Medikamentöse Behandlung von Demenz: Ein umfassender Überblick

Die medikamentöse Behandlung von Demenz ist ein komplexes Feld, das sich ständig weiterentwickelt. Obwohl es derzeit keine Heilung für Demenz gibt, können verschiedene Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Medikamente, die zur Behandlung von Demenz zur Verfügung stehen, einschliesslich ihrer Wirkungsweise, Anwendung, Nebenwirkungen und der neuesten Entwicklungen in der Forschung.

Grundlagen der Demenz

Demenz ist ein klinisches Syndrom, das durch einen Abbau kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind nachlassende geistige Leistungsfähigkeit, abnehmendes Denk- und Urteilsvermögen, zunehmende Orientierungslosigkeit und Sprachverarmung. Auch Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens und/oder der Motivation können auftreten. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Ursache für Demenz, gefolgt von vaskulären Demenzen, der Lewy-Körperchen-Demenz und Mischformen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen von Demenz sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es werden zwei Hauptgruppen unterschieden: primäre degenerative und vaskuläre Demenzen sowie sekundäre Demenzformen. Zu den Risikofaktoren gehören ein hohes Lebensalter, genetische Prädisposition, vaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes sowie bestimmte Lebensstilfaktoren.

Antidementiva: Medikamente zur Verbesserung der Hirnfunktionen

Antidementiva sind Medikamente, die die Gedächtnisleistungen, die Lernfähigkeit, die Auffassungsgabe und weitere Hirnfunktionen positiv beeinflussen können. Es gibt verschiedene Wirkgruppen von Antidementiva, die im Folgenden näher erläutert werden.

Acetylcholinesterase-Hemmer

Acetylcholinesterase-Hemmer erhöhen die Verfügbarkeit des Botenstoffs Acetylcholin im Gehirn. Ein Mangel an Acetylcholin kann die Krankheitszeichen der Alzheimer-Demenz verursachen. Durch die Hemmung des Enzyms Cholinesterase, das für den Abbau von Acetylcholin zuständig ist, steigt die Konzentration dieses Botenstoffs im Gehirn. Dies kann Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit und Alltagsfunktionen verbessern.

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Zu den Acetylcholinesterase-Hemmern gehören:

  • Donepezil (z.B. Aricept®)
  • Galantamin (z.B. Reminyl®)
  • Rivastigmin (z.B. Exelon®)

Diese Medikamente werden im frühen und mittleren Stadium der Alzheimer-Demenz eingesetzt, können aber auch bei anderen Demenzformen wie der Mischform aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz, bei vaskulärer Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz und Demenz bei der Parkinson-Krankheit gegeben werden. Insbesondere Rivastigmin hat sich bei Lewy-Körperchen-Demenz und Demenz bei der Parkinson-Krankheit als hilfreich erwiesen.

Die Medikamente sollten immer so hoch wie möglich dosiert werden, solange dies für den Patienten gut verträglich ist. Meist werden Acetylcholinesterase-Hemmer gut vertragen. Am Anfang der Behandlung kann es aber vorübergehend zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwindel und Kopfschmerzen kommen. Wichtig ist deshalb, zunächst mit einer niedrigen Dosis zu beginnen, die dann allmählich, über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen, erhöht wird.

Memantin

Memantin wirkt gegen den Überschuss des Botenstoffs Glutamat im Gehirn und verhindert so eine Überreizung der Nervenzellen. Glutamat ist ein Botenstoff, der Nervensignale weiterleitet und wichtig für das Gedächtnis ist. Man vermutet, dass bei Alzheimer-Erkrankten zu viel Glutamat im Gehirn dazu führt, dass Nervenzellen absterben.

Memantin wird im mittleren bis späten Stadium der Alzheimer-Demenz eingesetzt und kann hier die kognitiven Funktionen, die Alltagsfunktionen und das Befinden der Patienten verbessern. Im frühen Stadium der Alzheimer-Demenz ist die Wirksamkeit von Memantin dagegen nicht belegt. Es kann auch bei anderen Demenzformen wie der gemischten Demenz und der vaskulären Demenz eingesetzt werden. In manchen Fällen wird Memantin im mittleren bis späten Stadium der Alzheimer-Demenz auch mit einem Acetylcholinesterase-Hemmer kombiniert.

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Zu Beginn der Behandlung kann es oft zu Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Verstopfung, Schläfrigkeit und erhöhtem Blutdruck kommen. Diese gehen aber meist nach einiger Zeit wieder zurück.

