Haben Fische Nerven im Mund? Eine Untersuchung zum Schmerzempfinden bei Fischen

Die Frage, ob Fische Schmerzen im Mund empfinden, ist komplex und wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Lange Zeit hielt sich das Vorurteil, Fische seien stumm, dumm und ohne Empfindungen. Neuere Forschungsergebnisse zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild und legen nahe, dass Fische zu erstaunlichen kognitiven Leistungen fähig sind und sowohl Freude als auch Schmerz empfinden können.

Die Grundlagen des Schmerzempfindens

Um zu verstehen, ob Fische Schmerzen empfinden können, ist es wichtig, die Grundlagen des Schmerzempfindens zu betrachten. Schmerz entsteht durch die Wahrnehmung einer äußeren Reizung, wie Verletzungen, Druck, Hitze oder chemische Stoffe. Schmerzrezeptoren, sogenannte Nozizeptoren, nehmen diese Reize auf und leiten sie als elektrische Informationen an das Rückenmark weiter. Dort werden die Reize verarbeitet und an die Großhirnrinde (Neocortex) weitergegeben. Bei Wirbeltieren funktioniert dieser Prozess im Allgemeinen so ab.

Nozizeption bei Fischen

Fische verfügen über schmerzempfindliche Nervenzellen (Nozizeptoren), die auf schädliche Reize reagieren. Diese Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen der Rückenmarksneuronen und kommen in allen schmerzempfindlichen Geweben des Körpers vor. Eine detaillierte Karte von mehr als 20 Schmerzrezeptoren im Maul und Kopf von Fischen wurde von der Biologin Victoria Braithwaite erstellt. Dazu gehören auch die Stellen, an denen die Widerhaken eines Anglers in den Fisch eindringen.

Verhaltensbezogene und physiologische Reaktionen

Konkrete Anhaltspunkte für Schmerzempfinden ergeben sich aus verhaltensbezogenen und physiologischen Reaktionen. Bei Schädigungen zeigen Fische Abwehr- und Schutzreaktionen in Form von Zuckungen, Reiben, Lautäußerungen und Fluchtversuchen. Sie verfügen auch über Opioidrezeptoren, was bedeutet, dass sich die Reaktion auf schädliche Reize nach Gabe von Schmerzmitteln verringert.

Studien zum Schmerzempfinden bei Fischen

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Fische nicht nur reflexartig auf Schmerz reagieren, sondern dass eine Informationsverarbeitung stattfindet. In einer Versuchsreihe wurde Fischen Essigsäure in die Lippen gespritzt, woraufhin sie ihren Körper hin und her wiegten, ihren Mund am Boden des Aquariums oder an der Wand rieben und eine Phase der Appetitlosigkeit zeigten. Dies deutet darauf hin, dass Fische Schmerz bewusst wahrnehmen und leidensfähig sind.

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Eine andere Studie untersuchte die Auswirkungen von Schmerzmitteln auf das Verhalten von Fischen. Zebrafischen wurde Säure injiziert, um ihnen Schmerz zuzufügen. Daraufhin schwammen sie freiwillig in einem hell ausgeleuchteten Bereich des Aquariums, den sie normalerweise meiden würden, aber nur, wenn dort Schmerzmittel aufgelöst waren.

Kognitive Fähigkeiten von Fischen

Fische haben kognitive Fähigkeiten, das heißt, sie können ihre Umwelt wahrnehmen, lernen und sich erinnern. Sie können Werkzeuge nutzen, planen, kooperieren und zeigen Solidarität. Diese komplexen Fähigkeiten beweisen, dass Fische ein Bewusstsein haben und somit auch Schmerzen bewusst wahrnehmen können.

Gegenargumente und Kritik

Trotz der Erkenntnisse, die für das Schmerzempfinden von Fischen sprechen, gibt es auch Gegenargumente und Kritik. Einige Wissenschaftler argumentieren, dass Fischen die Großhirnrinde (Neocortex) fehlt, die für die bewusste Schmerzwahrnehmung notwendig ist. Andere weisen darauf hin, dass Knochenfische nur wenige C-Nozizeptoren haben und Knorpelfische diese sogar vollständig fehlen.

Es wird auch argumentiert, dass Fische in Versuchen keine oder nur geringfügige Reaktionen auf Schmerzen oder die Vergabe von Schmerzmitteln gezeigt haben. Zudem sei die Schmerzreaktion bei Menschen von verschiedenen Faktoren abhängig, weshalb eine indirekte Beweisführung schwierig sei.

Die Rolle des Neocortex

Das Fehlen des Neocortex im Fischgehirn wurde lange Zeit als Argument gegen das Schmerzempfinden von Fischen angeführt. Allerdings haben neuere Studien gezeigt, dass Fische über Hirnregionen verfügen, die Funktionen der Großhirnrinde übernehmen können. Zudem gibt es medizinische Fallgeschichten von Menschen mit nur halbem Großhirn, die dennoch hochintelligent und sozial unauffällig sind.

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Auswirkungen auf den Tierschutz

Die Frage, ob Fische Schmerzen empfinden können, hat wichtige Auswirkungen auf den Tierschutz. Wenn Fische tatsächlich Schmerzen empfinden, müssen die Methoden der Fischerei und Aquakultur überdacht werden, um unnötiges Leid zu vermeiden.

Die industrielle Fischerei ist besonders problematisch, da sie oft mit riesigen Ringwadennetzen arbeitet, in denen Tausende von Fischen ersticken, bevor sie auf Eis gelegt werden. Auch die Aquakultur kann problematisch sein, wenn die Fische in engen Becken gehalten werden und schlechten Bedingungen ausgesetzt sind.

Ethische Überlegungen

Unabhängig davon, ob Fische Schmerzen im gleichen Maße wie Menschen empfinden, ist es wichtig, sie mit Respekt zu behandeln. Fische sind Lebewesen mit komplexen Verhaltensweisen und kognitiven Fähigkeiten. Sie verdienen es, vor unnötigem Leid bewahrt zu werden.

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