Grüner Tee und Parkinson-Studien: Ein umfassender Überblick

Die gesundheitsfördernden Eigenschaften von grünem Tee sind seit langem Gegenstand von Forschung und öffentlichem Interesses. Insbesondere das Polyphenol Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG), das in hohen Konzentrationen in grünem Tee vorkommt, wurde auf seine potenziellen neuroprotektiven Wirkungen hin untersucht. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Forschungslage zu grünem Tee und seinen Inhaltsstoffen im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Multisystematrophie (MSA).

Einleitung

Grüner Tee, gewonnen aus der Pflanze Camellia sinensis, ist eines der am häufigsten konsumierten Getränke weltweit. Neben seinem erfrischenden Geschmack wird grünem Tee eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen zugeschrieben. Diese positiven Effekte werden hauptsächlich auf die in ihm enthaltenen Polyphenole zurückgeführt, insbesondere auf das Catechin EGCG.

Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und MSA sind durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen gekennzeichnet. Eine Schlüsselrolle bei diesen Erkrankungen spielen Ablagerungen von aggregierten Proteinen wie Alpha-Synuclein. Die Forschung konzentriert sich daher auf Substanzen, die die Bildung dieser Aggregate hemmen oder deren toxische Wirkung reduzieren können.

Studien zu EGCG und neurodegenerativen Erkrankungen

PROMESA-Studie zu Multisystematrophie (MSA)

Eine in "Lancet Neurology" veröffentlichte, industrieunabhängige Studie untersuchte die Wirkung von EGCG auf Patienten mit MSA. MSA ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die wie Parkinson durch Ablagerungen von Alpha-Synuclein-Aggregaten im Gehirn gekennzeichnet ist. Diese Ablagerungen, insbesondere kleine Proteinaggregate, sogenannte Oligomere, haben eine toxische Wirkung auf Nervenzellen.

In der PROMESA-Studie wurde EGCG als sogenannter Oligomer-Modulator eingesetzt, um die Bildung dieser Aggregate zu hemmen. An der Studie nahmen 92 Patienten teil, die über einen Zeitraum von knapp einem Jahr entweder EGCG oder ein Placebo erhielten. Die EGCG-Dosis wurde schrittweise auf 1200 mg pro Tag erhöht, was der Menge in etwa 50 Tassen grünem Tee entspricht.

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Obwohl die Studie keine signifikante klinische Wirkung von EGCG auf den Krankheitsverlauf von MSA zeigen konnte, gab es interessante Beobachtungen. Eine Untergruppe von Patienten, die mittels MRT untersucht wurde, zeigte eine signifikante Reduktion der Atrophie in bestimmten Hirnregionen. Dies deutet darauf hin, dass der Wirkmechanismus von EGCG grundsätzlich vielversprechend sein könnte, wenn Oligomer-Modulatoren mit einem günstigeren Verhältnis von Wirkung zu Nebenwirkung eingesetzt werden.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der PROMESA-Studie war die Feststellung, dass MSA gut geeignet ist, um die Wirksamkeit potenziell verlaufsmodifizierender Medikamente beim Menschen zu untersuchen. Die Studie lieferte wertvolle Daten zum Krankheitsverlauf von MSA und kann als Grundlage für zukünftige Forschungsarbeiten dienen.

Weitere Forschungsergebnisse zu EGCG und Parkinson

Neben der PROMESA-Studie gibt es eine Vielzahl weiterer Forschungsergebnisse zu EGCG und seinen potenziellen Auswirkungen auf neurodegenerative Erkrankungen. In Zellkultur- und Tierstudien wurde gezeigt, dass EGCG die Oligomerbildung von Alpha-Synuclein hemmen und die damit verbundene Toxizität reduzieren kann. Einige Studien deuten auch auf eine Wirksamkeit von EGCG in Tiermodellen der Parkinson-Krankheit hin.

