Wenn Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit mit den Jahren nachlassen, fühlen wir uns dem natürlichen Alterungsprozess oft hilflos ausgesetzt. Doch es gibt Hoffnung: Wir können selbst viel dafür tun, um im Kopf jung zu bleiben und Demenzerkrankungen vorzubeugen. Dieser Artikel beleuchtet, wie wir durch gezielte Maßnahmen und Veränderungen unseres Lebensstils unsere Gehirngesundheit positiv beeinflussen können.
Die Macht der Lebensstilfaktoren: Schlaf, Ernährung und Bewegung
Die renommierte Neurowissenschaftlerin und Demenzforscherin Dr. Sabina Brennan erklärt auf verständliche Weise, wie wir über die Lebensstilfaktoren Schlaf, Ernährung und Bewegung positiv auf unsere Gehirngesundheit einwirken können. Ihr von ihr konzipierter Fitnessplan fürs Gehirn lässt sich mühelos in den Alltag integrieren und führt in 100 Tagen zu spürbar mehr Klarheit, Konzentration und Lebensfreude.
Schlaf: Die Grundlage für ein gesundes Gehirn
Ausreichend Schlaf ist essentiell für die Regeneration des Gehirns und die Festigung von Gedächtnisinhalten. Im Schlaf werden Informationen verarbeitet und unwichtige Details aussortiert. Ein Mangel an Schlaf kann zu Konzentrationsstörungen, Gedächtnisproblemen und einer erhöhten Anfälligkeit für Stress führen.
Dr. Brennan betont, wie wichtig es ist, den Ist-Zustand der Schlafgewohnheiten zu analysieren und entsprechende Tipps zur Verbesserung umzusetzen. Dies kann beispielsweise die Etablierung einer regelmäßigen Schlafroutine, die Schaffung einer entspannenden Schlafumgebung oder die Vermeidung von Koffein und Alkohol vor dem Schlafengehen umfassen.
Ernährung: Treibstoff für das Denkorgan
Eine ausgewogene Ernährung, reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien, ist entscheidend für die Gesundheit des Gehirns. Bestimmte Nährstoffe, wie Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und Vitamin E, spielen eine besonders wichtige Rolle für die kognitive Funktion.
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Willy Bartz, ein sogenannter Super-Ager, isst viel Gemüse und wenig Fleisch. Er orientierte sich an der Ernährung seiner Vorfahren, die sich hauptsächlich von Blättern und Früchten ernährten.
Bewegung: Mehr als nur körperliche Fitness
Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns, was die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen verbessert. Zudem werden durch Bewegung Botenstoffe freigesetzt, die das Wachstum neuer Nervenzellen anregen und die Verbindungen zwischen den Neuronen stärken.
Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Training die kognitiven Fähigkeiten, insbesondere das Langzeit- und Arbeitsgedächtnis, verbessern kann. Prof. André Fischer forscht am DZNE-Standort Göttingen zu den konkreten Wirkungen von Sport auf das Gehirn. Ein Ergebnis: Nach Sport bilden sich neue Blutgefäße, die Sauerstoffversorgung verbessert sich. Aus den Muskeln werden Stoffe freigesetzt und ins Gehirn transportiert. Sie führen dazu, dass Nervenzellen nicht absterben, besser funktionieren und sich unter Umständen sogar neue Zellen bilden.
Gehirnjogging: Mythos oder sinnvolle Ergänzung?
Das Geschäft mit dem Gehirnjogging boomt. Unternehmen ersinnen immer neue Übungen, Online-Kurse oder Computerspiele. Millionen Menschen versuchen, mit Denksportaufgaben geistig fit zu werden. Aber kann das funktionieren?
Es ist unbestritten, dass die Fähigkeit des Gehirns, sich zu entwickeln, auch im Alter erhalten bleibt. Die Hirnsubstanz schrumpft ganz allgemein, wenn man älter wird, die Weitergabe von Signalen zwischen den Nervenzellen erfolgt zusehends langsamer, und das Denkorgan insgesamt wird schlechter durchblutet. Doch auch wenn die Leistung des Gehirns insgesamt nachlässt, bleibt es ein Leben lang wandlungsfähig und formbar (plastisch).
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Studien haben gezeigt, dass Menschen, die in Ausbildung, Beruf und Freizeit über Jahrzehnte geistig aktiv sind, ein intensives soziales Leben pflegen und körperlich in Bewegung bleiben, einen gewissen Schutz vor dem geistigen Verfall genießen. Die Wissenschaftler vermuten, dass man sich durch lebenslange geistige Herausforderungen gewissermaßen eine „kognitive Reserve“ im Gehirn aufbauen kann, eine Art neuronales Polster.
