Demenz ist eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen und in der Pflege. Sie betrifft nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familien und das Pflegepersonal. Um eine hohe Pflegequalität sicherzustellen, wurden Expertenstandards entwickelt. Dieser Artikel erklärt den Expertenstandard Demenz auf einfache Weise und beleuchtet seine Bedeutung für die Praxis.
Einführung in die Demenz
Demenz ist mehr als nur Vergesslichkeit. Es handelt sich um eine Erkrankung, die durch den Verlust kognitiver Funktionen wie Denkvermögen, Erinnerungsfähigkeit und Entscheidungskraft gekennzeichnet ist. Diese Beeinträchtigungen sind so stark, dass sie die täglichen Aktivitäten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Obwohl Alzheimer die häufigste Ursache ist, gibt es verschiedene Arten von Demenz.
Die Auswirkungen von Demenz sind weitreichend. Kurzzeitgedächtnisverlust ist oft eines der ersten Symptome, aber die Krankheit kann auch die Fähigkeit beeinflussen, zu denken, zu planen, zu organisieren und Probleme zu lösen. Emotional können Menschen mit Demenz Verwirrung, Angst oder Depression erleben. Ein tiefgehendes Verständnis dieser Grundlagen ist entscheidend, um die Herausforderungen und Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu können.
Was ist ein Expertenstandard?
Expertenstandards sind Instrumente zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität. Sie definieren Ziele und Maßnahmen, die für Pflegeeinrichtungen verbindlich sind. Im Gegensatz zu Pflegestandards, die betriebsintern entwickelt werden, berücksichtigen Expertenstandards Informationen aus der Pflegewissenschaft und Erfahrungen aus der Pflegepraxis.
Der Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz"
Der Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz" wurde vom Deutschen Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP) in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat und mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt. Er soll Pflegekräften Empfehlungen und Anleitungen geben, die die Beziehungsgestaltung mit Demenzpatienten erleichtern.
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Ziele des Expertenstandards
Der Expertenstandard Demenz hat das Ziel, bei der Pflege einen individuellen Unterstützungs- und Beziehungsbedarf zu ermitteln und den Bedürfnissen gerecht zu werden. Menschen mit Demenz sollen in der Pflege das Gefühl von Akzeptanz und Verständnis erfahren. Die Expertenstandards des DNQP sollen die Grundlage für eine kontinuierlich verbesserte Qualität der Pflege in Deutschland bilden.
Die fünf Ebenen der Beziehungsgestaltung
Im neuen Expertenstandard wird die Beziehungsgestaltung zu Menschen mit Demenz anhand von fünf Ebenen erfasst:
- Personenzentrierte Haltung: Pflegefachkräfte sollen die Betroffenen durch eine personenzentrierte Haltung in ihrer Einzigartigkeit wahrnehmen.
- Personenzentrierter Maßnahmenplan: Der Maßnahmenplan sollte gemäß Expertenstandard personenzentriert sein und die auf der ersten Ebene ermittelten Unterstützungsbedarfe sowie mögliche fluktuierende Zustände berücksichtigen.
- Information, Anleitung und Beratung: Pflegeeinrichtungen müssen die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um Angehörige individuell informieren, anleiten und beraten zu können.
- Dokumentation: Alle Maßnahmen müssen dokumentiert werden. In der Dokumentation muss begründet sein, warum, welche Maßnahme ausgewählt wurde.
- Evaluation: Die Pflegefachkraft soll gemäß Expertenstandard laufend die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen. Im Idealfall zeigt der Demenzkranke Anzeichen für den Erhalt und die Förderung des Gefühls, dass er gehört, verstanden und angenommen wird.
Die Bedeutung der Beziehungsgestaltung
Die Beziehung zählt zu den wesentlichen Faktoren, die bei Menschen mit Demenz die Lebensqualität steigern können. Durch person-zentrierte Interaktion zwischen Menschen mit Demenz und Pflegenden sowie anderen Menschen kann das Wohlbefinden erhalten und gefördert werden. Die person-zentrierte Beziehungsgestaltung ermöglicht den Menschen mit Demenz wertschätzende Begegnung.
Schritte zur Implementierung des Expertenstandards
Um den Expertenstandard Demenz in einer Pflegeeinrichtung zu implementieren, sind folgende Schritte notwendig:
- Vorbereitung: Schulen Sie Ihre Mitarbeiter und bringen Sie ihnen den Inhalt des Expertenstandards näher.
- Konkretisierung: Setzen Sie sich mit dem Expertenstandard auseinander und arbeiten Sie heraus, welche Prozesse in Ihrer Pflegeeinrichtung angepasst werden müssen.
- Überprüfung: Überprüfen Sie mit Hilfe eines Audit-Instruments, ob die Kriterien umgesetzt wurden.
- Dokumentation: Erheben Sie eine Projektverlaufsdokumentation und notieren Sie, welche Maßnahmen Sie einleiten, um die Kriterien des Expertenstandards umzusetzen.
