Ursachen von Taubheit: Ein umfassender Überblick

Das menschliche Gehör ist ein komplexes System, das uns ermöglicht, Töne in einem Frequenzbereich von 20 bis 20.000 Hertz wahrzunehmen. Die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und Geräusche zu lokalisieren, ist für unsere Kommunikation und Orientierung unerlässlich. Wenn dieser Prozess gestört ist, spricht man von Hörverlust oder Schwerhörigkeit, wobei Taubheit die schwerste Form darstellt. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Ursachen von Taubheit, von angeborenenDefekten bis hin zu erworbenen Schädigungen, und bietet einen umfassenden Überblick über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.

Wie funktioniert das Hören?

Um die Ursachen von Taubheit zu verstehen, ist es wichtig, den normalen Hörprozess zu kennen. Schallwellen gelangen durch den Gehörgang zum Trommelfell, das dadurch in Schwingung gerät. Diese Schwingungen werden über die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel zur Schnecke (Cochlea) übertragen. Der Steigbügel lenkt die Flüssigkeiten in der Schnecke aus, wodurch die darin befindlichen Flimmerhärchen mechanische Schwingungen in Impulse umwandeln, die an den Hörnerv weitergeleitet werden.

Arten von Hörverlust

Hörverlust kann verschiedene Formen annehmen, je nachdem, welcher Teil des Hörsystems betroffen ist:

  • Schallleitungshörverlust: Hier ist das äußere oder Mittelohr beschädigt. Ursachen können Mittelohrentzündungen, Otosklerose, Fehlbildungen oder Kopfverletzungen sein. Betroffene empfinden oft ein Gefühl von "Propfen" im Ohr und die eigene Stimme als sehr laut.
  • Schallempfindungshörverlust (Sensorineuraler Hörverlust): Dieser entsteht durch Schädigungen des Innenohrs (der Cochlea) oder des Hörnervs. Lärmbelastung, Alterungsprozesse, genetische Faktoren oder bestimmte Medikamente können hier eine Rolle spielen.
  • Kombinierter Hörverlust: Eine Kombination aus Schallleitungs- und Schallempfindungshörverlust, bei dem sowohl das Mittel- oder Außenohr als auch das Innenohr oder der Hörnerv betroffen sind.
  • Einseitige Taubheit: Völlige Taubheit auf einem Ohr, die durch angeborene Fehlbildungen, Tumore am Hörnerv, Kopfverletzungen oder unbekannte Ursachen entstehen kann. Betroffene haben Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen und Geräusche zuzuordnen.

Ursachen von Taubheit im Detail

Die Ursachen für Taubheit sind vielfältig und können angeboren oder erworben sein.

Angeborene Taubheit

  • Erbliche Faktoren: Genetische Defekte können zu Fehlbildungen von Mittelohr, Innenohr und/oder Hörnerv führen. Kinder gehörloser Eltern haben ein höheres Risiko, ebenfalls gehörlos zur Welt zu kommen. Oft sind auch andere Organe wie Augen, Nieren, Knochen und Haut betroffen.
  • Schädigende Einflüsse während der Schwangerschaft (intrauterin): Bestimmte Medikamente, Alkohol, Nikotin oder Infektionen wie Röteln, Zytomegalie, Toxoplasmose und Syphilis können das Gehör des ungeborenen Kindes schädigen. Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus der Mutter können ebenfalls eine Rolle spielen.
  • Komplikationen während der Geburt (perinatal): Frühgeburten, Kernikterus (eine schwere Schädigung des Zentralnervensystems durch erhöhte Bilirubinwerte) oder Atemstillstand mit Sauerstoffmangel (Neugeborenen-Asphyxie) können zu Taubheit führen.

Erworbene Taubheit

  • Erkrankungen nach der Geburt (postnatal): Infektionen des Gehirns (Meningitis, Enzephalitis), Infektionen wie Mumps, Zoster oticus (eine seltene Form der Gürtelrose), Masern oder chronische Mittelohrentzündungen können Taubheit verursachen.
  • Toxische Schäden: Bestimmte Medikamente (z.B. das Antibiotikum Streptomycin), Chemotherapeutika, Diuretika und Acetylsalicylsäure können ototoxisch wirken und das Gehör schädigen. Auch Industrie-Schadstoffe wie Kohlenmonoxid können eine Rolle spielen.
  • Verletzungen: Schädelbrüche oder andere Kopfverletzungen können das Gehör schädigen.
  • Lärmbelastung: Chronische Lärmbelastung kann zu irreversiblen Schäden im Innenohr führen.
  • Durchblutungsstörungen: Ein Schlaganfall oder andere Durchblutungsstörungen im Gehirn können das Hörzentrum beeinträchtigen.
  • Hörsturz: Ein plötzlicher Hörverlust unbekannter Ursache kann in manchen Fällen zu Taubheit führen.
  • Tumore: Akustikusneurinome (Tumore am Hörnerv) können das Gehör beeinträchtigen.
  • Chronische Erkrankungen: Otosklerose, eine Erkrankung, bei der Knochen im Mittelohr abnormal wachsen, kann zu Hörverlust und in schweren Fällen zu Taubheit führen.
  • Psychische Erkrankungen: In seltenen Fällen können psychische Belastungen die Hörempfindung stören, auch ohne nachweisbare Schäden am Ohr.

