Gehirn: Mythos und Realität

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, um das sich viele Mythen ranken. Einige davon sind hartnäckig, obwohl sie wissenschaftlich widerlegt wurden. Dieser Artikel beleuchtet einige dieser Mythen und stellt ihnen die Realität gegenüber, basierend auf aktuellen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Vermischung von Vorstellung und Wirklichkeit

Eine der grundlegenden Funktionen unseres Gehirns ist die Unterscheidung zwischen Realität und Einbildung. Doch wo genau verläuft diese Grenze und wie arbeitet unser Gehirn, um sie zu ziehen?

Mentale Bilder und visuelle Zentren

Mentale Bilder entspringen denselben Hirnregionen, die auch Gesehenes verarbeiten. Wenn wir uns einen roten Luftballon vorstellen, der am Fenster vorbeischwebt, werden in unseren visuellen Zentren ähnliche Signale erzeugt wie beim tatsächlichen Betrachten eines Baumes. Evolutionär gesehen nutzten unsere Vorfahren bereits bestehende neuronale Strukturen, als sie lernten, Szenarien im Geiste durchzuspielen.

Die Realitätsschwelle

Die Psychologin Mary Cheves West Perky führte bereits 1910 Experimente durch, die zeigten, wie leicht sich Wahrnehmung und Vorstellung vermischen können. Sie projizierte kaum sichtbare Bilder auf eine leere Fläche, während die Teilnehmenden sich dieselben Objekte vorstellen sollten. Die Probanden waren überrascht, wie lebhaft ihre Fantasie war, ohne zu bemerken, dass sie tatsächlich eine Projektion sahen.

Auch die Neurowissenschaftlerin Nadine Dijkstra beschäftigt sich mit diesem Grenzbereich. In einer Studie aus dem Jahr 2021 identifizierte sie eine "Realitätsschwelle". Ihre Forschung deutet darauf hin, dass Signale aus Wahrnehmung und Vorstellung im Gehirn nicht getrennt verarbeitet, sondern vermischt werden. Wenn wir beispielsweise unterschwellig eine Tomate wahrnehmen und uns gleichzeitig eine Tomate vorstellen, können beide Signale uns gemeinsam davon überzeugen, dass da wirklich eine Tomate ist, selbst wenn jedes Signal für sich genommen zu schwach wäre. Dies gilt jedoch primär für visuelle Wahrnehmungen.

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Die Rolle des Gyrus fusiformis und der anterioren Inselrinde

In Dijkstras aktueller Studie wurden die Gehirnaktivitäten von Teilnehmenden im Magnetresonanztomografen (MRT) untersucht, während diese auf ein Muster aus schwarz-weißen Punkten starrten und sich vorstellten, darin helle und dunkle Diagonalstreifen zu sehen. Dabei zeigte sich, dass die Aktivität im Gyrus fusiformis (Spindelwindung) eine entscheidende Rolle bei der Unterscheidung zwischen Realität und Einbildung spielte.

Der Gyrus fusiformis, der sich über die Großhirnrinde erstreckt, ist an der Erkennung von Gesichtern, Körperteilen, Farben und geschriebenen Wörtern beteiligt. Allerdings übernimmt er die Differenzierung von Wirklichkeit und Einbildung nicht allein. Auch die vordere (anteriore) Inselrinde, die eine wichtige Rolle bei der menschlichen Selbstwahrnehmung spielt, ist beteiligt. Sie dient als Kontrollzentrum, wenn wir Probleme lösen, Pläne schmieden und Entscheidungen treffen.

Stuften die Probanden das Muster als real ein, verstärkte sich die Aktivität der anterioren Inselrinde parallel zu der des Gyrus fusiformis. Laut Steve Fleming, Professor der Neurowissenschaften am University College London, sind diese Bereiche des präfrontalen Kortex bereits früher mit der Metakognition in Verbindung gebracht worden - der Fähigkeit, über unsere eigenen mentalen Zustände nachzudenken.

