Die Diagnose Parkinson trifft viele Menschen unvorbereitet, oft in einem Lebensabschnitt, in dem sie es am wenigsten erwarten. Insbesondere junge Menschen sehen sich mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene und ihre Angehörigen Zugang zu umfassenden Informationen und Unterstützung finden. Eine wertvolle Ressource ist dabei der Austausch mit anderen Betroffenen.
Selbsthilfe als wichtige Informationsquelle
Neben der medizinischen Betreuung durch Neurologen kann der Austausch mit anderen Betroffenen und deren Angehörigen eine wichtige Informationsquelle sein. In Selbsthilfegruppen treffen Menschen aufeinander, die ähnliche Erfahrungen machen und die Herausforderungen eines Lebens mit Parkinson kennen. Dieser Erfahrungsaustausch kann sehr hilfreich sein, um Anregungen für den eigenen Alltag zu erhalten. Viele Betroffene empfinden es in diesem Rahmen auch als leichter, über Unsicherheiten und Zweifel zu sprechen. Zu sehen, wie andere Menschen mit der Erkrankung umgehen, kann Mut und Kraft geben. Einige Selbsthilfegruppen richten sich auch an Partner und Angehörige von Betroffenen. Speziell für junge Erkrankte gibt es spezielle Gruppen vor Ort.
Überregionale Selbsthilfegruppen
Im Folgenden werden einige überregionale Selbsthilfegruppen vorgestellt, die sich dem Thema Parkinson widmen. Diese Liste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. (dPV)
Die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) e. V. setzt sich dafür ein, Wissenslücken rund um die Parkinson-Erkrankung zu schließen. Ziel der dPV ist es, Betroffene mit Informationen zu versorgen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie in die Lage zu versetzen, aktiv und gemeinsam mit ihren Partnern den bestmöglichen Behandlungsweg zu beschreiten. Hier können Betroffene Menschen treffen, die ebenfalls mit Parkinson leben, und gemeinsam versuchen, die Herausforderungen zu meistern. Dies kann zu mehr Lebensmut und Lebensqualität führen. Nähere Informationen finden Sie auf der Internetseite der dPV unter www.dpv-bundesverband.de.
Jung & Parkinson - Die Selbsthilfe e.V.
Die Internetplattform www.jung-und-parkinson.de des gleichnamigen Vereins richtet sich speziell an junge Menschen mit Parkinson. Betroffene finden hier Kontakte zu lokalen Selbsthilfegruppen für junge Erkrankte. In Chat und Forum besteht die Möglichkeit zum direkten Austausch mit anderen Betroffenen. Die Seite informiert über altersrelevante Themen wie Familienplanung oder die Sicherung der Lebensgrundlagen. Darüber hinaus bietet sie Online-Kurse für Qigong und Tai-Chi an, die die Mobilität trainieren sollen. Der Verein möchte auch die Öffentlichkeit für das Thema Parkinson sensibilisieren und so Hürden für die Betroffenen abbauen. Mitglieder erhalten neben einer Scheckkarte, die auf die Erkrankung hinweist, einen Notfallausweis sowie die Erklärung "Was ist Parkinson" in vier Sprachen. Ein Kurzfilm im Zeichentrickformat soll Kindern das Thema Parkinson näherbringen.
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Parkinson Pate e. V.
Das Team von Parkinson Pate e. V. steht Erkrankten und Angehörigen in jeder Krankheitsphase unterstützend zur Seite. Die "Paten" klären auf, informieren über Parkinson, geben Ratschläge für den Alltag und helfen, sich in der jeweiligen Lebenssituation zurechtzufinden. Die ehrenamtlichen "Paten" bringen Wissen aus verschiedenen Bereichen mit, teilen persönliche Erfahrungen, vermitteln Kontakte und möchten ermutigen, das Leben mit Parkinson positiv anzugehen. Über die Homepage des Vereins können Interessierte Kontakt zu einem "Paten" aufnehmen. Darüber hinaus bietet der Verein eine virtuelle Selbsthilfegruppe an, die jeden 2. Mittwoch im Monat stattfindet und Betroffenen und Interessierten offensteht. In Hamburg und Hameln gibt es auch Gruppen vor Ort.
