Geriatrische Rehabilitation nach Schlaganfall: Wiederherstellung der Selbstständigkeit im Alter

Ein Schlaganfall kann im Alter schwerwiegende Folgen haben, die die Selbstständigkeit und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die geriatrische Rehabilitation bietet älteren Menschen die Möglichkeit, nach einem Schlaganfall ihre Fähigkeiten wiederzuerlangen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieser Artikel beleuchtet die spezifischen Aspekte der geriatrischen Rehabilitation nach einem Schlaganfall, ihre Ziele, Voraussetzungen, Therapieangebote und den Ablauf.

Einführung in die Geriatrische Rehabilitation

Die geriatrische Rehabilitation ist eine spezialisierte Form der Rehabilitation, die auf die besonderen Bedürfnisse älterer Patient:innen zugeschnitten ist. Sie berücksichtigt die Multimorbidität, also das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Erkrankungen, sowie altersbedingte Veränderungen des Körpers und des Geistes. Ziel ist es, die Selbstständigkeit und Mobilität der Patient:innen soweit wie möglich wiederherzustellen und die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit zu erreichen. Die behandelten Personen sind durchschnittlich 80 Jahre alt und haben neben der Haupterkrankung weitere Behandlungsbedürftige Leiden.

Ursachen und Auswirkungen eines Schlaganfalls im Alter

Ein Schlaganfall (Apoplex) entsteht durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu einer Schädigung von Nervenzellen führt. Sicht- oder spürbare Folgen eines Schlaganfalls sind zum Beispiel Probleme beim Sprechen, Lähmungen von Gliedmaßen, ein hängender Mundwinkel oder Sehstörungen. Im Alter treten Schlaganfälle häufiger auf, da altersbedingte Veränderungen der Blutgefäße das Risiko erhöhen. Die Folgen eines Schlaganfalls können vielfältig sein und die körperliche, geistige und soziale Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Häufige Auswirkungen sind:

  • Motorische Einschränkungen: Lähmungen, Schwäche oder Koordinationsstörungen von Arm, Bein oder Gesicht.
  • Sprach- und Sprechstörungen: Aphasie (Sprachverlust), Dysarthrie (Sprechstörung).
  • Schluckstörungen: Dysphagie.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen, Exekutivfunktionsstörungen.
  • Sehstörungen: Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder.
  • Psychische Probleme: Depressionen, Angstzustände.

Ziele der geriatrischen Rehabilitation nach Schlaganfall

Das übergeordnete Ziel der geriatrischen Reha ist, eine hohe Lebensqualität zu erhalten und die Pflegebedürftigkeit abzuwenden. Die geriatrische Rehabilitation nach Schlaganfall hat das Ziel, die Folgen des Schlaganfalls zu minimieren und die Patient:innen in die Lage zu versetzen, ein möglichst selbstständiges und aktives Leben zu führen. Im Einzelnen werden folgende Ziele verfolgt:

  • Wiederherstellung der motorischen Fähigkeiten: Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft, Koordination und des Gleichgewichts, um die Fähigkeit zu Gehen, Stehen, Greifen und anderen Aktivitäten des täglichen Lebens wiederzuerlangen.
  • Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit: Behandlung von Sprach- und Sprechstörungen, um die Verständigung mit anderen Menschen zu erleichtern.
  • Behandlung von Schluckstörungen: Wiederherstellung der Fähigkeit, sicher und effektiv zu essen und zu trinken, um Mangelernährung und Lungenentzündungen zu vermeiden.
  • Verbesserung der kognitiven Funktionen: Behandlung von Gedächtnisproblemen, Aufmerksamkeitsstörungen und anderen kognitiven Beeinträchtigungen, um die Fähigkeit zu Denken, Planen und Problemlösen zu verbessern.
  • Linderung von Schmerzen: Behandlung von Schmerzen, die durch den Schlaganfall oder Begleiterkrankungen verursacht werden.
  • Psychische Stabilisierung: Behandlung von Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Problemen, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität zu verbessern.
  • Förderung der sozialen Integration: Unterstützung bei der Wiederaufnahme sozialer Kontakte und Aktivitäten, um Isolation und Einsamkeit zu vermeiden.
  • Anpassung des Wohnumfelds: Beratung und Unterstützung bei der Anpassung des Wohnumfelds, um die Sicherheit und Selbstständigkeit im Alltag zu erhöhen.
  • Schulung von Angehörigen: Information und Schulung von Angehörigen, um sie in die Lage zu versetzen, die Patient:innen optimal zu unterstützen.

