Der Internationale Tag der Epilepsie ist ein bedeutender Anlass, um das Bewusstsein für diese neurologische Erkrankung zu schärfen und die Herausforderungen, mit denen Betroffene konfrontiert sind, in den Fokus zu rücken. Er findet jährlich am zweiten Montag im Februar statt, wobei der 10. Februar 2025 und der 12. Februar 2024 besondere Daten darstellen. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Epilepsie, von der Definition und den Ursachen bis hin zu Behandlungsmöglichkeiten und dem richtigen Verhalten bei einem Anfall.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine chronische, nicht übertragbare Erkrankung des Gehirns, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Sie ist eine der ältesten anerkannten Erkrankungen der Welt, deren schriftliche Aufzeichnungen bis ins Jahr 4000 v. Chr. zurückreichen. Weltweit leiden etwa 50 Millionen Menschen an Epilepsie, was sie zu einer der häufigsten neurologischen Erkrankungen macht. In Deutschland sind schätzungsweise 800.000 Menschen betroffen, und jährlich werden etwa 30.000 neue Fälle diagnostiziert.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein einzelner Anfall nicht automatisch bedeutet, dass eine Person an Epilepsie leidet. Bis zu 10 % der Menschen weltweit haben im Laufe ihres Lebens einen Anfall. Epilepsie wird definiert als das Auftreten von zwei oder mehr unprovozierten Anfällen.
Die Vielfalt der Anfälle
Die Bandbreite bei Epilepsie ist groß, da die neuronalen Entladungen in verschiedenen Teilen des Gehirns auftreten können. Entsprechend variieren die Anfälle. Sie können von kürzesten Unaufmerksamkeitsaussetzern oder Muskelzuckungen bis hin zu schweren und lang anhaltenden Krämpfen reichen. Die Häufigkeit der Anfälle kann ebenfalls stark variieren, von weniger als einem pro Jahr bis zu mehreren pro Tag.
Man unterscheidet fokale Anfälle, die an einem umschriebenen Ort im Gehirn entstehen, und generalisierte Anfälle, bei denen die Aktivität im ganzen Gehirn oder zumindest in beiden Hirnhälften gleichzeitig entsteht. Generalisierte Anfälle führen häufiger zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen im ganzen Körper, sind aber nicht unbedingt schwerer als fokale Anfälle.
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Die Schwere der Krämpfe kann unterschiedlich sein - von lokal begrenzten Muskelzuckungen oder kleinen, fast unmerklichen Aussetzern (Petit Mal) bis hin zu dramatischen Formen mit starken Zuckungen am ganzen Körper und plötzlichem Bewusstseinsverlust (Grand Mal).
Ursachen und Diagnose
Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig. In vielen Fällen bleibt die genaue Ursache unbekannt, doch es gibt einige häufige Faktoren, die mit der Entwicklung der Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören:
- Genetische Veranlagung: In manchen Familien tritt die Erkrankung über mehrere Generationen auf.
- Hirnschäden: Schäden am Gehirn, die durch Verletzungen, Schlaganfälle, Infektionen oder Tumore verursacht werden, können Epilepsie auslösen.
- Entwicklungsstörungen: Bestimmte Entwicklungsstörungen des Gehirns können das Risiko für Epilepsie erhöhen.
Die Diagnose von Epilepsie kann schwierig sein, da subtile Anfälle oft übersehen werden. Moderne Technologien wie die Langzeit-EEG-Überwachung und Fortschritte in der Bildgebung ermöglichen jedoch eine immer präzisere Diagnostik.
Behandlungsmöglichkeiten
Epilepsie kann nicht geheilt werden, aber sie kann durch verschiedene Behandlungsansätze kontrolliert werden. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 70 % der Menschen mit Epilepsie bei richtiger Diagnose und Behandlung anfallsfrei leben könnten. Zu den häufigsten Behandlungsansätzen gehören:
- Medikamentöse Behandlung: Antiepileptika (Antikonvulsiva) erhöhen die elektrische Entladungsschwelle der Nervenzellen und damit die Krampfschwelle, indem sie Ionenkanäle oder Neurotransmitterkonzentrationen beeinflussen. Die Wahl des Medikaments hängt von der Art der Anfälle, dem Alter des Patienten und anderen gesundheitlichen Faktoren ab. Klassische Antiepileptika sind beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin und Valproinsäure. Es handelt sich um eine rein symptomatische Behandlung.
