Brain Fog, oder „Nebel im Gehirn“, ist ein Begriff, der eine Vielzahl von kognitiven Symptomen wie Verwirrtheit, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und langsames Denken beschreibt. Diese Symptome können den Alltag erheblich beeinträchtigen und es den Betroffenen schwer machen, strukturiert zu denken und zu arbeiten. Es ist wichtig zu beachten, dass Brain Fog keine eigenständige medizinische Diagnose ist, sondern vielmehr ein Sammelbegriff für verschiedene Symptome mit unterschiedlichen Ursachen.
Vielschichtige Ursachen von Brain Fog
Die Ursachen von Brain Fog sind vielfältig und individuell. Oft liegen Gehirnfunktionsstörungen zugrunde, die je nach Ursache unterschiedlich stark ausgeprägt sind und individuell behandelt werden müssen. Um geeignete Behandlungsmaßnahmen zu wählen und die Prognose realistisch einzuschätzen, ist es entscheidend, die Ursache des Gehirnnebels genau zu kennen.
Lebensstil als Einflussfaktor
Unser Lebensstil hat einen großen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit - oft mehr, als uns im Alltag bewusst ist. Schlafverhalten, Ernährung, Bewegung und Stressmanagement wirken sich direkt auf das Gehirn aus. Wird der Körper dauerhaft unterversorgt oder überlastet, kann das die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen - und Beschwerden wie Brain Fog begünstigen. Dazu zählen beispielsweise:
- Chronischer Schlafmangel
- Unzureichende Flüssigkeitszufuhr
- Bewegungsmangel
- Eine unausgewogene Ernährung
- Anhaltender Stress, insbesondere ohne ausreichende Erholungsphasen
Ein gesunder Lebensstil von Kindesbeinen an führt dazu, dass Ihr Gehirn ausreichend mit Sauerstoff, Blut und Energie versorgt wird, sich gut entwickelt und geistigen Herausforderungen gewachsen bleibt.
Brain Fog als Begleitsymptom von Erkrankungen
In vielen Fällen tritt Brain Fog als Nebensymptom ernsthafter gesundheitlicher Probleme auf. Besonders häufig wird er im Zusammenhang mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) beschrieben. Betroffene berichten hier von deutlich verlangsamter Informationsverarbeitung, schweren Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses und Schwierigkeiten beim sprachlichen Ausdruck. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen gehen nicht selten mit kognitiven Beeinträchtigungen einher. Der Nebel im Kopf kann hier sowohl Symptom als auch Folgeerscheinung sein - etwa durch ständiges Grübeln, Überforderung oder emotionale Erschöpfung.
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Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland leiden aktuell an einer Depression. Die Betroffenen fühlen sich niedergeschlagen, antriebs- und interesselos. Sie schlafen meist schlecht, ermüden schnell und sind oft unfähig, Gefühle zu empfinden. Die Behandlung erfolgt gemäß Leitlinien psychotherapeutisch, bei schwerer depressiver Episode zusätzlich medikamentös. Insbesondere aufgrund eines häufigen Auftretens von Todesgedanken ist rasche professionelle Hilfe notwendig. Als Auslöser der Erkrankung wird eine Kombination erblicher, lebensgeschichtlicher und aktueller Belastungsfaktoren wie Stress diskutiert.
Gehirnnebel als Nebenwirkung von Therapien
Nicht nur Krankheiten selbst, sondern auch deren Behandlung kann zu Brain Fog Symptomen führen. Besonders bekannt ist das Phänomen im Zusammenhang mit Chemotherapien bei Krebspatienten. Aber auch andere Therapien können Brain Fog mit sich bringen, unter anderem bestimmte Schmerzmittel, Psychopharmaka, Antihistaminika oder Hormonpräparate. Die genauen Mechanismen sind je nach Wirkstoff unterschiedlich, häufig spielen Nebenwirkungen auf das zentrale Nervensystem, hormonelle Veränderungen oder entzündliche Reaktionen eine Rolle. Für viele Patienten ist der Gehirnnebel dabei eine zusätzliche Belastung im ohnehin fordernden Therapieverlauf.
Brain Fog im Zusammenhang mit Long Covid
Der Begriff Brain Fog rückte insbesondere durch die Corona-Pandemie verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Und das nicht ohne Grund: Viele Menschen, die nach einer COVID-19-Erkrankung unter langfristigen Beschwerden wie Long-Covid-Erschöpfung leiden, berichten häufig auch von einem Gefühl wie Nebel im Kopf - geprägt von anhaltenden kognitiven Einschränkungen wie Konzentrationsproblemen, Vergesslichkeit und mentaler Erschöpfung. Auffällig ist, dass auch junge Menschen ohne schweren Krankheitsverlauf von Brain Fog betroffen sind.
