Das Gehirn, die Steuerzentrale des Körpers, ist für lebenswichtige Abläufe unerlässlich. Es steuert alle wichtigen menschlichen Fähigkeiten: Wahrnehmung, Empfindung, Wissen, Denken und Verhalten. Es stellt sicher, dass unsere Organe richtig arbeiten und steuert all unsere Bewegungen. Es nimmt Sinneseindrücke auf, verarbeitet sie, speichert Informationen im Gedächtnis und ruft sie bei Bedarf wieder ab.
Die Anatomie des Gehirns: Ein Überblick
Das Gehirn ist ein gigantisches Netzwerk von Nervenzellen, das sich in verschiedene Bereiche unterteilt, von denen jeder auf bestimmte Aufgaben spezialisiert ist. Zu den Hauptbestandteilen gehören:
- Hirnstamm: Der älteste Teil des Gehirns, der das Gehirn mit dem Rückenmark verbindet und lebenswichtige Systeme wie Herzschlag, Atmung und Blutdruck reguliert. Er leitet Sinneseindrücke an das Großhirn weiter und Informationen vom Großhirn zu den Nervenzellen des Rückenmarks.
- Zwischenhirn: Verantwortlich für überlebenswichtige Empfindungen und Instinkte wie Durst, Hunger und Schlaf. Es ist auch an der Verarbeitung von Sinneseindrücken beteiligt. Der Thalamus filtert und bewertet Sinneseindrücke, bevor er wichtige Informationen an das Großhirn weiterleitet. Der Hypothalamus reguliert automatische Körperfunktionen, Hormone und Gefühle.
- Limbisches System: Spielt eine wichtige Rolle bei Gefühlen und triebgesteuertem Verhalten.
- Kleinhirn: Wichtig für Gleichgewicht, Koordination und die Steuerung bereits gelernter Bewegungsabläufe. Es sorgt für die Aufrechterhaltung der Muskelspannung.
- Großhirn: Der jüngste und größte Teil des menschlichen Gehirns, der "höhere" Hirnfunktionen wie Motivation, Lernen, Denken und Verstehen ermöglicht.
Das Großhirn: Struktur und Funktion
Das Großhirn, auch Cerebrum oder Endhirn genannt, macht etwa 80 % des menschlichen Gehirns aus und ist somit sein größter Teil. Es ist der jüngste Gehirn-Teil in der Entwicklungsgeschichte des Menschen und ermöglicht die sogenannten „höheren“ Hirnfunktionen, wie Motivation, Lernen, Denken oder Verstehen. Es besteht aus zwei Hemisphären, die durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) bedeckt die gesamte Oberfläche des Großhirns. Sie ist etwa 1,5 bis 4,5 Millimeter dick und enthält fast drei Viertel aller Nervenzellen des Gehirns. Hier gehen wichtige Sinneseindrücke ein. Sie werden sortiert, bewusst gemacht, gespeichert und sinnvoll miteinander verknüpft. Dadurch ist es dem Menschen möglich, zielgerichtet zu handeln. In der Großhirn-Rinde sitzen auch die Wahrnehmung und der Wille. Auch wesentliche Teile unseres Gedächtnisses liegen in der Großhirn-Rinde. Denken und Erinnern sind hier verankert, willentliche Bewegungen werden gesteuert. Die Großhirn-Rinde ist in verschiedene Unterbereiche, sogenannte Gehirn-Lappen, gegliedert. Sie werden entsprechend ihrer Lage Stirn-Lappen, Schläfen-Lappen, Scheitel-Lappen und Hinterkopf-Lappen genannt. In ihnen haben Nervenzellen mit ganz bestimmten Aufgaben ihren Sitz. Man kann heute schon sehr genau sagen, wo sich einzelne Funktionen befinden. Unterhalb der Großhirn-Rinde verlaufen die Fortsätze der Nervenzellen. Sie übertragen Informationen. Unterhalb des Großhirns liegen auch die Basal-Ganglien. Das sind sehr dichte Verbünde von Nervenzellen.