Tipps für Betroffene im Umgang mit Parkinson
Ein Leben mit Parkinson kann viele Herausforderungen mit sich bringen. Es ist verständlich, wenn die Diagnose das gewohnte Leben zunächst auf den Kopf stellt. Die Erkrankung wird Betroffene fortan begleiten, und es gilt, zu lernen, damit zu leben. Parkinson ist eine fortschreitende Erkrankung, die im Laufe der Zeit verschiedene Lebensbereiche beeinflussen kann. Es gibt jedoch viele Angebote und nützliche Tipps, die dabei unterstützen können.
Kleine Helfer, große Wirkung
Ein wichtiges Anliegen ist es, sich auch in der Phase beginnender Wirkschwankungen so viel Selbstständigkeit wie möglich zu erhalten. Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die dabei unterstützen können.
Im Badezimmer können Haltegriffe und Sitze sowie ein rutschfester Untergrund in der Badewanne und in der Dusche Sicherheit geben. In der Dusche kann ein höhenverstellbarer Hocker mit Saugfüßen praktisch sein. Eine Toilettensitzerhöhung erleichtert das Hinsetzen und Aufstehen. Zur Körperpflege eignen sich längenverstellbare Bürsten oder Schwämme mit gut zu fassenden, dicken Griffen. Praktisch sind ergonomisch geformte Auftrag- und Eincremehilfen. Mithilfe von Stand- und Kippspiegeln können Sie vieles auch im Sitzen erledigen.
Das Ankleiden lässt sich leichter gestalten, wenn Sie auf ausreichend weite Kleidung mit großen Knöpfen oder Druckknöpfen achten. Auch gut zu handhaben sind Reiß- und Klettverschlüsse. Speziell konzipierte Knöpfhilfen erleichtern das Zuknöpfen von Hemden und Blusen, mit einem Strumpfanzieher können Sie Strümpfe oder Socken anziehen, ohne sich bücken zu müssen. Der Einsatz von elastischen Schnürsenkeln ermöglicht ein einfacheres Hineinschlüpfen in den Schuh. Generell lassen Slipper sich besser anziehen als Schnürschuhe. Für einen guten Halt auf dem Untergrund eignen sich Schuhe mit Ledersohlen.
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Im Alltag können kleine Hilfsmittel viele Handgriffe erleichtern. Schraubverschlussöffner oder spezielle Schlüsselgriffe zum Beispiel helfen beim Hantieren mit kleinen Gegenständen und sorgen über ihre Hebelwirkung für die benötigte Kraft. Hilfreich beim Essen sind ergonomisch geformtes Besteck mit breiten Griffen, eine Tellerranderhöhung und rutschfeste Unterlagen für Teller, Tassen und Gläser. Wem das Trinken schwerfällt, der kann Gefäße mit einem großen, weiten Henkel und einer weiten Öffnung benutzen. Gegebenenfalls eignet sich auch ein Trinkbecher mit einer Aussparung für die Nase.
Beim Hinsetzen oder Aufstehen helfen tragbare Aufstehhilfen. Sollten Sie sich beim Gehen und Stehen unsicher fühlen, können ein Gehstock oder ein Rollator eine gute Lösung sein. Die verlässliche Stütze hilft Ihnen dabei, Ihren Bewegungsradius zu erhalten. Grundsätzlich sollten in allen Wohnräumen Möbel und Tische stand- und kippsicher sein. Vermeiden Sie potenzielle Stolperfallen wie Läufer und Brücken, Telefon- und Lampenkabel oder „im Weg“ stehende Gegenstände wie Bodenvasen. Plastiküberzüge auf scharfen Kanten schützen im Fall eines Sturzes vor Verletzungen.
Es empfiehlt sich, die behandelnden Ärzte oder Ergotherapeuten auf nützliche Hilfsmittel anzusprechen. Sie können einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten geben und hinsichtlich ihrer Handhabung beraten. Die hier vorgestellten und eine ganze Reihe weiterer Hilfsmittel sind im Sanitätshaus oder im Fachhandel erhältlich. Liegt eine ärztliche Verordnung über die medizinische Notwendigkeit vor, können die Kosten dafür teilweise oder ganz von der Krankenkasse übernommen werden. Ob und in welchem Umfang die Kosten für die Anschaffung von Hilfsmitteln erstattet werden, erfahren Sie von Ihrem Arzt oder Ihrer Krankenkasse.
