Die Schilddrüse, ein kleines Organ von der Größe eines Daumens, liegt wie ein Schild unterhalb des Kehlkopfes und umspannt die Luftröhre in Form eines Schmetterlings. Trotz ihrer geringen Größe hat sie einen enormen Einfluss auf den gesamten Organismus. Ihre Hauptaufgabe ist die Produktion von Schilddrüsenhormonen, die an fast allen Stoffwechselvorgängen des Körpers beteiligt sind. Diese Hormone, insbesondere Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4), wirken sich auf Herz und Kreislauf, das Wachstum, den Energiestoffwechsel und die psychische Verfassung aus.
Der Regelkreis: Hypothalamus, Hypophyse und Schilddrüse
Die Produktion von Schilddrüsenhormonen ist ein hochkomplexer Prozess, der von zwei übergeordneten Steuerzentren im Gehirn reguliert wird: dem Hypothalamus und der Hypophyse (Hirnanhangdrüse). Diese beiden Strukturen bilden eine funktionelle Einheit, die eng miteinander verbunden ist und über einen ausgeklügelten Regelkreis die Schilddrüsenfunktion steuert.
Der Hypothalamus: Das übergeordnete Kontrollzentrum
Der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, fungiert als übergeordnetes Kontrollzentrum des endokrinen Systems. Er überwacht ständig die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut. Ist der Spiegel zu niedrig, schüttet der Hypothalamus das Hormon Thyreoliberin (TRH) aus. TRH gelangt zur Hypophyse und stimuliert diese, das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) zu produzieren.
Die Hypophyse: Der Vermittler
Die Hypophyse, eine kirschkerngroße Hirnanhangdrüse, setzt auf das Signal von TRH hin TSH frei. TSH wird über den Blutkreislauf zur Schilddrüse transportiert und regt dort die Produktion und Freisetzung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 an.
Die Schilddrüse: Der Hormonproduzent
Die Schilddrüse nimmt TSH auf und produziert daraufhin die Hormone T3 und T4. Für die Produktion dieser Hormone benötigt die Schilddrüse Jod, das über die Nahrung aufgenommen wird. T4 ist das Hauptprodukt der Schilddrüse, wird aber im Körper in das aktivere T3 umgewandelt.
Lesen Sie auch: Hypothalamus Reset: Mythen vs. Fakten
Der Rückkopplungsmechanismus: Feinabstimmung der Hormonproduktion
Um eine Über- oder Unterproduktion von Schilddrüsenhormonen zu verhindern, existiert ein negativer Rückkopplungsmechanismus. Steigt die Konzentration von T3 und T4 im Blut, wird die Ausschüttung von TRH im Hypothalamus und TSH in der Hypophyse gehemmt. Dadurch wird die Schilddrüse weniger stimuliert und produziert weniger Hormone. Sinkt der Hormonspiegel, wird der Regelkreis wieder aktiviert, um die Hormonproduktion anzukurbeln.
Schilddrüsenhormone: Wirkung im Körper
Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 sind essenziell für zahlreiche Körperfunktionen. Sie beeinflussen:
- Stoffwechsel: Sie fördern die Aufnahme von Glukose und kurbeln dadurch den Grundumsatz an, wodurch Sauerstoffverbrauch und Wärmeproduktion steigen. Der Cholesterinabbau wird beschleunigt.
- Herz-Kreislauf-System: Sie regulieren die Kraft des Herzens, die Herzschlagfolge (Herzfrequenz) und das zirkulierende Blutvolumen.
- Wachstum und Entwicklung: Sie sind wichtig für das Knochenwachstum und die Entwicklung des Nervensystems.
- Muskelfunktion: Sie beeinflussen die Muskelfunktion.
- Psychische Verfassung: Sie wirken sich auf die Stimmung und den Antrieb aus.
