Kopfverletzungen im Fußball sind ein ernstes Thema, das zunehmend in den Fokus von Forschung und öffentlicher Diskussion rückt. Obwohl der Kopfball ein integraler Bestandteil des Fußballs ist, mehren sich die Hinweise auf mögliche langfristige Auswirkungen auf die Gehirngesundheit. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse zu diesem Thema, untersucht die Risiken und stellt Präventionsmaßnahmen vor.
Einleitung
Fußball ist eine der beliebtesten Sportarten der Welt, und der Kopfball ist ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. Doch die wiederholten Stöße gegen den Kopf, die beim Kopfball entstehen, geben Anlass zur Sorge. Studien deuten darauf hin, dass selbst leichte Kopfstöße Veränderungen in der Gehirnaktivität verursachen können. Es ist daher wichtig, die potenziellen Risiken zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Gehirngesundheit von Fußballspielern zu schützen.
Aktuelle Forschungsergebnisse
Auswirkungen von Kopfbällen auf die Hirnstruktur und Lernleistung
Eine Studie, veröffentlicht in Sports Medicine - Open (2025), untersuchte die Auswirkungen von Kopfbällen auf die Hirnstruktur und Lernleistung. Die Studie begleitete 148 junge erwachsene Amateurfußballer (Durchschnittsalter 27 Jahre, 26 % Frauen) über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Teilnehmer wurden nach der Häufigkeit ihrer ausgeübten Kopfbälle in drei Gruppen eingeteilt.
Die Ergebnisse zeigten, dass viele Kopfbälle über einen Zeitraum von zwei Jahren mit Veränderungen in der Mikrostruktur des Gehirns einhergingen, die mit den Ergebnissen bei leichten traumatischen Hirnverletzungen vergleichbar sind. Eine hohe Anzahl an Kopfbällen wurde auch mit einem Rückgang der verbalen Lernleistung in Verbindung gebracht.
Auswirkungen auf die Schnittstelle zwischen grauer und weißer Substanz
In einer zweiten Studie analysierten die Forscher bei 353 Amateurfußballern (18 bis 53 Jahre alt, 27 % Frauen) die Auswirkungen von Kopfbällen auf das Gehirn. In dieser Studie wurde eine neue Technik angewandt, um die Beschaffenheit der Schnittstelle zwischen der grauen und der weißen Substanz des Gehirns näher zu bewerten.
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Die Forscher fanden heraus, dass die normalerweise "scharfe" Schnittstelle zwischen grauer und weißer Substanz nach hoher, wiederholter Belastung durch Kopfbälle abgestumpft war. Dies deutet darauf hin, dass wiederholte Kopfbälle das Gehirn schädigen können.
Langzeitstudien und Demenzrisiko
Langzeitprofis haben ein erhöhtes Risiko, Jahrzehnte nach dem Ende ihrer Karriere an einer Demenz zu erkranken. Eine britische Studie, die die Fragebögen von 468 früheren britischen Profis im Alter von über 45 Jahren auswertete, kam zu dem Ergebnis, dass Fußballer, die häufig Kopfbälle spielten, ein höheres Risiko für kognitive Störungen haben.
Die Forschenden hatten die Fußballer schätzen lassen, ob sie pro Partie oder Trainingseinheit zwischen null und fünf Kopfbällen gespielt hatten, sechs bis 15 oder mehr als 15 Kopfbälle. "Ähnliche Ergebnisse wurden bei anderen kognitiven Tests im Zusammenhang mit Demenz und Alzheimer-Krankheit beobachtet", heißt es in der Studie.
Eine Studie der Universität Glasgow aus dem Jahr 2019 sorgte für Schlagzeilen. Die Forschenden hatten die Todesursachen von über 7500 schottischen Fußballprofis ausgewertet. Feldspieler, insbesondere Verteidiger, seien gefährdeter als Torleute, hieß es sowohl in der schwedischen als auch in der schottischen Studie.