Wirkschwankungen
Wirkschwankungen können den Alltag mit Parkinson beeinflussen. Es ist wichtig, sich über diese Schwankungen zu informieren und zu lernen, wie man damit umgehen kann.
Stimme stärken
Eine leise Stimme zählt zu den häufigsten Sprechstörungen bei Parkinson. Oft werden Betroffene von ihrem Umfeld nur schlecht verstanden, was zu sozialer Isolation führen kann. Daher ist es wichtig, die eigene Stimme zu stärken und zu trainieren. Eine morgendliche Aufwärmübung kann helfen, die Stimme in Schwung zu bringen. Dazu tief Luft holen und jeweils zehnmal hintereinander die Silben MA, MO, HA und HO laut und deutlich aussprechen. Jeden Vokal etwa drei Sekunden lang dehnen. Eine Logopädin oder ein Logopäde kann weitere Übungen empfehlen und ein individuelles Stimmtraining zusammenstellen. Die Kosten für eine logopädische Behandlung werden nach ärztlicher Verordnung in den meisten Fällen von den Krankenkassen übernommen.
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Musik als Taktgeber
Bewegung tut gut - mit und ohne Parkinson. Wenn die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, kann es schwerfallen, sich regelmäßig zu bewegen. Musik kann hier positive Effekte haben und die Freude an der Bewegung zurückbringen. Ein gleichmäßiger Rhythmus kann zum Taktgeber für Bewegungen werden, wodurch Bewegungsabläufe flüssiger werden können. Viele Selbsthilfegruppen haben musiktherapeutische Angebote im Programm, wie gemeinsames Tanzen oder das Spielen von Rhythmus-Instrumenten. Auch Ärzte oder Physiotherapeuten können geeignete Angebote nennen. Die Musiktherapie zählt bei der Behandlung von Parkinson bislang nicht zu den Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen, ist aber oft Bestandteil der aktivierenden Therapie bei stationären Behandlungen.
Parkinson? Sprechen Sie darüber!
Die ersten Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung können oft sehr unspezifisch sein. Je früher Parkinson diagnostiziert wird, desto eher ist es möglich, die Beschwerden wirksam zu behandeln und die Lebensqualität lange zu erhalten. Bei Verdacht auf Parkinson sollte man mit einem Arzt darüber sprechen. Bei Bestätigung des Verdachts erfolgt eine Überweisung zu einer neurologischen Facharztpraxis für eine weitergehende Diagnostik.
Gut vorbereitet ins Arztgespräch
Es ist wichtig, sich auf Arztbesuche gut vorzubereiten, da Parkinson bei jedem Menschen anders verläuft. Die Ärzte müssen wissen, wie es dem Patienten aktuell geht, welche Auffälligkeiten beobachtet wurden und ob die Beschwerden seit einer Therapieanpassung weniger stark oder nicht mehr vorhanden sind. Es empfiehlt sich, die Symptome im Blick zu behalten und regelmäßig Beobachtungen und Anliegen zu notieren, um im Gespräch alles erwähnen zu können.
Parkinson und Partnerschaft
Für Partner von Menschen mit Parkinson kann die Diagnose neben dem anfänglichen Schock auch eine Erklärung sein. Nun gibt es eine Ursache für bislang unerklärliche Beschwerden oder Veränderungen. Da die Erkrankung meist langsam voranschreitet und die Beschwerden sehr gut behandelt werden können, gibt es wahrscheinlich keinen Anlass, die Lebensgewohnheiten von heute auf morgen zu ändern. Es ist ratsam, sich Zeit zu nehmen, um in den neuen Lebensabschnitt mit Parkinson hineinzuwachsen. Jetzt kann auch ein guter Zeitpunkt sein, ungeklärte Themen wie Vorsorge und Versorgung zu besprechen.
