Die faszinierende Verbindung zwischen Vorstellung und Realität im Gehirn: Eine wissenschaftliche Erklärung

Die menschliche Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen, ist ebenso erstaunlich wie alltäglich. Ob wir uns in die Lage eines Filmhelden versetzen, uns den Geschmack einer Zitrone vorstellen oder uns an einen romantischen Moment erinnern - unsere Gedanken scheinen die Kraft zu haben, unsere Realität zu beeinflussen. Doch was genau passiert dabei in unserem Gehirn? Und warum fällt es uns manchmal so schwer, zwischen Vorstellung und Realität zu unterscheiden?

Die neuronale Grundlage der Vorstellungskraft

Neurowissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass unser Gehirn bei der Verarbeitung von Vorstellungen ähnliche neuronale Schaltkreise aktiviert wie bei realen Erfahrungen. Eine Studie von Forschern um Christian Keysers vom Neuroimaging Center der Universität Groningen zeigte beispielsweise, dass beim Lesen eines Ekel erregenden Textes dieselben Hirnregionen aktiv werden, die auch bei der tatsächlichen Empfindung von Ekel beteiligt sind. Konkret wurde der anteriore insuläre Cortex aktiviert, ein Gehirnareal, das eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt.

Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass unser Gehirn keinen strikten Unterschied zwischen realen und fiktiven Erlebnissen macht. Vielmehr konstruiert es unsere Erfahrungen auf der Grundlage von Informationen, die sowohl aus der Außenwelt als auch aus unserem inneren Vorstellungsraum stammen.

Die selektive Wahrnehmung: Ein Filter für die Realität

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Unterscheidung zwischen Vorstellung und Realität ist die selektive Wahrnehmung. Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, die Flut von Informationen, die über unsere Sinne auf uns einströmen, zu filtern und zu ordnen. Dabei konzentrieren wir uns unbewusst auf bestimmte Aspekte unserer Umgebung, während wir andere ausblenden.

Dieses Phänomen lässt sich gut anhand des Beispiels eines Autokaufs illustrieren: Wenn wir uns für ein bestimmtes Automodell interessieren, nehmen wir plötzlich viel mehr Fahrzeuge dieses Typs im Straßenverkehr wahr. Oder wenn eine Frau schwanger ist, scheint sie überall andere Schwangere zu sehen. Dies liegt daran, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Muster fokussieren und diese verstärkt wahrnehmen.

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Die selektive Wahrnehmung ermöglicht es uns, die Komplexität der Welt zu reduzieren und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie kann aber auch dazu führen, dass wir unsere Realität verzerrt wahrnehmen und uns Illusionen hingeben.

Das Unterbewusstsein: Ein Speicher für Erfahrungen

Alles, was wir in unserem Leben gesehen, gerochen, gefühlt, geschmeckt und gehört haben, ist in unserem Unterbewusstsein gespeichert. Fehlt eine Erfahrung, kann unser Gehirn sie nicht zuordnen. Stattdessen versucht es, jeden Vorgang und jedes Bild aus anderen Erfahrungen und Erlebnissen zu konstruieren und so einzuordnen.

Dies erklärt, warum wir uns Dinge vorstellen können, die wir noch nie erlebt haben. Wenn wir uns beispielsweise eine Zitrone vorstellen, die in Stücke geschnitten wird, aktivieren wir Erinnerungen an den Geruch, den Geschmack und das Gefühl von Zitronen, um ein lebendiges Bild in unserem Geist zu erzeugen.

Die Macht der Gedanken: Realität oder Illusion?

Unser Unterbewusstsein kann nicht zwischen Realität und Illusion unterscheiden. Jeder Gedanke, den wir haben, ist für unser Unterbewusstsein real. Das bedeutet, dass unsere Gedanken einen enormen Einfluss auf unser Leben haben.

Wenn wir positiv denken und uns auf unsere Ziele konzentrieren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir diese auch erreichen. Umgekehrt können negative Gedanken und Ängste uns daran hindern, unser volles Potenzial auszuschöpfen.

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Positives Denken: Ein Werkzeug zur Gestaltung der Realität

Da unsere Gedanken Aufträge an unser Unterbewusstsein sind, sollten wir ihm vor allem positive Informationen anbieten. Auch wenn etwas schiefläuft, können wir gedanklich gut zu uns sprechen. Eine Aufmunterung wie „Das nächste Mal klappt es bestimmt“ sendet andere Signale aus als ein „Ich kann das nicht!“.

Positives Denken funktioniert wie ein imaginäres Bankkonto: Wenn wir uns etwas Gutes sagen und in positiven Bildern denken, mehrt sich das Guthaben wie bei einer Einzahlung, während negative Vorstellungen einer Abhebung gleichen, die das Kapital schmälern.

Bewusstheit und Achtsamkeit: Den Einfluss der Gedanken erkennen

Wir können Einfluss auf die unbewusste Steuerung unseres Lebens nehmen, indem wir uns unserer Gedanken bewusst werden und achtsam mit ihnen umgehen. Jeder von uns lebt in seiner eigenen Welt, und diese Welt ist unsere Realität.

Manchmal sind wir von unseren Erfahrungen und Erlebnissen so stark geprägt und gefangen, dass wir uns selbst im Wege stehen. Dem können wir durch Hinterfragen unserer bisherigen Annahmen begegnen. Denn alle unsere Handlungen beruhen auf Annahmen. Handlungen und Ergebnisse sind miteinander verquickt. Unsere Annahmen fußen auf eigenen oder erlernten Erfahrungen. Werden diese nicht hinterfragt, sind sie auf Dauer zementiert.

