Das Bewusstsein ist eine komplexe Funktion des Gehirns, die es uns ermöglicht, unsere eigene Existenz zu reflektieren und mit der Umgebung zu interagieren. Es kann quantitativ (Bewusstseinsgrad, Wachheit) und qualitativ (Bewusstseinsinhalt) beschrieben werden. Ein Koma stellt die schwerste Form einer quantitativen Bewusstseinsstörung dar und ist mit dem Verlust aller kognitiven Fähigkeiten, der elektiven Reagibilität und der Erweckbarkeit verbunden. Komatöse Patienten interagieren nicht mit ihrer Umwelt.
Grundlagen des Bewusstseins und Koma
Bewusstsein setzt Wachheit („arousal“) und höhere Hirnfunktionen („content“) voraus. Letztere umfassen affektive und kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Antrieb, exekutive Funktionen (Handlungskontrolle, Flexibilität des Verhaltens, Adaptation an die Umwelt). Die Wachheit ist an eine weitgehend ungestörte Funktion des aszendierenden retikulären aktivierenden Systems (ARAS) gebunden. Es handelt sich um eine Gruppe von Neuronen des rostralen Pons, des Mittelhirns, des Thalamus und des Hypothalamus. Die oben genannten höheren Hirnfunktionen hingegen lokalisieren sich vornehmlich in den Kortex und seine Verbindungen zur subkortikalen weißen Substanz.
Voraussetzung für die Entstehung des Komas ist eine beidseitige supratentorielle oder Zwischenhirn-Schädigung, die das ARAS oder seine kortikalen Projektionen unterbricht. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um eine funktionelle oder strukturelle bzw. um eine primäre (z. B. Schädel-Hirn-Trauma) oder sekundäre (z. B. metabolische) Schädigung handelt. Die Ursache des Komas entscheidet weniger über die klinische Ausprägung als über die zeitliche Dynamik der Bewusstseinsstörung. Koma kann verursacht werden durch strukturelle, toxische, metabolische und entzündliche Ursachen sowie durch epileptische Aktivität. Ein Koma entsteht in der Regel im Rahmen einer akuten Erkrankung, kann sich in der Folge aber zu einer chronischen Bewusstseinsstörung entwickeln, z. B. im Sinne eines Syndroms der reaktionslosen Wachheit.
Das Kontinuum der Wachheitsgrade reicht von Wachheit über Somnolenz, Sopor bis zum Koma, wobei die Begriffe „Somnolenz“ und „Sopor“ nur unscharf definiert sind. Der Stupor wird z. B. bei psychiatrischen Erkrankungen beobachtet (depressiver Stupor, katatoner Stupor), kommt aber auch bei neurologischen Erkrankungen vor, z. B. dem Status epilepticus non-convulsivus. Es handelt sich um eine qualitative Bewusstseinsstörung, bei der weniger die Wachheit als die Bewusstseinsinhalte gestört sind. Die motorische und geistige Aktivität sind in der Regel stark eingeschränkt. Die Augen sind zumeist geöffnet, der Patient reagiert aber nicht oder nur deutlich vermindert auf externe Stimuli. Ein somnolenter Patient ist durch Ansprache jederzeit erweckbar - d. h. er öffnet die Augen und verhält sich dann zunächst adäquat. Ein soporöser Patient ist durch Ansprache nicht erweckbar. Auch bei kräftiger Stimulation (Schütteln, Schmerzreiz) wird er nur kurz wach und öffnet die Augen. Er ist zu Lautäußerungen, nicht aber zu einer Kommunikation fähig. Der komatöse Patient zeigt auf Schmerzreiz lediglich ungerichtete Reaktionen (leichtes, oberflächliches Koma) oder auch auf stärksten Schmerzreiz keine Reaktion (tiefes Koma). Der komatöse Patient ist bewusstlos, die Augen bleiben geschlossen, und eine Kommunikation ist unmöglich.
Die Tiefe des Komas kann anhand des Vorhandenseins oder Fehlens anderer Merkmale abgeschätzt werden. Alternativ kann die Schwere der Bewusstseinsstörung mit der Glasgow Coma Scale ermittelt werden. Diese Skala wurde ursprünglich für Patienten mit akutem Schädel-Hirn-Trauma entwickelt. Ihre Vorteile sind die einfache Handhabung sowie die standardisierbare und reproduzierbare Durchführbarkeit. Ein Nachteil ist, dass die Lokalisation der Schädigung nicht berücksichtigt wird. So wird z. B. ein Patient mit einem linksseitigen Mediainfarkt und einer Aphasie einen niedrigeren Punktwert erhalten und als tiefer komatös eingestuft als ein Patient mit einem rechtsseitigen Mediainfarkt, der keine Aphasie aufweist.
