemüse und kaltgepresstem Olivenöl enthalten. Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch wie Thunfisch, Dorade oder Sardelle unterstützen die Zellgesundheit. Sie sind auch in Walnüssen, Chiasamen, Leinsamen und Avocados enthalten. Nüsse sind auch deshalb wertvoll, weil sie wichtige pflanzliche Proteine, viele Mineralstoffe und Vitamine liefern.
Die MIND-Diät
Es gibt auch die so genannte MIND-Diät. Neue Erkenntnisse: Stark verarbeitete Lebensmittel schaden der Hirngesundheit.
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Vermeidung von stark verarbeiteten Lebensmitteln
Aktuelle Studien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zeigen: Wer viele stark verarbeitete Lebensmittel isst, hat ein deutlich höheres Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Dazu zählen unter anderem Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppen oder Mikrowellengerichte.
Forschende gehen davon aus, dass stark verarbeitetes Essen auf verschiedene Arten ungesund fürs Gehirn sein kann:
- Übergewicht: Häufig stark verarbeitete Lebensmittel zu essen, führt zu Übergewicht, was Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes begünstigen kann.
- Gestörte Darmflora: In unserem Darm leben viele nützliche Bakterien, die helfen, gesund zu bleiben. Essen mit vielen gesättigten Fetten, Salz und wenig Ballaststoffen kann die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern. Dies kann via Darm-Hirn-Achse krankmachende Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen.
- Geschädigte Nervenzellen: Manche Stoffe wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe können Nervenzellen schädigen. Ob sie wirklich Demenz begünstigen, wird noch erforscht.
Fachleute empfehlen deshalb: So oft wie möglich frisch kochen und industriell hergestellte Produkte meiden.
Empfohlene Lebensmittel
Obst und Gemüse liefern Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, die Entzündungen entgegenwirken. Besonders Beeren, Äpfel und Birnen gelten als förderlich für die Gedächtnisleistung.
Gesunde Fette aus Oliven- oder Rapsöl, Nüssen und fettem Seefisch stärken die Zellmembranen im Gehirn. Rapsöl hat in nordischen Studien ähnlich positive Effekte gezeigt wie Olivenöl im Mittelmeerraum.
Nüsse liefern pflanzliches Eiweiß, gesunde Fette und viele Mineralstoffe - eine kleine Handvoll pro Tag ist ideal.
Polyphenole aus Olivenöl, Heidelbeeren oder rotem Traubensaft wirken gegen sogenannten „oxidativen Stress“ - also gegen Stoffe, die Zellen schädigen und Alterungsprozesse beschleunigen können.
Trinken Sie ausreichend Wasser oder ungesüßten Tee. Eine gute Ernährung funktioniert oft nicht von heute auf morgen. Auch Bewegung, geistige Aktivität, soziale Kontakte und ausreichend Schlaf tragen dazu bei, das Risiko für eine Demenz zu senken.
Künstliche Ernährung
Eine künstliche Ernährung empfehlen die Autoren nur bei leichter und mittelschwerer Demenz als passagere Maßnahme zur Überwindung einer Krisensituation. Bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz oder in der terminalen Lebensphase sollte künstliche Ernährung nicht eingesetzt werden. Die Experten betonen aber, dass jede Entscheidung individuell zu treffen ist. Dabei müssten sowohl Nutzen als auch der (mutmaßliche) Patientenwille und die generelle Prognose berücksichtigt werden.
Unter Umständen kann die Sonde nach Überwindung eines kritischen Zustands auch wieder entfernt werden. Die Magensonde ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und bedarf der Zustimmung des Patienten bzw. Wenn eine Magensonde für einen Menschen mit Demenz in Frage kommt, der selbst nicht mehr entscheiden kann, muss sorgfältig abgewogen werden, ob die künstliche Ernährung und damit ggf. eine Lebensverlängerung seinem mutmaßlichen Willen entspricht. Dieses Abwägen ist eine schwierige Aufgabe für Bevollmächtigte und Betreuer. Helfen kann eine palliative Beratung (Näheres unter Palliativversorgung) oder ein ethischer Abwägungsprozess mit entsprechend kompetenten Fachkräften aus Medizin oder Pflege. Aus medizinischer Sicht soll bei einer schweren Demenz keine PEG-Sonde eingesetzt werden.
Präventive Maßnahmen
Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen, die bereits im mittleren Alter (ab 40 Jahre) vorliegen, könnten die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Demenz zu erkranken. Zur Vorbeugung empfiehlt die Leitlinie „Demenzen“ vom Januar 2016 neben dem Abbau der Risikofaktoren einen aktiven Lebensstil mit körperlicher Bewegung und sportlicher, sozialer sowie geistiger Aktivität. Ob eine ausgewogene Ernährung vor Demenz schützt, dafür gibt es bisher nur Hinweise und keine Belege.
