Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn und Rückenmark betrifft. Sie zählt zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise gesunde Zellen angreift. Dieser Angriff richtet sich gegen das Myelin, eine Schutzschicht, die die Nervenfasern umgibt, was zu Entzündungen und Schädigungen führt. Die daraus resultierenden Beeinträchtigungen können vielfältig sein und die neurologischen Funktionen des Körpers stören.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der das körpereigene Immunsystem Teile von Gehirn und Rückenmark angreift. Deshalb zählt die MS zu den Autoimmunerkrankungen. Die autoimmunen Prozesse bei einer Multiplen Sklerose bewirken, dass unter anderem Nervenfasern und Nervenzellen geschädigt werden und so Informationen fehlerhaft oder gar nicht weitergeleitet werden. Dadurch können vielfältige neurologische Funktionen gestört sein, wie z. B. das Sehen oder Bewegungsabläufe. Neurologische Symptome treten entweder in Schüben auf oder entwickeln sich langsam schleichend. Die Multiple Sklerose ist derzeit nicht heilbar. Es gibt aber Therapien, die die Schübe verhindern, die Zunahme der Behinderung reduzieren und MS-Symptome lindern können. Häufig gelingt es, die Krankheitsaktivität für Jahre zu stoppen.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen von MS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Zu den diskutierten Risikofaktoren gehören:
- Genetische Veranlagung: Es gibt nicht das „eine“ MS-Gen, sondern eine Vielzahl von Genen, die alleine und in Kombination das Risiko, an MS zu erkranken, erhöhen.
- Virusinfektionen: Bestimmte Viren, wie das Epstein-Barr-Virus (EBV), werden mit einem erhöhten MS-Risiko in Verbindung gebracht.
- Vitamin-D-Mangel: Ein chronischer Vitamin-D-Mangel wird als möglicher Risikofaktor diskutiert.
- Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko, an MS zu erkranken.
- Übergewicht in der Kindheit: Übergewicht in der Kindheit könnte ebenfalls das MS-Risiko erhöhen.
- Die individuelle Darmflora: Auch die Zusammensetzung der Darmflora könnte eine Rolle spielen.
Formen der Multiplen Sklerose
Es gibt verschiedene Verlaufsformen von MS, die sich in ihrem Fortschreiten und ihren Symptomen unterscheiden:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Dies ist die häufigste Form, bei der sich die Symptome in Schüben verschlimmern, gefolgt von Phasen der teilweisen oder vollständigen Erholung (Remission). Bei 85 Prozent der Menschen mit MS beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter mit einem schubförmig remittierenden Verlauf.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus RRMS, bei der die Schübe seltener werden und die Symptome zwischen den Schüben kontinuierlich zunehmen. Etwa jeder dritte MS-Patientin in Deutschland befindet sich im Stadium der sekundär progredienten Multiplen Sklerose oder im Übergang zur SPMS. Das entscheidende Merkmal der SPMS ist eine fortschreitende Krankheitsverschlechterung. Bei der SPMS können noch einzelne Schübe auftreten oder sie kann schubfrei verlaufen.
- Primär progrediente MS (PPMS): Diese Form ist durch einen von Beginn an fortschreitenden Verlauf gekennzeichnet, ohne ausgeprägte Schübe oder Remissionen. Etwa zehn bis 15 Prozent der Menschen mit MS leiden unter einer primär progredienten Multiplen Sklerose (PPMS), die von Beginn an langsam schleichend verläuft. Die Patient*innen sind im Durchschnitt etwas älter als die mit RRMS. Die PPMS kommt bei Männern häufiger vor als die RRMS. Selten können im Verlauf auch Schübe auftreten.
- Klinisch isoliertes Syndrom (KIS): Wenn ein Mensch einen Krankheitsschub mit MS-typischen Beschwerden hat, sonst aber keine weiteren Kriterien für eine MS-Diagnose erfüllt, spricht man von einem Klinisch isolierten Syndrom (KIS). Ein KIS kann auf eine beginnende Multiple Sklerose hinweisen - muss es aber nicht.
- Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS): Manchmal werden Läsionen, die typisch für eine Multiple Sklerose sind, zufällig auf MRT-Aufnahmen entdeckt, die aus einem anderen Grund angefertigt wurden (z. B. um die Ursache von Kopfschmerzen abzuklären). Wenn diese Zufallsbefunde bei Menschen gesehen werden, die bisher keine MS-verdächtigen neurologischen Symptome haben, handelt es sich um ein radiologisch isoliertes Syndrom (RIS). Auch ein RIS kann im Verlauf in eine Multiple Sklerose übergehen.
