Gehirn Anatomie und Funktion: Eine umfassende Übersicht

Das menschliche Gehirn, auch Cerebrum genannt, ist ein faszinierendes Organ. Mit einem durchschnittlichen Gewicht von etwa 1.400 Gramm steuert es nahezu alle lebenswichtigen Körperfunktionen, ermöglicht Denken, emotionales Erleben und viele weitere komplexe Abläufe. Es verarbeitet Sinneseindrücke, koordiniert die Körperfunktionen und hält sie aufrecht. Grundlage dafür ist die ständige Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen Milliarden von Gehirnnervenzellen (Neuronen).

Aufbau des Gehirns

Das Gehirn besteht aus zwei Hälften, den sogenannten Hemisphären, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Diese Verbindung ermöglicht den Austausch von Informationen zwischen den beiden Hirnhälften. Zum Schutz des Gehirns dienen die Schädelknochen und drei Hirnhäute (Meningen). Das Gehirn schwimmt in einer Flüssigkeit, dem Liquor, die es zusätzlich schützt.

Die verschiedenen Leistungen des Gehirns werden in speziell dafür zuständigen Hirnregionen erbracht, die sich auch anhand der Anatomie nachvollziehen lassen. Wissenschaftler können die Hirntätigkeit teilweise anhand der begleitenden Stoffwechselvorgänge sichtbar machen, indem sie beispielsweise den Sauerstoff- oder Zuckerverbrauch des Gehirns beobachten.

Bestandteile des Gehirns

Das Gehirn setzt sich aus Nervenzellen, Gliazellen (Stütz- und Versorgungsgewebe) und Blutgefäßen zusammen. Zu den Hauptbestandteilen gehören:

  • Großhirn (Telencephalon): Der größte und am höchsten entwickelte Teil des Gehirns, der in zwei Hemisphären unterteilt ist.
  • Kleinhirn (Cerebellum): Spielt eine wichtige Rolle bei der Koordination von Bewegungen und der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts.
  • Zwischenhirn (Diencephalon): Enthält wichtige Strukturen wie Thalamus und Hypothalamus, die für die Verarbeitung von Sinnesinformationen und die Steuerung des Hormonhaushaltes zuständig sind.
  • Hirnstamm (Truncus cerebri): Der älteste Teil des Gehirns, der lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck reguliert.

Die Rolle der Gehirnzellen: Neuronen und Gliazellen

Das Gehirn besteht aus einer Reihe unterschiedlicher Gehirnzellen, wobei die wichtigsten und häufigsten die Nervenzellen (Neurone) sind. Es gibt im menschlichen Gehirn ungefähr 86 bis 200 Milliarden Neuronen. Der Körper der Nervenzelle misst etwa 5 bis 100 Mikrometer. Die Nervenzellfortsätze verjüngen sich auf einen Durchmesser von etwa einem Mikrometer. Am Ende des Axons befinden sich die Endplatten, wo sich Synapsen ausbilden, wenn sie die benachbarte Zelle berühren. Durch diese Synapsen tauschen die Gehirnzellen Informationen untereinander mithilfe chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) aus. Je mehr Synapsen eine Nervenzelle hat, desto mehr Informationen kann sie übertragen. Nervenzellen teilen sich nach der Geburt nicht mehr.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Die Nervenzellen werden von den sogenannten Gliazellen umhüllt, die etwa 50 Prozent der gesamten Hirnmasse ausmachen. Gliazellen haben eine wichtige Funktion für den Stoffwechsel und die Versorgung des Gehirns und sind am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke beteiligt. Oligodendrozyten bilden die Markscheiden um die Nervenzellfortsätze, während Ependymzellen die Gehirnkammern (Ventrikel) auskleiden.

Die Hirnhäute und der Liquor

Das Gehirn wird von den Schädelknochen und innerhalb des Schädels von drei Hirnhäuten (Meningen) umgeben:

  • Dura mater (harte Hirnhaut)
  • Arachnoidea (Spinngewebshaut): Hier verlaufen zahlreiche Blutgefäße.
  • Pia mater (weiche Hirnhaut)

In dieser festen Hülle schwimmt das Gehirn gewissermaßen im Hirnwasser, dem Liquor. Liquor ist die Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umgibt und als Schutzpolster dient. Die Ventrikel stehen mit den äußeren Liquorräumen in Verbindung. Auch das Rückenmark ist von Liquor umgeben.