Glaubenssätze hinterfragen: Eine positive Grundeinstellung entwickeln

Indem wir unsere verinnerlichten Glaubenssätze infrage stellen, können wir zu einer veränderten positiven Grundeinstellung gelangen. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, lassen sich nach und nach neue förderliche Glaubenssätze festigen, welche die alten einschränkenden ersetzen.

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Förderliche Glaubenssätze eröffnen eine Wahlmöglichkeit und sind wohltuend und befreiend. Auswirkungen sind in allen Lebensbereichen spürbar, beruflich ebenso wie privat. In der positiven Grundeinstellung im Umgang mit den Dingen und vor allem mit den Menschen liegt auch der Grundstein zum Erfolg.

Visualisierung: Die Kraft der Vorstellungskraft nutzen

Visualisierung ist ein mächtiges Werkzeug, um unsere Ziele zu erreichen und unser Leben positiv zu gestalten. Sie bedeutet, etwas mithilfe der Vorstellungskraft zu erschaffen. Die moderne Neurowissenschaft geht davon aus, dass alle Informationen und Erfahrungen, denen wir in unserem Leben ausgesetzt waren, in den synaptischen Verbindungen unseres Gehirns gespeichert sind. Je öfter wir eine bestimmte Erfahrung gemacht und/oder einen bestimmten Gedanken gedacht haben, desto fester ist die entsprechende synaptische Verbindung in unserem Gehirn geworden.

Mithilfe von bewusstem Visualisieren können wir diesen Teufelskreis durchbrechen. Die Neuronen unseres Gehirns können nicht unterscheiden, ob wir uns etwas nur vorstellen oder ob wir es tatsächlich tun bzw. erleben.

Wie funktioniert Visualisierung?

  1. Definiere dein Ziel: Was willst du gerne haben? Das kann ein Gegenstand sein, ein bestimmter Geldbetrag, eine Arbeitsstelle, eine Beziehung, ein Gefühl oder auch dein Aussehen betreffen.
  2. Nutze deine Vorstellungskraft: Male dir das Gewünschte so genau wie möglich aus. Beziehe so viele Sinne wie möglich in deine Vorstellung ein. Versetze dich vollkommen in die Situation so als sei sie Wirklichkeit.
  3. Fühle Dankbarkeit: Versetze dich vor bzw. während der Visualisierung in einen Zustand der Dankbarkeit bzw. Liebe.
  4. Wiederhole die Vorstellung: Wiederhole die Vorstellung so oft wie möglich.

Die Rolle der Hirnforschung in der Bildung

Die Hirnforschung soll neue Erkenntnisse zum Phänomen der "Bildung" liefern. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die vor einer Reduktion von Bildung auf rein neurobiologische Prozesse warnen.

Andreas Dörpinghaus argumentiert, dass Bildung mehr ist als leistungsorientierte Selbstoptimierung. Sie steht für ein nicht-effizientes Verhalten zur Welt, das im Zögern mehr ist als die leistungsorientierte Selbstoptimierung, die den Weg zum kritisch Reflexiven nicht findet.

Mythen rund um das Gehirn

Es gibt viele Mythen rund um das Gehirn, die sich hartnäckig halten. Einige der häufigsten sind:

  1. Das Gehirn ist nur zu zehn Prozent aktiv: In der Realität ist das Gehirn in seiner Gesamtheit aktiv. Je nach Aufgabe sind die einzelnen Hirnregionen lediglich unterschiedlich stark beschäftigt.
  2. Die linke Hirnhälfte ist die logische Seite, die rechte die kreative: Es gibt eine gewisse Aufgabenteilung, sie bezieht sich aber auf ganz andere Fertigkeiten. So ist die linke Hirnhemisphäre im Allgemeinen auf sprachliche Leistungen spezialisiert, während räumliches Denken eher rechts angesiedelt ist.
  3. Das Gehirn von Männern und Frauen ist unterschiedlich verdrahtet: Ja, es gibt Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen. Beispielsweise sind die Gehirne von Männern in der Regel größer als die von Frauen. Doch es handelt sich um statistische Durchschnittswerte, und diese haben mit einem individuellen Gehirn oft wenig zu tun.
  4. Spiegelneurone machen uns erst empathisch: Die Existenz von Spiegelneuronen beim Menschen ist bis heute umstritten. Und auch die empathischen Fähigkeiten der Spiegelneurone scheinen ein Mythos zu sein.
  5. Hirnjogging macht uns schlau: Durch mentales Training profitiert man nur bei den geübten oder bei ähnlichen Aufgaben, aber nicht bei vollkommen anderen.
  6. Hirnforscher können unsere Gedanken lesen: Hirnforscher können Gedanken lesen! Allenfalls in einem ganz indirekten Sinne. Zunächst einmal können bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie keinen unserer Gedanken direkt sichtbar machen. Sie registrieren lediglich Hirnaktivierungen.
  7. Psychische Erkrankungen beruhen auf einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn: Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Neurochemie eine wichtige Rolle bei Depression spielt. Aber das bedeute nicht, dass mentale Störungen in solch einem einfachen Sinne durch ein chemisches Ungleichgewicht verursacht würden, wie es dieser Vorstellung nach erscheint.
  8. Die ersten drei Lebensjahre sind für die Hirnentwicklung entscheidend: Entgegen dem Mythos der alles entscheidenden ersten drei Lebensjahre entwickeln sich einzelne Hirnregionen in einem unterschiedlichen Tempo.
  9. Jugendliche handeln wegen ihres unreifen Gehirns impulsiv: In der Zeit der Adoleszenz zwischen 10 und 22 Jahren wird das Gehirn völlig umgebaut. Dabei ist vor allem das für die Kontrolle von Impulsen wichtige Stirnhirn ein Nachzügler.

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