Symptome von Taubheit

Die Symptome von Taubheit hängen davon ab, ob ein oder beide Ohren betroffen sind und ob die Taubheit angeboren oder erworben ist.

Lesen Sie auch: Die Alzheimer-Krankheit verstehen: Ursachen

  • Beidseitige Taubheit (Gehörlosigkeit):
    • Unfähigkeit, Geräusche und Töne wahrzunehmen.
    • Erschwerte Kommunikation mit der hörenden und sprechenden Umwelt.
    • Bei angeborener Taubheit: Möglicherweise zusätzliche Schäden an anderen Organen wie Augen, Knochen, Nieren und Haut.
    • Unbehandelte angeborene oder früh erworbene Taubheit führt zu stark eingeschränkter oder fehlender Sprachentwicklung.
  • Einseitige Taubheit:
    • Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen, die auf der Seite des tauben Ohrs stattfinden.
    • Unfähigkeit, Hintergrundlärm auszublenden.
    • Schwierigkeiten, die Richtung und Entfernung einer Schallquelle zu bestimmen. Dies kann zu Problemen in der Schule oder im Straßenverkehr führen.

Diagnose von Taubheit

Um die Ursache und den Grad der Taubheit zu bestimmen, sind verschiedene diagnostische Tests erforderlich.

  • Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, Risikofaktoren für Hörstörungen und bisherige Auffälligkeiten. Bei Kindern achtet er auf Anzeichen wie fehlende Reaktion auf Ansprache, Nichtbefolgen von Anweisungen, häufiges Nachfragen, verzögerte Sprachentwicklung und hohe Lautstärke beim Fernsehen oder Musikhören.
  • Ohrspiegelung (Otoskopie): Der Arzt untersucht das Ohr mit einem Otoskop, um den Zustand des Trommelfells und des Gehörgangs zu beurteilen.
  • Weber- und Rinne-Test: Diese Tests mit einer Stimmgabel geben Hinweise auf die Art und den Ort der Hörschädigung.
  • Hörtests (Audiometrie):
    • Tonschwellen-Audiometrie: Misst die Hörbarkeit von Tönen unterschiedlicher Frequenzen, um die Hörschwelle zu bestimmen.
    • Sprach-Audiometrie: Testet das Verständnis von Sprache durch Vorspielen von Wörtern oder Lauten.
  • Tympanometrie (Impedanz-Audiometrie): Misst den Widerstand des Trommelfells, um die Funktionalität des Mittelohrs zu beurteilen.
  • Messung des Stapedius-Reflexes: Untersucht die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen im Mittelohr.
  • Neugeborenen-Hörscreening: Bei allen Neugeborenen wird ein Hörtest durchgeführt, um Hörstörungen frühzeitig zu erkennen.
    • Messung otoakustischer Emissionen (OAE): Überprüft die Funktion der äußeren Haarzellen im Innenohr.
    • Hirnstamm-Audiometrie (BERA): Untersucht die Nerven- und Gehirnbereiche, die für das Hören verantwortlich sind.
  • Bildgebende Verfahren (CT oder MRT): Werden eingesetzt, um anatomische Veränderungen im Bereich der Hörschnecke oder des Hörnervs nachzuweisen, insbesondere bei Verdacht auf Tumore oder Fehlbildungen.
  • Gleichgewichtsprüfung: Zum Ausschluss einer Mitbeteiligung des Gleichgewichtsorgans.

Behandlung von Taubheit

Die Behandlung von Taubheit hängt vom Ausmaß und der Ursache des Hörverlusts ab.

  • Hörgeräte: Können bei starker Schwerhörigkeit eine Verbesserung des Hörvermögens ermöglichen.
  • Cochlea-Implantat (CI): Eine Innenohrprothese, die bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit eingesetzt wird, um das Hörvermögen wiederherzustellen. Das CI umgeht die geschädigten Sinneszellen im Innenohr und stimuliert den Hörnerv direkt.
  • Hirnstamm-Implantat: Eine Option, wenn der Hörnerv geschädigt ist. Hier werden die Hörkerne im Gehirn direkt über Elektroden gereizt.
  • Rehabilitation: Nach der Implantation eines CI ist eine intensive Hör- und Sprechtraining erforderlich, um das Hören und Sprechen neu zu erlernen.
  • Gebärdensprache: Eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit für gehörlose Menschen, insbesondere bei angeborener oder frühkindlicher Taubheit.
  • Lippenablesen: Eine weitere Möglichkeit der nonverbalen Kommunikation.
  • Unterstützende Technologien: Computer und andere Technologien können die Kommunikation erleichtern.