Die Blutversorgung des Gehirns

Bedeutsam sind auch die zahlreichen feinen Blutgefäße des Gehirns: die Kapillaren. Die Blut-Hirn-Schranke lässt nur wenige Stoffe passieren. Welche Stoffe die Blut-Hirn-Schranke durchlässt, kontrollieren die Endothel- und Gliazellen. Das Gehirn muss ständig mit genügend Sauerstoff, Glukose und weiteren Nährstoffen versorgt werden. Deshalb ist es besonders gut durchblutet. Die vordere Hirnarterie (Arteria cerebri anterior) versorgt das Gewebe hinter der Stirn und im Bereich des Scheitels. Die mittlere Hirnarterie (Arteria cerebri media) ist für die Seite und weiter innen liegende Gehirnbereiche wichtig. Die vordere und die mittlere Hirnarterie zweigen von der inneren Halsschlagader ab. Die hintere Hirnarterie (Arteria cerebri posterior) versorgt den Hinterkopf und den unteren Bereich des Gehirns sowie das Kleinhirn. Sie wird mit Blut aus den Wirbelarterien gespeist.

Bevor die drei Arterien in „ihre“ Hirnregionen ziehen und sich dort in kleinere Äste verzweigen, liegen sie nahe beieinander unterhalb des Gehirns. Hier sind sie über kleinere Blutgefäße miteinander verbunden - ähnlich wie in einem Kreisverkehr. Auch an weiter entfernten Stellen gibt es Verbindungswege zwischen den einzelnen Arterien. Das hat den Vorteil, dass Durchblutungsstörungen im Gehirn bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden können: Wenn zum Beispiel ein Arterienast allmählich immer enger wird, kann über diese „Umwege“ (sogenannte Kollateralen) trotzdem Blut in den betroffenen Hirnbereich fließen.

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

Funktionen der einzelnen Hirnregionen

Die verschiedenen Hirnregionen sind für unterschiedliche Funktionen zuständig:

Großhirn (Telencephalon)

Das Großhirn ist der größte und am höchsten entwickelte Teil des Gehirns. Es unterteilt sich in zwei weitgehend symmetrische Hälften (Hemisphären), die durch den Balken (Corpus callosum) und weitere Nervenfasern miteinander in Verbindung stehen. Die meisten Funktionszentren kommen gleichermaßen in beiden Hirnhälften vor, einige Zentren jedoch gibt es nur einmal - wie etwa das Sprachzentrum.

Jede Gehirnhälfte des Großhirns ist in vier Bereiche eingeteilt:

  • Frontallappen (Stirnlappen): Kontrolliert Bewegungen und führt kognitive Prozesse aus. Hier sind die Funktionen von Intelligenz, Sprache (motorisches Sprachzentrum), die Persönlichkeitsmerkmale sowie die Bewegungssteuerung zu finden.
  • Parietallappen (Scheitellappen): Ein primär sensorisches Rindenfeld, das für somatosensorische Funktionen zuständig ist. Er empfängt und verarbeitet Informationen über Temperatur, Geschmack, Berührung und Bewegung, die vom Rest des Körpers kommen.
  • Temporallappen (Schläfenlappen): Hier befindet sich das Sprachzentrum, das für das Verständnis und die Verarbeitung von Sprache eine wichtige Rolle spielt. Der mittlere Teil des Temporallappens enthält den Hippocampus, der für das Gedächtnis von größter Bedeutung ist. Im Hippocampus werden Informationen aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt. Zellen des Schläfenlappens sind wichtig für das Gedächtnis, für Gefühle und Emotionen. Der Schläfenlappen beherbergt zudem die Hörrinde und das Sprachverständnis.
  • Okzipitallappen (Hinterhauptlappen): Der hinterste und auch kleinste der vier Hirnlappen.

