Grüner Tee, ein beliebtes Getränk mit einer langen Geschichte in der traditionellen Medizin, wird zunehmend auf seine potenziellen gesundheitlichen Vorteile untersucht. Besonders im Fokus steht dabei seine mögliche Wirkung auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer.
Die neuronale Plastizität und die Rolle des Hippocampus
Bis in die 1990er Jahre ging man davon aus, dass sich Nervenzellen im Gehirn Erwachsener nicht neu bilden können. Diese Annahme hat sich jedoch als falsch erwiesen. Die Neubildung von Nervenzellen, auch Neurogenese genannt, ist eine lebenslang vorhandene Fähigkeit des Gehirns. Diese Fähigkeit ist Teil der neuronalen Plastizität, die es dem Gehirn ermöglicht, sich zu verändern, zu entwickeln und anzupassen, wenn wir Neues lernen. Der Hippocampus, ein Bereich des Gehirns, der für Gedächtnis und Lernen zuständig ist, spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die Inhaltsstoffe des grünen Tees und ihre Wirkung
Grüner Tee enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen, denen neuroprotektive Eigenschaften zugeschrieben werden. Dazu gehören Koffein, Polyphenole und Vitamine. Besonders hervorzuheben ist das Epigallocatechingallat (EGCG), ein Catechin, das vor allem im grünen Tee vorkommt.
EGCG und seine potenziellen Vorteile
In Tier- und Laborstudien hat sich gezeigt, dass EGCG in hochkonzentrierter Form bestimmte Gefäßablagerungen verhindern kann, die mit Alzheimer und Parkinson in Verbindung gebracht werden. EGCG kann in einer sehr frühen Phase direkt an die noch ungefalteten Eiweiße binden und so verhindern, dass sich durch Fehlfaltung giftige, unlösliche Aggregate entwickeln. Stattdessen bilden sich ungiftige, kugelige Eiweißaggregate, die für die Nervenzellen harmlos sind.
L-Theanin und seine beruhigende Wirkung
Neben EGCG enthält grüner Tee auch L-Theanin, eine Aminosäure, die sowohl im schwarzen als auch im grünen Tee vorkommt. L-Theanin fördert die Entspannung, reduziert Stress und verbessert die Konzentrationsfähigkeit.
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Studien zu grünem Tee und Gehirnfunktion
Mehrere Studien haben die Auswirkungen von grünem Tee auf die Gehirnfunktion untersucht.
Verbesserung der Konnektivität und des Arbeitsgedächtnisses
Eine Studie mit männlichen Freiwilligen zeigte, dass der Konsum von Grünteeextrakt die Konnektivität zwischen einzelnen Gehirnregionen erhöhte und das Arbeitsgedächtnis unterstützte.
Linderung psychiatrischer Symptome und Verbesserung kognitiver Fähigkeiten
Eine Analyse von 21 Studien ergab, dass grüner Tee psychiatrische Symptome wie Angstzustände lindern, kognitive Fähigkeiten wie Erinnerungsvermögen und Konzentrationsfähigkeit verbessern und die Gehirnfunktionen unterstützen kann.
Reduzierung von Hirnschäden
Eine japanische Studie analysierte die Daten von fast 9000 Kaffee- und Teetrinkern über 65 Jahre. Es zeigte sich, dass Grüntee-Trinker weniger Schädigungen der weißen Hirnsubstanz aufwiesen, die charakteristisch für Demenz sind. Wer drei Tassen grünen Tee täglich trank, hatte im Schnitt drei Prozent weniger Läsionen der weißen Substanz im Vergleich zu denjenigen, die eine Tasse pro Tag tranken. Die Vieltrinker mit sieben bis acht Tassen pro Tag hatten sogar sechs Prozent weniger Schädigungen.
Die Bedeutung von Flavonoiden
Eine weitere Studie hat gezeigt, dass Flavonoide, sekundäre Pflanzenstoffe, die in grünem Tee, Beeren, Rotwein und Zwiebeln vorkommen, das Demenzrisiko stark senken können. Studienteilnehmer, die mindestens sechs zusätzliche Portionen an Flavonoiden zu sich nahmen, hatten ein um 28 Prozent reduziertes Risiko, an einer Demenz zu erkranken.
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Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen
Es ist wichtig zu beachten, dass viele Studien zu grünem Tee und Alzheimer in vitro oder an Tieren durchgeführt wurden. Klinische Studien am Menschen sind begrenzt. Daher sind weitere Forschungen erforderlich, um die potenziellen Vorteile von grünem Tee für die Vorbeugung und Behandlung von Alzheimer besser zu verstehen.
Darüber hinaus sollte man grünen Tee nicht in Massen und nicht ausschließlich trinken. Ein übermäßiger Konsum (mehr als drei bis vier Tassen pro Tag) kann aufgrund hoher Koffein- oder Catechinwerte Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden oder Leberschäden verursachen.
Grüntee-Extrakte können die Leber schwer schädigen und sogar zu einem Leberversagen führen. Bei laufender Medikation sollte man mit einem Arzt oder Apotheker sprechen, bevor man regelmäßig große Mengen Grüntee oder Grüntee-Extrakt zu sich nimmt. Für Schwangere, Stillende und Menschen unter 18 Jahren sind Grüntee-Extrakte nicht geeignet.
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