Offen miteinander reden
Auch wenn die Parkinson-Erkrankung zunächst ein zentrales Thema ist, sollte die Beziehung nicht davon beherrscht werden. Es ist wichtig, offen über die Erkrankung, eigene Unsicherheiten und Zweifel zu sprechen, aber nicht zu vergessen, dass man in erster Linie ein Paar ist. Möglicherweise verursacht die Erkrankung zeitweise Irritationen in der Beziehung und im Umgang miteinander. Es ist wichtig zu bedenken, dass auch eine Partnerschaft ohne eine chronische Erkrankung wie Parkinson eine Herausforderung sein kann. Eventuelle Konflikte müssen nicht unbedingt im Zusammenhang mit der Erkrankung stehen. Mit Verständnis für die Bedürfnisse des anderen ist es leichter, auf diese einzugehen.
Gelassenheit und Verständnis
Die Parkinson-Erkrankung kann im Verlauf zu verschiedenen Beschwerden führen, darunter auch psychische Veränderungen. Manche Betroffene reagieren schnell gereizt, andere neigen eher dazu, sich zurückzuziehen. Es können auch ungewöhnliche Wahrnehmungen wie Halluzinationen oder Impulskontrollstörungen auftreten. Diese Störungen können dazu führen, dass sich der Partner in manchen Situationen nicht so verhält, wie es erwartet wird oder der Situation angemessen wäre. Das kann viel Verständnis erfordern, zumal ein Einwand oder Widerspruch die Lage oft verschlimmern kann. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass nicht man selbst der Auslöser für dieses Verhalten ist, sondern die Erkrankung. Dieses Wissen kann helfen, gelassener mit solchen Situationen umzugehen. Bei aller Unterstützung sollte man auch auf sich selbst achten und wenn nötig Hilfe in Anspruch nehmen.
Chat-Messenger in der Parkinson-Versorgung
Die optimale Parkinson-Versorgung erfordert eine gute Kommunikation zwischen Patienten, Ärzten und Therapeuten. Chat-Messenger könnten die oft ineffiziente zeitliche und örtliche Anwesenheit der Beteiligten bei Telefonaten und Gesprächen in der Praxis umgehen. Auch Leitliniengruppen empfehlen den supportiven Einsatz digitaler Gesundheitstechnologien in der Diagnosestellung.
Herausforderungen bei der Nutzung von Chat-Messengern
Leider stehen der Nutzung von Chat-Messengern in der medizinischen Kommunikation Unsicherheiten und Unerfahrenheit mit der digitalen Transformation der Medizin, die Unkenntnis des Datenschutzes und sehr heterogene Erwartungen entgegen. Unter dem Begriff „Chat-Messenger“ werden verschiedene digitale Dienste mit unterschiedlichsten Funktionskomponenten zusammengefasst, welche die Kommunikation zwischen mehreren Nutzern unterstützen. Chat-Messenger bieten dabei eine kurzfristige Informationsmöglichkeit zwischen mindestens zwei Nutzern, die primär orts- und zeitunabhängig möglich ist (asynchrone Kommunikation). Dies vereinfacht die Organisation der Kommunikation und die Teilnehmer sind bezüglich der Arbeits- oder Alltagsabläufe flexibel. Dringender Informationsaustausch ist jedoch im Vergleich zu Telefonaten oder persönlichen Gesprächen vor Ort eingeschränkt. Auch die Vertraulichkeit bzw. die Dokumentationsfähigkeit der ausgetauschten Information unterliegen aufgrund der digitalen Übertragung.
Chat-Messenger-Anwendungen weisen dabei die typischen Standardfunktionen auf: das Versenden von Textnachrichten, (aufgenommenen oder gespeicherten) Bildern und Videos sowie anderen Dokumenten- und Dateitypen.
