Die Diagnose Polyneuropathie hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit erlangt, nicht zuletzt durch prominente Fälle wie den des Schlagerstars Jürgen Drews und des Komponisten Ralph Siegel. Beide Persönlichkeiten haben öffentlich über ihre Erfahrungen mit dieser chronischen Nervenerkrankung gesprochen und damit das Bewusstsein für die Krankheit in der Bevölkerung erhöht. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Polyneuropathie, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu den verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten und dem Umgang mit der Erkrankung im Alltag.
Was ist Polyneuropathie?
Der Begriff "Polyneuropathie" setzt sich aus den griechischen Wörtern "poly" (viele) und "neuropathie" (Nervenkrankheit) zusammen. Es handelt sich also um eine Erkrankung, bei der mehrere periphere Nerven gleichzeitig betroffen sind. Das periphere Nervensystem umfasst alle Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks, die für die Übertragung von Informationen zwischen dem zentralen Nervensystem und dem Rest des Körpers verantwortlich sind. Dazu gehören motorische Nerven, die die Muskeln steuern, sensible Nerven, die Empfindungen wie Schmerz, Berührung und Temperatur erfassen, sowie autonome Nerven, die die Funktion der inneren Organe regulieren.
Bei einer Polyneuropathie sind die Nervenfasern geschädigt oder zerstört, was zu einer gestörten oder fehlenden Weiterleitung von Reizen führt. Die Beeinträchtigung kann sich auf unterschiedliche Nerventypen und -bereiche auswirken, was zu einer Vielzahl von Symptomen führt.
Ursachen der Polyneuropathie
Die Ursachen für eine Polyneuropathie sind vielfältig, wobei mehr als 200 verschiedene Auslöser bekannt sind. In bis zu 40 Prozent der Fälle ist Diabetes mellitus die Ursache, insbesondere die diabetische Polyneuropathie, die sich oft mit Sensibilitätsstörungen in den Beinen äußert. Eine weitere häufige Ursache ist übermäßiger Alkoholkonsum, der zu dauerhaften Nervenschäden führen kann.
Weitere mögliche Ursachen sind:
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- Medikamente: Insbesondere Chemotherapeutika können als Nebenwirkung Nervenschäden verursachen.
- Umweltgifte: Arsen, Blei, Quecksilber und andere toxische Substanzen können die Nervenleitfähigkeit beeinträchtigen.
- Infektionen: Bestimmte bakterielle oder virale Infektionen wie Diphtherie, HIV oder Gürtelrose können eine Polyneuropathie auslösen.
- Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) können zu Nervenschäden führen.
- Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B12 oder anderen wichtigen Nährstoffen kann die Nervenfunktion beeinträchtigen.
- Nierenerkrankungen: Chronische Nierenerkrankungen können zu einer Ansammlung von Giftstoffen im Körper führen, die die Nerven schädigen können.
- Lebererkrankungen: Ähnlich wie bei Nierenerkrankungen können auch Lebererkrankungen die Nervenfunktion beeinträchtigen.
- Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl eine Unter- als auch eine Überfunktion der Schilddrüse können eine Polyneuropathie verursachen.
- Genetische Faktoren: In einigen Fällen kann eine Polyneuropathie erblich bedingt sein.
In etwa 20 Prozent der Fälle kann die Ursache der Polyneuropathie nicht eindeutig identifiziert werden.
Symptome der Polyneuropathie
Die Symptome einer Polyneuropathie sind vielfältig und hängen davon ab, welche Nervenfasern betroffen sind und wie stark die Schädigung ist. Die Symptome entwickeln sich meist nach und nach und können sich im Laufe der Zeit verschlimmern.
Typische Symptome sind:
- Sensibilitätsstörungen: Kribbeln, Stechen, Taubheitsgefühle, Brennen oder ein Gefühl wie "Ameisenlaufen" in den Füßen und Händen. Betroffene spüren oft weniger an beiden Füßen, manchmal auch an den Händen. Die Wahrnehmung von Berührungen und Schmerzen kann abnehmen, und die Sensibilität für Hitze und Kälte kann gestört sein.
- Schmerzen: Brennende, stechende oder bohrende Schmerzen, die sich im Ruhezustand oder bei Berührung verstärken können. Auch Schmerzattacken und eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit sind möglich.
- Muskelschwäche: Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Muskelzucken und Muskelschwund können auftreten, insbesondere in den Beinen und Füßen. Dies kann zu Gangschwierigkeiten, unsicherem Stand und einem erhöhten Sturzrisiko führen.
- Autonome Störungen: Störungen der autonomen Nerven können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, Verdauungsprobleme (Durchfall oder Verstopfung), Blasenentleerungsstörungen, Impotenz bei Männern und übermäßiges Schwitzen.
- Weitere Symptome: Gleichgewichtsstörungen, Schlafstörungen, Schwindel, Übelkeit und schmerzlose Wunden an den Füßen können ebenfalls auftreten.
Jedes dieser Symptome sollte von einem Arzt abgeklärt werden, da bis zum Auftreten der ersten Anzeichen bereits bleibende Schäden entstanden sein können.
Diagnose der Polyneuropathie
Die Diagnose einer Polyneuropathie umfasst in der Regel eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und verschiedene neurologische Tests.
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- Anamnese: Der Arzt wird nach den Symptomen, der Krankengeschichte, Medikamenteneinnahme, Alkoholkonsum und möglichen Risikofaktoren fragen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird die Sensibilität, die Muskelkraft, die Reflexe und die Koordination überprüfen.