Alzheimer-Krankheit
Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen (kognitiven) Fähigkeiten führt. Gedächtnisprobleme und Orientierungsschwierigkeiten sind nur zwei der Symptome, die den Alltag der Betroffenen zunehmend erschweren.
Die Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt. Über die Ursachen der Alzheimer-Krankheit wird viel geforscht. Fest steht: Bei Menschen mit Alzheimer kommt es zu Veränderungen im Gehirn, die sich in vielfältiger Weise auf die Betroffenen auswirken.
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Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu planen und zu organisieren.
Amyloid-beta (abgekürzt Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques).
Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet.
Obwohl schon Alois Alzheimer vor fast 120 Jahren Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Gehirn seiner Patientin Auguste Deter als Ursache der „Krankheit des Vergessens“ vermutete, gibt es bis heute keinen Beweis dafür. So ist es beispielsweise gelungen, mit modernen Antikörper-Medikamenten die Amyloid-Plaques zu entfernen und damit den Krankheitsverlauf etwas zu verzögern - dauerhaft aufhalten lässt sich der kognitive Abbau jedoch nicht.
Auch weiß die Wissenschaft bis heute nicht, warum sich die Oligomere, Plaques und Fibrillen bilden. Zum Teil vermuten Forscherinnen und Forscher, dass die Ablagerungen ein Nebenprodukt anderer Vorgänge sein könnten, deren Ursachen noch nicht bekannt sind.
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Neben den Ablagerungen von Amyloid und Tau kommen Fehlfunktionen bestimmter Zellen als mögliche Auslöser der Alzheimer-Krankheit in Frage. Im Fokus stehen hier insbesondere die Gliazellen, die etwa 90 Prozent aller Gehirnzellen ausmachen. Aufgabe der Gliazellen ist es, die Nervenzellen im Gehirn zu schützen und zu unterstützen, damit die Signalübertragung - und damit unser Denken und Handeln - reibungslos funktioniert. An der Signalübertragung selbst sind Gliazellen nicht beteiligt.
Mikrogliazellen spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem unseres Gehirns. Wie eine Gesundheitspolizei sorgen sie dafür, dass schädliche Substanzen wie Krankheitserreger zerstört und abtransportiert werden. Astrozyten sind Gliazellen mit gleich mehreren wichtigen Aufgaben, unter anderem versorgen sie das Gehirn mit Nährstoffen, regulieren die Flüssigkeitszufuhr und helfen bei der Regeneration des Zellgewebes nach Verletzungen. Astrozyten stehen im Verdacht, an der Verbreitung der giftigen Amyloid-beta-Oligomere und Tau-Fibrillen beteiligt zu sein.
Die Alzheimer-Krankheit verändert das Gehirn auf vielfältige Weise, aber bis heute ist nicht klar, welche Ursachen die Krankheit letztlich auslösen. Dies liegt zum einen daran, dass die Alzheimer-Krankheit sehr komplex ist, zum anderen aber auch daran, dass es sich zunächst um eine stumme Krankheit ohne Symptome handelt. Treten irgendwann Symptome auf, lässt sich nicht mehr feststellen, wo die Krankheit begonnen hat. Die Forschung geht davon aus, dass die für Alzheimer typischen molekularen Prozesse im Gehirn Jahre oder Jahrzehnte vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen. Selbst eine angeborene Erkrankung ist möglich.
Überall auf der Welt arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, Antworten darauf zu finden, wie Alzheimer entsteht, wie es verhindert oder geheilt werden kann.
Weitere Ursachen für Gehirnfunktionsstörungen
Fehlfunktionen von Gehirn und Nervensystem können durch eine ganze Reihe von Faktoren verursacht werden. Durch äußere Einwirkung, Vererbung oder einer Kombination von beidem kann das komplexe Geflecht geschädigt werden und zu neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen führen. Allerdings sind die genauen Ursachen und Zusammenhänge bei vielen Krankheiten bislang noch unbekannt.
Gehirn und Nervensystem arbeiten mit großer Präzision. Voraussetzung dafür ist, dass die komplexe Struktur von Gehirn und Nervensystem intakt ist und die Stoffwechselprozesse störungsfrei ablaufen. Mögliche Unregelmäßigkeiten und Beeinträchtigungen in diesem komplizierten System können zwar bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Doch das hat seine Grenzen. Wird die Hirnstruktur geschädigt oder treten schwere Störungen der elektrischen und biochemischen Vorgänge auf, führt dies häufig zu neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Welche Fehlfunktionen auftreten, hängt dabei von Ort und Art der Schädigung ab. Ist beispielsweise das Hörzentrum der Großhirnrinde betroffen, ist die Hörfähigkeit beeinträchtigt.