Die Großhirnrinde (Cortex cerebri)
Die Großhirnrinde ist die äußere Schicht des Großhirns und spielt eine zentrale Rolle bei höheren kognitiven Funktionen. Sie ist stark gefaltet, wodurch sich ihre Oberfläche vergrößert. Die Falten werden als Gyri (Windungen) und Sulci (Furchen) bezeichnet. Die Großhirnrinde besteht aus grauer Substanz, die sich aus Nervenzellkörpern zusammensetzt. Sie ist in verschiedene Areale unterteilt, die jeweils für spezifische Funktionen zuständig sind.
Die Hemisphären des Großhirns
Das Großhirn besteht aus zwei Hemisphären, einer linken und einer rechten. Die linke Hemisphäre steuert in der Regel die rechte Körperseite und ist dominant für Sprache, Logik und analytisches Denken. Die rechte Hemisphäre steuert die linke Körperseite und ist eher für Kreativität, räumliches Denken und emotionale Verarbeitung zuständig. Die beiden Hemisphären sind durch den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden, der den Informationsaustausch ermöglicht.
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Die Lappen des Großhirns
Jede Hemisphäre des Großhirns ist in vier Lappen unterteilt:
- Frontallappen (Stirnlappen): Befindet sich an der Vorderseite des Gehirns und ist für höhere kognitive Funktionen wie Planung, Entscheidungsfindung, Problemlösung, Arbeitsgedächtnis und willkürliche Bewegungen zuständig. Er enthält auch das motorische Sprachzentrum (Broca-Areal). Der Frontallappen ist der größte Lappen im Großhirn und befindet sich an der Vorderseite des Gehirns. Denken, Entscheidungsfindung, Planung und die Kontrolle der motorischen Funktionen.
- Parietallappen (Scheitellappen): Befindet sich hinter dem Frontallappen und ist für die Verarbeitung sensorischer Informationen wie Berührung, Temperatur, Schmerz und räumliche Wahrnehmung zuständig. Im Scheitellappen oder Parietallappen des Großhirns befindet sich die Körperfühlsphäre, repräsentiert durch sensible Bahnen, die von der Haut und den Muskeln kommen und über den Thalamus in die primären sensiblen Rindenfelder des Scheitellappens ziehen. In sekundären sensiblen Rindenfeldern werden Erinnerungen an Empfindungen, die in den primären Rindenfeldern entstanden sind, gespeichert.
- Temporallappen (Schläfenlappen): Befindet sich unterhalb des Frontal- und Parietallappens und ist für die Verarbeitung auditiver Informationen, das Gedächtnis, die Sprachverständnis (Wernicke-Areal) und die Emotionsverarbeitung zuständig. Im Schläfenlappen oder Temporallappen liegt an der Außenfläche das primäre Hörzentrum, das Ende der Hörbahn. Nach hinten schließt sich das sekundäre Hörzentrum an, das akustische Erinnerungszentrum. Einige Abschnitte des Hörzentrums scannen die ständige Geräuschflut, die über das Ohr ins Hirn strömt, nach Bekanntem ab und ordnen es entsprechend ein. Der Temporallappen befindet sich unter dem Frontal- und dem Parietallappen und über dem Hirnstamm. Dieser Hirnabschnitt spielt eine wichtige Rolle bei der auditiven Verarbeitung und Speicherung von Gedächtnisinhalten. Der Abschnitt trägt zur Gedächtnisbildung, Gesichtserkennung, Sprachverarbeitung sowie Emotionsverarbeitung bei. Im Temporallappen und zum Teil auch im Parietallappen befindet sich das Wernicke-Areal, das vor allem für das Verstehen von Sprache entscheidend ist. Das Wernicke- und das Broca-Areal bilden das Sprachzentrum im Gehirn.
