Die Geriatrie, auch Altersmedizin genannt, ist ein medizinischer Fachbereich, der sich auf die Gesundheit und die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen konzentriert. Ziel der Geriatrie ist es, die Lebensqualität und Selbstständigkeit im Alter zu erhalten oder zu verbessern und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Dies ist besonders wichtig bei der Behandlung von Demenz, einer Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft und mit einem Verlust der kognitiven Fähigkeiten einhergeht.
Die Bedeutung der Geriatrie für ältere Menschen
Im höheren Lebensalter lassen körperliche und geistige Funktionen nach. Der Organismus ist anfälliger für Verletzungen und funktionelle Störungen. Häufig bestehen mehrere Krankheiten parallel (Multimorbidität). Zunehmende körperliche und geistige Einschränkungen und nachlassende Leistungsfähigkeit können sich negativ auf die Gestaltung des sozialen Lebens auswirken. Die häufigsten Syndrome älterer Menschen lassen sich daher in die sechs geriatrischen „I“ einordnen: Immobilität, Instabilität, Irritabilität, Immundefekte, Impotenz und Isolation.
Die Geriatrie berücksichtigt diese besonderen Herausforderungen und bietet eine ganzheitliche Betreuung, die auf die individuellen Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten ist.
Geriatrische Rehabilitation: Unterstützung für mehr Selbstständigkeit
Die geriatrische Rehabilitation richtet sich an ältere Menschen, die aufgrund von Erkrankungen oder Verletzungen Unterstützung benötigen, um ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern. Sie ist speziell darauf ausgerichtet, den besonderen Bedürfnissen von Seniorinnen und Senioren gerecht zu werden. Auch Angehörige werden miteinbezogen, wenn dies erforderlich ist.
Geriatriepatientinnen leiden oft unter mehreren Krankheiten zugleich. Da diese zu verschiedenen Fachgebieten gehören, ist die Geriatrie als fachübergreifende Disziplin organisiert. Ziel ist es, die Patientinnen vollumfänglich im Kontext der persönlichen Möglichkeiten, Defizite und Wünsche aber auch des gesamten Umfeldes zu betrachten. Fachkliniken für geriatrische Rehabilitation sind auf diese Mehrfacherkrankungen spezialisiert. Wenn mehrere geriatrische Symptome zusammenkommen, führt das häufig dazu, dass die Betroffenen ihre Selbstständigkeit verlieren.
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Wann ist eine geriatrische Reha sinnvoll?
Eine geriatrische Reha kann in verschiedenen Situationen sinnvoll sein:
- Nach einem Krankenhausaufenthalt: Viele ältere Patient*innen benötigen nach einem Krankenhausaufenthalt, beispielsweise nach einer Operation oder einer akuten Erkrankung, eine umfassende Rehabilitation. Die geriatrische Reha hilft ihnen, sich zu erholen und wieder in ihren Alltag zurückzufinden.
- Bei chronischen Erkrankungen: Ältere Menschen, die an chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Diabetes, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder rheumatischen Erkrankungen leiden, können von einer geriatrischen Reha profitieren. Sie erhalten spezielle Therapien, um ihre Lebensqualität zu verbessern.
- Bei Mobilitäts- und Funktionsverlust: Seniorinnen und Senioren, die Schwierigkeiten haben, sich zu bewegen oder alltägliche Aktivitäten zu bewältigen, hilft die geriatrische Reha, wieder mobiler und selbständiger zu werden.
- Nach einem Schlaganfall oder Sturz: Nach einem Schlaganfall oder einem schweren Sturz ist die geriatrische Reha entscheidend, um die Bewegungsfähigkeit und das Gleichgewicht zu verbessern sowie das Risiko weiterer Stürze zu minimieren.
- Bei kognitiven Beeinträchtigungen: Ältere Menschen, die an Demenz oder anderen kognitiven Störungen leiden, können durch spezielle kognitive Trainingsprogramme in der geriatrischen Reha Unterstützung erhalten. Diese Programme helfen, das Gedächtnis und andere geistige Fähigkeiten zu stärken.