Medizinische Relevanz

Die Forschungsergebnisse sind auch für die Medizin von Bedeutung. Menschen, die unter einer Psychose leiden, verlieren häufig die Fähigkeit, zwischen innerer und äußerer Welt zu unterscheiden, was zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen führen kann. Es ist denkbar, dass bei diesen Personen die mentalen Bilder so eindrücklich sind, dass sie die Realitätsschwelle des Gehirns überschreiten oder dass der Schwellenwert selbst sich verschiebt.

Mythos Spiegelneurone

Die Entdeckung der Spiegelneurone vor 30 Jahren löste einen regelrechten Hype in der Hirnforschung aus. Doch was wissen wir heute wirklich über diese Nervenzellen und konnten sie die hohen Erwartungen erfüllen, die damals an sie gestellt wurden?

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Die Entdeckung

Die Geschichte der Entdeckung der Spiegelneurone ist von einem Mythos umrankt, der besagt, dass sie zufällig entdeckt wurden, als ein Affe im Labor die Bewegung eines Forschers nachahmte. Die Realität ist jedoch unspektakulärer: Die Forscher um Giacomo Rizzolatti beobachteten, dass bestimmte Nervenzellen im motorischen und prämotorischen Kortex nicht nur beim Ausführen einer Handlung feuern, sondern auch beim bloßen Beobachten derselben Bewegung.

Das Spiegelneuronen-System

Im Jahr 2010 fand ein Team um Roy Mukamel die begehrten Zellen auch im menschlichen Gehirn - genauer gesagt in Teilen des Motorkortex und im Schläfenlappen. Weitere Studien zeigten, dass auch Teile des Kleinhirns sowie Emotionen verarbeitende Regionen an diesen "Spiegelungen" beteiligt sind. Da MRT-Daten jedoch nur ein unvollständiges Bild der neuronalen Aktivität liefern, spricht man häufig von einem "Spiegelneuronen-System" oder von "Regionen mit Spiegeleigenschaften".

Funktionen der Spiegelneurone: Mythos und Realität

In den letzten drei Jahrzehnten wurden den Spiegelneuronen eine Vielzahl von Funktionen zugeschrieben. Caroline Catmur vom King's College London stellt jedoch fest, dass sich viele dieser großen Behauptungen nicht mehr halten lassen, da Forscher inzwischen vorsichtiger an die Sache herangehen.

1. Handlungsverständnis und Nachahmung

Forscher sind sich weitgehend einig, dass Spiegelneurone es uns ermöglichen, Handlungen zu erkennen und zu imitieren. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Schädigungen in Hirnregionen mit Spiegeleigenschaften Schwierigkeiten haben, Bewegungen zu identifizieren und nachzuahmen.

2. "Theory of Mind"

Die Idee, dass Spiegelneurone die Grundlage für die "Theory of Mind" bilden - die Fähigkeit, die Gedanken und Absichten anderer zu verstehen - hat maßgeblich zu ihrer Popularität beigetragen. Vittorio Gallese und Alvin Goldman veröffentlichten bereits 1998 einen Aufsatz über die Rolle der Spiegelneurone in der "Theory of Mind".

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Experimente, in denen Versuchspersonen Videos von Pantomimen vorgeführt wurden, zeigten, dass die Hemmung des prämotorischen Kortex die Fähigkeit beeinträchtigte, sowohl die Handlung als auch die dahinterliegende Absicht zu erkennen. Robert Spunt und Ralph Adolphs vom California Institute of Technology konnten jedoch zeigen, dass Hirnregionen mit Spiegelneuronen vor allem bei der Identifikation von Bewegungen aktiv sind, während das Verstehen der Absicht eher mit Bereichen der präfrontalen Hirnrinde assoziiert ist.

Caroline Catmur fasst zusammen: "Spiegelneurone helfen uns dabei, herauszufinden, was eine andere Person gerade macht, aber nicht, warum sie das tut."