- Okzipitallappen (Hinterhauptslappen): Befindet sich am Hinterkopf und ist für die Verarbeitung visueller Informationen zuständig. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von visuellen Informationen und der Wahrnehmung von Farben. Darüber hinaus ist er für die Steuerung von Augenbewegungen verantwortlich. Im Okzipitallappen befindet sich die Sehrinde, die in ein primäres und ein sekundäres Sehzentrum eingeteilt wird. Optische Signale gelangen über die Sehbahn hierher, werden verarbeitet und interpretiert. Im sekundären Sehzentrum werden optische Erinnerungsbilder gespeichert.
Die Funktion des Großhirns
Das Großhirn ist die oberste Instanz des Zentralen Nervensystems. Es verbindet als Kommunikationszentrale alle unsere Organe, Organsysteme und Gewebe miteinander und stimmt sie aufeinander ab. So werden Reize sowohl aus der Umwelt als auch aus dem Inneren unseres Organismus über Rezeptoren aufgenommen, über aufsteigende Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet und dann im Großhirn und der Großhirnrinde beurteilt und verarbeitet. Je nach Art der Reize erfolgt dann eine Antwort in Form von Reizen, die über absteigende Nervenbahnen an die Peripherie, innere Organe und Organsysteme gegeben werden. Allerdings gelangen nicht alle Reize bis in die Großhirnrinde. Manche Informationen werden ganz rasch und ohne, dass sie ins Bewusstsein gelangen, in „niederen“ Hirnregionen verarbeitet. So erfolgt etwa die zentrale Atemregulation in der Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark oder Nachhirn). Jede Großhirn-Hälfte ist auf bestimmte Aufgaben spezialisiert: in den linken Arealen des Cerebrums sitzen in der Regel Sprache und Logik, in den rechten Großhirn-Arealen die Kreativität und der Orientierungssinn.
Es ist für eine Vielzahl von Funktionen verantwortlich, darunter:
- Bewusstsein: Das Großhirn ermöglicht uns, unsere Umwelt und uns selbst wahrzunehmen.
- Kognition: Es ist an allen höheren kognitiven Prozessen wie Lernen, Gedächtnis, Denken, Problemlösung und Entscheidungsfindung beteiligt.
- Sprache: Das Großhirn enthält die Sprachzentren, die für das Verstehen und Produzieren von Sprache verantwortlich sind.
- Motorik: Es steuert willkürliche Bewegungen.
- Sensorische Verarbeitung: Das Großhirn empfängt und verarbeitet Informationen von unseren Sinnesorganen.
- Emotionen: Es spielt eine Rolle bei der Verarbeitung und Regulation von Emotionen.
Erkrankungen und Schädigungen des Großhirns
Erkrankungen und Verletzungen im Großhirn können diverse Folgen haben, je nachdem, wo im Cerebrum und wie ausgeprägt die Schädigung ist. Eine Reizung der motorischen Zentren im Stirnhirn ruft Krämpfe hervor (Rindenepilepsie), eine Zerstörung dieser Zentren führt zunächst zu einer Lähmung der Muskeln der anderen Körperseite (Hemiplegie). Im späteren Verlauf können benachbarte Großhirn-Felder und/oder jene der Gegenseite die Funktion übernehmen. Werden sekundäre motorische Rindenfelder im Stirnhirn zerstört, verschwindet die Fähigkeit, im Laufe des Lebens erworbene, zweckgerichtete Bewegungen auszuführen. Obwohl die primären Zentren intakt sind und keine Muskellähmungen vorliegen, können Betroffene nicht sprechen (motorische Aphasie - Broca-Aphasie) und nicht schreiben (Agraphie). Bei einer Schädigung des Broca-Areals kann der Patient zwar meist noch Sprache verstehen, hat aber Schwierigkeiten, selbst Wörter und Sätze zu bilden. In leichteren Fällen können Betroffene noch in einem stakkatoartigen Telegrammstil