- Bei Multimorbidität: Viele ältere Menschen leiden an mehreren Krankheiten gleichzeitig. Die geriatrische Reha bietet eine ganzheitliche Betreuung und Therapie, die auf die komplexen Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten mit Multimorbidität abgestimmt ist.
Voraussetzungen für eine geriatrische Reha
Um eine geriatrische Reha in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- Höheres Lebensalter: In der Regel müssen Sie 70 Jahre oder älter sein.
- Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität): Es müssen mindestens zwei Erkrankungen gleichzeitig bestehen.
- Medizinische Notwendigkeit: Sie benötigen eine ärztliche Empfehlung, die die Notwendigkeit einer geriatrischen Reha bestätigt.
- Rehabilitationsfähigkeit: Sie sollten in der Lage sein, aktiv an einem Rehabilitationsprogramm teilzunehmen. Dies setzt stabile Vitalfunktionen, ausreichende kognitive Fähigkeiten und physische Belastbarkeit voraus. Zudem dürfen keine schwerwiegenden medizinischen Probleme vorliegen, die die Rehabilitation behindern könnten.
- Positive Rehabilitationsprognose: Die Erfolgsaussichten der Rehabilitation sollten positiv sein und die Ziele in einem realistischen Zeitrahmen erreichbar sein.
- Abschluss einer akuten Behandlungsphase: Vor Beginn der Rehabilitation sollte die akute Phase der Erkrankung oder des postoperativen Zustands abgeschlossen sein.
Ambulante oder stationäre Reha?
Eine geriatrische Reha kann ambulant oder stationär durchgeführt werden. Eine stationäre Reha ist dann sinnvoll, wenn Sie nach einem Krankenhausaufenthalt kontinuierlich ärztlich überwacht werden müssen oder pflegerische Unterstützung notwendig ist. Sie sind funktionell noch so stark eingeschränkt, dass der Alltag nicht selbständig bewältigt werden kann, die Erkrankung oder Ihre Beeinträchtigung der Körperfunktionen in einer ambulanten geriatrischen Reha nicht ausreichend behandelt werden kann oder Sie aus medizinisch-psychologischen Gründen eine Trennung von Ihrem gewohnten Umfeld benötigen.
Arten der geriatrischen Reha
Es gibt verschiedene Arten der geriatrischen Reha:
- Anschlussrehabilitation (AHB/AR): Diese erfolgt direkt nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund einer akuten Erkrankung, einer Operation oder eines Sturzes. Sie muss spätestens zwei Wochen nach der Entlassung aus der Akutklinik angetreten werden und kann ambulant oder stationär stattfinden.
- Medizinische Rehabilitation: Diese Behandlung zielt darauf ab, chronische Krankheiten zu lindern, die Prävention zu stärken und Ihre allgemeine Gesundheit zu fördern. Sie ist für Patient*innen geeignet, die an chronischen Erkrankungen wie Rheuma, Arthrose, Altersdepression oder chronischen Schmerzen leiden.
Wie beantrage ich eine geriatrische Reha?
Nach einem Krankenhausaufenthalt empfiehlt der Arzt bzw. die Ärztin im Krankenhaus oft direkt eine Anschlussrehabilitation in einer Reha-Klinik. Dies geschieht in der Regel noch während des Krankenhausaufenthalts. Der Sozialdienst des Krankenhauses unterstützt Sie in der Regel bei der Antragstellung.
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Für eine medizinische Rehabilitation ohne vorherigen Krankenhausaufenthalt benötigen Sie ein aktuelles ärztliches Attest, das die Notwendigkeit und den erwarteten Nutzen einer geriatrischen Rehabilitation belegt. Den Antrag stellt in der Regel Ihre Haus- oder Fachärztin gemeinsam mit Ihnen direkt bei Ihrem Kostenträger (in den meisten Fällen die Krankenkasse).
Behandlungen in der geriatrischen Reha
In der geriatrischen Rehabilitation erhalten Sie verschiedene Behandlungen, die auf Ihre speziellen Bedürfnisse und gesundheitlichen Herausforderungen abgestimmt sind. Ein interdisziplinäres Team aus Ärztinnen, Therapeutinnen, Pflegekräften und Sozialarbeiter*innen arbeitet zusammen, um einen maßgeschneiderten Rehabilitationsplan für Sie zu erstellen.