Kleinhirn (Cerebellum)

Das Kleinhirn wiegt mit circa 130 bis 140 Gramm zehnmal weniger als das Großhirn. Es liegt an der Basis des Schädels unter dem Hinterhauptlappen des Großhirns. Es stimmt Bewegungen aufeinander ab und speichert Abläufe, sodass nach einiger Übung bestimmte Bewegungen automatisch erfolgen. Verbindungen zur Großhirnrinde, zum Hirnstamm, zum Rückenmark und zum Gleichgewichtsorgan ermöglichen es dem Kleinhirn, seine wichtigen Funktionen zu erfüllen. Das Cerebellum gibt keine Bewegungsimpulse, vielmehr stimmt es Bewegungen fein ab, erhält die Muskelspannung und das Gleichgewicht. Wie das Großhirn hat auch das Cerebellum eine Rinde; in ihr liegt die graue Substanz des Kleinhirns: die Zellkörper der Nervenzellen. Die Hauptaufgabe des Kleinhirns besteht darin, Bewegungsabläufe zu steuern und zu koordinieren. So haben wir es beispielsweise dem Kleinhirn zu verdanken, wenn unser Gleichgewicht hergestellt und die Körperhaltung aufrechterhalten wird. Jede Bewegung unseres Körpers wird vom Kleinhirn blitzschnell analysiert.

Zwischenhirn (Diencephalon)

Das Zwischenhirn liegt zwischen Großhirn und Hirnstamm. Im Thalamus treffen Informationen aus dem Körper und den verschiedenen Sinnesorganen ein. Der Thalamus leitet die Signale an das Großhirn weiter, nachdem er die Informationen im Vorfeld gefiltert hat. Dies vermeidet, dass das Hirn überlastet wird. Der Hypothalamus steuert als übergeordnetes Schaltzentrum zum Beispiel den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Wasserhaushalt, die Schweißsekretion sowie Schmerz- und Temperaturempfinden. Er lässt sich sowohl über Nerven als auch durch Hormone beeinflussen. Der Hypothalamus steht in direktem Kontakt mit der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und verbindet das Hormon- mit dem Nervensystem. Es filtert eingehende Informationen, bevor es sie an das Großhirn weiterleitet. Der Thalamus beinhaltet graue Substanz und ist für die Sammlung von Sinneswahrnehmungen zuständig, die er an den Parietallappen des Großhirns weiterleitet. Der Hypothalamus steuert den Hormonhaushalt und agiert sozusagen als Brücke zwischen Hormon- und Nervensystem. Er übernimmt die Steuerung von Funktionen wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten. Der Hypothalamus ist mit der Hypophyse verbunden, die die Ausschüttung von Hormonen im Körper reguliert.

Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick

Hirnstamm (Truncus cerebri)

Der Hirnstamm ist der älteste Teil des Gehirns. Er befindet sich unter den anderen Abschnitten nahe dem Rückenmark und wird fast vollständig von beiden Hirnhälften, den Hemisphären, umschlossen. Im Nachhirn kreuzen die aus dem Rückenmark kommenden Nervenbahnen. Das führt dazu, dass Informationen einer Körperseite in der gegenüberliegenden Hirnhälfte verarbeitet werden. Im Hirnstamm befinden sich Nervenbahnen, die das Gehirn mit dem Rückenmark verbinden. Weiterhin liegt dort das Atemzentrum. Es regelt die Atmung, das Herz-Kreislauf-System und den Blutdruck. Er dient als Verbindung zwischen Rückenmark und Großhirn. Er besteht aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata). Der Hirnstamm ist für eine Vielzahl überlebenswichtiger Funktionen zuständig. Er koordiniert automatische Abläufe wie die Atmung und den Herzschlag, außerdem kontrolliert er auch Reflexe wie Husten, Harndrang, Erbrechen und Schlucken.