Symptome
Die Symptome von MS sind vielfältig und können je nach betroffenem Bereich des ZNS variieren. Einige häufige Symptome sind:
Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt
- Motorische Störungen: Kraftlosigkeit, Koordinationsprobleme, Spastik (erhöhte Muskelspannung), Gangstörungen.
- Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen, Brennen. Bei 20 bis 30 Prozent stehen im Anfangsstadium (meist einseitige) Gefühlsstörungen in den Beinen oder Störungen der Sensibilität wie Taubheitsgefühle oder Ameisenkribbeln in anderen Regionen wie Rumpf und/oder Arme im Vordergrund.
- Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis).
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen.
- Fatigue: Erschöpfung und Müdigkeit, die sowohl körperlich als auch geistig sein kann.
- Blasen- und Darmstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz, Verstopfung.
- Sexuelle Störungen.
- Schmerzen: Schätzungsweise 30 Prozent der MS-Patienten leiden an sogenannten neuropathischen Schmerzen. Sie werden durch Schädigungen schmerzleitender Nervenfasern oder schmerzverarbeitender Nervenzellen infolge der MS-Entzündungsherde im Zentralen Nervensystem hervorgerufen. Schmerzen können aber auch als indirekte Folge von Multipler Sklerose auftreten - hiervon sind etwa 20 Prozent der Erkrankten betroffen.
Es gibt jedoch einige Symptome, die zu Beginn der Erkrankung besonders oft auftreten.
Diagnose
Die Diagnose von MS kann komplex sein, da es keinen einzelnen Test gibt, der die Erkrankung eindeutig nachweist. Die Diagnose basiert in der Regel auf einer Kombination aus:
- Anamnese und neurologischer Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und führt eine umfassende neurologische Untersuchung durch, um die Symptome und neurologischen Defizite zu beurteilen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist ein bildgebendes Verfahren, das Veränderungen im Gehirn und Rückenmark sichtbar machen kann, die typisch für MS sind. Für eine noch genauere Diagnostik, etwa zur Unterscheidung zwischen frischen und älteren Entzündungsherden, kann ein Kontrastmittel (Gadolinium) eingesetzt werden. Vorsicht: Kontrastmittel können erhebliche Gesundheitsschäden verursachen. Die Zulassung der Kontrastmittel ist nur unter Prüfung einer einmaligen Gabe erfolgt, nicht jedoch für mehrmalige Anwendungen an einer Person.
- Untersuchung des Nervenwassers (Liquor): Eine Liquoruntersuchung kann Entzündungszellen und oligoklonale Banden (OKB) nachweisen, die bei MS häufig vorkommen.
- Evozierte Potentiale: Über evozierte Potenziale wird die Funktion von Nervenbahnen gemessen. Bei einer Multiplen Sklerose ist die Funktion von Nervenbahnen gestört. Dadurch können Nervenimpulse häufig nur noch mit verlangsamter Geschwindigkeit fortgeleitet werden. Diese Geschwindigkeit wird durch evozierte Potentiale gemessen, die zum Beispiel durch visuelle (auf ein Schachbrett schauen) oder sensible (elektrische Impulse) Reize ausgelöst werden. Bei ca. 75 Prozent der Menschen mit Multipler Sklerose können hierbei Veränderungen nachgewiesen werden.
- McDonald-Kriterien: Für eine sichere Diagnose müssen die aktuellen McDonald-Kriterien (2017) erfüllt sein, die auf dem Konzept der zeitlichen und räumlichen (örtlichen) Dissemination beruhen. Belege für eine zeitliche Dissemination sind beispielsweise Krankheitsschübe zu unterschiedlichen Zeitpunkten und/oder wenn im Liquor oligoklonale Bande gefunden wurden.
Behandlung von Multipler Sklerose
Obwohl MS derzeit nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Behandlungsansätze, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern, die Schübe zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Die Behandlung umfasst in der Regel:
- Schubtherapie: Kortikosteroide (Kortison) werden häufig eingesetzt, um akute Schübe zu behandeln und die Entzündung zu reduzieren. Die Kortisonstoßtherapie (zum Beispiel Methylprednisolon) ist eine bewährte Methode zur Behandlung eines akuten Schubs. Das Kortison wird entweder als Infusion über die Vene oder als Tablette bzw. Trinklösung drei bis fünf Tage lang verabreicht. Bleibt diese Maßnahme ohne Erfolg, empfiehlt die Patientenleitlinie eine Ultra-Hochdosis-Kortison-Therapie über weitere drei bis fünf Tage.