3. Entstehung der Sprache

Rizzolatti und Michael Arbib stellten 1998 die These auf, dass die menschliche Sprache vor allem durch das Zutun von Spiegelneuronen entstanden sei. Diese Theorie basiert auf der Beobachtung, dass die Nervenzellen erstmals in der Area F5 im Motorkortex der Affen entdeckt wurden, die beim Menschen als Broca-Areal eine der Hauptkomponenten des Sprachnetzwerks bildet.

Obwohl Studien zeigen, dass Teile der motorischen Hirnrinde mit Spiegeleigenschaften aktiv werden, wenn Versuchspersonen einzelnen Silben lauschen oder sie nachsprechen, gibt es zahlreiche Befunde, die gegen die Vermutung sprechen, dass wir Sprache verstehen, indem Spiegelneurone im Motorkortex die Laute unseres Gegenübers nachahmen. Menschen mit Schädigungen im Broca-Areal können beispielsweise weiterhin Wörter und Sätze verstehen.

Caroline Catmur betont, dass es hilfreich ist, zwischen Sprechakten und Sprache zu unterscheiden. Sie glaubt jedoch, dass Spiegelneurone eine Funktion beim Verstehen von Sprechakten übernehmen könnten, insbesondere wenn etwas schwer zu verstehen ist, z. B. bei verzerrten Lauten oder in störenden Geräuschkulissen.

4. Empathie

Die Behauptung, dass Spiegelneurone uns empathisch machen, ist eine der umstrittensten. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass Spiegelneurone bei der Verarbeitung von Emotionen eine Rolle spielen, doch die Forschungsergebnisse sind nicht eindeutig.

Weitere populäre Hirn-Mythen

Neben den Spiegelneuronen gibt es noch eine Reihe weiterer populärer Mythen rund um das Gehirn, die sich hartnäckig halten.

1. Wir nutzen nur 10 % unseres Gehirns

Dieser Mythos ist wohl einer der bekanntesten und hartnäckigsten. Er besagt, dass wir nur einen Bruchteil unserer Gehirnkapazität nutzen und dass es möglich wäre, unser volles Potenzial auszuschöpfen, wenn wir wüssten wie. Die Realität ist jedoch, dass wir alle Bereiche unseres Gehirns nutzen, wenn auch nicht immer gleichzeitig. Bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass unsere Denkzentrale in ihrer Gesamtheit aktiv ist. Je nach Aufgabe sind die einzelnen Hirnregionen lediglich unterschiedlich stark beschäftigt. Selbst wenn wir gerade einmal nichts tun, bleibt das Gehirn nicht untätig.

Würde ein Gehirnteil tatsächlich nicht benutzt, würden die betreffenden Hirnzellen Aufgaben von benachbarten Hirnregionen übernehmen. Das Gehirn ist extrem formbar und kann sich je nach Anforderung verändern. Dass das Gehirn weite Bereiche ungenutzt lassen würde, ergibt auch aus evolutionärer Sicht wenig Sinn. Das Gehirn ist ein großer Energiefresser, und die Evolution neigt eigentlich dazu, wenig Effizientes auszumustern.

2. Die linke Hirnhälfte ist die logische, die rechte die kreative

Dieser Mythos besagt, dass wir eher analytisch oder kreativ veranlagt sind, je nachdem, welche Hirnhälfte wir stärker nutzen. Es gibt zwar eine gewisse Aufgabenteilung zwischen den Hirnhälften - so ist die linke Hirnhemisphäre im Allgemeinen auf sprachliche Leistungen spezialisiert, während räumliches Denken, Zahlenverständnis oder das Erkennen von Gesichtern eher rechts angesiedelt sind -, aber die Trennung ist nicht so strikt. Es gibt keine neurowissenschaftlichen Belege dafür, dass bei Menschen tatsächlich die linke oder die rechte Hirnhälfte dominiert.

3. Das Gehirn von Männern und Frauen ist unterschiedlich verdrahtet

Es gibt zwar Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen - beispielsweise sind die Gehirne von Männern in der Regel größer als die von Frauen -, aber es handelt sich um statistische Durchschnittswerte, die mit einem individuellen Gehirn oft wenig zu tun haben. Eine bestimmte Frau kann durchaus über ein größeres Gehirn verfügen als ein bestimmter Mann. Außerdem ist das größere Hirnvolumen der Männer nicht gleichbedeutend mit höherer Intelligenz.