Mögliche Behandlungen sind:
- Medizinische Betreuung: Regelmäßige ärztliche Untersuchungen und Anpassung der Medikation.
- Physiotherapie: Übungen zur Verbesserung der Mobilität, Balance, Kraft und Ausdauer.
- Ergotherapie: Unterstützung bei der Wiederherstellung oder Verbesserung der Fähigkeiten zur Bewältigung alltäglicher Aktivitäten.
- Logopädie: Therapie zur Verbesserung von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.
- Kognitives Training: Übungen und Aktivitäten, um Ihre geistigen Fähigkeiten zu verbessern.
- Medikamentöse Therapie: Behandlung bestehender Krankheiten und Linderung von Symptomen.
- Pflegeberatung und -schulung: Unterstützung und Schulung von Pflegekräften und Angehörigen.
- Sozialdienst: Beratung und Unterstützung bei sozialen und finanziellen Fragen.
- Psychologische Betreuung: Unterstützung bei der Bewältigung von emotionalen und psychischen Herausforderungen.
- Ernährungsberatung: Beratung zur gesunden Ernährung und Unterstützung bei speziellen Ernährungsbedürfnissen.
- Freizeit- und Aktivitätstherapie: Teilnahme an Aktivitäten und Hobbys, die zur Förderung der sozialen Interaktion und der psychischen Gesundheit beitragen.
Ziele einer geriatrischen Reha
Das Ziel der geriatrischen Reha ist es, Ihre Selbstständigkeit und Lebensqualität zu verbessern und zu erhalten.
Konkrete Ziele können sein:
- Verbesserung der Mobilität
- Linderung von Schmerzen
- Wiederherstellung von Selbstständigkeit und Alltagskompetenzen
- Kognitive Förderung
- Soziale Integration
- Anpassung des Wohnumfelds
- Psychische Stabilität
- Beeinflussung von Risikofaktoren und Motivation zu gesundheitsförderndem Verhalten
Wer übernimmt die Kosten für die Reha?
Die Kosten für eine geriatrische Rehabilitation werden normalerweise von der Krankenkasse übernommen, wenn sie ärztlich verordnet und medizinisch notwendig ist. Nach einem Krankenhausaufenthalt kann auch die Rentenversicherung oder Unfallversicherung zuständig sein. In bestimmten Fällen übernimmt die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten, insbesondere bei pflegebedürftigen Personen. Es können jedoch Eigenbeteiligungen anfallen.
Dauer und Ablauf einer geriatrischen Reha
Eine geriatrische Reha dauert in der Regel drei Wochen. Eine Verlängerung ist jedoch möglich, wenn sie medizinisch notwendig ist. Am Aufnahmetag werden Sie in der Regel in alle wichtigen Abläufe der Klinik eingewiesen und es findet ein Aufnahmegespräch einschließlich einer Untersuchung statt. Sie bekommen einen Ärztin und einen Bezugstherapeutin zugewiesen, die während Ihrer gesamten Rehabilitation Ihre Ansprechpartner bleiben. Nach der Aufnahmeuntersuchung wird gemeinsam mit Ihnen Ihr Therapieplan erarbeitet.
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Der Tagesablauf in der geriatrischen Reha kann je nach individuellem Therapieplan unterschiedlich sein.
Demenz und Geriatrie: Eine besondere Herausforderung
Die Behandlung von Demenz in der Geriatrie stellt eine besondere Herausforderung dar. Demenz ist eine langsam fortschreitende Erkrankung, die mit zunehmendem Alter immer häufiger auftritt. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, es gibt jedoch auch weitere Ursachen.
Für Patienten mit Demenz bedeutet ein stationärer Aufenthalt außerhalb des gewohnten Umfeldes besonderen Stress. Sicherheit gebende Umgebungen und Personen sind plötzlich nicht mehr da. Hinzu kommen Belastungen des Organismus durch Erkrankungen, Schmerzen, Eingriffe und Bettlägerigkeit.
