Das Universitätsklinikum Jena (UKJ) hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Zentrum für neurologische Forschung entwickelt, insbesondere im Bereich der Neuroimmunologie. Durch die Förderung von Stiftungen und Forschungsgruppen konnten innovative Therapieansätze für verschiedene neurologische Erkrankungen entwickelt und etabliert werden. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Forschungsbereiche, Errungenschaften und zukünftigen Schwerpunkte der Neurologie am UKJ.
Förderung durch die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung
Seit 2019 unterstützt die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung die neuroimmunologische Forschung von Prof. Dr. Christian Geis am Universitätsklinikum Jena. Diese Förderung ermöglichte den Aufbau der Sektion "Translationale Neuroimmunologie" und die Etablierung von Synaptopathien als wissenschaftlichen Schwerpunkt. Die Stiftung zeigte sich vor Ort von den Fortschritten überzeugt und setzt ihre Unterstützung fort, was die Bedeutung der Forschung am UKJ unterstreicht.
Synaptopathien im Fokus
Ein zentrales Forschungsgebiet sind Synaptopathien, Erkrankungen, die die Bildung oder Funktion von Synapsen beeinträchtigen. Synapsen, die Schaltstellen zwischen Nervenzellen, sind essenziell für die Funktion des Nervensystems. "Unser Augenmerk liegt auf den Synaptopathien, die durch Autoimmun- und Entzündungsprozesse verursacht werden", betont Prof. Dr. Christian Geis. Diese Erkrankungen können eine Vielzahl neurologischer und psychiatrischer Symptome verursachen.
Autoimmun-bedingte Gehirnentzündungen
Ein wichtiger Schwerpunkt der Forschungsgruppe SYNABS, koordiniert von Christian Geis und gefördert von der DFG, sind autoimmun-bedingte Gehirnentzündungen. Diese Entzündungen können sich durch psychotische Symptome, Epilepsie und Gedächtnisstörungen manifestieren. Fehlgeleitete Antikörper greifen körpereigene Strukturen im zentralen Nervensystem an. Die Forschungsgruppe konnte bereits zentrale molekulare Mechanismen dieser Erkrankungen entschlüsseln und neue Therapieansätze aufzeigen, bis hin zur Entwicklung eines potenziellen Therapeutikums.
Translationale Forschung und klinische Studien
Die Sektion "Translationale Neuroimmunologie" verfolgt einen translationalen Forschungsansatz, der Ergebnisse der Laborforschung in klinische Anwendungsprojekte überführt. Christian Geis leitet die erste klinische Therapiestudie für Autoimmun-Enzephalitis in Deutschland. In dieser kontrollierten und randomisierten Doppelblindstudie an zehn Zentren wird die Wirksamkeit und Sicherheit von Bortezomib getestet. Dieser Wirkstoff, der normalerweise bei Blutkrebserkrankungen eingesetzt wird, zielt auf Zellen mit hoher Proteinproduktion ab, wie beispielsweise Plasmazellen, die für die Produktion der krankheitsauslösenden Autoantikörper verantwortlich sind.
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Weitere Forschungsthemen
Die Forschungsgruppe, die inzwischen auf über 20 Forschende angewachsen ist, bearbeitet auch neuroinflammatorische Prozesse nach Infektionen oder Sepsis, die das Gehirn langfristig schädigen können, sowie entzündungsbedingte Schädigungen der Synapsen bei Alterungs- und degenerativen Prozessen. Diese Forschung zielt darauf ab, die komplexen Mechanismen dieser Prozesse zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.
Bedeutung der Förderung durch die Schilling-Stiftung
"Die Förderung der Schilling-Stiftung hat uns die notwendige Unabhängigkeit und langfristige Perspektive ermöglicht, um neuartige Therapien für neuroimmunologische Erkrankungen zu entwickeln - im engen Austausch zwischen Labor, Klinik und Patient", resümiert Christian Geis. Die Stiftung würdigte die Fortschritte und Kompetenzen der Forschungsgruppe, von der molekularen zur systemischen und klinischen Ebene, sowie ihre hervorragende überregionale Vernetzung und maßgeblichen Beiträge in klinisch-translationalen Forschungsverbünden.