Die vier Felder der Evaluation
Im Expertenstandard Demenz zählt Ihr fachlicher Blick. Die Bewertung ist kriteriengeleitet und offen für Team, Angehörige und, wo möglich, für die Stimme der Person mit Demenz. Sie orientieren sich an vier Feldern:
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- Stimmung/Affekt (Anspannung oder Entspannung)
- Beziehung/Interaktion (Kontaktaufnahme, Reaktion)
- Betätigung/Eingebundensein (Beteiligung oder Rückzug)
- Sicherheit/Geborgenheit (ruhiger Schlaf, Orientierung, Interesse)
Personenzentrierte Pflege in der Praxis
Ein wichtiger Punkt dieses Expertenstandards ist, dass eine personenzentrierte Pflege von Demenzpatienten gefordert wird. Der Expertenstandard fordert, dass die Beziehungsgestaltung von Akzeptanz, Vertrauen und Respekt geprägt sein sollte. Unterschiede zwischen Patient und Pflegekraft sollen außer Acht gelassen und hingenommen werden.
Was bedeutet das konkret?
- Achten Sie die Selbstbestimmung des Patienten.
- Nehmen Sie die Person unbedingt ernst und respektieren Sie die Selbstbestimmung.
- Fördern Sie eigenständige Aktivität und bleiben Sie tolerant.
- Unterstreichen Sie Ihre Worte immer durch Gestik und Mimik.
- Akzeptieren Sie Verhaltensauffälligkeiten.
- Behalten Sie einen möglichst gleichförmigen Tagesablauf bei.
- Vermeiden Sie Reizüberflutung.
- Bieten Sie gezielt Sinnesanregungen an.
Fallbeispiel: Frau Müller
Frau Müller ist eine 78-jährige Dame, die vor zwei Jahren die Diagnose Alzheimer-Demenz erhielt. Seitdem hat sie zunehmend Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, und zeigt Verhaltensänderungen, die sowohl für sie selbst als auch für ihre Familie herausfordernd sind. Ihr Kurzzeitgedächtnis ist besonders betroffen, und sie vergisst oft, Mahlzeiten einzunehmen oder Medikamente zu nehmen.
Das Pflegeteam führte eine umfassende Beurteilung durch, die sowohl Gespräche mit Frau Müller als auch mit ihrem Ehemann und ihren erwachsenen Kindern umfasste. Dabei wurden ihre körperlichen Fähigkeiten, ihr emotionales Wohlbefinden und ihre sozialen Bedürfnisse erfasst. Die Familie wurde ausführlich über die Erkrankung und den Umgang mit den Herausforderungen beraten.
Das Pflegeteam koordinierte die Einbindung einer lokalen Tagespflegeeinrichtung, organisierte Musiktherapiesitzungen und stellte sicher, dass Frau Müller regelmäßige Gesundheitschecks erhielt. Nach drei Monaten führte das Team eine Evaluation durch, die zeigte, dass Frau Müllers Engagement in den angebotenen Aktivitäten zu einer Verbesserung ihres emotionalen Wohlbefindens geführt hatte.
Herausforderungen und Lösungen
Die Pflege von Menschen mit Demenz stellt zweifellos eine Herausforderung dar, bietet aber auch die Möglichkeit, das Leben der Betroffenen und ihrer Familien positiv zu beeinflussen. Es ist die Verbindung von Fachwissen, Empathie und Engagement, die eine solche Betreuung ermöglicht.
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Umgang mit schwierigen Situationen
Wenn die Worte einer Person mit Demenz verletzen oder Angst ausdrücken, hilft Validation: Aussagen gelten lassen, Gefühle anerkennen, Sicherheit geben, erst dann korrigieren. Dieser Umgang öffnet Türen, die mit Aufklärung allein verschlossen bleiben. Aus Anerkennung wächst Vertrauen, und aus Vertrauen wächst Gestaltungsspielraum als Basis guter Demenzpflege.
Bedeutung der Teamarbeit
Beziehungsgestaltung gelingt, wenn jede Berufsgruppe weiß, warum etwas passiert, und wie sie dazu beiträgt. Pflegefachpersonen halten den roten Faden: Sie prüfen die Verstehenshypothese im Kontakt mit der betreffenden Person, formulieren klare Maßnahmen und dokumentieren kurz, was sich verändert hat. Pflegehilfspersonen tragen das Konzept in die kleinen Momente. Sie sprechen ruhig und klar, beachten nonverbale Signale und geben Rückmeldung.
Fort- und Weiterbildung
Um den Anforderungen des Expertenstandard Demenz gerecht zu werden, müssen sich Pflegekräfte zudem regelmäßig weiterbilden. Es gibt spezielle Kurse, die praxisnah durch alle Handlungsebenen führen und die notwendigen Kompetenzen vermitteln.
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