Die Forschung hat gezeigt, dass es eine direkte Verbindung zwischen der Nase und dem Gehirn gibt, die für die Verabreichung von Medikamenten und die Beeinflussung von Gehirnfunktionen genutzt werden kann. Diese sogenannte "Nase-Hirn-Achse" (NBA) eröffnet neue Möglichkeiten für die Behandlung von neurologischen Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und sogar Krebs.
Die Herausforderung der Medikamentenverabreichung ins Gehirn
Die Behandlung von Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS), wie Multiple Sklerose, stellt eine besondere Herausforderung dar. Das ZNS, bestehend aus Gehirn und Rückenmark, wird durch die Blut-Hirn-Schranke geschützt, die das Eindringen von Fremdstoffen, einschließlich Medikamenten, stark einschränkt. Dies bedeutet, dass viele Medikamente das Gehirn nur in reduziertem Ausmaß erreichen, was ihre Wirksamkeit beeinträchtigt.
Der "Nose-to-Brain"-Ansatz: Ein neuer Weg für Medikamente
Ein vielversprechender Ansatz, um die Blut-Hirn-Schranke zu umgehen, ist die nasale Verabreichung von Medikamenten über die Riechschleimhaut, auch Regio olfactoria genannt. Im Gegensatz zu Nasensprays, die über das respiratorische Epithel wirken, oder intravenösen Injektionen, die den Blutkreislauf nutzen, ermöglicht dieser innovative "Nose-to-Brain"-Ansatz (N2B) den Wirkstoffen, direkt ins Gehirn zu gelangen.
Die Nasenhöhle ist durch das gelochte Siebbein und wenige zusätzliche Zellschichten vom Gehirn getrennt. Dadurch können Arzneimittel diese Barriere leichter durchdringen und das ZNS auf kurzem Wege direkt erreichen.
Das N2B-Patch-Projekt: Ein Meilenstein in der MS-Therapie
Das EU-geförderte Verbundprojekt "N2B-patch" hat sich zum Ziel gesetzt, eine effizientere Therapie für Multiple Sklerose (MS) zu entwickeln. Das internationale Konsortium aus elf Partnern unter der Koordination des Fraunhofer IGB hat die Machbarkeit eines nasalen Verabreichungssystems für Biopharmazeutika über die Riechschleimhaut nachgewiesen.
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Das N2B-Patch-Projekt liefert drei entscheidende Ergebnisse:
- Ein Ensemble aus API (Active Pharmaceutical Ingredient, biologisch aktiver Wirkstoff) und Biomaterial-basierten Wirkstoffpartikeln.
- Das "Patch", eine galenische Hydrogel-Formulierung als minimalinvasiver Träger und Transportmittel des Wirkstoffs.
- Einen passenden Applikator zum Einsetzen des Gel-Patches in die Nase.
Das nur millimetergroße Gelpflaster wird vom Arzt mithilfe einer speziellen Applikationsvorrichtung minimalinvasiv an die Riechschleimhaut im hintersten Teil der Nasenhöhle gebracht. Der Wirkstoff wird über einen längeren Zeitraum an die Riechschleimhaut abgegeben und über die Kanäle für die Riechnervenfasern im Siebbein zum Gehirn transportiert. Das Gel löst sich von selbst auf. Bei Bedarf kann einfach ein neues Patch durch die Nase eingeführt werden.
Die Ergebnisse des Projekts sind vielversprechend: Die Formulierung ist stabil und sogar über Tage und Wochen bei Raumtemperatur lagerfähig. Das System ist gut verträglich und für eine wiederholte Anwendung geeignet, was es potenziell für Langzeitbehandlungen qualifiziert. Umfragen des Konsortiums ergaben, dass die Patienten die wiederholte Anwendung nicht als belastend empfinden.
Das N2B-Patch-System muss von einem Arzt oder geschultem Personal angewendet werden. Die Europäische Multiple Sklerose Plattform EMSP wurde als Partner eng in das Projekt einbezogen, um Betroffene durch Veranstaltungen, Kampagnen und Interviews regelmäßig zu informieren.
Potenzial für weitere ZNS-Erkrankungen
Das N2B-Patch-System ist flexibel gestaltet und könnte zukünftig auch als Plattformtechnologie für andere Erkrankungen des ZNS eingesetzt werden, beispielsweise zur Therapie von Schlaganfällen, Alzheimer oder spezifischen Krebserkrankungen.