Neue Leitung der Klinik für Neurologie
Seit dem 1. November ist Prof. Dr. Christian Geis neuer Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Jena. Er war zuvor Leiter der von der Schilling-Stiftung geförderten Forschergruppe für translationale Neurowissenschaften und Sprecher einer DFG-Forschungsgruppe. In seiner neuen Rolle möchte er das gesamte Versorgungsspektrum der Neurologie auf universitärem Niveau abdecken und innovative Therapieverfahren etablieren.
Schwerpunkte der Klinik für Neurologie unter neuer Leitung
Christian Geis möchte in der Klinik für Neurologie besondere Schwerpunkte auf die Neuroimmunologie, die neurologische Intensiv- und Akutmedizin sowie die neurodegenerativen Erkrankungen legen. Ziel ist zudem, ein interdisziplinäres Zentrum für Epilepsie aufzubauen und innovative Behandlungsmethoden für neuromuskuläre Erkrankungen durch klinische Studien im Thüringer Muskelzentrum zu begleiten und zu untersuchen. Auf der Stroke Unit soll eine interprofessionelle Ausbildungsstation eingerichtet werden, die Medizinstudierende und Pflegeschüler in der Patientenversorgung einbezieht.
Einsatz modernster Technologien
Die Jenaer Neurologie setzt modernste Bildgebungs- und Messtechniken ein, darunter höchstauflösende Fluoreszenzmikroskopie und elektrophysiologische Techniken, um molekulare und zelluläre Prozesse zu untersuchen. Am Universitätsklinikum Jena wird zudem ein hochmodernes Magnetfeldtomografiegerät mit einem Magnetfeld von 7 Tesla eingesetzt, das detailliertere Aufnahmen des Gehirns ermöglicht. Dieses Gerät wird vor allem für die Hirnbildgebung in Forschungsprojekten des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit verwendet.
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Neurogate-Projekt: Holographische Endoskopie
Ein europäisches Forschungsteam, unter anderem vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena, entwickelt eine neuartige Bildgebungstechnologie, die holographische Endoskopie. Mithilfe einer dünnen Glasfaser lässt sich tief ins Gehirn blicken - minimalinvasiv und mit subzellulärer Auflösung. Das Projekt „Neurogate“ wird mit 2,5 Millionen Euro vom Europäischen Innovationsrat gefördert. Diese Technologie eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung von neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Epilepsie und hilft bei innovativen Diagnose- und Therapieansätzen.
Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit
Das Universitätsklinikum Jena ist Teil des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit, dessen mitteldeutscher Standort in Jena koordiniert wird. Ziel des Zentrums ist es, die Mechanismen psychischer Erkrankungen besser zu verstehen, um deren Erkennung und Behandlung verbessern zu können. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Untersuchung schwer behandelbarer Depressionen, die Psychotherapieforschung und die Analyse psychischer Störungen, die in der Phase des Erwachsenwerdens entstehen können.
Tradition und Zukunft
Die Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Jena kann auf eine lange Tradition in der Patientenversorgung, Forschung und Lehre zurückblicken, die von bedeutenden Jenaer Nervenärzten wie Otto Binswanger und Hans Berger maßgeblich geprägt wurde. Zurzeit arbeiten über 80 Mitarbeiter in der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Behandlung und Erforschung neurologischer Krankheitsbilder. Die Klinik bietet ein breites klinisches Leistungsspektrum und modernste diagnostische und therapeutische Möglichkeiten.
Motorisches Lernen und Hirnstimulation
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Untersuchung des motorischen Lernens und der Anwendung nicht-invasiver Hirnstimulationsmethoden. Ziel ist es, individualisierte und hocheffektive Therapiemethoden für Patienten mit Schädigungen des Gehirns, beispielsweise nach einem Schlaganfall, zu entwickeln. Dabei werden repetitive transkranielle Magnetstimulation, transkranielle Gleichstromstimulation und periphere Stimulationstechniken eingesetzt, um aktivierte Netzwerke im Gehirn zu visualisieren und ihre funktionelle Rolle zu verstehen.
Neuromuskuläres Zentrum
Das Neuromuskuläre Zentrum (NMZ) am Universitätsklinikum Jena ist Teil des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE) Jena. Es bietet ein umfassendes Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Leistungen für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen. Das NMZ ist an überregionalen Registern zur Verlaufsbeobachtung von Patienten mit Motoneuronerkrankungen beteiligt.
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