Die Betreuung von Menschen mit Demenz stellt Krankenhäuser vor besondere Herausforderungen. Dieser Artikel beleuchtet das Konzept der Demenzversorgung im Krankenhaus, seine Definition, Umsetzungsstrategien und die damit verbundenen Herausforderungen. Dabei wird insbesondere auf das Demenzkonzept des St. Josef-Krankenhauses in Linnich eingegangen, das als Beispiel für eine gelungene Integration demenzsensibler Strukturen dient.
Einleitung
Die Zahl der älteren Patientinnen und Patienten im Krankenhaus steigt stetig, und damit auch die Zahl der Menschen mit Demenz oder leichten kognitiven Einschränkungen. Dies erfordert eine Anpassung der Krankenhausstrukturen und -prozesse, um den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht zu werden. Das Ziel ist es, Krankenhausaufenthalte für Menschen mit Demenz so angenehm und schonend wie möglich zu gestalten und gleichzeitig die behandelnden Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte zu entlasten.
Definition und Bedeutung des Demenzkonzepts im Krankenhaus
Ein Demenzkonzept im Krankenhaus umfasst alle Maßnahmen und Strukturen, die darauf abzielen, die Versorgung von Menschen mit Demenz während ihres Krankenhausaufenthalts zu optimieren. Es berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse dieser Patientengruppe und trägt dazu bei, ihre Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.
Ziele eines Demenzkonzepts im Krankenhaus
- Verbesserung der Lebensqualität: Schaffung einer Umgebung, die Sicherheit, Geborgenheit und Orientierung bietet.
- Erhalt der Selbstständigkeit: Förderung der Alltagsfähigkeiten und Vermeidung von unnötiger Abhängigkeit.
- Reduktion von Komplikationen: Vorbeugung von Delir, Stürzen, Mangelernährung und anderen Komplikationen.
- Entlastung des Personals: Unterstützung der Pflegekräfte und Ärzte durch Schulungen, Konzepte und Strukturen.
- Einbeziehung der Angehörigen: Aktive Beteiligung der Angehörigen an der Betreuung und Versorgung.
Das Demenzkonzept des St. Josef-Krankenhauses in Linnich
Das St. Josef-Krankenhaus in Linnich hat seit 2008 ein umfassendes Demenzkonzept entwickelt und umgesetzt, das als Best-Practice-Beispiel für eine demenzsensible Krankenhausversorgung dienen kann.
Entstehung und Entwicklung
Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass sich der Zustand vieler dementer Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus verschlechterte. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gegründet, die ein Konzept für die besondere Betreuung von Demenzpatienten entwickelte.
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Bausteine des Demenzkonzepts
- Demenzstation "B2": Eine speziell eingerichtete Station mit 18 Betten, die eine ruhige und stressfreie Atmosphäre bietet.
- Interdisziplinäres Team: Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten und Seelsorger, die speziell geschult sind.
- Individuelle Betreuung: Erfassung der biografischen Hintergründe, Vorlieben und Gewohnheiten der Patienten.
- Demenzsensible Umgebung: Farb- und Lichtgestaltung, wohnliche Einrichtung, Sturzprophylaxe, altersgerechte Badezimmer, Fühlwand.
- Angepasster Tagesablauf: Ausschlafen, vollständiges Ankleiden, Büfett, besondere Menüs, aktivierende Tagesbetreuung.
- Koordination von Diagnostik und Behandlung: Kurze Aufenthalte, Begleitung zu Untersuchungen und Behandlungen.
- Vermeidung von Fixierung und Sedierung: Freie Bewegung auf der Station, Einsatz von Armbändern mit Signalgebung.
- Screening auf Mangelernährung und Delir: Strukturierte Schmerzerfassung und -dokumentation.
- Familiale Pflege: Schulung, Beratung und Unterstützung der Angehörigen nach der Entlassung.
Vorteile des Demenzkonzepts
- Entlastung der Normalstationen: Geeignete Patienten werden auf die Demenzstation verlegt, was die Versorgung auf den Normalstationen verbessert.
- Verbesserte Versorgung der Patienten: Individuelle Betreuung, demenzsensible Umgebung und angepasster Tagesablauf tragen zum Wohlbefinden der Patienten bei.
- Reduktion von Komplikationen: Sturzprophylaxe, Mangelernährungsscreening und Delirmanagement helfen, Komplikationen zu vermeiden.
- Zufriedenheit der Angehörigen: Die Einbeziehung der Angehörigen und die Unterstützung nach der Entlassung tragen zur Zufriedenheit bei.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Umsetzung eines Demenzkonzepts im Krankenhaus ist mit einigen Herausforderungen verbunden.
Finanzierung
Die Finanzierung des Umbaus, der Einrichtung und des zusätzlichen Personalaufwands ist oft schwierig. Das St. Josef-Krankenhaus hat hierfür einen Förderverein, kommunale Förderprojekte und Möglichkeiten der Querfinanzierung genutzt.