Demenzerkrankungen können bislang noch immer nicht auf direktem Wege vermieden werden, so lautet das Fazit der Herausgeber der aktualisierten Leitlinie Demenzen nach einer fünfjährigen Überarbeitungsphase. Gelingt es jedoch, Belastungen für Herz und Hirn aufgrund von Bluthochdruck, Diabetes, Fettsucht und Fettstoffwechselstörungen sowie Rauchen zu verringern, kann auch der Abbau von geistigen und sozialen Fähigkeiten hinausgezögert oder vermieden werden. Regelmäßige körperliche Bewegung, aktiv gelebte Beziehungen, kulturelles Engagement usw. tragen genauso dazu bei wie eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Fisch, wie beispielsweise in der Mittelmeerküche enthalten. Ginkgo hilft bei Behandlung, nicht aber bei der Prävention von Demenzerkrankungen. Die günstige Wirkung von Gedächtnistraining lässt sich nicht belegen. Moderater Alkoholgenuss kann zwar dazu beitragen, Hirnfunktionsstörungen zu vermeiden, ist aber aufgrund der im Alkohol enthaltenen Giftstoffe keine Option. Medikamente, die Demenzen wirksam vermeiden können, sind noch nicht entwickelt.
Die Rolle der Angehörigen und Pflegekräfte
Menschen mit Demenz haben wegen ihrer motorischen Unruhe oft einen höheren Kalorien- und Flüssigkeitsbedarf, können aber meist nicht mehr selbst für ihre Ernährung sorgen. Es ist wichtig, die Mahlzeiten angenehm zu gestalten. Mit fortschreitender Demenz treten oft Probleme wie verändertes Geschmacksempfinden, Schwierigkeiten beim Umgang mit Besteck und Schluckprobleme auf.
Manche Menschen mit Demenz verbrauchen durch motorische Unruhe, Umherlaufen und Stress mehr Kalorien. Gleichzeitig essen und trinken sie oft zu wenig aufgrund eines veränderten Hunger- oder Durstgefühls oder Gedächtnislücken. Es ist hilfreich, wenn Betroffene das Essen oder Trinken mit möglichst vielen Sinnen wahrnehmen können. Dazu gehören eine angenehme Atmosphäre und ansprechend dargereichte, angenehm riechende Speisen und Getränke. Es kann hilfreich sein, Menschen mit Demenz in die Speisenzubereitung mit einzubeziehen. Durch verschiedene Gerüche werden positive Erinnerungen geweckt. Durch Aktivitäten wie Kochen können motorische Fähigkeiten erhalten bleiben. Bei manchen Menschen mit Demenz besteht ein unbegrenztes Bedürfnis nach Essen.
Die Geschmacksempfindungen bei Demenz können sich verändern, oft werden süße Speisen bevorzugt. Bittere oder salzige Speisen werden teilweise als unangenehm empfunden und deshalb abgelehnt. Neben dem Geschmack wird oft auch die Temperatur der Nahrung nicht mehr gut wahrgenommen.
Menschen mit fortgeschrittener Demenz verlieren oft die Fähigkeit, Besteck zu benutzen. Hier kann es hilfreich sein, dass sie gemeinsam mit Angehörigen bzw. Pflegepersonal Mahlzeiten (sog. family style meals) einnehmen. Dabei können sie das Essverhalten von anderen abschauen und es nachahmen. Bei einer nachlassenden Beweglichkeit der Hände und Arme kann spezielles Geschirr die Nahrungsaufnahme erleichtern. Es gibt Besteck mit dicken, rutschfesten Griffen, vertieften Löffelschalen oder speziell gebogenes Besteck. Um Betroffenen das Essen zu erleichtern, kann auf fingerfreundliche Mahlzeiten umgestellt werden.
Einige Menschen mit Demenz müssen auch während des Essens aufstehen und umhergehen. Die Pflegeperson kann den Weg dann mit dem Essen begleiten (sog.
Getränke sollten den Tag über regelmäßig angeboten und an mehreren Stellen in der Wohnung positioniert werden. Das Trinkgefäß und das Getränkeangebot können für die Trinkbereitschaft eine Rolle spielen. Farbige Becher werden besser wahrgenommen und animieren zum Trinken. Schnabeltassen sind nur geeignet, wenn keine Schluckbeschwerden bestehen, da Getränke sonst unkontrolliert in Mund und Rachen fließen können.
Die Beeinträchtigung des Schluckreflexes ist ein Symptom der fortschreitenden Demenz. Bei Schluckstörungen kann das Andicken von Flüssigkeiten das Trinken erleichtern. Sicherheitstrinkbecher helfen, Verschlucken zu vermeiden, indem sie kontrollierte Flüssigkeitsmengen abgeben. Essen sollte breiartig, aber optisch ansprechend sein, z.B. Angehörige können sich Tipps und Anleitung von Logopäden oder speziell geschulten Diätassistenten holen.
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