Besonders problematisch ist es, wenn echte oder bloß vermeintliche biologische Unterschiede der Geschlechter mit Verhaltensunterschieden verknüpft werden. So gibt es keine wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung, dass bei Frauen die beiden Hirnhälften besser miteinander kommunizieren und sie deshalb - anders als Männer - mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen können.

4. Hirnjogging macht uns schlau

Kreuzworträtsel, Sudokus und zahlreiche kommerzielle Gehirnjoggingprogramme versprechen, unsere geistige Fitness zu steigern. Doch Forscher haben für uns eine ernüchternde Botschaft. Viele Untersuchungen zeigen, dass man durch mentales Training nur bei den geübten oder bei ähnlichen Aufgaben profitiert, aber nicht bei vollkommen anderen. Wenn wir regelmäßig über Kreuzworträtseln brüten, werden wir zwar darin besser. Unser Verständnis für Zahlen macht damit aber keine Fortschritte.

Die meisten Psychologen gehen davon aus, dass wir unsere fluide Intelligenz, unsere geistige Flexibilität, im Erwachsenenalter nicht mehr steigern können. Die gute Nachricht aber ist: Die kristalline Intelligenz, unsere im Laufe des Lebens angesammelten Wissensvorräte und Kompetenzen, nehmen bis ins hohe Alter zu. Wer sich mental zusätzlich ertüchtigen möchte, sollte bedenken: Vor allem Abwechslung ist Trumpf. Jeden Tag nur Sudoku zu spielen ist definitiv zu einseitig.

5. Hirnforscher können unsere Gedanken lesen

Es klang sensationell, was man in den vergangenen Jahren erfahren durfte: „Gedanken lesen im Kopf des anderen!“ Anlass waren Studien, in denen Forschern gelungen war, die Emotionen ihrer Probanden zu identifizieren, und zwar allein anhand von Hirnmustern. Doch handelte es sich dabei wirklich um Gedankenlesen? Allenfalls in einem ganz indirekten Sinne.

Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie können keine unserer Gedanken direkt sichtbar machen. Sie registrieren lediglich Hirnaktivierungen. Um von Hirnmustern auf Seelisches wie Gefühle zu „schließen“, muss eine Computersoftware zunächst einmal viel üben. Eine Herausforderung für das „Gedankenlesen“ wird dabei wohl auch in Zukunft sein, einem psychischen Phänomen ein eindeutiges Hirnmuster zuzuordnen.

6. Psychische Erkrankungen beruhen auf einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn

Für Depressionen und andere psychische Leiden sei ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn verantwortlich. Medikamente wie Antidepressiva könnten dieses Ungleichgewicht wieder beheben. Dies ist eine Botschaft, die Pharmafirmen Menschen vor allem in den USA erfolgreich eintrichtern konnten.

Die zum Teil erfolgreiche Wirkung von Antidepressiva scheint den Pharmafirmen zunächst recht zu geben. Schließlich setzen Antidepressiva genau an den Botenstoffen an. Sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer etwa erhöhen die Verfügbarkeit von Serotonin an den Kontaktstellen der Nervenzellen.

Es gebe keinen Zweifel daran, dass die Neurochemie eine wichtige Rolle bei Depression spielt, aber das bedeute nicht, dass mentale Störungen in solch einem einfachen Sinne durch ein chemisches Ungleichgewicht verursacht würden, wie es dieser Vorstellung nach erscheint. In Wahrheit wisse niemand, was denn genau die richtige Menge an Serotonin und anderen Botenstoffen im Gehirn sei.

7. Die ersten drei Lebensjahre sind für die Hirnentwicklung entscheidend

Die Hirnentwicklung findet demnach im Wesentlichen in den ersten drei Lebensjahren statt. In dieser sensiblen Phase falle den Kleinen das Lernen am leichtesten, was sich in einem rasanten Zuwachs von Nervenverbindungen niederschlage. Danach seien unsere grauen Zellen im Großen und Ganzen fest verdrahtet.