Eine Studie des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ergab, dass EGCG den tödlichen Prozess der Plaquebildung bei Parkinson und Alzheimer umkehren kann. Statt der giftigen Eiweißablagerungen bilden sich durch EGCG ungiftige, kugelige Eiweißaggregate. Die Substanz EGCG bindet in einer sehr frühen Phase direkt an die noch ungefalteten Eiweiße und verhindert damit, dass sich durch Fehlfaltung giftige, unlösliche Aggregate entwickeln können.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass regelmäßiger Teekonsum das Risiko, an MSA zu erkranken, verringern kann. Epidemiologische Beobachtungen deuten auf eine mögliche präventive Wirkung von Teekonsum bezüglich des Risikos, an MSA zu erkranken.

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Einschränkungen und Herausforderungen

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es auch Einschränkungen und Herausforderungen bei der Forschung zu EGCG und neurodegenerativen Erkrankungen. Ein Problem ist, dass EGCG in den eingesetzten (hohen) Dosen bei manchen Patienten zu einer deutlichen Leberschädigung geführt hat. In der PROMESA-Studie mussten zwei Patienten die Behandlung wegen Hepatotoxizität abbrechen.

Ein weiteres Problem ist, dass EGCG vom Körper nicht immer ausreichend aufgenommen wird. Die Bioverfügbarkeit von EGCG ist begrenzt, was bedeutet, dass nur ein geringer Teil der aufgenommenen Substanz tatsächlich ins Gehirn gelangt. Dies erschwert die Entwicklung von Medikamenten auf der Basis von EGCG.

Zudem sind die Ergebnisse klinischer Studien mit grünem Tee und EGCG schwer zu vergleichen, da die eingesetzten Präparate nicht standardisiert sind. Es gibt Teeaufgüsse und Kapseln, die unterschiedliche Konzentrationen von EGCG enthalten und zum Teil mit Zusatzstoffen, wie etwa Koffein, angereichert sind.

Die Rolle des grünen Tees in der traditionellen chinesischen Medizin

Grüner Tee hat eine lange Tradition in der chinesischen Medizin und Kultur. Bereits vor mehreren tausend Jahren wurde die Teepflanze in China angebaut. Der Legende nach entdeckte der mythische Kaiser Shennong um 2800 v.u.Z. den grünen Tee, als ihm ein Blatt eines Teestrauches in eine Schale mit heißem Wasser fiel.

In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wird grüner Tee bei verschiedenen Beschwerden eingesetzt. Er gilt als kühlendes Getränk, das bei Hitzezuständen und Entzündungen helfen kann. Grüner Tee wird auch zur Entgiftung, zur Förderung der Verdauung und zur Stärkung des Immunsystems eingesetzt.

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In der TCM wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass übermäßiger Genuss von grünem Tee zu unerwünschten Wirkungen führen kann. Bei algor („Kälte“, hán) bzw. depletio („energetische Schwäche“, xu) der oo kann übermäßiger Genuss (normale Tagesdosis 3-9 g) zu Schlafstörungen, innerer Unruhe, Palpitationen, Kopfschmerzen, Ohrrauschen oder verschwommener Sicht führen.

Inhaltsstoffe des grünen Tees und ihre Wirkungen

Grüner Tee enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen, die für seine gesundheitsfördernden Wirkungen verantwortlich sein könnten. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen gehören:

