Das Herpes-simplex-Virus (HSV) ist weit verbreitet: Schätzungsweise 67 Prozent der Weltbevölkerung tragen das Herpes-simplex-Virus-1 in ihren Nervenzellen. Einmal im Körper, verbleibt das Virus dort ein Leben lang. Bei manchen Menschen verursacht es nie Beschwerden, während es bei anderen immer wieder zu Krankheitsausbrüchen kommt. In seltenen Fällen kann das Virus jedoch ins Gehirn wandern und dort eine lebensbedrohliche Entzündung, die Herpes-Enzephalitis, auslösen. Unbehandelt endet diese in bis zu 70 Prozent der Fälle tödlich.
Wie kommt es zu einer Herpes-Enzephalitis?
Nach der Erstinfektion ziehen sich die Viren ins Nervensystem und in die Lymphdrüsen zurück. Dort bleiben sie inaktiv, solange der Körper eine starke Abwehr hat. Ist das Immunsystem jedoch geschwächt, können sich die Viren über die Nervenbahnen ausbreiten und sich in den Schleimhäuten niederlassen, was meist nur gelegentlich unangenehme Auswirkungen wie Lippenbläschen hat. Bei einem sehr schwachen Immunsystem können jedoch schwere Komplikationen entstehen, wenn die Viren beispielsweise in Organe eindringen.
Obwohl etwa 90 Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen HSV aufweisen, erkranken nur wenige an einer Herpes-Enzephalitis. Neurologen beschäftigen sich intensiv mit der Frage, warum es in manchen Fällen zu solch schweren Schäden kommt. Offenbar müssen Erreger und Wirt auf eine besondere Art und Weise miteinander reagieren, damit eine Enzephalitis ausbricht. Die exakten Zusammenhänge sind aber noch unbekannt. Fest steht zumindest, dass die Erkrankung "spontan" auftritt, also ohne einen benennbaren Anlass wie eine Ansteckung oder Immunschwäche.
Gefährdung von Neugeborenen
Besonders gefährdet sind Neugeborene. Beim ungeborenen Kind kann das Virus zu Fehlbildungen führen oder sogar eine Fehlgeburt verursachen. Neugeborene können durch eine Ansteckung mit dem Virus beispielsweise an einer Gehirnentzündung (Herpes-Enzephalitis) erkranken, die zu bleibenden Schäden oder sogar zum Tod führen kann. Säuglinge infizieren sich meist während der Geburt im Geburtskanal (Genitalherpes). Aber auch wenn das Virus über die Scheide aufsteigt, kann - insbesondere nach Blasensprung - eine Ansteckung erfolgen. Seltener erwirbt der Säugling das Virus vom Typ 2 durch engen Kontakt mit der infizierten Mutter oder andere nahe stehende Personen.
Wenn sich eine Schwangere mit Herpes infiziert und sich das Virus im ganzen Körper ausbreitet (Virämie), besteht die Gefahr, dass die Erreger über den Mutterkuchen zum Kind gelangen. Wesentlich häufiger als eine Infektion in der Schwangerschaft ist jedoch die Infektion im Geburtskanal. Neugeborene mit Herpes haben sich in der Regel dort infiziert.
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Das Virus kann nur lokal (Hautbläschen) Beschwerden verursachen oder sich im ganzen Körper des Kindes verbreiten. Da das Immunsystem der Säuglinge noch nicht ausgereift ist, ist eine Ausbreitung der Viren mit dem Blutstrom und ein Befall innerer Organe leichter möglich. Es kann u.a. zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung (Herpes-Sepsis) kommen. Bei Augenentzündungen durch das Virus besteht das Risiko, dass der Säugling erblindet. Das Virus kann auch Lunge, Magen, Nieren, Leber, Milz und andere Organe befallen. Besonders gefährlich ist eine Entzündung des Gehirns, die sich in Krampfanfällen äußert. Die Folge können schwere geistige Defekte sein.
Symptome einer Herpes-Enzephalitis
Die Symptome einer Herpes-Enzephalitis sind vielfältig und können im Anfangsstadium diffus sein, was die Diagnose erschwert. Zu Beginn zeigen sich oft unspezifische Beschwerden wie:
- Allgemeines Unwohlsein
- Abgeschlagenheit
- Kopfschmerzen
- Fieber
- Übelkeit
Später können schwerwiegendere neurologische Symptome auftreten, darunter:
- Starke Übelkeit mit Erbrechen
- Epileptische Anfälle
- Verwirrtheitszustände
- Geruchsstörungen
- Sprachstörungen
- Lähmungen
- Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma
Diagnose
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend für den Behandlungserfolg. Um die Ursache der Enzephalitis zu ermitteln, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, inklusive möglicher Reisen, Tierkontakte und Impfungen.