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Ursachen für Koma
Koma kann verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Strukturelle intrakranielle Erkrankungen: Zerebrovaskuläre Erkrankungen wie Hirnstamm-Infarkte oder große, ggf. bds. hemisphärielle Infarkte.
- Metabolische Störungen: Hypoxie, Hyperglykämie, Hypoglykämie, NNR-Insuffizienz (Addison-Krise), Hypothyreose, Thyreotoxikose, Hepatisches Koma, Urämisches Koma, Hyponatriämie, Hypernatriämie, Hypokaliämie, Hypokalzämie, Hyperkalzämie.
- Toxische Ursachen: Medikamente, Drogen, Alkohol.
- Entzündliche Ursachen: Meningitis, Enzephalitis.
- Epileptische Aktivität: Status epilepticus.
Es ist zu beachten, dass strukturelle Läsionen, die nahezu symmetrisch beide Hemisphären betreffen (wie z. B. multiple Infarkte oder eine Thrombose der inneren Hirnvenen), eine metabolische Ursache vortäuschen können. Andererseits kann eine Stoffwechselentgleisung insbesondere bei älteren Patienten klinisch zu einer fokalen Betonung der neurologischen Ausfälle führen und somit eine strukturelle Läsion vortäuschen. Dies gilt insbesondere für die Hypoglykämie. Entsprechend zwingend sind aus diesen Gründen bei den meisten komatösen Patienten die neuroradiologische Untersuchung sowie ggf. Lumbalpunktion.
Diagnostik bei Koma
Die initiale Diagnostik und Behandlung muss zügig erfolgen. Nach Sicherung der Vitalfunktionen erfolgt die Suche nach der Ursache des Komas. Unbedingt muss eine Fremdanamnese erhoben werden, die frühere Krankheiten, derzeitige Medikation, zeitliche Dynamik der Komaentstehung und Beschwerden in der unmittelbaren Vorgeschichte umfasst. Es schließt sich eine kurze allgemeine und neurologische Untersuchung an.
Bei der allgemeinen Untersuchung wird insbesondere auf Herz-Kreislauf-Funktion, Atemfunktion, Atmungsform, Geruch der Atemluft, Verletzungen, Hauterscheinungen und Fieber geachtet. Die neurologische Untersuchung dient der Ermittlung der Komatiefe und soll insbesondere klinische Zeichen einer epileptischen Aktivität ausschließen.
Ergeben sich Hinweise auf eine fokale Läsion (z. B. durch Asymmetrie der klinischen Befunde), so ist eine strukturelle Hirnschädigung (Ischämie, Blutung, Schädel-Hirn-Trauma, Tumor) wahrscheinlicher als eine metabolische Entgleisung.
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Zunächst muss immer eine Hypoglykämie ausgeschlossen oder ggf. mittels Gabe von Glukose (16-25 g i.v.) behandelt werden. Falls Hinweise auf das Vorliegen einer Wernicke-Enzephalopathie bestehen, sollten zusätzlich zur Glukoseinfusion 300 mg Thiamin i.v. verabreicht werden, da die alleinige Gabe von Glukose bei Patienten mit Thiaminmangel eine Wernicke-Enzephalopathie hervorrufen kann. Bei andauerndem Koma und weiterhin unklarer Komaursache sollte die Thiamin-Gabe fortgeführt werden.
Fiebermanagement bei Koma nach Schlaganfall
Fieber ist definiert als eine Erhöhung der Körpertemperatur, die als ein Teil der Immunantwort und der Infektabwehr fungiert. Fieber kann bei komatösen Patienten verschiedene Ursachen haben, darunter Infektionen (z.B. Pneumonie, Harnwegsinfekte), ZNS-Erkrankungen oder Medikamente.
Bedeutung des Fiebermanagements
Zahlreiche tierexperimentelle Studien konnten zeigen, dass Hyperthermie und Fieber eine sekundäre Hirnschädigung nach Schlaganfall aggravieren können. Daher ist ein konsequentes Fiebermanagement bei komatösen Patienten nach Schlaganfall von großer Bedeutung.
Maßnahmen zur Fiebersenkung
- Medikamentöse Therapie: Paracetamol und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen können zur Fiebersenkung eingesetzt werden.
