Eine neurologische Untersuchung ist ein umfassender Prozess, der darauf abzielt, Erkrankungen des Nervensystems zu erkennen und zu beurteilen. Sie beinhaltet verschiedene Tests und Verfahren, die von der Anamnese bis hin zu speziellen technischen Untersuchungen reichen. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die wichtigsten Aspekte und Schritte einer neurologischen Schnelltestung.
Einleitung
Das Nervensystem steuert nahezu alle Körperfunktionen, von der Atmung über Muskelbewegungen bis hin zu Verdauung und Tastsinn. Eine neurologische Untersuchung ist daher von entscheidender Bedeutung, um Störungen in diesem komplexen System zu erkennen. Sie beginnt in der Regel mit einem ausführlichen Gespräch über die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden des Patienten (Anamnese).
Bestandteile der neurologischen Untersuchung
Eine vollständige neurologische Untersuchung umfasst mehrere Schlüsselbereiche:
- Anamnese: Ein ärztliches Gespräch über die Krankengeschichte und derzeitige Beschwerden.
- Psychischer Befund: Beurteilung der Bewusstseinslage des Patienten.
- Vitalzeichen: Tasten der Pulse und Blutdruckmessung.
- Hirnnerven: Untersuchung der zwölf Hirnnerven.
- Motorik: Prüfung von Kraft, Sensibilität, Reflexen und Koordination des Körpers.
- Stand und Gang: Überprüfung des Standes, des Gangs und des Gleichgewichts.
Prüfung von Wachheit, Sensibilität und Motorik
Zu Beginn beurteilt der Arzt die Wachheit (Vigilanz) des Patienten durch gezielte Fragen. Kann der Patient diese korrekt beantworten, wird sein Zustand als „wach und orientiert“ eingestuft.
Anschließend wird die Sensibilität des gesamten Körpers überprüft, einschließlich des Berührungs-, Schmerz-, Temperatur- und Vibrationsempfindens sowie der Wahrnehmung von Lageveränderungen.
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Die Motorik wird ebenfalls untersucht, wobei die Muskelkraft des Patienten in verschiedene Kraftgrade eingeteilt wird, um eventuelle Lähmungen oder Verkrampfungen (Spastiken) zu erkennen.
Prüfung von Koordination, Stand und Gleichgewicht
Die Koordination kann durch den Finger-Nase-Versuch getestet werden, bei dem der Patient mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen den Zeigefinger zur Nase führen muss.
Stand und Gleichgewicht werden beispielsweise mit dem Romberg-Stehversuch überprüft, bei dem der Patient mit geschlossenen Augen, ausgestreckten Armen und eng nebeneinander stehenden Füßen stehen muss.
Mit dem Unterberger-Tretversuch testet man Stand, Gang und Gleichgewicht: Hier muss der Patient mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen 50 bis 60 Schritte auf der Stelle machen. Die Knie sollen dabei immer auf Hüfthöhe angehoben werden.
Überprüfung der Hirnnerven
Die zwölf Hirnnerven werden einzeln überprüft, um ihre jeweilige Funktion zu beurteilen:
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- I. Nervus olfactorius (Riechen): Überprüfung durch Riechtests mit Substanzen wie Kaffee, Vanille oder Pfefferminze, wobei jedes Nasenloch separat getestet wird. Evtl. Prüfung mit Trigeminusreizstoff (Ammoniak).
- II. Nervus opticus (Sehen): Prüfung der Sehschärfe mit standardisierten Sehprobentafeln, Untersuchung des Gesichtsfelds (Fingerperimetrie), Beurteilung des Fundus (Papille, Gefäße, Farbsinn) und der Pupillenreaktion auf Licht.
- III., IV., VI. Nervus oculomotorius, trochlearis, abducens (Augenbewegung): Untersuchung der Augenachsen (Schielstellung?) und der Okulomotorik.
- V. Nervus trigeminus (Kauen und Sensibilität): Prüfung der Motorik (M. masseter, M. temporalis, M. pterygoideus), des Masseterreflexes und des Kornealreflexes. Der Arzt streicht dem Patienten über das Gesicht und fragt, ob er die Berührung spürt. Dann drückt er oberhalb der Augenbrauen, unterhalb der Augen und am Kinn auf die Austrittspunkte der Nerven.