  • Tee-Polyphenole: Dies sind eine Gruppe von antioxidativen Verbindungen, die etwa 20-30 % des Trockengewichts von grünem Tee ausmachen. Die wichtigsten Polyphenole im grünen Tee sind die Catechine, insbesondere EGCG.
  • Catechine: Diese Verbindungen haben antioxidative, entzündungshemmende, krebshemmende und antivirale Eigenschaften. EGCG ist das mengenmäßig wichtigste und am besten untersuchte Catechin im grünen Tee.
  • Alkaloide: Grüner Tee enthält Koffein, Theophyllin und Theobromin. Koffein wirkt anregend und kann die Konzentration und Leistungsfähigkeit verbessern.
  • Aminosäuren: Grüner Tee enthält verschiedene Aminosäuren, darunter Theanin, Arginin, Glutaminsäure, Serin und Asparaginsäure. Theanin hat eine beruhigende Wirkung und kann Stress reduzieren.
  • Vitamine und Mineralstoffe: Grüner Tee enthält Vitamin A, Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin B3, Vitamin C, Vitamin E, Vitamin K1, Natrium, Kalium, Calcium, Phosphor, Magnesium, Aluminium, Mangan, Eisen und Fluor.

Auswirkungen auf das Immunsystem

Mehrere Arbeitsgruppen konnten belegen, dass EGCG durch einen epigenetischen Mechanismus regulatorische T‑Zellen induzieren kann, welche entscheidend für die Aufrechterhaltung der Immuntoleranz und die Unterdrückung der Autoimmunität sind.

Yamamoto et al. konnte in einer doppelblinden placebokontrollierten Studie nachweisen, dass EGCG die Aktivierung von Mastzellen, die Freisetzung von Histamin sowie die Expression hochaffiner IgE-Rezeptoren hemmt, was die Pollinose deutlich linderte (Maity et al. 2019). Balaji et al. fanden 2014 heraus, dass Grüntee-Extrakt die Sterblichkeit von Mäusen mit anaphylaktischem Schock erheblich reduzieren kann. Des Weiteren zeigten sich gute Ergebnisse bei der Behandlung von Asthma und allergischer Rhinitis (Balaji et al. 2014).

Daten aus der koreanischen National Health and Nutritional Examination Survey, welche zwischen 2008 und 2015 erhoben wurde, konnten belegen, dass es einen entgegengesetzten Zusammenhang zwischen der Aufnahme von grünem Tee und der Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gab. Um den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Aufnahme von grünem Tee und dem Risiko für COPD zu untersuchen, wurden in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Nikotinstatus, Alkoholkonsum, körperlicher Aktivität und sozioökonomischem Status mehrere Regressionsmodelle verwendet. Mit dem Ergebnis, dass bereits bei einem Anstieg des Konsums von grünem Tee von 0 auf 2 Tassen pro Tag die Inzidenz einer COPD signifikant abnahm (Oh et al. 2018). Wu et al. berichteten über eine positive Wirkung bei Mäusen mit Autoimmunenzephalomyelitis (Wu 2016). Hong et al. konnten 2022 belegen, dass Tee-Polyphenole die Immunität unspezifisch steigert (Cheng et al.

Antibakterielle und antivirale Eigenschaften

Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass grüner Tee eine antibakterielle Wirkung gegen eine Vielzahl von Bakterien hat. Bereits 1995 haben einige Wissenschaftler herausgefunden, dass Grüntee-Extrakt das Wachstum der wichtigsten durch Lebensmittel übertragenen Krankheitserreger, darunter E. coli, Staphylococcus aureus, Salmonella typhimurium und Listeria monocytogenes, wirksam hemmen kann (Hamilton-Miller 1995). Die signifikante Hemmwirkung auf Staphylococcus aureus konnte auch in weiteren Studien bestätigt werden (Si et al. 2006; Sharma et al. 2012). Yee et al. stellten fest, dass grüner Tee auch die Aktivität von Helicobacter pylori hemmt (Yee und Koo 2000).

Es ist bemerkenswert, dass viele Studien die Standard-Tuberkulose-Therapien mit Catechinen kombinierten (Maiolini et al. 2020). Anand et al. fanden bei Durchflusszytometrien heraus, dass EGCG das Überleben von Mycobacterium tuberculosis in Makrophagen hemmt, weil es die Zellwandstruktur der Bakterien schwächen und die Genexpression herunterregulieren konnte (Anand et al.

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