Schilddrüsenfunktionsstörungen: Ursachen und Auswirkungen
Funktionsstörungen in diesem komplexen Regelkreis können zu einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse führen. Fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland weist eine krankhafte Veränderung der Schilddrüse auf, was die Bedeutung dieses Organs für die Gesundheit unterstreicht.
Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion produziert die Schilddrüse zu wenig Hormone. Dies kann verschiedene Ursachen haben, wie z.B. Jodmangel,Autoimmunerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis),Entzündungen der Schilddrüse oderOperationen an der Schilddrüse.
Symptome einer Hypothyreose:
- Müdigkeit und Antriebslosigkeit
- Blasse Haut und trockenes Haar
- Kälteempfindlichkeit
- Gewichtszunahme
- Verstopfung
- Niedriger Puls
- Depressive Verstimmungen
Behandlung der Hypothyreose:
Die Behandlung der Hypothyreose erfolgt in der Regel durch die Einnahme von künstlich hergestellten Schilddrüsenhormonen (meist Levothyroxin), die den Hormonmangel ausgleichen. Die Dosierung wird individuell angepasst und regelmäßig kontrolliert.
Lesen Sie auch: Was Sie über den Hypothalamus wissen sollten
Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion produziert die Schilddrüse zu viele Hormone. Ursachen hierfür könnenAutoimmunerkrankungen (Morbus Basedow),Funktionelle Autonomie der Schilddrüse (autonome Knoten) oderEntzündungen der Schilddrüse sein.
Symptome einer Hyperthyreose:
- Herzrasen und Herzrhythmusstörungen
- Nervosität und Unruhe
- Schlafstörungen
- Gewichtsverlust trotz Heißhunger
- Schwitzen
- Zittern
- Durchfall
Behandlung der Hyperthyreose:
Die Behandlung der Hyperthyreose kann medikamentös (Thyreostatika), mit Radiojodtherapie oder operativ erfolgen. Ziel ist es, die Hormonproduktion der Schilddrüse zu reduzieren oder das überaktive Gewebe zu entfernen.
Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen
Die Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen umfasst in der Regel:
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und Abtasten der Schilddrüse.
- Blutuntersuchung: Bestimmung der Schilddrüsenhormone (T3, T4) und des TSH-Wertes.
- Ultraschalluntersuchung: Beurteilung der Größe und Struktur der Schilddrüse.
- Schilddrüsenszintigraphie: Darstellung der Stoffwechselaktivität der Schilddrüse.
- Feinnadelpunktion: Entnahme einer Gewebeprobe zur Untersuchung unter dem Mikroskop.
Besonderheiten und Risiken der Behandlung mit Schilddrüsenhormonen
Künstlich hergestellte Schilddrüsenhormone gleichen die hormonelle Fehlfunktion bei Schilddrüsenerkrankungen aus und können die Beschwerden, die der Hormonmangel verursacht, lindern. Sie enthalten meist Levothyroxin (kurz L-Thyroxin), das dem körpereigenen T4 entspricht. Das T3 kann der Körper daraus selbst herstellen. Ist dies - zum Beispiel aufgrund eines Enzymmangels - nicht möglich, kommen Kombinationspräparate aus T4 und T3 infrage.
Zirkulieren synthetisches T3 und T4 im Blut, funktioniert der Rückkopplungsmechanismus wie mit körpereigenen Hormonen: Der Hypothalamus stellt fest, dass der Hormonspiegel in Ordnung ist, und stellt die Produktion von TRH ein. Dann schickt auch die Hypophyse kein TSH mehr an die Schilddrüse.
Lesen Sie auch: Der Einfluss der HHN-Achse auf Depressionen
Der Wirkstoff L-Thyroxin und das daraus entstehende T3 bewirken im Körper zirkulierend dasselbe wie die natürlichen Hormone: Sie fördern die Aufnahme von Glukose und kurbeln dadurch den Grundumsatz an, wodurch Sauerstoffverbrauch und Wärmeproduktion steigen. Der Cholesterinabbau wird beschleunigt, Knochenwachstum, Muskelfunktion, Herzschlag und Blutdruck regulieren sich.
