Haben Seeigel ein Gehirn? Eine umfassende Untersuchung

Seeigel, Seesterne und Seegurken gehören zu den Stachelhäutern. Diese faszinierenden Meeresbewohner weisen eine Reihe einzigartiger Merkmale auf, die sie von anderen Tieren unterscheiden. Eines der faszinierendsten Merkmale ist das Nervensystem, insbesondere die Frage, ob diese Tiere ein Gehirn haben oder nicht.

Stachelhäuter: Eine Einführung

Stachelhäuter (Echinodermata) sind fünfstrahlig-symmetrische Tiere, die ein Kalkskelett besitzen und auf dem Meeresboden leben. Der Name Stachelhäuter leitet sich von den Stacheln ab, die sich oft auf ihrem Kalkskelett befinden. Zu den Stachelhäutern gehören neben Seesternen, Seeigeln und Seegurken auch Haarsterne (Seelilien) und Schlangensterne.

Ein weiteres wichtiges Merkmal der Stachelhäuter ist das Wassergefäßsystem (Ambulakralsystem). Über Siebplatten dringt Wasser durch die Kanäle bis zu den Saugfüßchen. Dieses hydraulische System ermöglicht es den Tieren, ihre Füße gezielt zu bewegen. Stachelhäuter spielen eine wichtige ökologische Rolle, indem sie Abfall beseitigen und den Meeresboden aufbereiten.

Seeigel: Bau und Lebensweise

Seeigel sind halbkugelige Tiere mit beweglichen Stacheln, die meist auf Felsen am Meeresboden zu finden sind. Es gibt 14 Ordnungen von Seeigeln. Die Stacheln dienen dem Schutz vor Fressfeinden wie Krebsen, verschiedenen Fischarten und Seevögeln. Zwischen den Stacheln befinden sich die Saugfüße des Seeigels.

Seeigel haben eine schützende Schale aus verwachsenen Kalkplatten. Auch der Kiefer des Seeigels besteht aus fünf Kalkplatten. Der Mund befindet sich auf der Unterseite des Körpers, mit dem der Seeigel Algen abweidet. Die Fortpflanzung der Seeigel erfolgt getrenntgeschlechtlich. Das Weibchen gibt viele kleine Eier ins Wasser ab, die dann von einem männlichen Seeigel befruchtet werden.

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Das Nervensystem der Stachelhäuter: Kein zentrales Gehirn

Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren besitzen Seeigel und andere Stachelhäuter kein zentrales Gehirn. Stattdessen verfügen sie über ein dezentrales Nervensystem. Das bedeutet, dass es keine zentrale Steuerungseinheit gibt, die alle Funktionen koordiniert. Stattdessen ist das Nervensystem über den Körper verteilt.

Schlangensterne als Beispiel

Schlangensterne ähneln in ihrem Aussehen Seesternen, haben jedoch lange, gefiederte Arme. Wie Seeigel, Seesterne und Seegurken gehören sie zu den Stachelhäutern. Interessanterweise haben auch Schlangensterne kein Gehirn. Jeder der fünf Arme der Tiere verfügt über einen Nervenstrang, der in der Nähe des Mundes in einem Ring zusammenläuft. Im Gegensatz zu anderen Tieren fehlt jedoch das Zentrum, die Schaltzentrale. Jeder der Nervenstränge kann unabhängig agieren.

Lernen ohne Gehirn?

Eine Forschergruppe der Duke University in North Carolina untersuchte die Lernfähigkeit von Schlangensternen. In Experimenten wurden die Tiere in Aquarien gehalten und einer Lichtveränderung ausgesetzt, die mit der Futtergabe verbunden war. Die Ergebnisse zeigten, dass die Schlangensterne lernen konnten, die Dunkelheit mit der Futtergabe zu assoziieren, und sich auch nach längerer Zeit noch daran erinnerten. Dies deutet darauf hin, dass auch Tiere ohne Gehirn in der Lage sind, zu lernen.

Die Augen der Seeigel: Lichtwahrnehmung ohne zentrales Nervensystem

Obwohl Seeigel kein Gehirn haben, können sie Licht wahrnehmen und sich danach richten. Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Bonn fand heraus, dass sich die Augen des Purpurseeigels (Strongylocentrus purpuratus) an den Fußfortsätzen und in Gruben auf der harten Oberfläche des Tieres befinden.

Die Forscher entdeckten Fotorezeptorzellen, in denen Gene aktiv sind, die bei anderen Organismen an der Augenentwicklung und -funktion beteiligt sind. Diese Zellen befinden sich an den zylinderförmigen Füßen des Seeigels. An der scheibenförmigen Spitze und der Wurzel sitzen insgesamt bis zu 140 der lichtsensiblen Zellen dicht nebeneinander.

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Seeigel nutzen den Schattenwurf ihres eigenen Körpers, um die Lichtquelle zu lokalisieren. Die Fotorezeptorzellen liegen in kleinen Einbuchtungen des Kalkskeletts, sodass der Lichteinfall immer nur wenige Zellen erreicht, während die meisten im Schatten liegen. So kann das Tier die Lichtquelle orten.

Die Verteilung der Lichtsinneszellen über den runden Körper der Tiere in Kombination mit einem internetartig dezentral Daten verarbeitenden Nervensystem erlaubt den Tieren Informationen aus über 1.500 solcher Lichtrezeptorgruppen zu verarbeiten und sich gerichtet von einer wahrgenommenen Lichtquelle weg zu bewegen.

Überlebensfähigkeit trotz Verletzungen: Das dezentrale Nervensystem als Vorteil

Das dezentrale Nervensystem der Seeigel ermöglicht es ihnen, auch schwere Verletzungen zu überleben. Senckenberg-Wissenschaftler dokumentierten den Überlebenskampf eines Seeigels am Meeresgrund vor Spitzbergen. Trotz schwerer Verletzungen, bei denen mehr als ein Drittel seines Panzers und wichtige Organe fehlten, bewegte sich der Seeigel noch mindestens 43 Stunden weiter über den Meeresboden und wich sogar dem Angriff einer großen Krabbe aus.

Die Fähigkeit des Seeigels, trotz der Verletzungen so lange zu überleben, wird auf sein dezentrales Nervensystem zurückgeführt. Da es kein zentrales Gehirn gibt, das ausfallen könnte, kann das Nervensystem auch bei schweren Verletzungen weiter funktionieren.

Regeneration bei Stachelhäutern: Arme wachsen nach

Stachelhäuter, einschließlich Seeigel und Seesterne, haben ein bemerkenswertes Regenerationsvermögen. Seesterne können beispielsweise ganze Arme ersetzen und in besonderen Fällen sogar aus einem einzigen Arm weitere Arme nachwachsen lassen. Es gibt bereits einige Studien über die Selbstheilungskräfte von Seesternen. Ob Seeigel ebenfalls über solche Fähigkeiten verfügen, wurde bislang aber kaum erforscht.

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