Akut erkrankte Demenzpatienten sind eine Herausforderung für Ärzte und Pflegekräfte. Bereits im Jahr 2020 wird voraussichtlich jeder fünfte Patient, der mit einem Herzinfarkt, Knochenbrüchen nach Stürzen oder einer akuten Infektion in ein Krankenhaus kommt, auch unter einer Demenz leiden.
Demenzsensible Krankenhäuser
Krankenhäuser, die sich dem Projekt „Demenz-sensibles Krankenhaus“ angeschlossen haben, wissen um diese Gefahr. Sie schulen ihre Mitarbeiter, haben Pflegeexperten für Demenz, speziell eingerichtete Demenzzimmer, bieten Rooming-In für Angehörige etc.
Zur besseren Orientierung auf der Station sind die Patientenzimmer mit farbigen Bildern versehen, und alle Toilettentüren sind mit klaren Piktogrammen gekennzeichnet. Es wird Wert darauf gelegt, dass Patienten ihre eigene Kleidung tragen und auf Wunsch vertraute Gegenstände wie persönliche Decken, Kissen oder Erinnerungsstücke mitbringen können. Das gemeinsame Essen wird gefördert, da es für Menschen mit kognitiven Einschränkungen meist eine vertraute und entspannte Situation ist.
Rehabilitation bei Demenz
Bei der medizinischen Rehabilitation von Menschen mit Demenz geht es, besonders im frühen und mittleren Stadium, um zwei Bereiche: Die Alltagskompetenzen Betroffener zu erhalten und die Betreuenden zu informieren. Ziel ist, die Pflege, so lange es geht, im eigenen Zuhause zu ermöglichen.
Für Menschen mit Demenz werden in der Regel nur stationäre Vorsorge- und Reha-Maßnahmen oder geriatrische Rehabilitationen genehmigt. Da es bei primären Demenzerkrankungen keine Heilungschancen gibt, ist es oft schwer, eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu erreichen. Angehörige sollten dennoch gemeinsam mit dem behandelnden Arzt eine Reha beantragen und eine ausführliche Begründung beilegen, warum die medizinische Reha notwendig und erfolgversprechend ist.
Für Demenzerkrankungen gibt es spezielle Einrichtungen, die oft an neurologische Reha-Kliniken angeschlossen sind, wie z.B. "Alzheimer Therapie Zentrum". Dort werden Menschen mit Demenz, bei medizinischer Notwendigkeit auch eine Begleitperson aufgenommen. Diese Maßnahmen zielen auf die Krankheitsfolgen einer Demenz ab, wie z.B. Menschen mit Demenz kommen oft aufgrund einer anderen Erkrankung (z.B. Schlaganfall, Oberschenkelhalsbruch) nach einem Krankenhausaufenthalt in eine Reha-Maßnahme.
Es gibt derzeit noch kein flächendeckendes Angebot von Reha-Einrichtungen mit demenzspezifischen Rehabilitationskonzepten im Bundesgebiet. Adressen vermittelt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft unter www.deutsche-alzheimer.de.
Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit Demenz
Neben der Rehabilitation gibt es verschiedene Maßnahmen, die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen können:
- Körperliche Aktivierung: 150 Minuten mäßig intensive Bewegung pro Woche (z.B. zügiges Gehen) oder 75 Minuten intensive Übungen pro Woche.
- Kognitives Training: Spezifische Übung zur Verbesserung der Gedächtnisleistung.
- Kombinierte Ansätze: Kombination verschiedener therapeutischer Ansätze.
- Hilfestellung: Die zeitnahe Vorlage aussagekräftiger Überleitungsbögen von Pflegediensten und von hausärztlichen wie auch fachärztlichen Behandlungsunterlagen.
- Vorausschauende Planung: Bereits bei der Aufnahme ist die Planung der Entlassung vorausschauend gemeinsam zwischen Angehörigen, den behandelnden Ärzten und dem Sozialdienst des Hauses abzustimmen.
- Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht: Die Patientenverfügung und eine aussagekräftige Vorsorgevollmacht sollten zeitnah vorgehalten werden.
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