Datenschutz und Vertraulichkeit
Die Vertraulichkeit der ausgetauschten Information ist in der Medizin ein hohes Gut. Die „ärztliche Schweigepflicht“ wird von Ärzten und Therapeuten gleichermaßen als selbstverständlich wahrgenommen, ist zudem auch zentraler Teil der medizinischen Ethik, der jeweiligen Berufsordnungen und findet sich auch im Hippokratischen Eid wieder. Auch das allgemeine Privatrecht stützt durch § 630 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Nutzung von Messengern als Teil der medizinischen Dokumentationspflicht. Nicht zuletzt durch europäische und nationale Normen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird dies nicht immer als positiver Wert empfunden, sondern auch als organisatorische Hürde, wenn es um Austausch von Gesundheitsdaten und Personenidentifikationen geht (Art. 5 DSGVO). Um eine qualitativ hochwertige und ethisch verantwortungsvolle Gesundheitsversorgung praktizieren zu können, ist der Schutz der Gesundheitsdaten eine entscheidende Voraussetzung. Aktuell bereitet die Umsetzung des angemessenen Datenschutzes im Rahmen der Nutzung von Chat-Messengern jedoch an vielen Stellen technische und juristische Probleme und führt zu mehr Fragen und Ängsten als zu praktikablen Lösungen.
Erwartungen und Hindernisse bei der Nutzung von Chat-Messengern
In einer Pilotstudie wurden mit der Parkinson-Versorgung erfahrene Neurologen und Therapeuten interviewt, um einen ersten Eindruck von den Erwartungen und Hindernissen an Kommunikationsunterstützung und Funktionalitäten der Chat-Messenger zu bekommen. Dabei wurde eine qualitative Methodik eingeführt, um sowohl die prozessualen Aspekte als auch das grundlegende Verständnis über Chat-Messenger-Funktionen zu erfassen. Die Befragungen wurden mittels Videochats durchgeführt und dauerten im Schnitt 40 Minuten. Abgefragt wurden die derzeitigen Nutzungsgewohnheiten von Chat-Messengern, aufgetretene Probleme bei Einführung sowie Vorteile während der Nutzung von Messengern. Hierzu wurde ein strukturierter Leitfaden für die Interviews entwickelt, der die Aspekte Nutzung eines Chat-Messengers und (potenzielle) Probleme bei Einführung und Nutzung abdeckte. Insgesamt wurden vier Neurologen, zwei Physiotherapeuten und eine Logopädin interviewt, wobei diese meist noch keine Erfahrung mit Chat-Messenger-Diensten in ihrem Versorgungskontext hatten, jedoch sehr wohl im privaten Bereich. Diese Befragten wurde ausgewählt, um basierend auf deren Kenntnisständen Handlungsempfehlungen formulieren zu können, die beim initialen Implementieren des Chat-Messengers in den Versorgungsprozess helfen können.
Die Ergebnisse wurden nach den Kategorien Unsicherheiten bei der Nutzung sowie Erwartungen an Chat-Messenger sortiert. Dabei zeigte sich, dass vornehmlich die Vielzahl an Datenschutzregelungen sowie die unklaren Vergütungsmöglichkeiten dieser zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeit für die Patienten Unsicherheiten bei den Befragten darstellen. Zudem wurden auch die körperlichen Voraussetzungen der Patienten hinterfragt und der Verlust essenzieller Bestandteile der Kommunikation mit Patienten (z. B. Es ist festzuhalten, dass die meisten Befragten noch keine Praxiserfahrung mit Messengern hatten, da deren Einführung durch diverse Abstimmungshindernisse und Probleme bei der Messenger-Auswahl verhindert wurde. Insbesondere sticht hier die große Unsicherheit hinsichtlich der einzuhaltenden Datenschutzregelungen gemäß der DSGVO hervor.
Bedarf an Chat-Messengern
Alle Befragten äußerten den klaren Bedarf nach Chat-Messengern als ergänzenden, bidirektionalen Kommunikationskanal mit ihren Parkinson-Patienten. Sechs von sieben Befragten haben höhere Erwartungen an den Chat-Messenger als dieser tatsächlich bieten kann. Die repräsentativ befragte Gruppe von Neurologen und Physiotherapeuten hat ein breites Interesse für diverse Themen der Digitalisierung und signalisieren das Bedürfnis nach einer verbesserten sektorenübergreifenden Kommunikation. So soll der Chat-Messenger eine flexible Kommunikation ermöglichen: Mehrere Endgeräte sollen für die Übermittlung diverser Dateiformate genutzt werden können. Auch die inhaltliche Strukturierung von Patientendaten sowie die Integration in die elektronische Patientenakte wurde von manchen der Befragten erwartet.