- Verlaufsmodifizierende Therapie (DMT): Diese Medikamente zielen darauf ab, das Immunsystem zu modulieren und die Häufigkeit und Schwere der Schübe zu reduzieren. Zur Immuntherapie stehen inzwischen eine Reihe von Wirkstoffen zur Verfügung, die teilweise erst kürzlich die Zulassung erhalten haben. Wirksamkeitskategorie 1Dazu gehören die Wirkstoffe Beta-Interferone, Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Teriflunomid (= Medikamente der 1. Welches Medikament aus welcher Wirksamkeitskategorie individuell geeignet ist, richtet sich nach der Verlaufsform und dem Grad der Krankheitsaktivität. Aber auch individuelle Aspekte wie das Alter und Allgemeinbefinden des Patienten werden bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die aktuelle Patientenleitlinie empfiehlt allen Menschen mit einer diagnostizierten Multiple Sklerose eine Immuntherapie.
- Symptomatische Therapie: Diese Behandlungen zielen darauf ab, spezifische Symptome wie Spastik, Schmerzen, Fatigue, Blasenstörungen und Depressionen zu lindern. Begleitend zur medikamentösen Behandlung haben sich nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie, Gruppentherapie, neuropsychologische Therapie und andere Behandlungsmöglichkeiten bewährt. Hinzu kommen Therapiestrategien, die gezielt zur Linderung der vorherrschenden Symptome eingesetzt werden, etwa Beckenbodengymnastik als Begleitbehandlung zur Linderung von Blasenstörungen oder kognitive Verhaltenstherapie bei Depression.
- Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und andere Rehabilitationsmaßnahmen können helfen, dieFunktion zu verbessern und die Lebensqualität zu erhalten.
Der Alltag mit Multipler Sklerose
Das Leben mit MS kann eine Herausforderung sein, aber viele Menschen mit MS führen ein erfülltes und aktives Leben. Es ist wichtig, ein starkes Unterstützungssystem aufzubauen, das aus Familie, Freunden, Ärzten und Therapeuten besteht. Einige Tipps für den Alltag mit MS sind:
- Regelmäßige Bewegung: Bewegung kann helfen, die Kraft, Ausdauer und Koordination zu verbessern.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann helfen, das Energieniveau zu erhalten und das Immunsystem zu stärken. Schon länger gehen Mediziner:innen davon aus, dass die Einnahme der Fettsäure Alpha-Liponsäure den Verlauf einer Multiple Sklerose günstig beeinflussen, die Symptome lindern und womöglich auch einem krankheitsbedingten Verlust an Hirnvolumen (Hirnatrophie) bremsen kann. Dies legen verschiedene Studien nahe, allen voran eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie aus dem Jahr 2017 in den USA, die vier Jahre lang die Wirkung hoch dosierter Liponsäure speziell bei MS-Patienten mit einer sekundär progredienten MS (SPMS) untersucht hat. Einer anderen Untersuchung (2021) zufolge könnten es die ausgeprägten antioxidativen und anti-entzündlichen Eigenschaften der Liponsäure sein, die zum Abklingen der MS-Entzündungsherde im Gehirn beitragen könnten.
- Stressmanagement: Stress kann die Symptome von MS verschlimmern. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen.
- Ausreichend Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig, um Müdigkeit zu reduzieren und die allgemeine Gesundheit zu fördern.
- Unterstützung suchen: Es gibt viele Selbsthilfegruppen und Organisationen, die Unterstützung und Informationen für Menschen mit MS und ihre Familien anbieten.
Prominente Beispiele
Einige prominente Persönlichkeiten haben öffentlich über ihre MS-Erkrankung gesprochen, darunter die Sportmoderatorin Anna Kraft. Anna Kraft erhielt die Diagnose Multiple Sklerose im Alter von 29 Jahren und hat sich seitdem dafür eingesetzt, das Bewusstsein für die Erkrankung zu schärfen und anderen Betroffenen Mut zu machen.
Lesen Sie auch: Wie man MS vorbeugen kann
Forschung und Ausblick
Die Forschung im Bereich der MS schreitet stetig voran. Es werden ständig neue Therapien entwickelt, die das Potenzial haben, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen oder sogar zu stoppen. Es gibt auch vielversprechende Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass bestimmte Medikamente die Regeneration von Myelin fördern könnten.
Lesen Sie auch: MS und Rückenschmerzen: Ein Überblick