Die medizinischen Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie, einst als "Nervenheilkunde" zusammengefasst, haben sich zu eigenständigen Disziplinen entwickelt. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser beiden wichtigen Bereiche der Medizin, ihre jeweiligen Schwerpunkte, Diagnoseverfahren und Behandlungsmethoden. Ziel ist es, Klarheit in die oft verwirrende Vielfalt der Berufe und Fachgruppen zu bringen, die sich mit der Psyche und dem Nervensystem befassen.
Die Entwicklung der Nervenheilkunde
Historisch gesehen waren die Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie in Deutschland unter dem Begriff "Nervenheilkunde" vereint. Diese Zusammenfassung spiegelte die Erkenntnis wider, dass viele organische Nervenkrankheiten mit psychischen Störungen einhergehen können und umgekehrt. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie wurde als "Nervenarzt" bezeichnet.
Anfang der 2000er Jahre änderte sich jedoch die Ausbildungsstruktur, und die Disziplinen wurden separat gelehrt und praktiziert. Im Klinikbereich sind beide Fächer heute selbstständig vertreten, während es im niedergelassenen Bereich noch viele nervenärztliche Praxen gibt, die beide Fachgebiete unter dem Aspekt der wechselseitigen Beeinflussung von Körper und Psyche repräsentieren.
Neurologie: Fokus auf das Nervensystem
Die Neurologie ist das medizinische Fachgebiet, das sich mit der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems befasst. Dies umfasst sowohl das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) als auch das periphere Nervensystem (Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark), einschließlich ihrer Blutgefäße und aller effektorischen Gewebe wie Muskeln. Neurologen sind Ärzte, die sich auf dieses Fachgebiet spezialisiert haben und Störungen wie Epilepsie, Schlaganfall, Multiple Sklerose und Parkinson behandeln.
Behandlungsschwerpunkte in der Neurologie
Das Nervensystem steuert eine Vielzahl von Funktionen, von einfachen motorischen Bewegungen bis hin zu komplexen kognitiven Prozessen. Die Neurologie adressiert Erkrankungen, deren Spektrum von genetisch bedingten Störungen bis hin zu erworbenen Bedingungen reicht. Zu den wichtigsten behandelten Krankheitsbildern gehören:
Lesen Sie auch: Informationen zu Alzheimer
- Alzheimer-Krankheit und andere Demenzformen: Diese degenerativen Erkrankungen führen zu einem fortschreitenden Gedächtnisverlust und anderen kognitiven Beeinträchtigungen.
- Parkinson-Krankheit: Eine Bewegungsstörung, die durch Zittern, Steifheit und Schwierigkeiten bei der Bewegung und Koordination gekennzeichnet ist.
- Multiple Sklerose: Eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden angreift, die die Nervenzellen im Zentralnervensystem umgeben.
- Epilepsie: Eine Gruppe von Erkrankungen, die durch das Auftreten von wiederholten Anfällen charakterisiert sind.
- Schlaganfall: Tritt auf, wenn die Blutzufuhr zu einem Teil des Gehirns unterbrochen wird, was zu einem plötzlichen Verlust von Gehirnfunktionen führt.
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine fortschreitende neurodegenerative Krankheit, die die Nervenzellen betrifft, die für die Steuerung willkürlicher Muskelbewegungen verantwortlich sind.
- Migräne: Eine Form des Kopfschmerzes, die oft einseitig auftritt und von Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm begleitet wird.
- Guillain-Barré-Syndrom: Eine seltene Störung, bei der das Immunsystem die Nervenzellen angreift, was zu Schwäche und oft zu Lähmungen führt.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Seltene Erkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
- Funktionsstörungen der hirnelektrischen Aktivität: Können sich in einer Epilepsie bemerkbar machen.
- Neurologische Schmerzerkrankungen: Wie Kopf- und Gesichtsschmerzen, Neuralgien oder Nervenkompressionen.
- Tumorerkrankungen des Nervensystems: Gehören zur Neuroonkologie.
- Schwindelkrankheiten mit neurologischen Ursachen: Werden in der Neurootologie behandelt.
- Neurologische Krankheiten der Sehnerven: Werden in der Neuroophtalmologie behandelt.