- Körperliche Untersuchung: Beurteilung des neurologischen Zustands.
- Blutuntersuchung: Bestimmung von Entzündungswerten und spezifischen Antikörpern.
- Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser (Liquor) zur Untersuchung auf Erreger und Antikörper.
- Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) zur Darstellung von Veränderungen im Gehirn.
- EEG: Elektroenzephalografie zur Messung der Hirnströme, insbesondere bei epileptischen Anfällen.
Behandlung
Die Behandlung einer Herpes-Enzephalitis muss so schnell wie möglich erfolgen und umfasst in der Regel:
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- Antivirale Medikamente: Aciclovir ist das Mittel der Wahl zur Bekämpfung der Herpes-simplex-Viren.
- Entzündungshemmende Medikamente: In einigen Fällen können zusätzlich entzündungshemmende Medikamente eingesetzt werden, um die Schädigung des Gehirngewebes zu reduzieren. Eine neue Studie deutet darauf hin, dass eine Kombinationstherapie aus einem antiviralen und einem entzündungshemmenden Mittel die Prognose verbessern könnte.
- Intensivmedizinische Betreuung: Überwachung und Unterstützung der Vitalfunktionen.
- Symptomatische Therapie: Behandlung von Begleiterscheinungen wie Krampfanfällen und Hirnödem.
Neue Therapieansätze
Forscher arbeiten kontinuierlich an neuen Therapieansätzen zur Behandlung der Herpes-Enzephalitis. Eine vielversprechende Strategie ist die Kombination von antiviralen und entzündungshemmenden Medikamenten. Studien mit dreidimensionalen Gehirnmodellen (Organoiden) haben gezeigt, dass diese Kombinationstherapie die Schädigung des Gehirngewebes reduzieren und die Prognose verbessern kann.
Verlauf und Prognose
Die Heilungsaussichten bei einer Gehirnentzündung hängen davon ab, wie schwer die Erkrankung ist, welcher Erreger sie verursacht hat und wie schnell die Therapie eingeleitet wird. Rechtzeitig erkannt und sofort behandelt, ist die Prognose einer infektiösen Enzephalitis in der Regel gut. Unbehandelt jedoch endet die Gehirnentzündung oft tödlich. Beispielsweise führt jene, die durch die aggressiven Herpes-Simplex-Viren ausgelöst wird, in bis zu 70 von 100 Fällen zum Tod. Mit den modernen Medikamenten und einer schnellen Therapie werden jedoch bis zu 80 von 100 Patienten wieder gesund.
Problematisch sind vor allem auch Keime, die selten in Europa vorkommen. Dazu gehören die Erreger der Tollwut, der Japanischen Enzephalitis und der West-Nil-Krankheit. Gegen sie gibt es keine speziellen Behandlungsmöglichkeiten. Sie enden häufiger tödlich (Tollwut nahezu immer) oder verursachen bleibende Hirnschäden.
Das Nervensystem kann generell nach jeder Hirnentzündung dauerhaft geschädigt bleiben. Wenn das Sprechen des Patienten gestört ist, hilft eventuell ein Logopäde. Kann der Patient seine Arme oder Beine nicht mehr bewegen, ist Krankengymnastik und Ergotherapie sinnvoll.
Bei einer zugrundeliegenden Autoimmunerkrankung ist die Prognose der Gehirnentzündung überwiegend gut.
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Komplikationen
Die Enzephalitis kann kompliziert verlaufen, wenn zum Beispiel ein Krampfanfall andauert (Status epilepticus) oder eine Schwellung des Gehirns entsteht (Hirnödem). Diese Komplikationen sind potenziell lebensbedrohlich.
Vorbeugung
Da es keine Impfung gegen Herpes-simplex-Viren gibt, ist die Vorbeugung einer Herpes-Enzephalitis schwierig. Folgende Maßnahmen können jedoch das Risiko einer Infektion verringern:
- Hygiene: Regelmäßiges Händewaschen und Vermeidung von Kontakt mit offenen Herpesbläschen.
- Vorsicht bei Neugeborenen: Schwangere Frauen mit Genitalherpes sollten ihren Arzt informieren, um eine Ansteckung des Kindes während der Geburt zu verhindern.
- Stärkung des Immunsystems: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Bewegung kann das Immunsystem stärken und das Risiko eines Krankheitsausbruchs verringern.