Juckreiz bei Polyneuropathie: Ursachen und Behandlung

Chronischer Juckreiz kann für Betroffene eine erhebliche Belastung darstellen. Der unaufhörliche Drang zu kratzen führt oft zu einem Teufelskreis von Hautschäden und verstärktem Juckreiz. Bei Polyneuropathie, einer Erkrankung, die die peripheren Nerven betrifft, kann Juckreiz ein besonders quälendes Symptom sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Juckreiz im Zusammenhang mit Polyneuropathie.

Die komplexe Natur des Juckreizes

Juckreiz ist eine komplexe Empfindung, die durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden kann. Er dient als Alarmsignal für potenzielle Gefahren, von Insektenstichen bis hin zu Hautreizungen. Normalerweise führt Juckreiz zu Kratzen, wodurch Insekten oder Reizstoffe von der Haut entfernt werden. Bei chronischem Juckreiz, wie er bei Polyneuropathie auftreten kann, verselbstständigt sich dieser Mechanismus jedoch und wird zu einem anhaltenden Problem.

Chronischer Juckreiz: Ein Teufelskreis

Menschen mit chronischem Juckreiz weisen oft eine erhöhte Anzahl verzweigter Nerven in der Haut auf. Diese Nerven werden durch Botenstoffe und Entzündungszellen permanent aktiviert, was zu einem anhaltenden Juckreizgefühl führt. Viele Erkrankungen können von Juckreiz begleitet sein, darunter entzündliche Hauterkrankungen wie Schuppenflechte und Neurodermitis, Stoffwechselstörungen, Lebererkrankungen, Rheuma und bestimmte Krebsformen. Auch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Neuropathien, einschließlich diabetischer Neuropathie und Polyneuropathien, können Juckreiz auslösen. In seltenen Fällen kann Juckreiz auch im Rahmen psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen oder dem Dermatozoenwahn auftreten. Medikamente können ebenfalls chronischen Juckreiz verursachen.

Chronischer Juckreiz: Definition und Prävalenz

Chronischer Juckreiz (Pruritus) liegt vor, wenn die Beschwerden länger als sechs Wochen anhalten. Bis zu 22 % der Deutschen sind im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Das Risiko, chronischen Juckreiz zu entwickeln, steigt mit dem Alter. Verschiedene Faktoren können den Juckreiz auslösen, darunter Jahreszeiten (z. B. Winter) oder Tageszeiten (z. B. Nacht).

Erscheinungsformen und Folgen

Der Juckreiz kann lokalisiert oder generalisiert sein und von leicht bis unerträglich reichen. Betroffene leiden oft stark unter dem ständigen Jucken, das zu Kratzen und Hautveränderungen führt. Zunächst rötet sich die Haut und wird aufgekratzt, was zu Blutungen, Geschwüren und Krusten führen kann. Langfristige Folgen sind Hautverdickungen, Narben, Knoten sowie helle und dunkle Verfärbungen. Das Aufkratzen der Haut birgt zudem die Gefahr bakterieller Infektionen. Chronischer Juckreiz hat nicht nur körperliche, sondern auch psychische Folgen. Nächtlicher Juckreiz kann zu Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrations- und Antriebsminderung sowie Depressionen und Ängsten führen. Viele Betroffene schämen sich für ihre aufgekratzten Hautstellen und vermeiden es, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Expert*innen schätzen, dass chronischer Juckreiz die Lebensqualität ähnlich stark einschränkt wie chronische Schmerzen.

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Der Teufelskreis des Kratzens

Kratzen löst einen Teufelskreis aus: Das Gehirn empfindet den Kratzschmerz zunächst als angenehm, da er den Juckreiz kurzzeitig vergessen lässt. Dieser Mechanismus verstärkt jedoch den Juckreiz langfristig.

Juckreiz bei Polyneuropathie: Ursachen und Mechanismen

Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die mehrere periphere Nerven betrifft. Die peripheren Nerven verbinden das Gehirn und das Rückenmark mit den Muskeln, der Haut und den Organen. Schädigungen dieser Nerven können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter Schmerzen, Taubheit, Kribbeln und eben auch Juckreiz.

Small-Fiber-Neuropathie und Juckreiz

Eine spezielle Form der Polyneuropathie, die Small-Fiber-Neuropathie, betrifft die kleinen, unmyelinisierten Nervenfasern der Haut. Diese Nervenfasern sind für die Schmerzwahrnehmung und die Weiterleitung von Juckreizsignalen verantwortlich. Schädigungen dieser Fasern können zu chronischem Juckreiz führen, der von den Betroffenen oft als Hautirritation interpretiert wird.

Neuropathischer Pruritus: Eine vernachlässigte Ursache

Der neuropathische Pruritus, also Juckreiz aufgrund von Nervenschädigungen, ist ein bisher vernachlässigtes Symptom neurologischer Erkrankungen. Er entsteht durch Läsionen oder Erkrankungen peripherer oder zentraler Strukturen des somatosensorischen Nervensystems. Der Juckreiz kann auf ein Innervationsgebiet begrenzt sein, wie beim Post-Zoster-Pruritus oder bei mechanischen Engpasssyndromen peripherer Nerven, oder generalisiert auftreten, insbesondere bei Polyneuropathie und Small-Fiber-Neuropathie.