- Neurologische Tests:
- Nervenleitgeschwindigkeit (NLG): Dieser Test misst, wie schnell elektrische Signale entlang der Nerven wandern. Eine verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit kann auf eine Nervenschädigung hinweisen.
- Elektromyographie (EMG): Dieser Test misst die elektrische Aktivität der Muskeln. Er kann helfen, Muskelschwäche aufgrund von Nervenschäden zu erkennen.
- Quantitative sensorische Testung (QST): Dieser Test misst die Schmerz-, Temperatur- und Vibrationswahrnehmung.
- Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie Bluttests, Urinuntersuchungen, Nervenbiopsie oder bildgebende Verfahren (MRT, CT) erforderlich sein, um die Ursache der Polyneuropathie zu ermitteln.
Es ist wichtig, die Ursache der Polyneuropathie zu identifizieren, um eine gezielte Behandlung einleiten zu können.
Behandlung der Polyneuropathie
Die Behandlung der Polyneuropathie zielt in erster Linie darauf ab, die Ursache der Erkrankung zu behandeln und die Symptome zu lindern.
- Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Polyneuropathie durch eine Grunderkrankung wie Diabetes, Alkoholmissbrauch oder Vitaminmangel verursacht wird, ist es wichtig, diese Erkrankung zu behandeln. Bei Diabetes ist eine gute Blutzuckereinstellung entscheidend, bei Alkoholmissbrauch ist ein Entzug erforderlich, und bei Vitaminmangel sollte der Mangel durch eine gezielte Ernährung und die Einnahme von Vitaminpräparaten ausgeglichen werden.
- Medikamentöse Therapie: Es gibt verschiedene Medikamente, die zur Linderung der Symptome eingesetzt werden können.
- Schmerzmittel: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac können bei leichten bis mittelschweren Schmerzen helfen. Bei stärkeren Schmerzen können Opioide eingesetzt werden, allerdings sollten diese aufgrund des Suchtpotenzials nur unter strenger ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva wie Amitriptylin oder Duloxetin können neuropathische Schmerzen lindern.
- Antiepileptika: Medikamente wie Gabapentin oder Pregabalin, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wurden, können ebenfalls neuropathische Schmerzen reduzieren.
- Capsaicin-Creme: Capsaicin ist ein Wirkstoff aus Chilischoten, der bei lokaler Anwendung Schmerzen lindern kann.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern, Gangschwierigkeiten zu reduzieren und Stürzen vorzubeugen.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und Hilfsmittel wie orthopädische Schuhe oder Gehhilfen anzupassen.
- Weitere Therapien:
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei dieser Therapie werden elektrische Impulse über die Haut an die Nerven gesendet, um Schmerzen zu lindern.
- Akupunktur: Einige Studien deuten darauf hin, dass Akupunktur bei der Linderung von neuropathischen Schmerzen helfen kann.
- Wechselbäder: Wechselbäder können die Durchblutung fördern und Schmerzen lindern.
- Psychotherapie: Psychotherapie kann helfen, mit den chronischen Schmerzen und den Einschränkungen im Alltag umzugehen.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann eine wertvolle Unterstützung sein.
Die Behandlung der Polyneuropathie ist oft ein langwieriger Prozess, der Geduld und Ausdauer erfordert. Es ist wichtig, eng mit dem behandelnden Arzt zusammenzuarbeiten, um die bestmögliche Therapie zu finden.
Leben mit Polyneuropathie
Die Polyneuropathie kann den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es gibt jedoch verschiedene Maßnahmen, die helfen können, die Lebensqualität zu verbessern:
- Regelmäßige Bewegung: Bewegung und Sport können helfen, die Muskelkraft und Koordination zu erhalten und die Durchblutung zu fördern. Geeignet sind z.B. Spaziergänge, Schwimmen, Radfahren oder Aqua-Fitness.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist wichtig für die Nervenfunktion.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Alkohol sollte vermieden oder stark reduziert werden. Rauchen schädigt die Nerven zusätzlich und sollte ebenfalls vermieden werden.
- Fußpflege: Regelmäßige Fußpflege ist besonders wichtig, um Verletzungen und Infektionen vorzubeugen. Diabetiker sollten ihre Füße täglich kontrollieren und bei Bedarf einen Podologen aufsuchen.
- Schuhwerk: Bequeme und gut passende Schuhe können helfen, Druckstellen und Blasen zu vermeiden. Orthopädische Schuhe können bei Bedarf angepasst werden.
- Sturzprophylaxe: Da Polyneuropathie das Sturzrisiko erhöhen kann, sollten Maßnahmen zur Sturzprophylaxe ergriffen werden, wie z.B. das Entfernen von Stolperfallen in der Wohnung, das Anbringen von Haltegriffen im Badezimmer und die Verwendung von Gehhilfen bei Bedarf.
- Unterstützung suchen: Es ist wichtig, sich Unterstützung von Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen zu suchen. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen.
Jürgen Drews: Ein prominentes Beispiel
Der Fall von Jürgen Drews zeigt, dass Polyneuropathie jeden treffen kann. Drews hat offen über seine Erkrankung gesprochen und damit dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Krankheit zu erhöhen. Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen hat er sich nicht entmutigen lassen und versucht, sein Leben so aktiv wie möglich zu gestalten. Sein Beispiel kann anderen Betroffenen Mut machen und zeigen, dass ein erfülltes Leben mit Polyneuropathie möglich ist.
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