Diagnostik in der Neurologie
Grundlage für die präzise Erkennung und Behandlung neurologischer Störungen ist eine moderne Diagnostik. Die wichtigsten diagnostischen Instrumente und Methoden, die in der Neurologie verwendet werden, sind:
- Computertomografie (CT): Diese bildgebende Methode verwendet Röntgenstrahlen, um detaillierte Querschnittbilder des Körpers zu erstellen.
- Magnetresonanztomografie (MRI): MRI nutzt starke Magneten und Radiowellen, um detaillierte Bilder der Organe und Strukturen im Körper zu erzeugen.
- Elektroenzephalogramm (EEG): Diese Methode zeichnet die elektrische Aktivität des Gehirns auf.
- Lumbalpunktion (Spinaltap): Hierbei wird eine Probe der Zerebrospinalflüssigkeit entnommen.
- Positronenemissionstomografie (PET): Diese nuklearmedizinische Bildgebungstechnik wird verwendet, um die zelluläre Funktion und den Metabolismus im Gehirn zu beobachten.
- Elektromyografie (EMG) und Nervenleitgeschwindigkeit (NCV): Diese Tests messen die elektrische Aktivität in Muskeln und Nerven.
- Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien: Eine Ultraschalltechnik, die verwendet wird, um den Blutfluss in den Arterien zu beurteilen.
- Arteriogramm (Angiogramm): Ein Röntgenbild der Arterien und Venen, das verwendet wird, um Verengungen oder Blockierungen in den Blutgefäßen zu identifizieren.
Facharztausbildung Neurologie
Die Facharztausbildung in der Neurologie in Deutschland ist eine umfassende, fünfjährige Weiterbildung, die tiefgehende Kenntnisse und Fähigkeiten in der Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen vermittelt. Innerhalb dieser Zeit erwerben angehende Fachärzte für Neurologie spezifische neurologische Fachkenntnisse und absolvieren verpflichtende Weiterbildungsabschnitte in verwandten Disziplinen wie der Psychiatrie.
Psychiatrie: Fokus auf psychische Gesundheit
Im Unterschied zu Neurologen, die sich primär auf organische Erkrankungen des Nervensystems konzentrieren, behandeln Psychiater psychische Störungen, die das Denken, Fühlen und Verhalten beeinflussen. Im Zentrum der Behandlung von Psychiatern stehen oft Psychosen und schwere Persönlichkeitsstörungen. Die Behandlung erfolgt in erster Linie medikamentös.
Psychiater sind Fachärzte für Psychiatrie (und Psychotherapie). Sie haben also nach dem Medizinstudium noch einige Jahre Weiterbildung in der Psychiatrie und Psychotherapie sowie eine Facharztprüfung absolviert.
Behandlungsschwerpunkte in der Psychiatrie
Die Psychiatrie befasst sich im Wesentlichen mit affektiven Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, bipolaren Erkrankungen, Psychosen und Zwangsstörungen, bis hin zu Begleitreaktionen nach lebenskritischen Ereignissen. Auch Behandlungen von Essstörungen und Suchterkrankungen gehören zum Aufgabenbereich des Psychiaters.
Lesen Sie auch: Wie unser Gehirn Erinnerungen speichert
Diagnostik in der Psychiatrie
Niedergelassene Psychiater in einer Praxis werden beim ersten Termin in der Regel eine ausführliche Anamnese machen, bei der die Biographie sowie die Krankengeschichte erhoben wird. Danach werden gegebenenfalls noch einige psychologische und/oder neurologische Tests gemacht, um andere Diagnosen auszuschließen. Nach den Leitlinien gehört bei jeder Erstdiagnose einer psychiatrischen Erkrankung eine zerebrale Bildgebung dazu, also ein MRT des Kopfes.
Psychotherapie
Unter Psychotherapie versteht man die Behandlung psychischer Probleme mit Hilfe anerkannter psychotherapeutischer Verfahren. Die meisten Psychotherapeuten haben entweder Psychologie oder Medizin studiert. Nach Abschluss dieser Studiengänge kann man sich für eine weitere Ausbildung als Psychotherapeut entscheiden.