Die häufigste Ursache für eine Schädigung von Gehirn und Nervensystem ist eine mangelnde Durchblutung. Durch seine große Aktivität hat das Gehirn den größten Energiebedarf aller Organe. Es benötigt etwa 20% der gesamten Blutmenge, die vom Herzen in den Körperkreislauf gepumpt wird, und durch die Sauerstoff und Nährstoffe zu den Nervenzellen im Gehirn gelangen. Eine Unterbrechung dieser Versorgung, z.B. durch Aussetzen des Herzens, Ersticken oder Blutunterzuckerung führt zu einer Schädigung oder sogar zum Absterben der Nervenzellen. Auch Gehirntumoren, krankhafte Veränderungen von Blutgefäßen, mechanische Verletzungen durch Unfälle, Blutungen ins Gehirn und Entzündungen können die Ursache für Funktionsstörungen sein.
Weitere Gründe für Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sind Störungen bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten und Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel der Nervenzellen. Störungen der Hirnfunktion können auch von Gliazellen ausgehen. Diese Zellen sind an der Ernährung der Nervenzellen beteiligt und dienen ihnen als Stützgewebe.
Bei zahlreichen Störungen des Gehirns und Nervensystems spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. So zeigten Studien bei schizophrenen und manisch-depressiven Patienten, dass zumindest eine Veranlagung für diese Erkrankungen vererbt werden kann. Allerdings scheint ein Ausbruch dieser Erkrankungen durch Umwelteinflüsse begünstigt zu werden. Erbliche Faktoren und die Umwelt der Patienten wirken hier offenbar zusammen. Reine Erbkrankheiten weisen häufig Defekte im Stoffwechsel der Nervenzellen auf.
Störungen der Hirnfunktion können auch durch äußere Einflüsse verursacht werden. Ein Beispiel dafür sind Infektionen durch Bakterien und Viren. Sie können bei den Patienten zum Beispiel zu einer Entzündung der Hirnhäute führen. Solche Entzündungen schädigen das Gehirn und können sogar tödlich enden. Das Virus, das die Kinderlähmung verursacht, greift Nervenzellen vor allem im Rückenmark an, die an der Steuerung der Körperbewegung beteiligt sind. Andere Viren, wie beispielsweise Herpes-zoster-Viren der Gürtelrose, können jahrelang unbemerkt bleiben, bevor sie Schädigungen verursachen.
Auch Giftstoffe können zu schweren Beeinträchtigungen von Gehirn und Nervensystem führen. Die Folgen einer Quecksilbervergiftung sind Gedächtnisschwund und Muskelzittern. Blei kann Verhaltensstörungen und Lernschwierigkeiten hervorrufen.
Neuronale Funktionsstörungen können auch durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden. Dabei werden bestimmte Zellen im Gehirn und Nervensystem paradoxerweise als fremd eingestuft und von den Immunzellen geschädigt.
Was tun bei Brain Fog?
Die gezielte Behandlung von Brain Fog als Folge von Krankheiten oder medizinischen Therapien ist in vielen Fällen problematisch, weil die Wissenschaft noch nicht die genauen Mechanismen verstanden hat, die für die Probleme im Gehirn sorgen. Neben Long Covid gilt das auch für Brain Fog in Folge von Chemotherapien, der bei manchen Menschen noch Monate oder Jahre nach der Behandlung anhalten kann.
Selbsthilfe-Maßnahmen
Auch wenn es keine punktgenauen Behandlungen gibt, können folgende Selbsthilfe-Maßnahmen hilfreich sein:
- Gesünder Schlafen: Ausreichend Schlaf ist essenziell für die kognitive Funktion.
- Mehr Bewegung: Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns.
- Stressabbau: Techniken zur Stressbewältigung wie Meditation oder Yoga können helfen.
- Gute Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung versorgt das Gehirn optimal mit Nährstoffen. Achten sollte man hier auf Kohlenhydrate aus Vollkorn, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (etwa aus Nüssen, Avocados oder Lachs), Eiweiß (vor allem aus mageren Milchprodukten, Eiern, Fisch, Hülsenfrüchten und Nüssen), Gemüse und Obst sowie mindestens anderthalb Liter Wasser oder ungesüßten Tee pro Tag.
Ärztliche Behandlung
Der Brain Fog ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Oberbegriff für eine Reihe von Symptomen, die von unterschiedlichen Erkrankungen verursacht sein können. Deshalb werden Ärztin oder Arzt versuchen, die Ursache zu finden und zu behandeln, falls dies möglich ist.
Zur Behandlung von Diabetes oder ADHS zum Beispiel gibt es Medikamente. Depressionen oder Angstzustände können mit Psychotherapien oder Antidepressiva behandelt werden.