Aktuelle Studie der University of British Columbia
Eine aktuelle Studie der University of British Columbia beleuchtet, wie das Gehirn auf Kopfbälle reagiert. Dabei zeigten die Gehirnströme der Probanden kurz nach dem Kopfball eine deutliche Verlangsamung. Das Überraschende: Die Gehirnwellen ähnelten jenen, die normalerweise während des Schlafs auftreten. Solche sogenannten Delta-Wellen sind in der Regel mit Schläfrigkeit verbunden.
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Im Rahmen der Studie wurden acht gesunde Erwachsene getestet, die unter kontrollierten Bedingungen Kopfbälle durchführten. Die dabei auf den Kopf wirkenden Kräfte entsprachen denen, die normalerweise in einem regulären Fußballspiel auftreten. Die Gehirnaktivität der Teilnehmenden wurde mithilfe von Elektroenzephalographie (EEG) überwacht. Zusätzlich trugen sie einen speziellen Mundschutz, der die Bewegungen des Kopfes aufzeichnete.
Die EEG-Messungen zeigten, dass es nach dem Kopfball zu einem Anstieg der Delta-Wellen kommt. Dieser Anstieg war statistisch signifikant, wenn auch kurzzeitig. Eine erhöhte Aktivität dieser Wellen im wachen Zustand könnte die Aufmerksamkeit beeinträchtigen, was gerade im Sport problematisch ist.
Interessanterweise normalisierte sich die Gehirnaktivität der meisten Probanden relativ schnell. Das bedeutet, dass keine dauerhaften Schäden zu erwarten sind - zumindest nicht nach einem einzelnen Kopfball. Bei einigen Teilnehmenden zeigten sich jedoch ausgeprägtere Veränderungen, was auf individuelle Unterschiede in der Gehirnreaktion hinweist.
Studie über Kopfverletzungen im Juniorenfußball
Eine Studie der Universitätsklinik Regensburg analysierte, wie häufig Kopfbälle bei verschiedenen Altersklassen im Jugendfußball vorkommen und welche Verletzungen dabei auftreten. Die Ergebnisse zeigen, dass Kopfbälle bei jüngeren Kindern kaum eine Rolle spielen. Erst mit zunehmendem Alter steigt die Frequenz.
Obwohl Kopfbälle mit zunehmendem Alter häufiger werden, zeigt die Studie, dass Kopfverletzungen im Juniorenfußball selten vorkommen. Nur etwa bei jedem dritten Spiel kommt es zu einer Verletzung am Kopf, und nur ein Bruchteil dieser Verletzungen ist auf einen Kopfball zurückzuführen.
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Risikofaktoren
Wiederholte Kopfbälle
Die wiederholte Ausführung von Kopfbällen kann zu leichten Hirntraumata führen, die sich im Laufe der Zeit summieren und negative langfristige Folgen haben können. Dies gilt insbesondere für Profifußballer, die im Laufe ihrer Karriere Tausende von Kopfbällen ausführen. Studien zeigen, dass Profis bis zu 1500 Kopfbälle pro Jahr absolvieren - je nach Position.
Zusammenstöße
Zusammenstöße mit anderen Spielern oder dem Torpfosten können ebenfalls zu Kopfverletzungen führen, einschließlich Gehirnerschütterungen. Diese Verletzungen können schwerwiegende Folgen für das Gehirn haben und das Risiko für langfristige kognitive Beeinträchtigungen erhöhen.
Alter
Das sich entwickelnde Gehirn von Kindern ist anfälliger für Schäden in Folge von Schädel-Hirn-Traumata. Daher ist es wichtig, Kinder und Jugendliche vor wiederholten Kopfstößen zu schützen.
Geschlecht
Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen im Zuge von Kopfbällen vergleichsweise höhere Kopfbeschleunigungen erfahren. Dies hängt unter anderem mit anthropometrischen Unterschieden zusammen, wie beispielsweise einem geringeren Kopfumfang und einer geringeren Kopfmasse. Auch eine oftmals schwächer ausgeprägte Nackenmuskulatur kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
Präventionsmaßnahmen
Kopfballverbot im Kinder- und Jugendfußball
Einige Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um Kinder und Jugendliche vor den Risiken des Kopfballs zu schützen. In den USA gilt seit 2015 ein Kopfballverbot für junge Fußballerinnen und Fußballer bis zum Alter von zehn Jahren. In England und Schottland ist Kopfballtraining vor dem zwölften Lebensjahr untersagt.