Technische und inhaltliche Erwartungen an Chat-Messenger
Die befragten Neurologen und Physiotherapeuten haben unterschiedliche Erwartungen an die Funktionen und Komponenten eines Chat-Messengers. Zu den technischen Erwartungen gehören:
- Austausch aller gängigen Nachrichtenformate (Bild, Video etc.)
- Austausch in Gruppen (intrakollegial und mit Patienten)
- Kommunikation über mehrere Endgeräte
- Kommunikation auch mittels Videotelefonie
- Eingabe mittels Diktierfunktion und automatischer Texterkennung
Zu den inhaltlichen Erwartungen gehören:
- Filterung der Kontaktliste (Patientenliste) nach bestimmten Variablen
- Ausspielen von informativen Beiträgen an gefilterte Patientenauswahl
- Anfertigen von Dokumenten, die die Patienteninformationen (PROMS, PREMS etc.) strukturiert darstellen
- Senden von Patientendokumenten und -informationen an die ePA
- Manuelle Archivierung für einzelne Chatverläufe
- Bereitstellung bzw.
Empfehlungen für die Nutzung von Chat-Messengern
Bevor ein Messenger als weiterer optionaler Kommunikationskanal genutzt werden kann, sollte sich der Gesundheitsberufler mit einigen Regelungen und Fragestellungen auseinandersetzen, die die Implementierung eines Messengers in die Patientenversorgung vereinfachen. Die Empfehlungen wurden größtenteils aus den Erwartungen und geschilderten Hindernissen abgeleitet, die im Rahmen der Patientenversorgung bei der Nutzung eines Chat-Messengers geschildert wurden.
Empfehlungen für Gesundheitsberufler
- Einholung von Informationen über die Möglichkeiten der Vergütung der Leistung.
- (Hier sind insbesondere der Einheitliche Bewertungsmaßstab [EBM] und die Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ] bzw. Die aufgeführten Empfehlungen wurden mit den Mitgliedern des Parkinson Netzwerk e. V. diskutiert.
Empfehlungen für Parkinson-Patienten
Neben dem Gesundheitsberufler sollte auch der Parkinson-Patient einige Voraussetzungen erfüllen, die die Nutzung eines Messengers als weiteren Kommunikationskanal ermöglichen. Im Folgenden sind daher Empfehlungen aufgelistet, auf welche die Gesundheitsberufler bei Parkinson-Patienten achten sollten, um deren Tauglichkeit für die Nutzung von Chat-Messengern einschätzen zu können. Eine entsprechende physische und psychische Verfassung des Patienten sowie eine positive persönliche Einstellung zur digitalen Kommunikation und ein gewisses technisches Wissen sollten vorhanden sein, um die Vorzüge aus der Kommunikation mittels Chat-Messenger auf die Kommunikation zwischen Gesundheitsberufler und Patienten zu übertragen. Dabei dürfen ggf. fehlende Voraussetzungen nicht erzwungen werden, um die Kommunikation mit dem Patienten über dieses Tool starten zu können. Dies hätte negative Folgen für das vertrauensvolle Verhältnis zum Patienten und würde sich nachteilig auf die Messenger-Kommunikation auswirken.
Datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung von Chat-Messengern
Während einer Patientenbehandlung oder -therapie werden Gesundheitsdaten (medizinisch relevante Informationen) erfasst, die den Patienten als spezifische Person für Dritte identifizierbar machen und deshalb als sensible Daten verstanden werden. Darunter fallen beispielsweise medizinische Diagnosen, genetische Informationen oder die Angaben zur psychische Gesundheit, die als „besonders schützenswerte personenbezogene Daten“ definiert sind. In Deutschland gilt die europäische DSGVO und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), welches die DSGVO konkretisiert und vervollständigt. Öffentliche Stellen (wie beispielsweise Praxen und Krankenhäuser) müssen sicherstellen, dass diese Daten transparent und rechtmäßig verarbeitet werden (§ 2 BDSG). Die Regelungen der DSGVO und des BDSG gelten natürlich auch für Chat-Messenger. Die wichtigsten Aspekte für die Alltagsnutzung werden im Folgenden dargelegt und in Tab. 3 zusammengefasst.