Neue Therapieansätze: Antikörper-Medikamente

In den letzten Jahren gab es bedeutende Fortschritte in der Entwicklung von Medikamenten, die direkt in die Krankheitsmechanismen der Alzheimer-Demenz eingreifen. Dazu gehören monoklonale Antikörper gegen Amyloid-Ablagerungen wie Lecanemab (Leqembi®) und Donanemab (Kisunla®).

Lecanemab (Leqembi®)

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques. Studien haben gezeigt, dass Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann.

Lecanemab wurde am 15.04.2025 von der EU-Kommission für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen und ist seit dem 1. September 2025 in Deutschland erhältlich. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit.

Vor Beginn der Behandlung mit Lecanemab sind ein Gentest sowie der Nachweis von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn erforderlich. Die Behandlung erfolgt als Infusion alle zwei Wochen in spezialisierten Zentren. Während der Behandlung sind regelmäßige MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.

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Donanemab (Kisunla®)

Donanemab ist ein weiteres Antikörper-basiertes Alzheimermedikament, das seit dem 25.09.2025 in der EU zugelassen ist. Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen. Die Zulassung erfolgte nach einer Überprüfung der zunächst negativen EMA-Entscheidung vom 28.03.2025.

Bedeutung der frühen Diagnose

Die Zulassung von Lecanemab und Donanemab unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose der Alzheimer-Krankheit. Die Medikamente sind nur für Menschen im frühen Stadium der Erkrankung geeignet, da sie darauf abzielen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, bevor irreversible Schäden im Gehirn entstanden sind.

Weitere Medikamente und Behandlungsansätze

Neben den Antidementiva und den Antikörper-Medikamenten gibt es weitere Medikamente und Behandlungsansätze, die bei Demenz eingesetzt werden können.

Ginkgo Biloba

Ginkgo Biloba ist ein pflanzliches Präparat, das aus den Blättern des Ginkgo-Baums gewonnen wird. Einzelne Studien geben Hinweise darauf, dass Ginkgo in der höchsten geprüften Dosierung (240 mg pro Tag) bei leichter oder mittelschwerer Alzheimer-Demenz wirksam sein kann. Es könnte alltägliche Verrichtungen wie Haushaltsarbeiten oder Körperpflege zumindest vorübergehend wieder besser bewältigen, die Gedächtnisleistung verbessern und psychische Beschwerden lindern. Allerdings ist unklar, wie groß dieser Effekt ist.

Ginkgo ist insgesamt recht gut verträglich. Manche Menschen brechen jedoch die Einnahme wegen Nebenwirkungen ab. Möglich sind beispielsweise Magenbeschwerden oder Kopfschmerzen. Es ist zu beachten, dass Ginkgo die Blutgerinnung beeinflusst und deshalb nicht zusammen mit Gerinnungshemmern eingenommen werden sollte.

Medikamente gegen Verhaltensstörungen und psychische Symptome

Bei vielen Menschen mit Alzheimer-Demenz verändern sich die Persönlichkeit und das Verhalten deutlich. Sie können sich zum Beispiel ungewohnt ängstlich, misstrauisch, passiv, unruhig oder auch aggressiv verhalten. Solche Verhaltensänderungen können mit der Krankheit zusammenhängen, aber auch Reaktionen auf die Umgebung oder die Einschränkungen und Verlusterfahrungen durch die Demenz sein.

Daher nehmen viele Erkrankte auch Medikamente ein, die psychische Beschwerden und auffälliges Verhalten verringern sollen - etwa Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder auch Antipsychotika. Diese Medikamente können zwar möglicherweise die Symptome lindern, aber auch ernsthafte Nebenwirkungen wie Verwirrtheit oder erhöhte Sturzgefahr haben.

Deshalb ist es wichtig, zunächst nach den Ursachen der Probleme zu suchen und sie möglichst auf andere Weise zu lösen als durch Psychopharmaka. Diese Medikamente sollten nur genommen werden, wenn es nicht anders geht. Bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Mittel kann es außerdem zu Wechselwirkungen kommen. Vor der Verschreibung eines Mittels sollte eine Ärztin oder ein Arzt daher sorgfältig prüfen, ob Neben- und Wechselwirkungen denkbar sind, und gegebenenfalls auf andere Behandlungsmöglichkeiten hinweisen.

Nicht-medikamentöse Behandlungen

Eine ganzheitliche Behandlung von Demenz umfasst ebenfalls nicht-medikamentöse Behandlungen zur Verbesserung der Alltagsfunktionen, wie beispielsweise Gedächtnistraining, Erinnerungsarbeit, körperliches Training und eine gesunde Lebensweise. Auch die Behandlung körperlicher Beschwerden wie zum Beispiel Schmerzen kann eine Rolle spielen.

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