Ernährung bei Myasthenie: Was man beachten sollte

Myasthenia gravis (MG) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gekennzeichnet ist. Autoantikörper, die sich meist gegen Acetylcholinrezeptoren an den motorischen Endplatten richten, blockieren oder zerstören diese Rezeptoren, was zu einer abnormen Ermüdbarkeit der Muskulatur führt. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, tritt aber häufiger bei Frauen zwischen 30 und 50 Jahren und bei Männern zwischen 60 und 89 Jahren auf.

Was ist Myasthenia gravis?

Bei der Myasthenia gravis handelt es sich um eine erworbene Autoimmunerkrankung, bei der - meist postsynaptische - Acetylcholinrezeptoren an den motorischen Endplatten zwischen Neuronen und Muskeln durch körpereigene Antikörper blockiert und letztlich zerstört werden. Die Inzidenz der Myasthenia gravis liegt zwischen 0,2 und 3,5 pro 100 000 Menschen pro Jahr gravis. Die Prävalenz der Erkrankung liegt in Deutschland bei 10-36 pro 100 000 Personen. Die Myasthenie ist eine erworbene Autoimmunerkrankung, die meist durch die Bildung von Autoantikörpern gegen prä- oder postsynaptische Acetylcholinrezeptoren (AChR-Antikörper) entsteht. Weitere bisher bekannte Antikörper richten sich gegen die muskelspezifische Kinase (MuSK-Antikörper) oder gegen das Lipoportein-related Protein 4 (LRP4-Antikörper).

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen der Myasthenia gravis sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass eine Kombination aus genetischen, immunologischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Diskutiert werden vor allem Infektionen durch Viren und Bakterien als Auslöser der Antikörperbildung. Bei einem Teil der Betroffenen können keine Antikörper gefunden werden (sog. seronegative Myasthenie).

Neben autoimmunen Faktoren scheinen Thymusveränderungen bei der multifaktoriellen Genese der Myasthenie eine Rolle zu spielen. Bei den meisten Betroffenen finden sich Thymushyperplasien (in 85%) oder Thymome (10-15%). Auch bestimmte Medikamente, Operationen oder schwere Traumata können eine Myasthenie auslösen oder zu einer Exazerbation führen. Hormonelle Schwankungen, insbesondere bei Frauen, sowie Stressfaktoren können die Symptome verschlimmern.

Symptome und Diagnose

Das Leitsymptom der Myasthenie ist eine abnorme Ermüdbarkeit der quergestreiften Muskulatur bei Belastung. Häufige Frühsymptome umfassen Doppelbilder und Ptosis, Schluck- und Kaustörungen, Veränderungen der Phonation sowie eine generalisierte Schwäche der Extremitäten. Die Beschwerden nehmen im Laufe des Tages zu und sind abends dementsprechend meist stärker ausgeprägt. Eine progrediente Generalisierung von zunächst nur okulären Symptomen ist sehr häufig. Zudem entwickeln 80% der Erkrankten ein ausgeprägtes und häufig therapierefraktäres Fatigue-Syndrom.

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Zur Diagnose werden verschiedene Tests eingesetzt, darunter:

  • Klinische Tests: Beurteilung der Muskelermüdbarkeit durch wiederholte Bewegungen. Ein klinischer Test, der eine abnorme Ermüdbarkeit der Muskulatur bestätigen kann, ist der „Simpson-Test“. Hierbei werden Betroffene darum gebeten, lange nach oben zu blicken - bei Myasthenie-patienten nimmt die Ptose innerhalb einer Minute deutlich zu. Klinische Auffälligkeiten zeigen sich zudem im Arm-, Bein- und Kopfhalteversuch: Die Testungen sind positiv, wenn die Extremitäten oder der Kopf vorzeitig absinken.
  • Blutuntersuchungen: Suche nach Acetylcholinrezeptor-Antikörpern (Anti-AChR-AK). Können diese trotz klinischem Verdacht nicht gefunden werden, sollte nach Antikörpern gegen die muskelspezifische Tyrosinkinase (Anti-MuSK-AK), Antikörper gegen spannungsgesteuerte Calciumkanäle (Anti-VGCC-AK), Antikörper gegen Lipoprotin-related Protein 4 (Anti-LRP4-AK) und Antikörper gegen Agrin (Anti-Agrin-AK) gefahndet werden. Zum Routinelabor gehören kleines Blutbild, CRP, Elektrolyte und Schilddrüsenhormone.
  • Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln bei wiederholter Stimulation. Elektromyographisch können über eine Oberflächenelektrode Potentiale bei repetitiver Stimulation eines Muskels abgelesen werden. Es zeigt sich ein sog. „Decrement“, d. h. eine Abnahme des Muskelsummenaktionspotentials.
  • Pharmakologische Tests: Gabe von Cholinesterasehemmern, um die Symptome vorübergehend zu verbessern. Eine weitere diagnostische Möglichkeit ist der „Edrophoniumtest“: ca. 10mg des stufenweise intravenös verabreichten kurzwirksamen Acetylcholinesterasehemmers erhöhen die Acetylcholinkonzentration im Blut und verbessern somit die Myastheniebeschwerden nach ca. 30 Sekunden für wenige Minuten. Ähnlich funktioniert der Pyridostigmintest, bei dem ein langwirksamer Cholinesterasehemmer 45-60 min. nach oraler Gabe zu einer Verbesserung der Symptomatik führt.
  • Bildgebung: Darstellung des Thorax, um Thymusveränderungen aufzuzeigen. Bei Verdacht auf eine Myasthenie sollte eine Bildgebung des Thorax durchgeführt werden, um etwaige Thymusveränderungen aufzuzeigen.