- VII. Nervus facialis (Mimik und Geschmack): Beurteilung der Gesichtsmimik (Zähne zeigen, Pfeifen, Backen aufblasen, Mund spitzen, Augen zukneifen, Stirnrunzeln, Nase rümpfen) und des Geschmacksempfindens.
- VIII. Nervus vestibulocochlearis (Hören und Gleichgewicht): Überprüfung des Gehörs und des Gleichgewichts.
- IX. Nervus glossopharyngeus (Schlucken): Inspektion des Rachens und Beurteilung des Schluckvermögens.
- X. Nervus vagus (Steuerung innerer Organe): Erfragen von Auffälligkeiten beim Herzschlag, der Atmung oder der Verdauung. Parese Gaumensegel: Abweichen zur gesunden Seite. Würgereflex: s. Glossopharyngeus (mot.)
- XI. Nervus accessorius (Teil der Kopfmuskulatur): Prüfung der Kraft des M. sternocleidomastoideus durch Drehen des Kopfes gegen Widerstand und Inspektion auf Muskelatrophie oder -hypertrophie.
- XII. Nervus hypoglossus (Zunge): Beurteilung der Zungenmotorik (Zunge herausstrecken und bewegen).
Prüfung der Reflexe
Die neurologische Untersuchung beinhaltet auch die Prüfung der Reflexe, sowohl der Muskeleigenreflexe (z.B. Bizepssehnenreflex) als auch der Fremdreflexe. Zudem werden die Primitivreflexe getestet, die beim Gesunden nicht mehr auslösbar sein sollten.
Technische Untersuchungen
Neben der klinischen Untersuchung können verschiedene technische Untersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern und die Ursache der neurologischen Störung zu ermitteln. Zu den häufigsten gehören:
- Elektromyografie (EMG): Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln, um Schädigungen der Nerven oder Muskeln festzustellen.
- Elektroneurografie (NLG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um Schädigungen der Nervenhüllen (Myelinscheiden) zu erkennen.
- Elektroenzephalografie (EEG): Aufzeichnung der Hirnströme, um Funktionsstörungen des Gehirns zu untersuchen (z.B. bei Epilepsie).
- Evozierte Potentiale: Messung der Hirnaktivität als Reaktion auf bestimmte Reize (visuell, akustisch, sensibel), um die Funktion der entsprechenden Nervenbahnen zu beurteilen.
- Doppler-Sonografie: Ultraschalluntersuchung der Blutgefäße im Gehirn und Hals, um Verengungen oder Verschlüsse zu erkennen.
- Magnetstimulation: Hierbei wird die Nervenbahn vom Innenohr über den Hörnerven bis zu den für das Hören zuständigen Gehirnzentren untersucht.
- Bildgebende Verfahren (CT, MRT): Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglichen die Darstellung von Gehirnstrukturen und können Veränderungen wie Durchblutungsstörungen, Blutungen oder Tumoren sichtbar machen.
Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG)
Die Elektromyographie (EMG) misst die elektrische Aktivität der Muskeln mithilfe einer dünnen Nadelelektrode, die in den Muskel eingeführt wird. Diese Untersuchung dient dazu, Schädigungen des zuführenden Nerven oder des Muskels selbst festzustellen.
Die Elektroneurographie (ENG) bestimmt die Geschwindigkeit der Nervenleitung, indem Nerven in den Armen oder Beinen elektrisch gereizt werden. Eine Verlangsamung der Nervenleitung deutet auf eine Schädigung der Nervenhülle (Myelinscheide) hin.
Elektroenzephalographie (EEG)
Das Elektroenzephalogramm (EEG) zeichnet die spontane elektrische Aktivität des Gehirns auf. Dabei werden Elektroden an der Kopfhaut befestigt, um die Hirnströme abzuleiten. Das EEG wird zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns eingesetzt, insbesondere bei Verdacht auf Epilepsie.
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Evozierte Potentiale
Evozierte Potentiale sind Hirnstromaktivitäten, die durch Sinnesreize ausgelöst werden. Die Messung evozierter Potentiale ermöglicht eine objektive Darstellung von Störungen und eignet sich für Verlaufsuntersuchungen. Es gibt verschiedene Arten von evozierten Potentialen, je nach Art des Reizes:
- Sensibel evozierte Potentiale (SEP): Untersuchen die Leitung im sensiblen System (z.B. Berührungsempfinden).