kommunizieren. Werden die primären sensiblen Rindenfelder des Parietallappens geschädigt, resultiert eine Anästhesie, eine Unempfindlichkeit. Verletzungen der sekundären sensiblen Rindenfelder bedingen Agnosien - die Unfähigkeit, Gegenstände durch Betasten zu erkennen. Störungen auf der linken Seite, in der sich das Lesezentrum mit einer Erinnerung an die Bedeutung von Schriftzeichen befindet, führen zur Unfähigkeit, zu lesen (Alexie). Wird das Hörzentrum im Schläfenlappen (Temporallappen) geschädigt, entsteht die sogenannte Rindentaubheit. Dabei reicht bereits eine einseitige, totale Störung aus, um Taubheit auf beiden Ohren hervorzurufen. Denn um hören zu können, müssen die Hörbahnen beider Ohren zur Hörrinde in den zwei Hemisphären des Großhirns intakt sein. Verletzungen oder Hirnblutungen in dieser Region bewirken, dass der Patient Sprache kaum noch entschlüsseln kann. Er redet wie ein Wasserfall, seine Wörterflut ist aber verworren und unverständlich. Eine Störung des sekundären Hörzentrums im Schläfenlappen des Großhirns führt dazu, dass frühere Eindrücke nicht mehr erinnert werden und so Worte, Geräusche, Musik nicht mehr verstanden werden (die sogenannte Seelentaubheit). Eine Zerstörung bestimmter Bezirke der Großhirnrinde im Bereich des Sehzentrums (Gehirn) durch einen Tumor oder Schlaganfall führt zu Gesichtsfeldausfällen. Bei einer kompletten Zerstörung der Sehrinde beider Seiten im Großhirn resultiert eine sogenannte Rindenblindheit - Betroffene sind blind, obwohl ihre Netzhaut und die Sehbahn intakt sind. Sie können allenfalls noch Hell und Dunkel voneinander unterscheiden und Bewegungsreize erkennen. Wenn das sekundäre Sehzentrum (Gehirn) im Okzipitallappen im Großhirn zerstört ist, resultiert eine Seelenblindheit. Betroffene können Gegenstände nicht wieder erkennen, weil die Erinnerung erloschen und der Vergleich mit früheren optischen Eindrücken nicht mehr möglich ist.
Das Großhirn kann von verschiedenen Erkrankungen und Schädigungen betroffen sein, die zu unterschiedlichen neurologischen Ausfällen führen können. Dazu gehören:
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- Schlaganfall: Eine Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns, die zu Schäden an den Gehirnzellen führen kann.
- Demenz: Ein fortschreitender Verlust der kognitiven Funktionen.
- Epilepsie: Eine neurologische Erkrankung, die zu wiederkehrenden Anfällen führt.
- Hirntumore: Abnormales Wachstum von Zellen im Gehirn.
- Multiple Sklerose: Eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems.
- Enzephalitis: Eine Entzündung des Gehirns, die durch eine Infektion verursacht werden kann.
Forschung und Innovation
Die Großhirnforschung ist ein aktives und sich rapide entwickelndes Forschungsfeld. Ein aufstrebender Trend ist die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen in der Gehirnforschung. Ein weiterer Trend ist die Erforschung der Neuroplastizität des Großhirns. Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Funktion in Reaktion auf Erfahrungen und Lernen zu verändern. Eine weitere aufregende Entwicklung ist die Erforschung des Mikrobioms und seine Auswirkungen auf das Gehirn. Studien deuten darauf hin, dass das Mikrobiom nicht nur die Verdauung, sondern auch die Stimmung und das Verhalten beeinflussen kann. Diese Trends zeigen, dass die Zukunft der Großhirnforschung ganz im Zeichen von Innovation und interdisziplinärer Zusammenarbeit steht.
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