Voraussetzungen für eine geriatrische Reha nach Schlaganfall

Die Notwendigkeit einer Rehabilitation im fortgeschrittenen Alter besprechen Sie am besten mit dem behandelnden Ärzteteam. Um eine geriatrische Rehabilitation nach Schlaganfall in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

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  • Höheres Lebensalter: In der Regel ab 70 Jahre.
  • Geriatrietypische Multimorbidität: Neben der rehabilitationsbegründenden Diagnose liegt eine geriatrietypische Multimorbidität vor. Das Vorliegen von mindestens zwei oder mehreren gleichzeitig bestehenden Erkrankungen.
  • Medizinische Notwendigkeit: Eine ärztliche Empfehlung, die die Notwendigkeit der Rehabilitation begründet.
  • Rehabilitationsfähigkeit: Die Fähigkeit, aktiv an einem Rehabilitationsprogramm teilzunehmen, was stabile Vitalfunktionen, ausreichende kognitive Fähigkeiten und physische Belastbarkeit voraussetzt. Zudem dürfen keine schwerwiegenden medizinischen Probleme wie fortgeschrittene Demenz oder ein schwerer Dekubitus (Druckgeschwür) vorliegen, die die Rehabilitation behindern könnten.
  • Positive Rehabilitationsprognose: Die Erfolgsaussichten der Rehabilitation sollten positiv und die Ziele in einem realistischen Zeitrahmen erreichbar sein.
  • Abschluss der Akutbehandlung: Vor Beginn der Rehabilitation sollte die akute Phase der Erkrankung abgeschlossen sein.

Es gibt auch Gründe, die eine Geriatrische Rehabilitation verhindern. Eine geriatrische Reha ist nicht möglich bzw. sinnvoll, wenn:

  • Es ausschließlich um die Pflege der Patient:innen geht.
  • Eine Krankenhausbehandlung erforderlich ist.
  • Eine krankheitsbezogene Rehabilitation sinnvoller wäre.

Therapieangebote in der geriatrischen Rehabilitation nach Schlaganfall

In der geriatrischen Rehabilitation erhalten Sie verschiedene Behandlungen, die auf Ihre speziellen Bedürfnisse und gesundheitlichen Herausforderungen abgestimmt sind. Die Therapieangebote in der geriatrischen Rehabilitation nach Schlaganfall sind vielfältig und werden individuell auf die Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt. Ein interdisziplinäres Team aus Ärzt:innen, Therapeut:innen, Pflegekräften und Sozialarbeiter:innen arbeitet zusammen, um einen maßgeschneiderten Rehabilitationsplan für Sie zu erstellen. Folgende Therapieformen kommen häufig zum Einsatz:

  • Medizinische Betreuung: Regelmäßige ärztliche Untersuchungen und Anpassung der Medikation, um chronische Erkrankungen zu behandeln und Schmerzen zu lindern. Ärzt:innen verschiedener Fachrichtungen (z.B. Neurologie, Innere Medizin, Geriatrie) sind an der Behandlung beteiligt.
  • Physiotherapie: Übungen zur Verbesserung der Mobilität, Balance, Kraft und Ausdauer. Dies kann auch Gangtraining und Sturzprävention umfassen. Ziel ist die Wiederherstellung der größtmöglichen Bewegungs- und Funktionsfähigkeit eines Menschen. Dabei orientiert sich die Physiotherapie an den Beschwerden und Einschränkungen.
  • Ergotherapie: Unterstützung bei der Wiederherstellung oder Verbesserung der Fähigkeiten zur Bewältigung alltäglicher Aktivitäten (ADLs - Activities of Daily Living). Dies kann Aktivitäten wie Anziehen, Essen, Baden und Hausarbeit einschließen. Ziel ist die Wiedererlangung der größtmöglichen Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alltag: Im persönlichen Bereich, im Haushalt, im Beruf sowie in der Freizeit.
  • Logopädie: Therapie zur Verbesserung von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
  • Kognitives Training: Übungen und Aktivitäten, um Ihre geistigen Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösung zu verbessern.
  • Psychologische Betreuung: Unterstützung bei der Bewältigung von emotionalen und psychischen Herausforderungen, die mit dem Alter und chronischen Erkrankungen einhergehen. Betreuung nach Krankheiten, Operationen, Unfällen durch Aufarbeitung psychischer Probleme und Konflikte, die im Zusammenhang mit der Erkrankung auftreten oder sich verschlimmern.
  • Sozialdienst: Beratung und Unterstützung bei sozialen und finanziellen Fragen, einschließlich der Organisation von häuslicher Pflege und anderen sozialen Diensten.
  • Ernährungsberatung: Beratung zur gesunden Ernährung und Unterstützung bei speziellen Ernährungsbedürfnissen.
  • Freizeit- und Aktivitätstherapie: Teilnahme an Aktivitäten und Hobbys, die zur Förderung der sozialen Interaktion und der psychischen Gesundheit beitragen.
  • Medikamentöse Therapie: um bestehende Krankheiten zu behandeln und Symptome zu lindern
  • Pflegeberatung und -schulung: Unterstützung und Schulung von Pflegekräften und Angehörigen, um eine optimale häusliche Pflege zu gewährleisten.

Ablauf der geriatrischen Rehabilitation nach Schlaganfall

Nach Aufnahme in einer geriatrischen Rehabilitationsklinik erfolgt in der Regel zunächst eine ärztliche Untersuchung. Der Arzt oder die Ärztin führt hierbei zuerst eine Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und anschließend eine genaue körperliche Untersuchung durch. Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist ein strukturierter Prozess, der in der Regel folgende Schritte umfasst:

  1. Aufnahme und Eingangsuntersuchung: Nach der Aufnahme in einer Rehaklinik erfolgt eine umfassende Eingangsuntersuchung durch ein interdisziplinäres Team.
  2. Erstellung eines individuellen Therapieplans: In der Teambesprechung werden die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme zusammengefasst und es wird ein strukturierter individueller Therapieplan erstellt. In diesem Plan sind sowohl die Reha-Ziele der Patient:innen als auch die therapeutischen Ziele jeder beteiligten Berufsgruppe enthalten.
  3. Durchführung der Therapien: Die Therapien werden gemäß des individuellen Therapieplans durchgeführt.
  4. Regelmäßige Teambesprechungen: Einmal pro Woche bespricht das geriatrische Team in einer Team-Sitzung den Behandlungserfolg und stimmt die weiteren Therapien darauf ab. Je nach Bedarf führt es noch zusätzlich Akut-Behandlungen durch, wie beispielsweise die Gabe von Infusionen. In manchen Einrichtungen findet außerdem noch eine Schulung der Angehörigen statt.
  5. Abschlussgespräch und Entlassungsplanung: Am Ende der Rehabilitation findet ein Abschlussgespräch statt, in dem die erreichten Fortschritte und die weitere Vorgehensweise besprochen werden. Es wird ein Entlassungsplan erstellt, der Empfehlungen für die weitere ambulante Versorgung, Hilfsmittel und Anpassungen des Wohnumfelds enthält.