- Physikalische Maßnahmen: Kühlende Umschläge, Kühlmatten oder Kühlkatheter können zur Senkung der Körpertemperatur eingesetzt werden. Die Abkühlung des Organismus unter 36 Grad Celsius zählt derzeit zur besten Therapie nach einer Wiederbelebung, um Gehirnschäden zu reduzieren. In der Pilotstudie COTTIS-1 konnten wir die Durchführbarkeit und Sicherheit einer sofort eingeleiteten intraischämischen Hypothermie auf 35°C mit nicht-invasiver transnasaler Kühlung durch RhinoChill® (BrainCool) und anschließender Oberflächenkühlung für 6 Stunden nach der Rekanalisation bei sedierten und intubierten Patienten mit LVO, die eine EVT bekamen, nachweisen.
- Identifizierung und Behandlung der Ursache: Es ist wichtig, die Ursache des Fiebers zu identifizieren und gezielt zu behandeln (z.B. Antibiotika bei bakteriellen Infektionen).
Gezieltes Temperaturmanagement (TTM)
Die aktuellen Leitlinien empfehlen ein gezieltes Temperaturmanagement (TTM) für mindestens 24 h mit einer Zieltemperatur zwischen 32,0 und 36,0 °C für alle Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand, die nach Wiedereinsetzen des Spontankreislaufs das Bewusstsein innerhalb kurzer Zeit nicht wiedererlangen. Das TTM stellt die bisher einzige, nachgewiesene neuroprotektive Maßnahme zur Verbesserung des funktionellen Outcomes bei komatösen Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand dar.
Mit dem Ziel, das neurologische Outcome nach erfolgreicher Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand mit nicht-defibrillierbarem Rhythmus zwischen 2 TTM-Regimes zu vergleichen, wurde auf 25 französischen Intensivstationen eine randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt: 1) moderate Hypothermie von 33 °C für 24 h mit anschließender Wiedererwärmung nach einer vordefinierten Rate von 0,25-0,5 °C/h und 2) Normothermie von 36,5-37,5 °C für 48 h. Dafür wurden erwachsene Patienten nach erfolgreicher Reanimation mit Koma (Glasgow Coma Skala ≤8) nach prä- oder innerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand mit nicht-defibrillierbarem Rhythmus eingeschlossen. Daten von 581 Patienten konnten analysiert werden. Etwas mehr als ein Viertel (27,4 %) der Studienteilnehmer wiesen einen innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand auf; bei zwei Drittel war eine nichtkardiale Ursache festzustellen. Nach 90 Tagen zeigte sich bei 10,2 % (n = 29 von 284) der Hypothermiegruppe und bei 5,7 % (n = 17 von 297) der Normothermiegruppe ein gutes funktionelles Outcome (p = 0,04). Hinsichtlich des sekundären Endpunkts Mortalität nach 90 Tagen war kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachweisbar (Hypothermie: 81,3 % vs. Normothermie: 83,2 %). Die Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse unterschied sich nicht signifikant zwischen der Hypothermie- und der Normothermiegruppe.
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Differenzialdiagnosen des Komas
Verschiedene Syndrome sind dem Koma ähnlich und können zu Verwechslungen Anlass geben. Sowohl die Klassifikation als auch die Nomenklatur dieser Syndrome sind derzeit im Fluss, da insbesondere durch funktionelle bildgebende Verfahren zunehmend neue Erkenntnisse gewonnen werden. So konnten in Einzelfällen Reaktionen auf Stimuli auch bei solchen Patienten sichtbar gemacht werden, die allein auf der Basis der klinischen Untersuchung als reaktionslos galten.
- Locked-in-Syndrom: Tetraplegie und Lähmung fast aller motorischen Hirnnerven, lediglich vertikale Augenbewegungen und Lidbewegungen sind möglich. Die Patienten sind bei Bewusstsein, nehmen ihre Umgebung wahr und haben in der Regel auch keine kognitiven Störungen. Ursache ist eine bilaterale Zerstörung der ventralen Brückenanteile mit den hier verlaufenden motorischen Efferenzen, die zu einer supranukleären motorischen Deefferenzierung führt.
- Schwere neuromuskuläre Erkrankungen: Guillain-Barré-Syndrom, Myasthenia gravis, paralytische Poliomyelitis oder schwere Hypokaliämie können eine Tetraparese und eine Parese der Hirnnerven entwickeln - ein Zustand, der Ähnlichkeit mit einem Koma oder einem Locked-in-Syndrom aufweist.
- Wachkoma (apallisches Syndrom): Entsteht durch ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, wobei das Großhirn oder Teile davon betroffen sind. Es kann zu einem funktionellen Ausfall der gesamten Großhirnfunktion kommen. Erhalten bleiben bei einem apallischen Syndrom die Funktionen von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark. Dadurch wirken die Betroffenen wach, haben aber aller Wahrscheinlichkeit nach kein Bewusstsein und nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Kommunikation. Studien zufolge erweisen sich bis zu 40 % der Wachkoma-Diagnosen als falsch.
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