Frontotemporale Demenz und Essverhalten: Eine umfassende Betrachtung

Demenz ist ein Begriff, der oft mit Gedächtnisverlust und Verwirrung assoziiert wird. Es existieren jedoch verschiedene Demenzformen, die sich in ihren Symptomen und Auswirkungen unterscheiden. Eine davon ist die frontotemporale Demenz (FTD), eine seltene Form, die vor allem Menschen unter 65 Jahren betrifft. Die FTD äußert sich durch Veränderungen in der Persönlichkeit, im Sozialverhalten und in den sprachlichen Fähigkeiten. Darüber hinaus kann sie sich speziell beim Essen zeigen, indem sie die Essgewohnheiten der Betroffenen verändert.

Was ist frontotemporale Demenz (FTD)?

Die frontotemporale Demenz (FTD), früher auch als Morbus Pick bekannt, ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, die vor allem Menschen im jüngeren Lebensalter, also vor dem 65. Lebensjahr, betrifft. Sie macht etwa 3 bis 9 Prozent aller Demenzerkrankungen aus. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, die primär das Gedächtnis beeinträchtigt, manifestiert sich die FTD vor allem durch Veränderungen im Verhalten, der Persönlichkeit und der Sprache. Die US-Moderatorin Wendy Williams machte ihre Diagnose vor kurzem öffentlich und rückte die Krankheit ins öffentliche Bewusstsein.

Bei der FTD kommt es zu einer Störung und letztendlich zum Zelluntergang des Stirn- und Schläfenlappens des Gehirns. Diese Bereiche sind für wichtige Funktionen wie Persönlichkeit, Verhalten, Sprache und soziale Interaktion zuständig. Im Laufe der Erkrankung schrumpfen die betroffenen Hirnregionen zunehmend, was zu den vielfältigen Symptomen der FTD führt.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für die Entstehung einer FTD sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. In etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle tritt die FTD familiär gehäuft auf und ist auf Mutationen in bestimmten Genen zurückzuführen.

Ein weiterer Risikofaktor ist übermäßiger Alkoholkonsum, der insbesondere bei jüngeren Menschen die Entstehung einer frühen Demenz begünstigen kann.

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Symptome der frontotemporalen Demenz

Die Symptome einer FTD können sehr vielfältig sein und hängen davon ab, welche Hirnregionen vorrangig betroffen sind. Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptvarianten unterscheiden:

  • Verhaltensvariante (bvFTD): Bei dieser Form stehen Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit im Vordergrund. Betroffene zeigen häufig Enthemmung, Apathie, Verlust von Empathie, zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten, verändertes Essverhalten und fehlende Einsicht in ihre Erkrankung.
  • Sprachvariante (PPA): Bei dieser Form ist in erster Linie die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt. Es kommt zu Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben. Die Sprachvariante wird nochmals in verschiedene Unterformen unterteilt, je nachdem welche sprachlichen Fähigkeiten besonders betroffen sind:
    • Semantische Unterform: Schwierigkeiten, Bezeichnungen und Gegenstände in Einklang miteinander zu bringen.
    • Progrediente nicht-flüssige/agrammatische Unterform: Schwierigkeiten, flüssig zu sprechen und Sätze zu bilden.
    • Logopenische Unterform: Probleme beim Finden der richtigen Wörter.

Im fortgeschrittenen Stadium der FTD können Symptome beider Varianten auftreten.

Verändertes Essverhalten als Symptom der FTD

Eine Veränderung des Essverhaltens ist ein häufiges und oft frühes Symptom der FTD, insbesondere bei der Verhaltensvariante. Betroffene können folgende Veränderungen zeigen:

  • Erhöhte Nahrungsaufnahme: Deutlich mehr essen und trinken als früher.
  • Zwanghaftes Essverhalten: Nahrung zwanghaft oder auf unangemessene Weise zu sich nehmen.
  • Selektive Ernährung: Sich auf bestimmte Lebensmittel beschränken.
  • Binge Eating: Essanfälle.
  • Heißhungerattacken: Starkes Verlangen nach Süßigkeiten oder kohlenhydratreichen Lebensmitteln.
  • Schlechte Tischmanieren: Ungewöhnliches oder unpassendes Verhalten beim Essen.

Eine Studie der University of New South Wales in Sydney aus dem Jahr 2011 verglich die Essgewohnheiten von FTD-Patienten im Frühstadium mit denen gesunder Probanden. Die Forscher stellten fest, dass die Demenz-Patienten tendenziell übermäßig aßen, eine Vorliebe für Süßigkeiten hatten und verstärkt dieselben Lebensmittel konsumierten. Eine ältere Studie der University of Cambridge aus dem Jahr 2002 zeigte zudem, dass sich das Essverhalten von FTD-Patienten von Personen mit Alzheimer unterschied.

Weitere Anzeichen für frontotemporale Demenz

Neben dem veränderten Essverhalten gibt es weitere Anzeichen, die auf das Vorliegen einer FTD hindeuten können:

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  • Enthemmung: Vermindertes soziales Verhalten, Beleidigungen, Anstarren von Fremden, unangemessene Berührungen, Stehlen oder Aggressivität.
  • Apathie: Abnehmendes Interesse an Hobbys und persönlichen Beziehungen, Vernachlässigung der Körperpflege.
  • Verlust der Empathie: Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und deren Emotionen zu verstehen.
  • Zwanghaftes Verhalten: Wiederholtes Sagen bestimmter Wörter oder Sätze, ständige Wiederholung bestimmter Bewegungsabläufe und Rituale, Horten von Gegenständen.
  • Probleme bei der Alltagsorganisation: Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Problemen und dem Treffen von Entscheidungen.