Pathophysiologie des neuropathischen Juckreizes

Die Pathophysiologie des neuropathischen Juckreizes ist komplex und noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass eine Überempfindlichkeit der "Juckreiz-Nerven" durch Botenstoffe und Entzündungszellen eine Rolle spielt. Die häufige Überlappung von neuropathischem Pruritus und Schmerz hat das Forschungsinteresse geweckt und dazu geführt, dass Medikamente und Verfahren, die aus der Therapie neuropathischer Schmerzen bekannt sind, auch in der Behandlung des neuropathischen Juckreizes eingesetzt werden.

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Diagnose von Juckreiz bei Polyneuropathie

Die Diagnose von Juckreiz bei Polyneuropathie umfasst in der Regel eine gründliche Anamnese, eine körperliche Untersuchung und gegebenenfalls neurologische Untersuchungen.

Anamnese und körperliche Untersuchung

Die Ärzt*in wird Fragen zum Auftreten des Juckreizes stellen, einschließlich Beginn, Dauer, Lokalisation, Intensität und Auslöser. Es ist wichtig, alle eingenommenen Medikamente und bestehenden Erkrankungen anzugeben. Bei der körperlichen Untersuchung wird die Haut auf Veränderungen wie Rötungen, Kratzspuren oder Hautverdickungen untersucht.

Neurologische Untersuchungen

Um die Ursache des Juckreizes zu ermitteln, können neurologische Untersuchungen erforderlich sein. Dazu gehören:

  • Elektroneurographie: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um Nervenschädigungen festzustellen.
  • Elektromyographie: Untersuchung der Muskelaktivität, um festzustellen, ob die Muskeln auf Nervensignale reagieren.
  • Quantitative sensorische Testung: Messung der Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Reizen wie Temperatur, Vibration und Schmerz.
  • Hautbiopsie: Entnahme einer Hautprobe zur Untersuchung unter dem Mikroskop, um Schädigungen der Nervenfasern festzustellen.

Beschwerdetagebuch

Ein Beschwerdetagebuch kann hilfreich sein, um Juckreizursachen einzugrenzen. Die Betroffenen notieren, wie stark der Juckreiz auf einer Skala von 0 bis 10 ist und in welchen Situationen er auftritt.

Behandlung von Juckreiz bei Polyneuropathie

Die Behandlung von Juckreiz bei Polyneuropathie zielt darauf ab, die Grunderkrankung zu behandeln, den Juckreiz zu lindern und den Teufelskreis des Kratzens zu durchbrechen.

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Behandlung der Grunderkrankung

Wenn dem Juckreiz eine behandelbare Erkrankung zugrunde liegt, muss diese entsprechend therapiert werden. Bei diabetischer Polyneuropathie ist eine gute Blutzuckereinstellung entscheidend. Bei alkoholischer Polyneuropathie ist ein völliger Verzicht auf Alkohol erforderlich. Bei anderen Ursachen können Medikamente oder andere Therapien erforderlich sein.

Allgemeine Maßnahmen zur Juckreizlinderung

Unabhängig von der Ursache des Juckreizes gibt es eine Reihe allgemeiner Maßnahmen, die zur Linderung beitragen können:

  • Hautpflege: Regelmäßige Anwendung von rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Cremes oder Lotionen, um trockene Haut zu vermeiden. Milde Seifen und nicht zu heißes Wasser zum Waschen verwenden.
  • Kleidung: Luftige Kleidung aus Baumwolle oder Seide tragen, um Hautreizungen zu vermeiden.
  • Kratzklötzchen: Verwenden eines Kratzklötzchens anstelle der eigenen Haut, um das Gehirn auszutricksen.
  • Kühlung: Auflegen von Kühlpacks oder kaltem Wasser auf die juckenden Stellen.
  • Entspannungstechniken: Anwendung von Entspannungstechniken wie autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung, um Juckreizattacken zu reduzieren.
  • Psychotherapie: Bei starkem chronischem Juckreiz können psychotherapeutische Verfahren und standardisierte Schulungsprogramme hilfreich sein.

Medikamentöse Therapie

Es gibt verschiedene Medikamente, die zur Behandlung von Juckreiz bei Polyneuropathie eingesetzt werden können:

  • Lokale Therapie:
    • Kortikosteroide: Entzündungshemmende Cremes, die den Juckreiz lindern können.
    • Calcineurin-Inhibitoren: Immunmodulierende Cremes wie Tacrolimus, die Entzündungen reduzieren.
    • Capsaicin: Creme oder Pflaster mit Capsaicin, das bei neuropathischem Juckreiz in umschriebenen Bereichen helfen kann.
    • Lokalanästhetika: Cremes mit Polidocanol oder Lidocain, die den Juckreiz betäuben können.
    • Kühlende Cremes: Cremes mit Campher oder Menthol, die den Juckreiz lindern können.
  • Systemische Therapie:
    • Antihistaminika: Medikamente, die vor allem bei allergischem Juckreiz helfen.
    • Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva wie Amitriptylin oder Doxepin können bei neuropathischem Juckreiz wirksam sein.
    • Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin oder Pregabalin, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wurden, können auch bei neuropathischem Juckreiz helfen.
    • Opioid-Rezeptor-Agonisten: Difelikefalin ist ein zugelassenes Medikament gegen schweren Juckreiz bei Dialysepatient*innen.

Weitere Therapieansätze

  • Phototherapie: Bestrahlung der Haut mit UV-Licht.
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Stimulation der Nerven mit elektrischen Impulsen.
  • Akupunktur: Kann bei neuropathischem Juckreiz eine symptomatische Linderung bewirken.
  • Botulinumtoxin: Injektionen von Botulinumtoxin können bei bestimmten Formen von neuropathischem Juckreiz helfen.

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