Tab. 3: Schritte zur datenschutzkonformen Nutzung von Chat-Messengern
- Der Arzt hat sich für einen Chat-Messenger-Anbieter entschieden
- Der Arzt hat eine EWE formuliert, die er bei Bedarf direkt in der Praxis/im Krankenhaus aushändigen kann
- Der Arzt behandelt einen Patienten, dessen Situation eine ergänzende Kommunikation über den Messenger grundsätzlich erlaubt
- Der Arzt nennt und erklärt dem Patienten die Möglichkeit der Kommunikation über einen Messenger
- Der Patient erhält die EWE und willigt in die Nutzung des Messengers ein
- Der Arzt prüft final die Tauglichkeit des Patienten für die Kommunikation über einen Messenger (siehe „Empfehlungen an die Auswahl geeigneter Parkinson-Patienten“)
- Der Arzt zeigt dem Patienten den automatisch generierten QR-Code, den der Patient mit seinem Smartphone abscannt und dadurch mit dem Messenger-Account des Arztes verbunden wird
- Der Arzt händigt dem Patienten ein Informationsblatt aus, welches die Funktionen des Messengers erklärt.
Technische Aspekte bei der Auswahl eines Chat-Messengers
Die Chat-Messenger-App bildet den digitalen Vernetzungspunkt zwischen Gesundheitsberufler und Patient. Bei der Auswahl des Chat-Messengers sind daher die technischen Aspekte zu beachten, die dem Datenschutz entsprechen und somit eine ethisch und technisch verantwortungsvolle Übermittlung sensibler Patienteninformationen ermöglichen. Neben diversen kommerziellen Anbietern wird derzeit auch von der gematik eine zertifizierte TI-Messenger-App in erster Entwicklungsstufe angeboten.
Tab. 4: Technische Aspekte für die Auswahl eines Chat-Messengers
- „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ für eine sichere Übertragung aller Daten
- Nach erstmaligem Öffnen der Messenger-App müssen die Datenschutzhinweise angezeigt werden und in den Einstellungen der App jederzeit nachlesbar sein
- Archivierungsfunktion einzelner Chatverläufe, um der Aufbewahrungsfrist nachkommen zu können
- Verfügbarkeit des Messengers auf den gängigen Betriebssystemen iOS und Android
- Möglichkeit der Löschung von Daten sowohl einzelner bereits übermittelter Nachrichten als auch des gesamten Accounts des jeweiligen Nutzers
- Möglichkeit der Entfremdung von Patientendaten bei intrakollegialem Austausch (z. B. durch Schneide- oder Zeichentools im Messenger)
- Der Unternehmenssitz des Messenger-Anbieters sollte innerhalb der EU sein.
Einwilligungserklärung des Patienten
Bevor ein Austausch über die Chat-Messenger-Plattform stattfinden kann, muss der Patient seine Einwilligung in die Erhebung und Verarbeitung seiner Patientendaten erklären, die während der Nutzung vom Chat-Messenger übermittelt werden (Einwilligungserklärung [EWE] - Art. 6 DSGVO). Dies gilt nicht nur gegenüber dem Hersteller des Chat-Messengers, sondern natürlich auch für die Kommunikation zwischen Patient und Arzt/Therapeut, die ebenfalls eine entsprechende EWE benötigen. Gesundheitsberufler müssen laut DSGVO „Rechenschaft ablegen“ (Art. 5 DSGVO) können, es ist ratsam diese schriftlich abzuhandeln. Die EWE ist an keine spezielle Form gebunden und sollte auch Aspekte der Nutzerfreundlichkeit („usable privacy“) einschließen.
Tab. 5: Empfehlungen für eine vom Arzt einzuholende Einwilligungserklärung vom Patienten (gem. 1. Die EWE muss vom Patienten freiwillig und unmissverständlich für den konkreten Zweck abgelegt werden
- Sowohl die Einwilligung als auch deren Widerruf…