Therapie

Die Therapie der Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die wichtigsten Therapieansätze sind:

  • Cholinesterasehemmer: Diese Medikamente erhöhen die Acetylcholinkonzentration im synaptischen Spalt und verbessern die neuromuskuläre Übertragung. Die wichtigste symptomatische Basistherapie der Myasthenia gravis sind Cholinesterasehemmer. In der aktuellen Leitlinie wird als Medikament der Wahl für die Langzeitbehandlung Pyridostigmin-Bromid empfohlen, welches auch als retardiertes Präparat zur Verfügung steht. Unerwünschte Nebenwirkungen sind v.a. Übelkeit, Diarrhö, Akkommodationsstörungen und Bradykardien. Bei einer Überdosierung von Cholinesterasehemmern kann es zu einer Exazerbation dieser Symptome im Sinne einer cholinergen Krise kommen. Therapeutisch kann in diesem Fall als Antidot Atropin verabreicht werden. Ein alternativer Cholinesterasehemmer ist Ambenonium-Chlorid, der weniger muskarinerge, aber mehr zentralnervöse Nebenwirkungen verursacht und v.a. bei Pyridostigminunverträglichkeiten angewendet wird. Andere Pharmaka sind Neostigmin, das nur parenteral verfügbar ist und v.a. in der Anästhesie gebraucht wird, und Distigmin-Bromid, das durch eine lange Wirksamkeit schlecht steuerbar ist. Edrophonium-Chlorid ist nur zu diagnostischen Zwecken zugelassen. Obwohl der Mechanismus bislang unklar ist, scheinen zudem Beta2-adrenerge Agonisten die neuromuskuläre Übertragung zu verbessern.
  • Immunsuppressiva: Diese Medikamente unterdrücken das Immunsystem und reduzieren die Antikörperproduktion. Vor allem bei unzureichender Therapie durch Cholinesterasehemmer, aber auch zur Verhinderung des Übertretens einer okulären in eine generalisierte Myasthenie sollten Immunsuppressiva eingesetzt werden. Mittel der Wahl sind hierfür Glukokortikoide in Kombination mit Azathioprin.
  • Thymektomie: Die operative Entfernung der Thymusdrüse kann bei Patienten mit Thymom oder generalisierter Myasthenie sinnvoll sein. Kann ein Thymom nachgewiesen werden, sollte unabhängig vom Schweregrad der Myasthenia gravis eine Thymektomie erfolgen. Bei generalisierter Myasthenie kann dieser Eingriff auch unabhängig von einem Thymomnachweis erfolgen, bei Myastheniepatienten mit Nachweis von MuSK-Antikörpern wird eine Thymektomie hingegen nicht empfohlen.
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG) oder Plasmapherese: Diese Behandlungen können in akuten Krisen eingesetzt werden, um die pathogenen Antikörper zu neutralisieren oder aus dem Blut zu entfernen. Im Falle einer myasthenen Krise können die pathogenen Antikörper durch intravenöse Immunglobuline oder eine Plasmapherese neutralisiert werden.

Ernährungsempfehlungen bei Myasthenie

Einen bestimmten Ernährungsplan müssen Betroffene mit Myasthenia gravis in der Regel nicht befolgen. Die neurologische Fachgesellschaft gibt in ihren Behandlungsleitlinien keine speziellen Ernährungsempfehlungen. Dennoch gibt es einige Aspekte, die bei der Ernährung berücksichtigt werden sollten, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Allgemeine Ernährungstipps

  • Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist wichtig für die allgemeine Gesundheit und kann auch bei Myasthenie hilfreich sein.
  • Leicht verdauliche Mahlzeiten: Bei Schluckbeschwerden sollten leicht verdauliche und weiche Speisen bevorzugt werden. Es gibt eine Reihe von Kochbüchern mit speziellen Rezepten für Patienten mit Schluckstörungen/Dysphagie.
  • Kleine, häufige Mahlzeiten: Um die Muskeln nicht zu überlasten, können kleine, häufige Mahlzeiten über den Tag verteilt werden.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig, um die Muskeln hydriert zu halten und die Verdauung zu fördern.