Diagnose der frontotemporalen Demenz

Die Diagnose einer FTD ist oft komplex und erfordert mehrere Untersuchungen. Zunächst erhebt der Arzt eine ausführliche Anamnese und befragt den Patienten sowie seine Angehörigen nach den beobachteten Symptomen. Anschließend werden neuropsychologische Tests durchgeführt, um das Ausmaß und die Art der kognitiven Beeinträchtigung zu bewerten.

Bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) können strukturelle Veränderungen im Frontal- und Temporallappen aufzeigen, die für eine FTD charakteristisch sind. Eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann zudem eine veränderte Stoffwechselaktivität in diesen Hirnbereichen nachweisen.

Um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen, kann eine Liquoruntersuchung durchgeführt werden. In einigen Fällen kann auch ein Gentest sinnvoll sein, um eine genetisch bedingte Form der FTD zu identifizieren.

Behandlung und Therapie

Da die FTD bislang nicht heilbar ist, zielt die Behandlung vor allem darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern.

  • Medikamentöse Therapie: Auffällige Verhaltensweisen können mit Medikamenten wie Beruhigungsmitteln oder Antidepressiva gemildert werden. Diese Medikamente können jedoch auch Nebenwirkungen haben.
  • Nicht-medikamentöse Therapie: Maßnahmen, die den Lebensstil betreffen, wie z.B. eine Anpassung der Ernährung, können helfen, die Symptome zu lindern.
  • Logopädie: Bei Sprachstörungen kann eine logopädische Therapie helfen, die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann Betroffenen helfen, ihre Alltagskompetenzen zu erhalten oder wiederzuerlangen.
  • Physiotherapie: Bei motorischen Beeinträchtigungen kann Physiotherapie helfen, die Beweglichkeit und Koordination zu verbessern.
  • Psychotherapie: Eine Psychotherapie kann Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, mit den emotionalen Belastungen der Erkrankung umzugehen.

Umgang mit verändertem Essverhalten

Der Umgang mit dem veränderten Essverhalten bei FTD kann für Angehörige eine große Herausforderung darstellen. Folgende Tipps können helfen:

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  • Verständnis: Versuchen Sie zu verstehen, dass das veränderte Essverhalten krankheitsbedingt ist und nicht auf bösem Willen beruht.
  • Geduld: Bleiben Sie geduldig und vermeiden Sie es, mit Logik zu argumentieren.
  • Anpassung der Ernährung: Bieten Sie gesunde und ausgewogene Mahlzeiten an, berücksichtigen Sie aber auch die Vorlieben des Betroffenen.
  • Regelmäßige Mahlzeiten: Schaffen Sie Routinen und bieten Sie regelmäßige Mahlzeiten an.
  • Kleine Portionen: Bieten Sie kleinere Portionen an, um ein Überessen zu vermeiden.
  • Ablenkung vermeiden: Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Essatmosphäre ohne Ablenkungen.
  • Geeignetes Geschirr: Verwenden Sie gut erkennbares und leicht zu handhabendes Geschirr.
  • Unterstützung beim Essen: Bieten Sie Unterstützung beim Essen an, wenn der Betroffene Schwierigkeiten hat.
  • Sicherheit: Schließen Sie giftige Substanzen weg, die mit Süßem verwechselt werden könnten.
  • Professionelle Hilfe: Holen Sie sich professionelle Hilfe von Ärzten, Therapeuten oder Ernährungsberatern.

Maßnahmen zur Vorbeugung von Demenz

Obwohl die FTD nicht heilbar ist, gibt es Maßnahmen, die jeder ergreifen kann, um das Risiko von Demenz im Allgemeinen zu verringern. Laut aktuellen Forschungsergebnissen können allein 40 Prozent der Alzheimer-Erkrankungen durch einen aktiven und gesunden Lebensstil sowie gesundheitliche Vorsorge vermieden werden. Hier sind einige Risikofaktoren, auf die jeder achten kann, um Demenz vorzubeugen:

  • Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität ist wichtig. Ideal sind mindestens 2,5 Stunden pro Woche.
  • Geistige Fitness: Das Lernen von Neuem hält das Gehirn aktiv.
  • Gesunde Ernährung: Eine mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Olivenöl und Nüssen wird empfohlen.
  • Soziale Kontakte: Aktivitäten in Gesellschaft machen Spaß und fordern das Gehirn.
  • Übergewicht reduzieren: Achten Sie darauf, ein gesundes Gewicht zu halten.
  • Ausreichend Schlaf: Guter und ausreichender Schlaf ermöglicht es dem Gehirn, Schadstoffe abzubauen und sich zu erholen.
  • Nicht rauchen: Rauchen schadet dem Gehirn.
  • Vermeidung von Kopfverletzungen: Achten Sie im Alltag und beim Sport auf Ihren Kopf und tragen Sie beispielsweise beim Fahrradfahren einen Helm.
  • Bluthochdruck überprüfen: Lassen Sie regelmäßig Ihren Blutdruck kontrollieren. Bluthochdruck sollte behandelt werden.
  • Diabetes überwachen: Behalten Sie Ihren Blutzuckerspiegel im Auge.
  • Auf Schwerhörigkeit achten: Nehmen Sie Veränderungen im Hörvermögen ernst.

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