Langfristige Auswirkungen einer Sepsis auf das Gehirn: Was wir wissen

Sepsis, oft als Blutvergiftung bezeichnet, ist eine lebensbedrohliche Komplikation einer Infektion. Jährlich sterben in Deutschland über 100.000 Menschen an oder mit einer Sepsis. Weltweit wird geschätzt, dass etwa einer von fünf Todesfällen auf Sepsis zurückzuführen ist. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung sowie verbesserte Präventionsmaßnahmen könnten viele dieser Todesfälle verhindern.

Eine Sepsis entsteht durch eine außer Kontrolle geratene Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Diese Reaktion bekämpft nicht nur die Erreger, sondern schädigt auch die eigenen Organe. In schweren Fällen kann dies zum Versagen lebenswichtiger Organsysteme führen, was eine intensivmedizinische Versorgung erforderlich macht. Der septische Schock, die schwerste Form der Sepsis, ist durch einen extremen Blutdruckabfall gekennzeichnet, der die Sauerstoffversorgung lebenswichtiger Organe, einschließlich des Gehirns, beeinträchtigt.

Die Symptome einer Sepsis werden oft zu spät oder gar nicht erkannt. Die Weltgesundheitsorganisation forderte daher im Jahr 2017, dass alle Mitgliedsstaaten nationale Maßnahmen ergreifen, um Sepsis zu vermeiden, ihre Früherkennung und Diagnose zu verbessern und Sepsispatienten besser zu behandeln.

Mögliche Folgen einer Sepsis für das Gehirn

Eine Sepsis kann nicht nur den Körper schwächen, sondern auch langfristige Auswirkungen auf das Gehirn und das Lernverhalten haben.

Neuroinflammation und Mikrogliazellen

Neuroinflammation, also entzündliche Prozesse im Gehirn, spielen bei einer Sepsis eine wichtige Rolle. Mikrogliazellen, die Immunzellen des Gehirns, gehören zum angeborenen menschlichen Immunsystem. Wenn Krankheitserreger das Gehirn befallen, aktivieren sie spezielle Proteinkomplexe, sogenannte Inflammasome. Diese lösen eine entzündliche Reaktion im Gehirn aus, um die Krankheitserreger unschädlich zu machen.

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Langfristige Auswirkungen auf das Gehirn

Wissenschaftler haben gezeigt, dass eine Sepsis eine chronische Entzündung des Gehirns verursachen und somit langfristige negative Konsequenzen haben kann. In einer Studie mit Mäusen wurde festgestellt, dass die Nervenzellen der Tiere weniger Synapsen aufwiesen und die synaptische Plastizität eingeschränkt war. Dadurch lernten die Tiere im Verhaltenstest schlechter als die Kontrollgruppen. Interessanterweise waren die Folgen einer Neuroinflammation durch eine Sepsis bei älteren Mäusen nach drei Monaten noch deutlicher zu sehen als bei jüngeren Mäusen.

Die Rolle des Inflammasoms NLRP3

Das Forscherteam vermutete, dass die entzündlichen Reaktionen im Gehirn der Mäuse durch das Inflammasom NLRP3 ausgelöst werden. Weitere Untersuchungen mit Knockout-Mäusen, die kein NLRP3-Molekül produzierten, und mit Mäusen, bei denen das NLRP3 mit Wirkstoffen akut gehemmt wurde, zeigten, dass ohne das NLRP3 keine chronischen Entzündungen im Gehirn entstanden. Dadurch hatte die Sepsis auch keine negativen Auswirkungen auf das Lernverhalten der Tiere.

Diese Ergebnisse eröffnen Möglichkeiten für eine therapeutische Behandlung mit Wirkstoffen, die gezielt das NLRP3 hemmen und so mögliche negative Konsequenzen für das Gehirn verhindern könnten, ohne das Immunsystem im Ganzen einzuschränken.

Sepsis und Alzheimer

Das Inflammasom NLRP3 spielt auch bei verschiedenen Entzündungsreaktionen eine Rolle, vermutlich auch bei der Alzheimer-Krankheit. Wissenschaftler haben die langfristigen Auswirkungen einer Sepsis auf das Gehirn von Mäusen untersucht, die Symptome ähnlich denen von Alzheimer-Patienten entwickeln. Es zeigte sich, dass ältere Mäuse mit teilweise vorhandener Alzheimer-Symptomatik von der immunologischen Reaktion durch NLRP3 noch stärker betroffen waren als die älteren Mäuse ohne die Alzheimer-Symptome. Das Gehirn der Alzheimer-Mäuse scheint aufgrund der Erkrankung schon auf entzündliche Prozesse voreingestellt zu sein und deshalb vermutlich schneller und stärker darauf anzuspringen.

Weitere mögliche Folgen

Neben den oben genannten Auswirkungen kann eine Sepsis auch zu einer Reihe weiterer körperlicher und seelischer Beschwerden führen, darunter:

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  • Erhöhter Energieumsatz und Mangelernährung: Während einer Sepsis benötigt der Körper mehr Energie und Nährstoffe. Auch nach einer Sepsis kann dieser erhöhte Energieumsatz für längere Zeit anhalten, was zu Mangelernährung führen kann.
  • Schlafstörungen: Ständige Geräusche, nächtliche Beleuchtung und Unterbrechungen des Schlafes auf der Intensivstation können zu Schlafstörungen führen, die auch nach der Krankenhausentlassung fortbestehen können.
  • Psychische Beschwerden: Rund 30% der Patienten leiden nach ihrer Behandlung auf einer Intensivstation an depressiven Symptomen oder Angstzuständen.
  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Die Sepsiserkrankung und die folgende Intensivtherapie können traumatisierend sein und zu einer PTBS führen.
  • Gedächtnisstörungen: Nach einer Sepsis kann es zu kurz- oder langfristigen Gedächtnisstörungen kommen.
  • Erhöhtes Infektionsrisiko: Sepsis und Intensivbehandlung können den Körper schwächen, weshalb ein höheres Risiko besteht, an einer erneuten schweren Infektion oder Sepsis zu erkranken.
  • Critical Illness Polyneuropathie/Myopathie: Diese Erkrankung von Nerven oder Muskeln nach Intensivtherapie kann zu chronischen Schmerzen und Muskelschwäche/-abbau führen.
  • Chronischer Schmerz: Chronischer Schmerz wird als häufige Langzeitkomplikation der Sepsis beschrieben.
  • Beeinträchtigung von Sinnesorganen: Riechen, Hören, Schmecken und Schlucken können nach einer Sepsis beeinträchtigt sein.
  • Eingeschränkte Alltagsfähigkeiten: Unter anderem bedingt durch die oben dargestellten körperlichen und seelischen Folgen kann es nach einer schweren Erkrankung wie der Sepsis nur eingeschränkt möglich sein, alltägliche Tätigkeiten in gewohnter Weise durchzuführen.

Rehabilitation und Unterstützung

Um die Alltagsfähigkeiten zu verbessern, gibt es verschiedene Rehabilitationsangebote und ambulante oder stationäre Therapiemöglichkeiten. Diese schließen Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie mit ein. Es kann auch notwendig sein, zeitweise oder dauerhaft Pflege und andere Unterstützung in Anspruch nehmen zu müssen.

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