Cochlea-Implantat im Detail

Das Cochlea-Implantat besteht aus einem zu implantierenden Teil und einem äußeren Teil (dem Sprachprozessor). Der zu implantierende Teil verfügt über Elektroden, die der Operateur mithilfe eines sehr dünnen Kabels in die Hörschnecke (Cochlea) einführt. Dort erregen beziehungsweise reizen sie anstelle der geschädigten Sinneszellen den Hörnerv direkt.

Die Operation erfolgt in der Regel unter Vollnarkose und dauert zwei bis drei Stunden. Vor allem bei beidseitiger Taubheit ist nach der Implantation eine Rehabilitation entscheidend: Nur ein intensives Hör- und Sprechtraining sowie eine hohe Motivation führen zu guten Erfolgen. Wenn die Gehörlosigkeit von Geburt an besteht, erhält das betroffene Kind die Implantate in der Regel zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr, damit sich seine Sprechfähigkeit herausbilden kann. Vor dem ersten Lebensjahr ist der Eingriff wegen der möglichen Operationsrisiken nicht ratsam; nach dem achten Lebensjahr ist er nicht mehr möglich. Bei früher Gehörlosigkeit ist es - neben der Therapie durch Implantate und lautsprachliche Förderung - jedoch auch zu empfehlen, die Gebärdensprache zum festen Teil der Frühförderung zu machen.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Hören mit einem Cochlea-Implantat nicht mit dem normalen Hörempfinden vergleichbar ist, da das Implantat die akustischen Reize in weniger Tonhöhen und -tiefen umwandelt. Das Hörerlebnis ähnelt eher einer metallenen Computerstimme.

Lesen Sie auch: Parkinson: Ursachen und Forschung im Detail

Vorbeugung von Taubheit

Einige Ursachen von Taubheit lassen sich durch Vorbeugung vermeiden:

  • Impfungen: Impfungen gegen Röteln und andere Infektionskrankheiten können das Risiko einer angeborenen Taubheit verringern.
  • Vermeidung von ototoxischen Substanzen: Während der Schwangerschaft und im späteren Leben sollten ototoxische Medikamente und Industrie-Schadstoffe vermieden werden.
  • Lärmschutz: Tragen von Gehörschutz bei Lärmbelastung.
  • Früherkennung und Behandlung von Ohrenentzündungen: Eine rechtzeitige Behandlung von Ohrenentzündungen kann das Risiko von Folgeschäden reduzieren.

Kribbeln und Taubheitsgefühle im Ohr: Mögliche Ursachen

Neben den oben genannten Ursachen für Taubheit gibt es auch andere Empfindungsstörungen im Ohr, wie Kribbeln und Taubheitsgefühle, die verschiedene Ursachen haben können.

  • Mittelohrentzündung (Otitis media): Eine Virus- oder Bakterieninfektion im Mittelohr kann zu Schmerzen, Fieber, Schwerhörigkeit, Kribbeln und Taubheitsgefühl führen.
  • Verengung oder Verschluss der Eustachischen Röhre: Eine Entzündung kann die Eustachische Röhre verengen oder verschließen, was zu einer Mittelohrentzündung mit den genannten Symptomen führen kann.
  • Ohrenschmalzpropf: Ein Ohrenschmalzpropf kann Juckreiz, Kribbeln und Taubheitsgefühl im Ohr verursachen.
  • Entzündung des äußeren Gehörgangs ("Surferohr"): Geht mit Schmerzen, Rötung und Kribbeln im Ohr einher.
  • Periphere Neuropathie: Bei Diabetikern kann eine Schädigung des peripheren Nervensystems ein Kribbeln oder Taubheitsgefühl im Gesicht und in den Ohren verursachen.
  • Herzerkrankungen: Eine diagonale Falte am Ohrläppchen kann einigen Forschern zufolge ein Hinweis auf Herzerkrankungen sein.

Es ist wichtig, bei Unsicherheit oder Fragen im Hinblick auf neue oder bereits vorhandene Beschwerden immer den Arzt zurate zu ziehen. Die Behandlung von Kribbeln und Taubheitsgefühl im Ohr hängt von der Ursache ab und kann Antibiotika oder in seltenen Fällen einen chirurgischen Eingriff erfordern.

Lesen Sie auch: Umfassender Überblick: Ursachen von Krämpfen

tags: #Gründe #für #Taubheit #Ursachen