Spezielle Nährstoffe

Einige Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Nährstoffe eine positive Wirkung auf den Verlauf der Myasthenia gravis haben könnten:

  • Antioxidantien: Oxidationsschäden der Zell- und mitbetroffenen Vesikelmembranen können durch Antioxidanzien (Vitamin E, Vitamin C und selenhaltige Glutathionperoxidase) repariert werden oder durch das zinkhaltige Enzym Phospholipase A2, das wie das ebenfalls zinkhaltige DNA-Repair-Enzym, die geschädigten Teile einfach herausschneidet.
  • Ungesättigte Fettsäuren: Die Zufuhr von reichlich ungesättigten Fettsäuren, wie sie Nachtkerzen-, Borretsch- und Färberdistelöl enthalten.
  • Zink: Zink als Spurenelement wird nicht nur für die Signaltransduktion gebraucht, das heißt es gelangt nicht nur mit jedem exzitatorischen Transmitter in den Synapsenspalt, sondern ist auch katalytischer Bestandteil von wichtigen Enzymen wie DNA-Polymerase, RNA-Polymerase, Thymidinkinase und anderen in die Transkriptionsmaschinerie eingebundenen Enzymen. Zinkmangel in der Ernährung des deutschen Normalverbrauchers ist ein auch von der DGE lange erkanntes Phänomen. Auf lange Sicht könnte sich die Zink-Substitution als kostengünstig herausstellen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Empfehlungen auf begrenzten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und weitere Forschung erforderlich ist. Betroffene sollten sich daher immer von ihrem Arzt oder Ernährungsberater individuell beraten lassen.

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Tipps für die Küche

Gesund zu kochen und die Zeit in der Küche zu genießen, kann mit Myasthenia gravis (MG) eine Herausforderung sein. Menschen mit Myasthenia gravis haben oft Schwierigkeiten ihre Energiereserven einzuteilen.

  • Organisation: Bring alles in Reichweite unter. Alles beginnt mit einer gut organisierten Küche: Fasse Küchenutensilien zu sinnvollen Gruppen zusammen und bewahre Gewürze in Reichweite auf.
  • Vorbereitung: Die richtigen Zutaten erleichtern das Kochen, sparen Zeit und Energie und bieten Ausweichmöglichkeiten für Tage, an denen es dir nicht so gut geht. Vorbereitete Produkte: vorgeschnittenes Gemüse und fertige Salate, die du bereits mit Dressing kaufen kannst, minimieren den Aufwand. Kochboxen sind auch eine sinnvolle Option. Gewürze gezielt einsetzen: All-in-One Gewürzmischungen sowie Knoblauch- und Zwiebelpulver erleichtern das Würzen. Vorrat mit Lebensmitteln für einfache Mahlzeiten: Aufschnitt ist ein guter Notfallplan, wenn du zum Kochen zu erschöpft bist.
  • Küchenhelfer: Viele Küchengeräte helfen dir, Zeit und Kraft zu sparen, von kleinen Küchenhelfern bis hin zu großen Multifunktionsgeräten. Schwere Geräte sollten stets griffbereit sein, um dir schweres Heben zu ersparen. Damit kannst Du beispielsweise Reis oder Bohnen ohne Herd garen.
  • Zeitmanagement: Man muss Zwiebeln nicht direkt vor dem Kochen schneiden. Du kannst das Zubereiten auch in kleine Schritte über den Tag verteilen. Verdopple die Zutaten eines Rezepts und friere die zusätzlichen Portionen ein.
  • Meal Prep: Mit etwas Vorausplanung kannst du Mahlzeiten für mehrere Tage zubereiten. Mach beispielsweise mit denselben Zutaten wie für das Frühstück einen Auflauf und verteile mehrere Portionen über die Woche. Verdopple die Zutaten eines Rezepts und friere die zusätzlichen Portionen ein.

Sport und Bewegung

Prinzipiell kann man nicht nur mit einer Myasthenia gravis Sport treiben, man sollte es auch (im Rahmen der Möglichkeiten durch die Erkrankung). Allerdings muss man als Patient mit einer Myasthenia gravis darauf achten, dass man nicht „in die Ermüdung hineintrainiert“, sondern bereits vorher kurze Pausen einlegt. Wenn gesunde Menschen Sport betreiben, trainieren sie häufig in die Ermüdung hinein. Daran schließen sich eine Erholungsphase und eine Phase der Superkompensation an. Damit gehen Gesunde dann auf einem höheren Niveau in die nächste Trainingseinheit. Das klappt bei Menschen mit Myasthenia gravis nicht. Wenn Myasthenie-Patienten in die Erschöpfung trainieren, sind sie auch am Tag danach noch erschöpft - ohne dabei einen Trainingseffekt zu erzielt zu haben. Bei diesen Betroffenen geht es daher erstmal darum, die Grenze der eigenen Belastbarkeit zu finden und das Training danach anzupassen. In der Praxis bedeutet das beispielsweise: Wenn ein Patient merkt, er kann auf dem Fahrradtrainer zwölf Minuten fahren, bis er erschöpft ist, sollte er nicht dauerhaft zwölf Minuten oder länger trainieren. In diesem Fall ist es sinnvoll, mit dreimal vier Minuten zu beginnen und dazwischen immer wieder kurze Pausen einzulegen. Wenn sich nach zwei oder drei Wochen eine Stabilisierung einstellt, kann beispielsweise auf dreimal fünf Minuten gesteigert werden - wieder mit Pausen dazwischen. So können auch Myasthenie-Patienten einen Trainingseffekt erzielen, ohne danach erschöpft zu sein.

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