Kopfball und Demenz im Fußball: Ein komplexer Zusammenhang

Es ist ein Dauerthema im Fußball: Knackige Kopfballtore sorgen für Jubel, der körperliche Vorgang selbst aber bereitet vielen Menschen Sorgen. Denn Kopfstöße werden mit Schäden am Gehirn in Verbindung gebracht. Die Diskussion um die potenziellen Risiken von Kopfbällen, insbesondere im Jugendtraining, ist in den vergangenen Jahren entbrannt. Dabei geht es um die Frage, ob und inwieweit das Kopfballspiel zu langfristigen Schäden wie Demenz führen kann.

Aktuelle Forschungsergebnisse zu Kopfbällen und Gehirn

Eine sehr aufwendige Studie eines großen australischen Forscherteams hat nachgewiesen, dass Kopfbälle akute Veränderungen an der Chemie, Struktur und Funktion des Gehirns hervorrufen können, obwohl die Betroffenen das gar nicht oder kaum spüren. Für die Studie absolvierten 15 erfahrene, männliche Fußballer in Australien innerhalb von 20 Minuten 20 Kopfstöße an einer speziell für dieses Training konstruierten Kopfballmaschine. Entweder sieben Tage vor oder bei anderen Teilnehmern sieben Tage nach dieser Kopfballübung kickten die Sportler den Ball, um die Einflüsse dieser Bewegung auch zu messen.

Mit einem breiten Spektrum an Analysemethoden, von Magnetresonanztomographie über Markertests im Blut bis hin zur EEG-Untersuchung und Testung der geistigen Leistungsfähigkeit, spürten die Forschenden dem akuten Einfluss des Ball-Köpfens und -Kickens nach. Erstaunlicherweise fanden sie einiges an Veränderungen: Chemie und Stoffwechsel im Hirn, die Zellstruktur und auch Funktionen veränderten sich, wie die sehr feinen Tests zeigten.

Eine weitere Studie, veröffentlicht in Sports Medicine - Open (2025; DOI: 10.1186/s40798-025-00867-0), zeigt, dass Kopfbälle im Fußballspiel Hirnzellen schädigen können. Die Auswirkungen waren subtil, sie könnten jedoch das in epidemiologischen Studien beobachtete erhöhte Demenzrisiko erklären. Bei einem Kopfball trifft der Ball mit dem 5- bis 60-fachen der Erdbeschleunigung auf den Schädel des Spielers.

Langzeitstudien und das Demenzrisiko bei Fußballspielern

Eine schwedische Studie mit männlichen Profifußballern ergab, dass sie ein rund anderthalb Mal so hohes Risiko für Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen haben wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Als Ursache seien Kopfbälle anzunehmen, schreiben die Forschenden im Fachmagazin Lancet Public Health. Sie hatten Gesundheitsdaten von gut 6000 Spielern aus der schwedischen Top-Liga der vergangenen Jahrzehnte ausgewertet und mit denen einer großen Vergleichsgruppe aus der Normalbevölkerung verglichen.

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Von den Top-Spielern, die zwischen 1924 und 2019 in der höchsten Liga spielten, entwickelten demnach neun Prozent im Verlauf ihres bisherigen Lebens neurodegenerative Krankheiten und damit eineinhalb Mal so viele wie in der Vergleichsgruppe, wo es sechs Prozent waren. Dieses erhöhte Risiko konnte dabei nur für Feldspieler festgestellt werden, bei Torwarten nicht. Im Gegensatz zu Feldspielern köpfen Torhüter den Ball nur selten, sind aber während ihrer Fußballkarriere und vielleicht auch danach ähnlichen Umgebungen und Lebensgewohnheiten ausgesetzt. Angenommen werde, dass wiederholte leichte Hirnverletzungen, wie sie durch das Köpfen des Balls verursacht werden können, die Ursache für das erhöhte Risiko von Fußballspielern sind.

Aufgeschlüsselt nach einzelnen Krankheiten entdeckten sie deutliche Unterschiede: Während sie bei Alzheimer und andere Demenzkrankheiten sogar ein ein 1,6-faches Risiko (8 versus 5 Prozent) für die Top-Spieler feststellten, lag das Risiko bei Erkrankungen des motorischen Nervensystems - darunter für die Nervenkrankheit ALS - bei den Fußballern nicht höher als beim Rest der Bevölkerung. Bei Parkinson fiel es sogar niedriger aus.