Die Grenzen des Gehirnjoggings
Niemand bestreitet, dass man seine Leistung in Spielen wie „Pfadfinder“ bereits nach kurzem Training merklich erhöhen kann. Dieser Fortschritt beruht jedoch auf einem relativ einfachen Lernprozess - man durchschaut nach einiger Zeit den Aufbau der Übung, man weiß, worauf man seine Aufmerksamkeit richten muss, entwickelt besondere Strategien, um sich die Linien auf dem Bildschirm einzuprägen.
Wer sehr gute Leistungen bei einem Merkspiel erreicht, erinnert sich nicht automatisch auch im Alltag besser an Gesichter, Einkaufslisten oder Geheimnummern. Viele Forscher sind sich darin einig, dass für das Training derartiger Fähigkeiten vor allem solche Aufgaben geeignet sind, die den Geist permanent und möglichst vielfältig herausfordern.
Alternativen zum einseitigen Gehirnjogging
Wer einseitig auf Gehirnjogging vertraut, vergibt womöglich weitaus bessere andere Chancen, auch im Alter noch sein Denkorgan zu stimulieren und die lebenslange Plastizität der neuronalen Netze zu nutzen. Jede Stunde, die ein Mensch allein zu Hause mit Übungen am Computer zubringt, könnte er auch für soziale Kontakte verwenden, für das Erlernen einer Sprache oder einfach zum Spazierengehen - und so nach Meinung der Forscher viel mehr tun, um seine kognitiven Fähigkeiten zu erhalten.
Demenz: Risikofaktoren und Präventionsmöglichkeiten
Wenn Frauen älter werden, sind sie deutlich eher in Gefahr, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, als Männer. Die Forschung zu Ursachen, Therapie und Prävention ist eines der spannendsten Wissenschaftsfelder der Medizin. Bis zu 40 Prozent können wir uns selbst vor dem schützen, was alle fürchten: eine Demenz.
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Risikofaktoren für Demenz
- Alter: Der Hauptrisikofaktor für eine Alzheimererkrankung ist das Alter.
- Genetische Veranlagung: Nur rund ein Prozent der Erkrankungen geht auf Vererbung zurück.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Alles, was schlecht ist für Herz und Gefäße, ist auch ein Risiko für unser Denkorgan. Ein Beispiel ist der Fettstoffwechsel, genauer die Fettverteilung im Körper. Besonders das viszerale Bauchfett, das sich um die inneren Organe anlagert, gilt als möglicher Risikofaktor.
- Entzündungsprozesse: Niederschwellige, chronische Entzündungsprozesse scheinen Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns zu haben.
- Weitere beeinflussbare Risikofaktoren: Hörprobleme im mittleren Alter, unbehandelte Sehschwächen, hoher Cholesterinspiegel, niedrige Bildung, soziale Isolation, Luftverschmutzung, Depression, Schädel-Hirn-Trauma, Bluthochdruck, Rauchen, Bewegungsmangel, Diabetes Typ 2, Übergewicht, zu viel Alkohol.
Präventionsmöglichkeiten
- Gesunder Lebensstil: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf sind essentiell für die Prävention von Demenz.
- Geistige Aktivität: Lebenslanges Lernen und geistige Herausforderungen können die kognitive Reserve stärken.
- Soziale Kontakte: Ein aktives soziales Leben kann vor dem geistigen Verfall schützen.
- Behandlung von Risikofaktoren: Die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und anderen Risikofaktoren kann das Demenzrisiko senken.
Super-Ager: Was macht ihr Gehirn so jung?
Super-Ager sind Menschen, die im hohen Alter geistig so leistungsfähig sind wie deutlich jüngere Menschen. In Magdeburg erforschen Neurowissenschaftler, warum.
Super-Ager zeigen im Gehirn Strukturen, die man sonst bei jüngeren Erwachsenen sieht. Sie haben oft einen aktiven Lebensstil, sind geistig rege und pflegen soziale Kontakte.
Willy Bartz, ein 90-jähriger Super-Ager, absolviert jeden Morgen ein einstündiges Fitnessprogramm, baut Gemüse an, wurde Hobbyimker und blieb immer in Bewegung. Er isst viel Gemüse und wenig Fleisch.
Ausblick: Fortschritte in der Demenzforschung
Die Demenzforschung macht stetig Fortschritte. Neue Biomarker ermöglichen eine frühere Diagnose, und vielversprechende Therapieansätze, wie Antikörper, könnten in Zukunft den Verlauf der Krankheit verlangsamen oder sogar aufhalten.
Prof. André Fischer in Göttingen ist dem Ziel schon sehr nahe. Er und sein Team nutzen dazu drei spezielle microRNAs. Sie steuern wichtige Prozesse im Gehirn: den Energiestoffwechsel, die Synapsenfunktion und Entzündungsprozesse. Alle stehen in direktem Zusammenhang mit kognitiven Leistungen. Außerdem lassen sie sich im Blut nachweisen. Der Test, der in Zukunft angewendet werden könnte wie ein einfacher Corona-Test, funktioniert in Studien bereits und gibt einen Hinweis auf das Demenzrisiko.