Der DFB empfiehlt, dass der Kopfball nur dosiert eingesetzt werden soll, ein grundsätzliches Verbot gibt es hier aber nicht. Stattdessen setzt der DFB in seinen Leitlinien auf eine Reduktion der Kopfballhäufigkeit in jüngeren Altersklassen. Einerseits wurden vor allem Spielformen mit reduzierter Spielfeldgröße eingeführt, bei denen kaum Kopfbälle vorkommen. Andererseits sollen die Spielerinnen und Spieler die korrekte Kopfballtechnik möglichst risikofrei erlernen - hierbei werden unter anderem Luftballons und Schaumstoffbälle eingesetzt.
Dosiertes Training
Auch im Erwachsenenfußball ist es wichtig, die Anzahl der Kopfbälle im Training zu reduzieren. Trainer sollten darauf achten, dass die Spieler nicht zu viele Kopfbälle auf einmal ausführen und ausreichende Pausen einlegen. Im Jugendsport können kleine und leichtere Bälle eingesetzt werden, man kann Flanken aus kürzerer Distanz und weniger scharf schießen. In Schottland gibt es auch Einschränkungen für Profis: Am Tag vor und nach einer Partie dürfen sie im Training keine Kopfbälle spielen.
Richtige Kopfballtechnik
Eine gute Kopfballtechnik kann dazu beitragen, die Belastung des Gehirns zu reduzieren. Spieler sollten lernen, den Ball mit der Stirn zu treffen und den Kopf nicht zu überstrecken. Jan Kern, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, untersucht den „Einfluss von Kopfbällen auf Hirnfunktion und -struktur" und betont die Wichtigkeit der korrekten Kopfballtechnik.
Erkennung und Behandlung von Kopfverletzungen
Es ist wichtig, Kopfverletzungen frühzeitig zu erkennen und richtig zu behandeln. Schiedsrichter der ersten und zweiten Liga können das Spiel für maximal drei Minuten unterbrechen, um eine erste Diagnose am Spielfeldrand durchzuführen. Andreas Max Eidenmüller, Neuropsychologe in Würzburg, bemängelt jedoch, dass diese Option nicht ausreichend genutzt wird.
Bei Verdacht auf eine Gehirnerschütterung sollte der Spieler sofort vom Feld genommen und ärztlicher Rat eingeholt werden. Eine Wiederaufnahme des Trainings sei frühestens nach einer Woche ratsam, nach Abstimmung mit einer fachkundigen Person und unter Beachtung eines Stufenplans.
Baseline-Untersuchungen
In mittlerweile verbreiteten Baseline-Untersuchungen testet das Medizin-Personal schon vor der Saison die kognitiven und reaktiven Fähigkeiten der Profis. Dies ermöglicht es, Veränderungen nach einer Kopfverletzung besser zu erkennen.
Biomarker-Forschung
Australische Forschende haben in einer Langzeitstudie mit Australian Football-Spielern zwei Proteinbiomarker untersucht, die für den Wiedereinstieg eines verletzten Sportlers relevant sind. Das zweite Protein, Neurofilament Light (NfL) zeigt sich erst nach einer Woche mit erhöhten Werten auffällig, blieb aber dann bis zu 12 Wochen lang erhöht. Erst nachdem diese beiden Biomarker wieder normale Werte zeigen, wird ein Trainingsstart empfohlen.
Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE)
CTE ist eine seltene fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns, die durch viele wiederholte Mikrotraumen entsteht. Folglich entsteht eine abnorme Anhäufung des Tau-Proteins im Gehirn. Die sogenannte Tauopathie ist auch bei Morbus Alzheimer und weiteren degenerativen Erkrankungen des Gehirns kennzeichnend. Obwohl CTE vor allem mit Sportarten wie Boxen und American Football in Verbindung gebracht wird, gibt es auch Hinweise darauf, dass Fußballspieler ein erhöhtes Risiko für CTE haben könnten.
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