Diese Idee hat durchaus einen wahren Kern. Nach der Geburt werden Nervenverbindungen im Überfluss angelegt. Doch entgegen dem Mythos der alles entscheidenden ersten drei Lebensjahre entwickeln sich einzelne Hirnregionen in einem unterschiedlichen Tempo. In Teilen des Stirnlappens beispielsweise zieht sich die Reifung bis ins junge Erwachsenenalter hin.

Außerdem existieren zwar tatsächlich kritische Zeitfenster der Entwicklung. Doch diese beziehen sich eigentlich auf vernachlässigte Kinder, die etwa in Heimen aufgewachsen sind und wenig Anregung in ihrem jungen Leben erhalten haben.

8. Jugendliche handeln wegen ihres unreifen Gehirns impulsiv

Früher hieß es „Die Hormone sind schuld“, wenn Pubertierende ungeschützt Sex hatten oder ohne Führerschein zu einer Spritztour mit dem Auto der Eltern aufbrachen. Heute greifen Hirnforscher und Entwicklungspsychologen gerne auf eine ergänzende Erklärung zurück. Demnach dominieren bei Heranwachsenden die „impulsiven“ gegenüber „besonnenen“ Hirnregionen.

Tatsache ist: In der Zeit der Adoleszenz zwischen 10 und 22 Jahren wird das Gehirn völlig umgebaut. Dabei ist vor allem das für die Kontrolle von Impulsen wichtige Stirnhirn ein Nachzügler. Zudem scheint das Belohnungssystem im Gehirn von Jugendlichen besonders aktiv zu sein, was sie unter Umständen anfällig f…

Die Macht der Farben: Psychologische Wirkung und Anwendung

Farben spielen in unserem Leben eine allgegenwärtige Rolle. Ob in der Gestaltung unserer Wohnräume, der Auswahl unserer Kleidung oder im Marketing von Produkten - Farben beeinflussen unbewusst unsere Wahrnehmung, unser Wohlbefinden und unser Verhalten. Die Farbwirkung ist ein komplexes Phänomen, das sowohl psychologische als auch kulturelle Aspekte berücksichtigt.

Unbewusste Wirkung und evolutionäre Wurzeln

Die Wirkung von Farben ist in erster Linie unbewusst. Sie findet direkt im Gehirn statt und steuert unser Wohlbefinden oder Verhalten, ohne dass wir es merken. Diese unbewusste Reaktion hat ihre Wurzeln in der Evolution. So wirkt das "ungefährliche" Grün eher beruhigend, während Warnfarben wie Rot unsere Aufmerksamkeit generieren. Das schnelle Wahrnehmen und Einordnen von Farben half unseren Vorfahren einst beim Überleben.

Die psychologische Wirkung einzelner Farben

Jede Farbe hat ihre eigene spezifische Wirkung auf unsere Psyche:

  • Rot: Ist eine Warnfarbe, die Aufmerksamkeit erregt, aber auch Gefahr, Unruhe, Wut oder Aggressivität signalisieren kann.
  • Blau: Wirkt beruhigend und strahlt Seriosität sowie Vertrauenswürdigkeit aus.
  • Gelb: Gilt als die Farbe der Sonne und wird mit positiven Gefühlen wie Leichtigkeit, Lebensfreude und Energie verknüpft. Es kann auch die Konzentration fördern.
  • Grün: Gilt als die Farbe der Hoffnung und wirkt beruhigend und harmonisierend.
  • Lila: Gilt als spirituelle Farbe und wird gerne zu festlichen Anlässen getragen. In der Therapie wird sie zur Linderung von Schmerzen eingesetzt.
  • Orange: Ist erfrischend und belebend und wird mit Sommer assoziiert. Seine Farbwirkung ist ähnlich wie die von Gelb.