Unter Kontrolle der Blutwerte und bei regelmäßiger Einnahme sind Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Schilddrüsenhormonen unwahrscheinlich. Lediglich eine zu schnelle Dosissteigerung zu Beginn der Therapie oder eine Überdosis können jene Symptome hervorrufen, die auch bei einer Hyperthyreose auftreten: Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen, Muskelkrämpfe, Hitzegefühl, Hyperhidrosis, Tremor, Unruhe, Schlaflosigkeit, Diarrhö, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, Menstruationsstörungen. Die Dosis sollte dann verringert werden.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten:
Schilddrüsenhormone können Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen zeigen:
- Antidiabetika: Diabetiker sollten ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren und ggf. die Dosierung der Antidiabetika erhöhen.
- Cumarinderivate: Müssen diese Mittel eingenommen werden, ist eine regelmäßige Kontrolle der Blutgerinnung anzuraten und die Dosis ggf. anzupassen.
Einnahme von Levothyroxin:
Das Einnahmemanagement von Levothyroxin (T4) bietet große Fallstricke. So können Kaffee, Medikamente oder Nahrungs(ergänzungs)mittel Resorption und Bioverfügbarkeit des Schilddrüsenhormons verringern. Es ist wichtig, die Einnahmeregeln für Levothyroxin genau zu beachten und sich regelmäßig vom Arzt informieren zu lassen.
Missbrauch von Schilddrüsenhormonen:
Zuweilen werden Schilddrüsenhormone wie Levothyroxin von übergewichtigen Menschen missbraucht, um das Abnehmen zu erleichtern. Wegen der schwerwiegenden Nebenwirkungen ist davon aus medizinischer Sicht dringend abzuraten. Der Einkauf von Schilddrüsenhormonen im Internet ist darüber hinaus sehr unsicher, da die Inhaltsstoffe der Präparate in aller Regel ungeprüft sind.
Überdosierung von Levothyroxin:
Da viele Herzfunktionen, einschließlich Herzfrequenz, Herzzeitvolumen und systemischer Gefäßwiderstand, eng mit dem Schilddrüsenstatus verknüpft sind, kann eine Überbehandlung mit Levothyroxin zu einem Anstieg der Herzfrequenz, der Herzwanddicke und der Herzkontraktilität führen und Angina pectoris oder Arrhythmien auslösen. Insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei älteren Patienten ist deshalb Vorsicht geboten.
Als Folge einer übermäßigen Levothyroxin-Einnahme können, insbesondere bei postmenopausalen Frauen, erhöhte Knochenresorption und verringerte Knochenmineraldichte auftreten.
Schilddrüse und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Schilddrüse und das Herz-Kreislauf-System stehen in enger Beziehung zueinander. Schilddrüsenhormone beeinflussen die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Kontraktionskraft des Herzens. Funktionsstörungen der Schilddrüse können daher Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen oder verstärken.
Hyperthyreose und Herz
Eine Überfunktion der Schilddrüse kann zu Herzrasen, Herzrhythmusstörungen (insbesondere Vorhofflimmern) und einer erhöhten Belastung des Herzens führen. Bei älteren Menschen kann eine Hyperthyreose die Symptome einer bestehenden Herzerkrankung verschlimmern.
Hypothyreose und Herz
Eine Unterfunktion der Schilddrüse kann zu einem niedrigen Puls, einem erhöhten Cholesterinspiegel und einer verminderten Herzleistung führen. Auch das Risiko für Arteriosklerose kann erhöht sein.
Amiodaron und Schilddrüse
Das Medikament Amiodaron, das zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird, kann aufgrund seines hohen Jodgehalts die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen. Es kann sowohl zu einer Über- als auch zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen.
tags: #hypothalamus #hypophyse #schilddruse #zusammenhang