Medikamentöse Therapie der frontotemporalen Demenz: Leitlinien und aktuelle Ansätze

Die frontotemporale Demenz (FTD), auch Pick-Krankheit genannt, ist eine heterogene Gruppe von Demenzerkrankungen, die durch eine fortschreitende Atrophie in Bereichen des Frontal- und/oder Temporallappens verursacht wird. Sie macht etwa 3-5 % aller Demenzerkrankungen aus und ist die zweithäufigste präsenile Demenz (< 65 Jahre). Die Prävalenz liegt bei 6,7-15/100.000 in der Altersgruppe 45-64 Jahre. Die Symptome variieren je nach Subtyp. Die Verhaltensvariante ist durch frühe Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen charakterisiert. Die primär progressive Aphasie (PPA) tritt führend durch Sprachstörungen in Erscheinung. Gedächtnis, Orientierung und visuell-räumliche Funktionen bleiben meist relativ lange erhalten.

Grundlagen der Demenztherapie

Bei allen Formen der Demenz sind nicht-medikamentöse Therapien von großer Bedeutung. Diese umfassen kognitive Stimulation, Ergotherapie und Physiotherapie. Psychotherapie und Verhaltenstherapie können ebenfalls hilfreich sein, um den Umgang mit der Diagnose Demenz im Alltag zu erleichtern. Eine Milieutherapie, die eine demenzgerechte Gestaltung der Umwelt des Erkrankten beinhaltet, kann das Wohlbefinden steigern und herausforderndes Verhalten verringern. Auch Kunst-, Musik- und Tanztherapie können positive Effekte haben.

Medikamentöse Therapie bei Demenz

Antidementiva

Aktuell sind in Deutschland vier Antidementiva zugelassen: drei Acetylcholinesterase-Hemmer und ein Glutamat-Antagonist. Acetylcholinesterase-Hemmer blockieren das Enzym Cholinesterase und wirken damit dem Abbau von Acetylcholin entgegen, einem wichtigen Botenstoff im Gehirn. Glutamat-Antagonisten, auch als NMDA-Rezeptor-Antagonisten bekannt, regulieren die Ausschüttung des Botenstoffs Glutamat.

Die Alzheimer-Behandlung mit Antidementiva wird von den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften empfohlen. Positive Effekte sind vor allem bei der Alzheimer-Demenz zu beobachten. Bei der vaskulären Demenz, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht wird, sind Antidementiva nicht sinnvoll. Hier können blutdrucksenkende und blutverdünnende Medikamente eine sinnvolle Maßnahme darstellen.

Antidepressiva

Depressionen sind eine häufige Begleiterscheinung von Demenz. In solchen Fällen werden oftmals Antidepressiva eingesetzt, um die Stimmung aufzuhellen und den Antrieb zu steigern oder zu beruhigen. Sie wirken also nicht gegen die Demenz selbst, sondern gegen die Depressionen. Es gibt auch nicht-medikamentöse Möglichkeiten, eine Depression zu lindern. Trizyklische Antidepressiva sollten bei Depressionen im Rahmen einer Demenz vermieden werden.

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Neuroleptika (Antipsychotika)

Neuroleptika sind psychopharmazeutische Medikamente, die bei Psychosen eingesetzt werden. Sie können lähmende Ängste, Wahnvorstellungen und schwere Denkstörungen verhindern. Bei Demenzerkrankten werden sie gegen Halluzinationen und starke innere Unruhe eingesetzt. Allerdings ist die Wirksamkeit oft sehr beschränkt und es können gravierende Nebenwirkungen auftreten. Daher sollten sie nur als letztes Mittel der Wahl eingesetzt werden.

Schmerzmittel

Demenz ist keine an sich schmerzhafte Krankheit. Aber sie kann dazu führen, dass Betroffene ihre eigenen Schmerzen zwar fühlen, aber nicht mehr als solche identifizieren können. Sie können also nicht mehr zum Ausdruck bringen, dass sie bestimmte Schmerzen spüren. Manchmal äußert sich Schmerzempfinden bei Demenzerkrankten auch durch auffälliges Verhalten. Wann genau und in welchem Umfang Schmerzmittel zum Einsatz kommen sollte grundsätzlich der behandelnde Arzt entscheiden.

Ginkgo-Präparate

In den Blättern des Ginkgo-Baumes sind Wirkstoffe enthalten, die die Durchblutung in bestimmten Teilen des Gehirns fördern. Damit bekämpfen Ginkgo-Präparate aber nicht die Ursache für Demenz, deshalb haben sie keine direkten Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Sie können aber Begleiterscheinungen einer Demenz im Frühstadium spürbar lindern. Für den Extrakt EgB 761 gibt es Hinweise auf die Wirksamkeit auf die Kognition bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer‐Demenz oder vaskulärer Demenz und bei nichtpsychotischen Verhaltenssymptomen, eine Behandlung könne deshalb erwogen werden.

Spezifische Therapie der frontotemporalen Demenz

Medikamentöse Therapie

Es existiert keine kausale oder krankheitsmodifizierende Therapie sowie keine wirksame antidementive medikamentöse Therapie für die FTD. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung von Symptomen. Manche Patienten profitieren von serotonergen Antidepressiva (wie Citalopram, Sertralin), die einen antriebssteigernden Effekt haben. Bei starker Unruhe und Aggressivität können Neuroleptika wie Melperon, Quetiapin oder Olanzapin versucht werden.