- Chirurgischer Eingriff: In Fällen, in denen die Anfälle nicht medikamentös kontrolliert werden können, kann bei fokaler Epilepsie eine Operation in Betracht gezogen werden. Ziel ist es, den betroffenen Hirnbereich, der die Anfälle auslöst, zu entfernen oder zu isolieren. Dies ist aber nicht immer möglich.
- Vagusnerv-Stimulation: Hier wird ein kleiner Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, um den Vagusnerv zu stimulieren und Anfälle zu reduzieren.
- Ketogene Diät: Eine spezielle, fettreiche und kohlenhydratarme Diät kann bei manchen Menschen mit Epilepsie helfen, die Anfälle zu kontrollieren.
In den letzten Jahren sind zudem neue, wirksame und gut verträgliche Medikamente durch die Zulassung für Patienten verfügbar geworden.
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Neue Entwicklungen in der Epilepsie-Forschung
Auch wenn bei manch anderer Erkrankung größere Therapiefortschritte zu verzeichnen sind, gab es in der Epilepsie-Forschung gute Neuigkeiten:
- Neues Antiepileptikum: Für erwachsene Patienten mit fokaler Epilepsie, die trotz Behandlung mit mindestens zwei Antiepileptika nicht ausreichend kontrolliert sind, steht als neue Therapieoption Cenobamat (Ontozry®) zur Verfügung. Die Substanz wirkt zum einen als Natriumkanal-Blocker, zum anderen als Modulator des Gamma-Aminobuttersäure(GABA)-A-Kanals. In klinischen Studien halbierte Cenobamat als Begleittherapie die Zahl der Krampfanfälle bei der Hälfte der Patienten.
- MS-Arzneimittel bei frühkindlicher Epilepsie: Erstmals spezifisch medikamentös behandelbar ist eine sehr seltene Form der genetisch bedingten Epilepsie. Bei ihr werden durch Mutationen im KCNA2-Gen Kaliumkanäle im Gehirn geschädigt. Die Folge sind schwere epileptische Anfälle bereits im ersten Lebensjahr sowie Entwicklungsstörungen mit Problemen beim Sprechen, Rechnen und Buchstabieren. Ein Tübinger Forscherteam fand nun heraus: Das Multiple-Sklerose-Therapeutikum Fampridin (Fampyra®) - ein reversibler Kaliumkanalblocker - kann die Symptome dieser frühkindlichen Epilepsie verbessern.
- Gezielte Laute im Schlaf: Eine häufige Form der Epilepsie im Kindesalter ist die Rolando-Epilepsie. Bei ihr treten die Anfälle hauptsächlich im Schlaf auf. Die Erkrankung verläuft zwar meist mild, kann aber die Hirnaktivität im Schlaf beeinträchtigen und deshalb zu Entwicklungsstörungen führen. Nun hat ein Forschungsteam aus Tübingen einen neuen therapeutischen Ansatz entwickelt: Durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute können die krankheitsbedingten Ausschläge der elektrischen Hirnaktivität teilweise unterdrückt werden.
- Lichtschalter für Antiepileptika: Antiepileptika haben häufig Nebenwirkungen. Deshalb wäre es wünschenswert, dass die Medikamente erst im Gehirn wirken. An diesem Ziel arbeiten Forscher des Universitätsklinikums Bonn. Sie wollen photoaktivierbare Wirkstoffe einsetzen: Substanzen wie zum Beispiel Propofol sollen chemisch so verändert werden, dass sie erst durch Einwirken von Licht lokal im Gehirn aktiv werden. Dazu muss eine biokompatible Lichtquelle ins Gehirn gebracht werden, die zum Beispiel über Tiefenelektroden wirkt.