- Visuell evozierte Potentiale (VEP): Untersuchen die Sehbahn vom Auge bis zur Sehrinde im Gehirn.
- Akustisch evozierte Potentiale (AEP): Untersuchen die Hörbahn vom Innenohr bis zu den Hörzentren im Gehirn.
Doppler-Sonographie
Die Doppler-Sonographie ist eine Ultraschalluntersuchung, die den Blutfluss in den Arterien von Hals (Halsschlagader, Carotis), Nacken und im Schädelinneren untersucht. Sie dient der Diagnose von Gefäßerkrankungen, insbesondere von Verengungen (Stenosen) oder Verschlüssen.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie (MRT), auch Kernspintomographie genannt, ist ein bildgebendes Verfahren, das ohne Röntgenstrahlen auskommt und sehr detaillierte Bilder von Weichteilstrukturen liefert. Sie eignet sich besonders gut für Untersuchungen des Gehirns, Rückenmarks und der Nerven.
Weitere Untersuchungen
Je nach Fragestellung können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z.B.:
- Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser aus dem Wirbelsäulenkanal zur Untersuchung auf Entzündungen oder andere Erkrankungen des Nervensystems.
- Psychometrische Tests: Zur Überprüfung des Verlaufs einer Demenz sind neben der Krankengeschichte zunächst einfache psychometrische Testverfahren wie der MMSE (Mini-Mental State Examination), der Uhrentest oder der DemTect.
Neurologische Notfall-Untersuchung
In Notfallsituationen ist eine schnelle und fokussierte neurologische Untersuchung entscheidend. Dabei werden insbesondere folgende Aspekte beurteilt:
- Bewusstsein: Quantifizierung mit der Glasgow Coma Scale (GCS) oder dem FOUR-Score, Beurteilung der Orientierung.
- Sprache und Sprechen: Erkennen von Sprechstörungen (Dysarthrie) oder Sprachstörungen (Aphasie).
- Hirnnerven: Überprüfung von Pupillenreaktion, Gesichtsfeld, Augenmotilität, Gesichtssensibilität, Gesichtsmimik und Zungenmotorik.
- Motorik: Prüfung der Kraft und Sensibilität der Extremitäten, Beurteilung von Koordination und Stand.
- Reflexe: Überprüfung der Muskeleigenreflexe und des Babinski-Reflexes.
Schlaganfall-Schnelltest (FAST-Test)
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall kann der FAST-Test helfen, die Symptome schnell zu erkennen:
- F (Face): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
- A (Arms): Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
- S (Speech): Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist die Sprache verwaschen oder unverständlich, liegt möglicherweise eine Sprachstörung vor.
- T (Time): Wählen Sie sofort den Notruf 112, wenn eines dieser Symptome auftritt. Zeit ist entscheidend, um das Ausmaß der Schäden im Gehirn zu minimieren.
Neuropathie-Diagnostik
Bei Verdacht auf Neuropathie (Nervenschädigung) werden spezielle neurologische Tests durchgeführt, um die Sensibilität, das Vibrationsempfinden, das Temperaturempfinden und die Muskelreflexe zu überprüfen.
Ursachen von Neuropathien
Neuropathien können verschiedene Ursachen haben, wie z.B.:
- Diabetes mellitus: Diabetische Neuropathie ist eine häufige Komplikation von Diabetes.
- Vitamin-B1-Mangel: Ein Mangel an Vitamin B1 kann ebenfalls zu Neuropathien führen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann Nervenschäden verursachen.
- Andere Erkrankungen: Neuropathien können auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auftreten, wie z.B. Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder Infektionen.
Symptome von Neuropathien
Typische Symptome von Neuropathien sind:
- Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühle in den Füßen oder Händen.
- Schmerzen.
- Muskelschwäche.
- Gleichgewichtsstörungen.
Behandlung von Neuropathien
Die Behandlung von Neuropathien richtet sich nach der Ursache. Bei diabetischer Neuropathie ist eine gute Blutzuckereinstellung wichtig. Bei Vitamin-B1-Mangel kann die Einnahme von Vitamin-B1-Präparaten helfen. Zudem können Medikamente zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
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