Neue Therapieansätze: Lecanemab (Leqembi)

Lecanemab (Handelsname Leqembi) ist ein neuer Antikörper-Wirkstoff zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Er wurde in den USA im Januar 2023 vorläufig und im Juli 2023 vollständig zugelassen. In der EU erfolgte die Zulassung im April 2025, und seit August/September 2025 ist Leqembi in Österreich und Deutschland erhältlich.

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Lecanemab richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit. Es reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn, indem es gezielt eine Vorstufe der Amyloid-beta-Protein-Plaques erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert, das die Plaques abbaut bzw. die Bildung neuer Plaques verhindert.

Wichtige Hinweise zu Lecanemab:

  • Leqembi kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten, sondern soll den geistigen Abbau im frühen Krankheitsstadium verlangsamen.
  • Die Behandlung kommt nur für Menschen im frühen Stadium der Erkrankung mit geringen Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit infrage.
  • Krankhafte Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn müssen nachgewiesen werden (Lumbalpunktion oder Amyloid-PET).
  • Ein Gentest ist erforderlich, um das Vorliegen des ApoE4-Gens zu prüfen. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können nicht mit Leqembi behandelt werden.
  • Leqembi eignet sich nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen.
  • Es besteht eine Teilnahmepflicht an einem EU-weiten Register (Controlled Access Program, CAP).
  • Die Behandlung erfolgt als Infusion alle zwei Wochen.
  • Vor und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen (Hirnschwellungen oder Hirnblutungen) frühzeitig zu erkennen.

Wirksamkeit von Lecanemab:

In der Phase-3-Studie CLARITY AD zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Lecanemab erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe. Die Krankheit schritt um 27 Prozent langsamer voran. Die Wirkung wird jedoch von vielen Experten als moderat eingeschätzt.

Nebenwirkungen von Lecanemab:

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf, darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapieansätze umfassen kognitive Verfahren, Physiotherapie, Logopädie und psychosoziale Interventionen unter Einbeziehung der Angehörigen. Besonders wichtig sind dabei kognitive Stimulation, Ergotherapie und Physiotherapie.

  • Ergotherapie: Hier geht es darum, motorische Fähigkeiten zu erhalten und zu trainieren, um die Eigenständigkeit des Demenzerkrankten zu fördern.
  • Physiotherapie: Auch hier geht es darum, Mobilität zu erhalten und Bewegung zu fördern.
  • Logopädie: Sprachtherapeutische Maßnahmen können bei Wortfindungsproblemen, schlechter Aussprache und mangelndem Sprachverständnis helfen. Logopäden können auch bei Schluckstörungen helfen, indem sie den Kau- und Schluckapparat trainieren.
  • Milieutherapie: Ein demenzgerecht gestaltetes Umfeld kann das Wohlbefinden steigern und herausforderndes Verhalten verringern.
  • Kognitives Training: Das Denkvermögen kann trainiert werden, um die verbliebenen Fähigkeiten einzusetzen.
  • Kunsttherapie: Zeichnen, Malen und Gestalten sind nicht nur eine Beschäftigung, sondern auch eine Ausdrucksform.
  • Musiktherapie: Aktives Musizieren, Tanzen oder Singen in Gruppen oder rezeptives Hören von Musik mit biografischem Bezug kann das Wohlbefinden steigern und Erinnerungen wecken.
  • Selbsterhaltungstherapie (SET): Hier geht es darum, das Selbstbild und die Wahrnehmung von sich selbst als Person zu erhalten.
  • Sensorische Therapie (Snoezelen): Vielfältige sinnliche Wahrnehmungen werden ermöglicht, um das Wohlbefinden zu steigern.
  • Tiergestützte Therapie: Der Umgang mit Tieren kann die sinnliche Wahrnehmung und die Sozialfähigkeit ansprechen.

Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten

Jede Demenzerkrankung ist individuell ausgeprägt, doch häufig wird problematisches Verhalten, wie zum Beispiel Wut und Aggression, zu einem echten Problem für Pflegende. In der Behandlung von Verhaltensänderungen stehen nicht-medikamentöse Therapieverfahren idealerweise an erster Stelle. Starke Beruhigungsmittel wie Neuroleptika (Antipsychotika) haben gravierende Nebenwirkungen und sollten nur das letzte Mittel der Wahl sein. Vorher sollten milde Beruhigungsmittel oder auch Schmerzmittel zum Einsatz kommen.

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Es ist wichtig, ein Gespür für die veränderte Wahrnehmung des Betroffenen zu entwickeln und einen wertschätzenden Umgang zu pflegen. Die erkrankte Person ist ein Individuum mit einer persönlichen Lebensleistung.

Rechtliche Aspekte

Die Diagnose Demenz wirft auch rechtliche Fragen auf. Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.

Unterstützung für Angehörige

Demenz ist eine Erkrankung, die immer auch das soziale Umfeld des Erkrankten betrifft. Oft müssen die Angehörigen über viele Jahre hinweg immer wieder lernen, mit neuen Symptomen umzugehen. Deshalb ist es so wichtig, dass Angehörige und enge Freunde so früh wie möglich ins Boot geholt werden. Sie müssen zumindest in Grundzügen lernen, was Demenz bedeutet, welche Symptome auftreten können und wie sie am besten damit umgehen. Es gibt zahlreiche Angebote zur Unterstützung von Angehörigen, von Tipps zum Umgang bis zur Entlastung.

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