- Atemtest zur Therapiekontrolle: Antiepileptika müssen möglichst genau dosiert werden. Zur Kontrolle dienen Blutuntersuchungen. Die Blutabnahme kann bei Kindern Stress verursachen. Außerdem sind die Ergebnisse erst nach der Laborauswertung verfügbar. Um eine einfachere und schnellere Therapiekontrolle zu haben, entwickelten Forscher der Universität Basel einen Atemtest - ähnlich einem Alkoholtest für Autofahrer. Die Technik soll in der Zukunft flächendeckend angewendet werden können.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Es ist entscheidend zu wissen, wie man schnell und sicher handelt, wenn jemand einen epileptischen Anfall hat:
Ruhig bleiben: Panik hilft niemandem. Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und die Situation zu überblicken.
Umgebung sichern: Sorgen Sie dafür, dass die Umgebung sicher ist. Entfernen Sie alle Gegenstände, die Verletzungen verursachen könnten, aus dem Umfeld. Unterlege den Kopf mit einer Jacke oder einem Kissen.
Achte auf die Zeit: Ein Anfall dauert meist ein bis zwei Minuten. Beobachten Sie die Zeit, um den Notruf gegebenenfalls richtig informieren zu können.
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Atemwege freihalten: Sorge dafür, dass die Atemwege frei bleiben, indem du enge Kleidung am Hals oder Oberkörper lockerst.
Nicht festhalten: Versuche nicht, die Person festzuhalten oder die Krampfbewegungen zu unterdrücken.
Nichts in den Mund stecken: Stecke niemals Gegenstände zwischen die Zähne der Person. Es besteht die Gefahr von Verletzungen.
Nach dem Anfall: Lege die Person in die stabile Seitenlage, um die Atemwege freizuhalten. Bleibe bei der Person, bis sie vollständig wieder zu sich kommt. Viele Menschen brauchen nach einem Anfall etwas Zeit, um sich zu erholen. Achte darauf, Privatsphäre zu schaffen, da der Vorfall für die Betroffenen oft unangenehm ist, besonders in der Öffentlichkeit.
Notruf: Rufe den Notruf (112) wenn:
- Der Anfall länger als fünf Minuten dauert.
- Die Person sich verletzt hat.
- Die Person Schwierigkeiten beim Atmen hat.
- Die Person nicht wieder zu Bewusstsein kommt.
- Ein weiterer Anfall unmittelbar folgt.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann einschneidende medizinische, berufliche und psychosoziale Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Dies liegt zum einen an den medizinisch indizierten Einschränkungen, aber auch an stigmatisierten Vorstellungen von Betroffenen selbst und ihrer Mitmenschen.
Es ist wichtig, dass Menschen mit Epilepsie die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ein erfülltes Leben zu führen. Dazu gehören:
- Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung: Eine frühzeitige Diagnose und eine individuell angepasste Behandlung sind entscheidend für die Kontrolle der Anfälle.
- Psychosoziale Unterstützung: Gespräche mit Therapeuten, Selbsthilfegruppen oder anderen Betroffenen können helfen, mit den emotionalen und sozialen Herausforderungen der Erkrankung umzugehen.
- Aufklärung und Sensibilisierung: Je besser die Öffentlichkeit über Epilepsie informiert ist, desto weniger Stigmatisierung und Diskriminierung erfahren Betroffene.
Der Internationale Tag der Epilepsie als Chance
Der Internationale Tag der Epilepsie ist eine wichtige Gelegenheit, um das Bewusstsein für Epilepsie zu schärfen, Vorurteile abzubauen und die Lebensqualität von Menschen mit Epilepsie zu verbessern. Durch Aufklärung, Forschung und Unterstützung können wir gemeinsam dazu beitragen, dass Menschen mit Epilepsie ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen können.
Am Tag der Epilepsie 2025 lautet das Motto: „Epilepsie - Heute“. Die bundesweite Zentralveranstaltung findet am 05. Oktober 2025 in Koblenz statt. Die Vorbereitungen für den Tag der Epilepsie im Jahr 2026 laufen bereits, wobei es sich um das Jubiläum „30 Jahre Tag der Epilepsie“ handelt und die Zentralveranstaltung in Berlin stattfinden soll.
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