Formen der geriatrischen Rehabilitation

Eine geriatrische Reha kann ambulant oder stationär durchgeführt werden. Es gibt verschiedene Formen der geriatrischen Rehabilitation, die je nach den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patient:innen in Frage kommen:

  • Stationäre geriatrische Rehabilitation: Die stationäre Rehabilitation dauert in der Regel drei bis vier Wochen. Dabei verbringen die Patient:innen ihren Aufenthalt in einer Rehaklinik und erhalten dort eine intensive Betreuung und Therapie. Eine stationäre Reha ist dann sinnvoll, wenn Sie nach einem Krankenhausaufenthalt kontinuierlich ärztlich überwacht werden müssen oder pflegerische Unterstützung notwendig ist. Sie funktionell noch so stark eingeschränkt sind, dass der Alltag nicht selbständig bewältigt werden kann. die Erkrankung oder Ihre Beeinträchtigung der Körperfunktionen in einer ambulanten geriatrischen Reha nicht ausreichend behandelt werden kann. Sie aus medizinisch-psychologischen Gründen eine Trennung von Ihrem gewohnten Umfeld benötigen.
  • Ambulante geriatrische Rehabilitation: Bei der ambulanten Reha erhalten Patient:innen benötigten Anwendungen in der Rehaklinik und verbringen den Rest des Tages sowie die Wochenenden zuhause. Um die Belastung für die Patient:innen möglichst gering zu halten, sollte die ambulante Klinik nicht weiter als 45 Minuten von der Wohnadresse entfernt sein.
  • Mobile geriatrische Rehabilitation: Wenn sowohl die ambulante als auch stationäre Reha nicht möglich ist, kommt die mobile Reha als Sonderform der ambulanten geriatrischen Reha in Betracht. Das ist eine Reha-Maßnahme, bei der das geriatrische Team die Patient:innen in ihren Wohnungen mit Therapie und Pflege versorgt.
  • Geriatrische Frührehabilitation: Nach einer Operation oder einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt außerdem eine geriatrische Frührehabilitation infrage. Sie findet parallel zur akutmedizinischen Behandlung statt und hat das Ziel, die Patient:innen möglichst schnell wieder zu mobilisieren und die Selbstständigkeit wiederherzustellen.

Beantragung und Kostenübernahme

erfolgt bei Patient:innen, die sich in einem Krankenhaus befinden, in der Regel über das behandelnde Krankenhaus (Sozialdienst). Neben den Formalitäten kümmert sich das Krankenhaus zusammen mit der Krankenkasse darum, schnell einen freien Platz in einer geeigneten Rehaklinik zu finden. Eine geriatrische Reha kann aber auch von niedergelassenen Ärtz:innen zusammen mit den Patient:innen beantragt werden. Bereits bei der Antragstellung können sie eine fachlich geeignete Rehaklinik benennen, in der sie behandelt werden möchten.

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Die Kosten für eine geriatrische Rehabilitation werden in der Regel von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen - vorausgesetzt, die medizinischen Voraussetzungen sind erfüllt und die Rehabilitationsmaßnahme wurde genehmigt. In bestimmten Fällen kann auch die private Krankenversicherung oder ein anderer Sozialversicherungsträger (z. B. Beihilfe) zuständig sein.

Die Rolle der Angehörigen

Das soziale Umfeld der Patient:innen kann während der geriatrischen Reha eine wichtige Ressource darstellen. Auch nach einer stationären oder ambulanten Rehabilitation können Angehörige den Prozess der Heilung weiter begleiten und fördern. Deshalb werden sie häufig bereits von Anfang an miteinbezogen und gehen in manchen Fällen sogar als Begleitperson mit in die Rehaklinik. Die Unterstützung durch Angehörige wirkt sich dabei ebenfalls positiv aus. Da die Gegebenheiten des häuslichen Umfelds in die Therapie mit einbezogen werden, ist der Behandlungserfolg oft nachhaltiger als bei einer stationären geriatrischen Rehabilitation.

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