Personal
Eine umfassende Betreuung erfordert motiviertes und gut ausgebildetes Personal. Das St. Josef-Krankenhaus hat Krankenschwestern zu Demenzexpertinnen ausbilden lassen und Betreuungsfachkräfte geschult. Auch Seelsorger und Physiotherapeuten sind besonders geschult.
Entgeltsystem
Das Fallpauschalen-System bildet die besonderen Leistungen der Demenzbetreuung im Augenblick in keiner Weise ab. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, um eine flächendeckende Umsetzung von Demenzstationen zu ermöglichen.
Überwindung von Skepsis
Es ist wichtig, Skepsis gegenüber unkonventionellen Möbeln und Einrichtungen abzubauen und das Gesundheitsamt von der Notwendigkeit einer demenzsensiblen Umgebung zu überzeugen.
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Nationale Demenzstrategie und Initiativen
Die Nationale Demenzstrategie hat zum Ziel, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Deutschland in allen Lebensbereichen zu verbessern. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Menschen mit Demenz, einschließlich der Schaffung demenzfreundlicher Krankenhäuser.
Maßnahmen der Nationalen Demenzstrategie
- Förderung von Good-Practice-Modellen: Durchführung einer Abfrage zu Good-Practice-Modellen, um einen Einblick in die Umsetzung auf dem Weg in demenzfreundlichere Krankenhäuser zu geben.
- Aufbau Lokaler Allianzen für Menschen mit Demenz: Förderung der Vernetzung von Partnern in Lokalen Allianzen, um durch konkrete Maßnahmen in der Kommune Einfluss darauf zu nehmen, dass Demenzkranke und ihre pflegenden Angehörigen nicht ausgegrenzt werden.
- Handreichung zu "Demenz und Krankenhäuser": Bündelung der Ergebnisse einer Fachkonferenz zum Thema „Demenz und Krankenhäuser“ in einer Handreichung, die umfangreiche Informationen sowie Verweise und Links auf Projekte, Studien, Konzepte und Internetseiten bietet.
- Informationen für Angehörige: Entwicklung einer Informationsbroschüre für demenzkranke Patienten und deren Angehörige bzw. Bezugspersonen über Herausforderungen und Möglichkeiten während eines Krankenhausaufenthaltes.
- Kampagne „Demenz-Partner werden“: Eine bundesweite Aufklärungskampagne im Rahmen der Initiative Demenz-Partner, die gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestartet wurde.
Die Rolle von Demenzbeauftragten im Krankenhaus
Demenzbeauftragte spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung eines Demenzkonzepts im Krankenhaus. Sie kümmern sich um die besonderen Belange von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen und tragen dazu bei, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit der Nebendiagnose Demenz weiter zu verbessern.
Aufgaben von Demenzbeauftragten
- Mitwirkung an einer ganzheitlich ausgerichteten Versorgung, die sich an den besonderen Bedürfnissen von Patienten mit Demenz orientiert.
- Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachabteilungen des Krankenhauses.
- Einführung und Begleitung von Projekten, Arbeitskreisen oder Qualitätszirkeln im Krankenhaus.
- Vorbeugung von Krisen und Intervention im Krisenfall.
- Beratung von Angehörigen, Pflegekräften sowie Ärztinnen und Ärzten.
- Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Multiplikatoren.
- Weiterentwicklung und Verbesserung der Dokumentation und des Überleitungsmanagements.
- Schulung von Ehrenamtlichen für die direkte Patientenbegleitung.
- Durchführung von Informationsveranstaltungen.
Checkliste für Angehörige von Menschen mit Demenz im Krankenhaus
Um den Krankenhausaufenthalt für Menschen mit Demenz so angenehm wie möglich zu gestalten, können Angehörige folgende Tipps beachten:
- Vorbereitung: Informieren Sie das Krankenhauspersonal über die Demenzerkrankung und die besonderen Bedürfnisse des Patienten.
- Begleitung: Begleiten Sie den Patienten während des Aufenthalts, um ihm Sicherheit und Orientierung zu geben.
- Informationen: Geben Sie dem Personal wichtige Informationen über die Biografie, Vorlieben und Gewohnheiten des Patienten.
- Kommunikation: Sprechen Sie langsam und deutlich, verwenden Sie einfache Sätze und wiederholen Sie wichtige Informationen.
- Geduld: Seien Sie geduldig und verständnisvoll, wenn der Patient Schwierigkeiten hat, sich anzupassen.
- Unterstützung: Bieten Sie dem Patienten Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme, Körperpflege und Mobilität.
- Beschäftigung: Sorgen Sie für Beschäftigungsangebote, die den Interessen und Fähigkeiten des Patienten entsprechen.
- Entlassung: Planen Sie die Entlassung frühzeitig und organisieren Sie die notwendige Unterstützung zu Hause.
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