Kulturelle Unterschiede und bewusster Einsatz von Farben

Die Farbwirkung ist nicht immer positiv, sondern wird je nach Ton, Einsatzzweck und weiteren Faktoren unterschiedlich wahrgenommen. Interessant dabei ist, dass sich auch kulturelle Unterschiede erkennen lassen. Je nach Kultur wird eine Farbe von den Personen anders assoziiert und kann daher auch andere Reaktionen hervorrufen.

Wer Farben gezielt einsetzen möchte, beispielsweise im Marketing, muss also verschiedene Aspekte berücksichtigen: die allgemeine, sprich die unbewusste Farbwirkung im Gehirn, den kulturellen Hintergrund der Zielgruppe, den persönlichen Geschmack und technische Hürden.

Anwendungsbereiche der Farbwirkung

Farben spielen in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle:

  • Farbtherapie: Farblichttherapie zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, bei der farbiges Licht eingesetzt wird, um beispielsweise in die Entspannung zu finden oder die Stimmung aufzuhellen.
  • Wohnen: Wandfarben oder Einrichtungsgegenstände, die auf großen Flächen langanhaltend wirken. Die Feng Shui Lehre beschäftigt sich intensiv mit dieser Sonderform der Farbwirkung.
  • Lebensmittel: Das Gehirn ist von Natur aus darauf getrimmt, den Farben der Lebensmittel gewisse Eigenschaften zuzuordnen (fruchtig, süß, bitter, giftig).
  • Kleidung: Wie ein Mensch gekleidet ist, wird in einen direkten Zusammenhang mit seiner Persönlichkeit gebracht.

Es ist also durchaus spannend, sich einmal intensiv mit der Farbwirkung auseinanderzusetzen, um sie privat sowie beruflich in Zukunft besser einzusetzen - und um sich selbst zugleich vor unbewussten Entscheidungen oder Fehleinschätzungen aufgrund von Farben zu schützen.

Gehirnwäsche und Manipulation: Mythos und Realität

Gehirnwäsche ist ein Begriff, der oft im Zusammenhang mit Sekten, Kulten und politischen Ideologien verwendet wird. Er beschreibt den Versuch, das Denken und die Überzeugungen einer Person radikal zu verändern. Doch was ist Gehirnwäsche wirklich und wie funktioniert sie?

Psychologische Mechanismen der Manipulation

Anhand gut erforschter psychologischer Phänomene lässt sich erklären, wie Menschen durch charismatische Führungsfiguren, psychologische Effekte, soziale Dynamiken und gezielte Beeinflussung ihre Meinung und ihr Denken radikal ändern sollen. Zu den wichtigsten Mechanismen gehören:

  • Thought Reform: Systematische Beeinflussung des Denkens und der Überzeugungen einer Person durch Isolation, Wiederholung und emotionale Manipulation (Lifton, 1961).
  • Kognitive Dissonanz: Der Zustand des Unbehagens, der entsteht, wenn eine Person widersprüchliche Überzeugungen oder Verhaltensweisen hat. Um diesen Zustand zu reduzieren, kann die Person ihre Überzeugungen ändern (Festinger, 1957).
  • Soziale Identität: Die Tendenz, sich mit einer Gruppe zu identifizieren und deren Normen und Werte zu übernehmen (Tajfel & Turner, 1979).
  • Soziales Lernen: Das Lernen durch Beobachtung und Nachahmung anderer (Bandura, 1977).
  • Konformität: Die Tendenz, sich dem Verhalten und den Meinungen einer Gruppe anzupassen, auch wenn man anderer Meinung ist (Asch, 1951).
  • Confirmation Bias: Die Tendenz, Informationen zu suchen und zu interpretieren, die die eigenen Überzeugungen bestätigen (Nickerson, 1998).
  • Suggestion und Hypnose: Techniken, die verwendet werden können, um die Empfänglichkeit einer Person für Beeinflussung zu erhöhen (Lynn, Kirsch & Hallquist, 2002).

Schutz vor Manipulation

Kritisches Denken auf wissenschaftlicher Basis ist der Schlüssel, um sich vor Manipulation zu schützen. Es ist wichtig, Informationen kritisch zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und sich nicht von Emotionen leiten zu lassen.

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