Funktionelle Karte des Gehirns

Mit dem heutigen Wissen lässt sich eine sogenannte funktionelle Karte des Gehirns erstellen. So weiß man, dass im Stirnhirn die Funktionen von Intelligenz, Sprache (motorisches Sprachzentrum), die Persönlichkeitsmerkmale sowie die Bewegungssteuerung zu finden sind. Zellen des Schläfenlappens sind wichtig für das Gedächtnis, für Gefühle und Emotionen. Der Schläfenlappen beherbergt zudem die Hörrinde und das Sprachverständnis. Im Hirnstamm befinden sich Nervenbahnen, die das Gehirn mit dem Rückenmark verbinden. Weiterhin liegt dort das Atemzentrum. Es regelt die Atmung, das Herz-Kreislauf-System und den Blutdruck. Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) schüttet Hormone oder Vorstufen von Hormonen in die Blutbahn aus. Das Kleinhirn hält Bewegungsprogramme bereit und stimmt Bewegungsabläufe ab.

Hirnnerven

Dem Hirnstamm entspringen zwölf paarige Hirnnerven (I-XII). Sie haben motorische (Bewegung), sensible oder sensorische (Empfindungen) sowie vegetative (lebenswichtige Vorgänge) Funktionen:

  • Nervus ophthalmicus: Empfindungen an Auge, Gesichtshaut, Nasenschleimhaut
  • Nervus maxillaris: Oberkiefer und Zähne, Rachen
  • Nervus mandibularis: Haut und Schleimhaut des Unterkiefers, Unterkieferzähne, Zunge, Kaumuskulatur
  • Nervus abducens (VI): Versorgt einen Augenmuskel
  • Nervus fascialis (VII): Gesichtsmuskulatur (Mimik), Geschmack, Kopfdrüsen
  • Nervus vestibulocochlearis (VIII): Hören, Gleichgewicht
  • Nervus glossopharyngeus (IX): Geschmack, Schlucken (Schlundmuskeln)
  • Nervus vagus (X)

Alle weiteren Nerven, die das Gehirn mit Informationen versorgen bzw. Informationen vom Gehirn in die verschiedenen Körperregionen transportieren, entspringen im Rückenmark.

Erkrankungen des Gehirns

Da sich die meisten Hirnleistungen einer bestimmten anatomischen Hirnregion zuordnen lassen, weisen bestimmte Ausfälle - etwa Bewegungsstörungen, Sprachstörungen oder Sehstörungen - bereits auf krankhafte Veränderungen eines bestimmten Hirnareals hin. Dabei kann es sich zum Beispiel um Durchblutungsstörungen (Schlaganfall) oder gut- oder bösartige Gewebeneubildungen handeln. Das Gehirn ist trotz des Schutzes durch die Schädelknochen anfällig für verschiedene Erkrankungen:

  • Schlaganfall: Eine Durchblutungsstörung im Gehirn durch den Verschluss eines Blutgefäßes, die zu Sauerstoffunterversorgung im entsprechenden Gebiet führt.
  • Gehirntumor: Gutartige und bösartige Hirntumore können auftreten.
  • Demenz: Unter Demenz versteht man die Abnahme von Gedächtnis- und Denkleistungen. Eine Art der Demenz ist Alzheimer.
  • Parkinson: Bei Parkinson kommt es zum Absterben einer bestimmten Art von Nervenzellen im Gehirn. Dadurch herrscht eine geringere Konzentration des Botenstoffs Dopamin vor.
  • Gehirnerschütterung: Die leichteste Form der Gehirnerkrankung.

Die synaptische Plastizität: Grundlage für Gedächtnis und Lernen

Die synaptische Plastizität gilt als Grundlage von Gedächtnis und Lernen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, Signale zur Übertragung von Informationen zwischen zwei Nervenzellen variieren zu können. Bei der Übertragung von Informationen kann die Synapse mehr oder weniger Botenstoffe ausschütten, um die Stärke der Signale zu regulieren. Im erwachsenen Gehirn werden fortlaufend neue Synapsen gebildet. Lernfähigkeit kommt dadurch zustande, dass durch ständiges Wiederholen entsprechende Synapsen verstärkt werden.

tags: #Gehirn #Anatomie #und #Funktion