Huntington: Kampf der Kulturen – Eine kritische Auseinandersetzung

Im Jahr 1996 veröffentlichte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington sein Buch „Kampf der Kulturen“. Dieses Werk erregte große Aufmerksamkeit und löste eine kontroverse Debatte aus, die bis heute anhält. Huntington argumentierte, dass die Welt nach dem Ende des Kalten Krieges nicht von ideologischen Konflikten, sondern von Zusammenstößen zwischen verschiedenen Kulturkreisen geprägt sein würde.

Huntingtons These im Überblick

Huntington identifizierte neun Kulturkreise: den westlichen, lateinamerikanischen, afrikanischen, islamischen, sinischen (chinesischen), hinduistischen, orthodoxen, buddhistischen und japanischen. Er ging davon aus, dass kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Interessen, Antagonismen und Verbindungen von Staaten bestimmen würden. Lokale Konflikte zwischen diesen Kulturkreisen könnten zu Kriegen führen, wobei sich die Macht von der westlichen zu nicht-westlichen Kulturen verschieben würde.

Pro und Contra: Eine Analyse der Argumente

Die Reaktionen auf Huntingtons These waren gespalten. Einige, die sogenannten „Falken“, sahen in ihr eine zutreffende Beschreibung der Realität und forderten eine starke und geeinte westliche Verteidigung. Sie verwiesen auf die Bedrohung durch islamistische Terrororganisationen wie die Taliban, Al-Kaida und den IS. Andere, die „Tauben“, betonten, dass der Islam nicht per se für Krieg und Gewalt stehe und dass Dialog und Verständigung unerlässlich seien.

Argumente der „Falken“

  • Die Existenz und Gefährlichkeit islamistischer Terrororganisationen wie Taliban, Al-Kaida und IS.
  • Die Notwendigkeit, den IS militärisch zu bezwingen.
  • Die Bestätigung einiger von Huntingtons Voraussagen, wie die Rekrutierung islamistischer Terroristen aus der technischen Intelligenz und das Erstarken von Antieinwanderungs-Parteien.
  • Die Bestätigung der Prognose eines Erstarkens des politischen Islamismus in der Türkei.

Argumente der „Tauben“

  • Die völkerrechtliche Zweifelhaftigkeit und fehlende sachliche Begründung der US-Invasion im Irak 2003.
  • Die Notwendigkeit des Dialogs und der Verständigung zwischen den Kulturen.
  • Die Gefahr einer fatalistischen Interpretation von Huntingtons These, die Dschihad-Terrorismus und nationalistischem Rechtspopulismus in die Hände spielt.
  • Die Betonung der Notwendigkeit, die Kultur des Dialogs als Eckpfeiler des Weltfriedens zu pflegen.

Huntingtons Fehleinschätzungen und Kritikpunkte

Huntington wurde für verschiedene Fehleinschätzungen und Urteile kritisiert, die teilweise auf mangelnder Sachkenntnis beruhten.

  • Seine Kennzeichnung des Islams als „Religion des Schwertes“ wurde als ungerechtfertigt und vereinfachend kritisiert.
  • Seine Herabwürdigung des Kontinents Afrika wurde als grob beleidigend und ignorant gegenüber der Sklaverei- und Kolonialgeschichte sowie dem Rassismus gegenüber Afrikanern kritisiert.
  • Seine Einteilung der Kulturkreise wurde als heterogen und willkürlich kritisiert.

Huntington und die Identitätspolitik

Aus heutiger Perspektive kann Huntingtons Werk auch als Auseinandersetzung mit dem verstanden werden, was heute Identitätspolitik genannt wird. Huntington betonte die Bedeutung der kulturellen Identität und der Frage „Wer sind wir?“. Er wies darauf hin, dass die Abgrenzung von anderen Kulturen zur Identitätsfindung beitragen kann.

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Huntington als Mahner für den Weltfrieden

Trotz der Kritik an seinen Thesen sollte nicht vergessen werden, dass Huntington die Erhaltung des Weltfriedens als vorrangiges Ziel hatte. Er warnte vor den Gefahren einer globalisierten Welt, in der die Identitätsfrage in den Vordergrund rückt. Er sah die Gefahr, dass eine fatalistische Interpretation seiner These dem Dschihad-Terrorismus und dem nationalistischen Rechtspopulismus Vorschub leisten könnte.

Aktualität von Huntingtons Thesen

Auch wenn Huntingtons Thesen umstritten sind, so haben sie doch bis heute nichts an Aktualität verloren. Die Konflikte zwischen verschiedenen Kulturkreisen, die Zunahme identitätsbasierter Politik und die Herausforderungen für die liberale Weltordnung sindRealitäten des 21. Jahrhunderts.

Der „Clash“ ist da

Der Zusammenstoß zwischen der westlichen Kultur auf der einen Seite und den islamischen, sinischen und orthodoxen Kulturen auf der anderen Seite ist in vollem Gang. Es kommt zu zeitweiligen Zweckbündnissen zwischen den anti-westlichen Kulturen, wie es in der partiellen Zusammenarbeit von China, Russland und Iran zu sehen ist. Und vor dem Hintergrund der Bedrohung durch China kommt es auch zu engerer Kooperation Japans und opportunistischen Kooperation der hinduistischen und buddhistischen Kulturen mit dem Westen.

Die Eindämmung Chinas

Die USA werden alle Kräfte bündeln müssen, um wenigstens die Eindämmung Chinas zu erreichen. Wirtschaftliche Kraft spiegelt sich in einer starken Währung wider. Um den künftigen Abstieg des US-Dollars gegenüber dem Yuan als internationale Reservewährung zu verhindern, müssten die USA daher die während der Pandemie entstandenen öffentlichen Haushaltsdefizite und die globale Dollarschwemme eindämmen.

Ökonomie und Terror

Europa hat seit der Entstehung des Islams über die Jahrtausende viele Kriege mit der islamischen Welt geführt. Die Konflikte werden sich nun fortsetzen, allerdings mit dem Unterschied, dass Europa nur noch sehr begrenzt mit der Unterstützung der USA rechnen kann. Diese setzen nun einen anderen Schwerpunkt. Ökonomisch ist die islamische Welt Europa deutlich unterlegen. Militärisch lässt sich die ökonomische Unterlegenheit aber ausgleichen, wenn der ökonomisch Schwächere (wie der Iran) auf Atomwaffen und Terror setzt.

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Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung

Einwanderung aus weniger zivilisierten Kulturkreisen kann eine Gesellschaft auch ohne damit verbundenen Import von Terror zersetzen, wenn die Einwanderer die Integration verweigern. Das ist insbesondere bei muslimischen Einwanderern der Fall, da in der islamischen Kultur die Loyalität mehr dem Clan und der Glaubensgemeinschaft als einer Nation oder einem Staat gilt. Europa muss jetzt die Entstehung von „cleft states“ verhindern und gleichzeitig die militärische Bedrohung durch das orthodoxe Russland abwenden.

Lehren aus Huntingtons Werk

  • Die Bedeutung kultureller Identität und die Notwendigkeit, sich mit der Frage „Wer sind wir?“ auseinanderzusetzen.
  • Die Notwendigkeit des Dialogs und der Verständigung zwischen den Kulturen.
  • Die Gefahr einer fatalistischen Interpretation von Huntingtons These, die Dschihad-Terrorismus und nationalistischem Rechtspopulismus in die Hände spielt.
  • Die Notwendigkeit, die Kultur des Dialogs als Eckpfeiler des Weltfriedens zu pflegen.

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