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Die Bedeutung des Geruchssinns für die Sättigung
Forschungen des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung haben eine direkte Verbindung von der Nase zu bestimmten Nervenzellen im Gehirn entdeckt, die durch den Geruch von Nahrung aktiviert werden und ein Sättigungsgefühl auslösen. Bei fettleibigen Mäusen war dieser Mechanismus gestört.
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Geruchssinns bei der Appetitregulierung und der Entstehung von Fettleibigkeit. Sie könnten darauf hindeuten, dass bei der Behandlung von Übergewicht der Umgang mit Gerüchen vor dem Essen je nach Gewicht unterschiedlich gestaltet werden müsste.
Die Nasen-Hirn-Achse: Anatomie und Funktion
Die Nasen-Hirn-Achse (NBA) steht für den Zusammenhang und wechselseitigen Einfluss der Nase auf das Gehirn. Die Riechschleimhaut befindet sich an den oberen Teilen der Nasenscheidewand sowie an der oberen und obersten Nasenmuschel. Von dort aus gelangen die Riechfäden über die Lamina cribrosa des Siebbeins zum Bulbus olfactorius, wo die neuronale Weiterleitung ins Gehirn und weiter an den Riechkortex erfolgt. Die Lamina cribrosa ist mit Löchern durchsiebt und erlaubt einen fast nahtlosen Übergang zwischen Nase und Gehirn.
Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen
Akute oder chronische Nebenhöhlenerkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheiten in der Bevölkerung. Anatomische Besonderheiten, Voroperationen, Allergien oder ein gestörtes Schleimhautmilieu in der Nase können zu chronischen Beschwerden führen, die durch gängige medikamentöse Therapien nicht mehr ausreichend gelindert werden können. In diesen Fällen können schonende operative Eingriffe zu Beschwerdefreiheit bei den Patienten führen.
Die funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenoperation (FESS) ist ein schonendes minimalinvasives Operationsverfahren, mit dem chronische Nasennebenhöhlenentzündungen optimal behandelt werden können. In Kombination mit modernster Bildgebung und navigationsgesteuerten Operationen bietet sie eine leitliniengerechte und sichere Therapie auf neuestem technischem Standard.
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Tumoren der Nasennebenhöhlen und Schädelbasis
Gut- und bösartige Tumoren der Frontobasis, der knöchernen Trennlinie zwischen dem Naseninneren und dem Gehirn, sind selten. Bösartige Tumoren der Nasennebenhöhlen können durch Symptome wie häufiges Nasenbluten, einseitig behinderte Nasenatmung, Schmerzen über dem Mittelgesicht, übelriechenden Ausfluss aus der Nase oder eine Formveränderung von Oberkiefer oder Wangenregion auffällig werden. Die Therapie wird in einer interdisziplinären Tumorkonferenz geplant und gemeinsam mit dem Patienten besprochen.
Als Schädelbasis bezeichnet man die Grenze zwischen Gehirn und Nasennebenhöhlen bzw. zwischen Gehirn und Mittel- und Innenohr. Im Rahmen von Unfällen kann es zu Rissen in der Schädelbasis mit Austritt von Nervenwasser in die Nase kommen. Über diese Defekte können Bakterien in das Gehirn dringen und zu Hirnhautentzündungen führen, weshalb derartige Verletzungen durch eine Operation verschlossen werden sollten.
Die Verarbeitung von Geruchsinformationen
Die Evolution hat sich während der Entwicklung des Menschen für das Sehen und weniger für das Riechen entschieden. Nichtsdestotrotz ist auch die menschliche Nase ein leistungsfähiges Sinnesorgan, das höchst komplexe Duftmischungen erkennen und zum Gehirn weiterleiten kann.
Die Riechzellen in der Nase sind die erste Ebene des Riechsystems. Sie detektieren Duftstoffe in der Atemluft und erzeugen elektrische Signale, die das Gehirn zur Geruchswahrnehmung verwenden kann. Die Riechzellen sind in der Nasenhöhle ständig der Außenwelt ausgesetzt und werden daher ständig erneuert.
In die Membran der Cilien von Riechzellen sind spezielle Rezeptorproteine eingelagert, die Duftstoffe detektieren und die Riechzelle aktivieren. Die elektrischen Signale werden über die Axone der Riechzellen an den Riechkolben im Gehirn geleitet.
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