Eine Studie aus Schottland hatte sogar ein dreieinhalb Mal höheres Risiko für den Tod an neurodegenerativen Erkrankungen bei Profi-Fußballspielern festgestellt. Die schwedischen Forscher geben zu bedenken, dass ihre Ergebnisse nur begrenzt auf den heutigen Profifußball übertragbar sind, weil sich der Sport verändert hat. Auf der einen Seite stehe dabei etwa ein auf weniger Kopftrauma abzielender Spiel- und Trainingsstil, etwa durch das Vermeiden von Kopfbällen nach langen Pässen - auf der anderen Seite könne das Risiko aber auch höher sein, da heutzutage von klein auf intensiver trainiert werde.

Die Rolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)

Auch in Deutschland ist der richtige Umgang mit Kopfbällen insbesondere bei der Ausbildung junger Spieler ein vieldiskutiertes Thema. Vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) heißt es unter anderem, dass bei Kopfbällen auf ein Schwerpunkttraining mit vielen Wiederholungen verzichtet werden solle. Zudem werde auf leichte Bälle beim Training und angepasste Spielformen gesetzt. Gänzlich verzichten wolle man auf Kopfbälle beim Jugendtraining nicht, da bei Spielen nach wie vor geköpft werde. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) sieht das ähnlich. Ob es für die Gesunderhaltung der kognitiven Fähigkeiten reiche, "nur auf das 'Köpfen' im Kindes- und Jugendalter zu verzichten, müssen ohnehin erst weitere Studien klären", so Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

Ab der Saison 2024/2025 wird der Kinder- und Jugendfußball bis zum Alter von elf Jahren reformiert. Die Jüngsten sollen demnächst nur noch zwei gegen zwei oder drei gegen drei kicken. Es sei jedoch auch wichtig, eine gute Kopfballtechnik zu üben. Bis Ende September läuft noch die Untersuchungsphase einer Studie über die Gesundheit ehemaliger deutscher Fußballprofis, an der sich bislang mehr als 300 frühere Spielerinnen und Spieler beteiligt haben.

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Internationale Unterschiede im Umgang mit Kopfbällen

Anderswo nimmt man das Thema ernster. In England etwa ist Kopfballtraining für Kinder unter zwölf Jahren verboten. Sogar für die Profi-Fußballer gilt im Training ein Limit. Nicht mehr als zehn Kopfbälle sollen sie in der Woche machen, die härterer Natur sind. In den USA gilt bereits seit 2015 ein Kopfballverbot für junge Fußballerinnen und Fußballer bis zum Alter von zehn Jahren. In Schottland gibt es auch Einschränkungen für Profis: Am Tag vor und nach einer Partie dürfen sie im Training keine Kopfbälle spielen.

Techniken zur Risikominimierung

Dr. Matthias Pawlowski, Facharzt für Neurologie am UKM (Universitätsklinikum Münster), erklärt, dass der einfache, sauber durchgeführte Kopfball wahrscheinlich nicht schädlich ist. Wenn Kopfbälle aber häufig und wiederholt durchgeführt werden, kann es sein, dass öfter leichte Traumata des Gehirns auftreten, die dann negative langfristige Folgen im Sinne von kognitiven Einschränkungen haben und das Risiko für die Entstehung einer Demenz erhöhen können.

Um das Risiko zu minimieren, können im Jugendsport kleine und leichtere Bälle eingesetzt werden. Flanken können aus kürzerer Distanz und weniger scharf geschossen werden, und vor allem Kopfbälle sollten nur sehr dosiert trainiert werden, also nicht zu viele auf einmal und mit ausreichenden Pausen dazwischen.

Weitere Faktoren und Perspektiven

Körperliche Aktivität wird mit einem niedrigen Risiko für Demenz in Verbindung gebracht. Man könnte also vermuten, dass die potenziellen Risiken von Kopfstößen durch eine gute körperliche Fitness etwas ausgeglichen werden.

Je häufiger ein Fußballer oder eine Fußballerin spielt, desto höher ist das Risiko kognitiver Störungen. Das ist das Fazit einer jetzt veröffentlichten Studie in Großbritannien. Die Forschenden hatten für die Studie im Auftrag des englischen Fußball-Verbands FA die Fragebögen von 468 früheren britischen Profis im Alter von über 45 Jahren ausgewertet. Sie raten dazu, die Zahl der Erschütterungen des Kopfs zu verringern, um späteren kognitiven Störungen bis hin zur Demenz vorzubeugen.

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