Solange das keine Linderung bringt, können Betroffene versuchen, sich mit den Symptomen zu arrangieren, um ihr Leben bestmöglich weiterzuführen. Pausen geben im Alltag dem Gehirn die Möglichkeit, sich zu erholen.
Weitere Tipps
- Gedächtnistraining: Techniken, die Ihr Denkorgan fordern, sind gerade im Alter immens wichtig. Ob Schachclub oder Kreuzworträtsel-Abo, Scrabble spielen oder Knobeln mit Freunden - suchen Sie sich abwechslungsreiche Herausforderungen, die Ihnen Freude machen, und Gleichgesinnte, mit denen Sie gemeinsam Ihr Gehirn auf Trab halten.
- Pflanzliche Präparate: Bei altersbedingtem Nachlassen der Gedächtnisleistung gibt es pflanzliche und gut verträgliche Präparate, die Gedächtnis und Konzentration stärken können. Wirkstoffe wie etwa der Extrakt aus den Blättern des Ginkgobaumes - Ginkgo biloba - sind hier bestens geeignet, denn die verschiedenen Inhaltsstoffe ergänzen sich in ihrem Zusammenspiel: sie schützen unter anderem die Nerven vor gesundheitsschädlichen Einflüssen, helfen bei der Übertragung von Informationen im Gehirn, fangen schädliche freie Radikale ab und bewirken, dass das Blut schneller durch die Gefäße fließt. Damit wird das Gehirn besser mit Blut versorgt und das Gedächtnis gefördert - Sie können wieder leichter lernen.
Depression und synaptische Plastizität
Die Forscher untersuchten, wie gut die Fähigkeit des Gehirns ausgeprägt ist, die Übertragung zwischen Nervenzellen an neue Reize anzupassen. Dieser Vorgang wird als synaptische Plastizität bezeichnet und ist die Grundlage von Lernen, Gedächtnisbildung und unserer Anpassungsfähigkeit an eine sich verändernde Umwelt. Um die synaptische Aktivität zu ermitteln, untersuchten die Forscher je 27 gesunde und depressive Personen. Sie reizten mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden ein bestimmtes motorisches Areal im Gehirn, das für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dann maßen sie, wie stark der Daumenmuskel dadurch aktiviert wird. Im zweiten Schritt kombinierten sie die Reizung mit einer wiederholten Stimulation eines Nervs am Arm, der Informationen ins Gehirn sendet. Hatte durch die Kopplung ein Lernvorgang in Form einer stärkeren Verknüpfung von Nervenzellen in der Gehirnrinde stattgefunden (synaptische Plastizität), war die Reaktion stärker als zu Beginn des Experiments. Der Versuchsaufbau ist für die Messung der synaptischen Plastizität bereits etabliert.
Tatsächlich wiesen die depressiven Probanden eine geminderte synaptische Plastizität auf als solche ohne eine depressive Episode. War die depressive Episode bei den erkrankten Probanden bei einer Folgemessung einige Wochen später jedoch abgeklungen, zeigten sie auch eine normale Hirnaktivität. „Damit haben wir eine messbare Veränderung im Gehirn gefunden, die zeitlich mit dem klinischen Zustand übereinstimmt“, sagt Prof. Die Forscher gehen davon aus, dass es sich bei der verminderten synaptischen Plastizität um eine Ursache der Depression handelt und nicht nur um eine Folge. „Synaptische Plastizität ist ein grundlegender Prozess im Gehirn. Veränderungen könnten einen Großteil der Symptome einer Depression erklären“, sagt Prof. Nissen.
Vorangegangene Untersuchungen an Tiermodellen und auch weitere Indizien beim Menschen sprechen für eine ursächliche Rolle. Neben Schlafentzug, einer etablierten Depressionstherapie, haben auch alle gängigen antidepressiv wirksamen Verfahren, einschließlich Medikamente, Elektrokrampftherapie und auch sportliche Betätigung, eine positive Wirkung auf die synaptische Plastizität.
Sollten sich die Ergebnisse in weiteren Studien als zuverlässig erweisen, könnten sie auch zur weiteren Entwicklung für objektive Verfahren zur Diagnosestellung und Therapiekontrolle dienen. Bislang geschieht dies ausschließlich über ein persönliches Gespräch und durch den Ausschluss anderer Erkrankungen. „Die Patienten sind schwer betroffen und oft extrem verunsichert. Da wäre es eine große Hilfe, wenn wir objektive Messverfahren entwickeln, die zur Diagnosestellung und zur Behandlungsplanung beitragen könnten“, sagt Prof. Nissen. Darüber hinaus könnte die vorliegende Forschungslinie die Entwicklung neuer Therapieverfahren begünstigen, die die synaptische Plastizität noch direkter als bisher beeinflussen.
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