Psychiater können auch als ärztliche Psychotherapeuten arbeiten. Dann erfolgt nach Antragstellung bei der Krankenkasse ebenfalls eine Gesprächstherapie mit Terminen von meist einmal pro Woche über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren.
Psychologinnen haben mindestens 5 Jahre Psychologie an der Universität studiert. Psychotherapeutinnen sind Psychologinnen und machen nach dem Studium noch eine drei- bis fünfjährige Zusatzausbildung zu Psychologischen Psychotherapeutinnen. In der Therapieausbildung müssen die Therapeut*innen einen Schwerpunkt wählen: Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch Fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse oder Systemische Therapie.
Medikamentöse Behandlung
Ist eine medikamentöse Behandlung notwendig, wird das Medikament in der Regel zunächst langsam aufdosiert. Wenn ein Antidepressivum bzw. stimmungsstabilisierendes Medikament nicht den erwünschten Erfolg zeigt, wird nach einigen Wochen ein neuer Versuch mit einem anderen Wirkstoff gestartet. Sind die Medikamente gut eingestellt, erfolgt üblicherweise ein Besuch einmal pro Monat oder pro Quartal. Bei diesem Termin werden in der Regel die Blutwerte kontrolliert, die Frühwarnsignale sowie die Höhen und Tiefen seit dem letzten Termin erfragt.
Lesen Sie auch: Funktionen des Gehirns
Psychosomatik: Die Verbindung von Körper und Seele
In der Psychosomatik geht es um psychische Erkrankungen, die auch einen körperlichen Ausdruck bekommen. Dazu gehören chronische Schmerzen, funktionelle Magen-Darm-Beschwerden, kardiale Beschwerden, also des Herzens, aber auch der Lunge.
Die Rolle des Nervenarztes
Der Facharzt für Psychiatrie und zugleich Neurologie wird in Deutschland als "Nervenarzt" bezeichnet. Im Klinikbereich sind heute beide Fächer selbständig vertreten. Im Bereich der niedergelassenen Ärzte gibt es aber noch viele nervenärztliche Praxen. Sie repräsentieren beide Fachgebiete unter dem Aspekt, dass viele organische Nervenkrankheiten mit psychischen Störungen einhergehen bzw.
Gehalt von Neurologen und berufliche Perspektiven
Die Gehälter von Neurologen in der stationären Versorgung in Deutschland unterscheiden sich je nach Position, Art der Einrichtung, Komplexität der Aufgaben und der Berufserfahrung. In ambulanten Praxen liegt der Arbeitsschwerpunkt von Neurologen hauptsächlich auf die Behandlung von Folgeerscheinungen von Schlaganfällen und chronischen Erkrankungen.
Die Neurologie ist ein medizinisches Fachgebiet, das aufgrund der alternden Bevölkerung stetig wächst. Der steigende Anteil älterer Menschen führt zu einem erhöhten Bedarf an neurologischer Versorgung, da mit dem Alter häufig neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle, Demenz und Parkinson zunehmen. Dieser demographische Wandel erzeugt eine kontinuierliche Nachfrage nach spezialisierten Fachkräften sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Versorgung.
Die Attraktivität des Berufs liegt unter anderem in den vielfältigen Spezialisierungsmöglichkeiten, die hervorragende Berufschancen bieten.
Kooperation und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die Kooperation zwischen Neurologen, Psychiatern, Psychotherapeuten und anderen medizinischen Fachkräften ist entscheidend für eine umfassende Patientenversorgung. Viele Erkrankungen des Gehirns können sowohl psychische als auch neurologische Symptome hervorrufen, was eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich macht.
Die Bedeutung der ganzheitlichen Betrachtung
Die Betrachtung des Menschen als Ganzes, mit all seinen Teilen - Innen und Außen, Herz und Hand und Kopf - ist für eine erfolgreiche Behandlung unerlässlich. Eine neuropsychiatrische Sprechstunde, die sowohl neurologische als auch psychiatrische Aspekte berücksichtigt, kann dazu beitragen, das Anliegen des Patienten ganzheitlich zu sehen.
tags: #Neurologie #und #Psychiatrie #unterschiede