Körperliche Übungen für das Gehirn: Vorteile und wie sie funktionieren

Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass Bewegungspausen Müdigkeit vertreiben und die Konzentrationsfähigkeit verbessern können. Aber wie lassen sich diese Effekte erklären, und welche Rolle spielen Sport und das Erlernen neuer Bewegungen für die Gedächtnisleistung? Dieser Artikel untersucht die vielfältigen Vorteile körperlicher Übungen für das Gehirn, von der Verbesserung der kognitiven Funktionen bis hin zur Vorbeugung neurodegenerativer Erkrankungen.

Die Auswirkungen von Sport auf das Gehirn

Sport hat eine unbestreitbare positive Wirkung auf das Gehirn. Er verbessert das Erinnerungsvermögen, macht glücklich und entspannt. Prof. Stefan Schneider von der Deutschen Sporthochschule Köln erklärt, was beim Sport im Gehirn passiert: Sport aktiviert in erster Linie den motorischen Kortex, eine Region in der Mitte unseres Gehirns. Spezifische Areale innerhalb dieses Bereichs sind über Nervenbahnen direkt mit den Muskeln verbunden und sprechen dann ganz konkret die Muskeln an, die gerade gebraucht werden. Die richtige Koordination kommt dadurch zustande, dass die entsprechenden Muskeln im richtigen Moment und vor allem in der richtigen Intensität vom motorischen Kortex angesprochen und daraufhin angespannt werden. Je öfter wir etwas üben, desto gefestigter sind die Befehle aus dem Gehirn und desto besser sind wir in einer bestimmten Bewegung.

Sport und Glücksgefühle

Die körperliche Aktivität fordert vorrangig das Bewegungszentrum und deaktiviert andere Bereiche, zum Beispiel jene, die für Problemlösen und Lernen zuständig sind. Grübelgedanken werden während des Sports also ausgeschaltet, und aktivierende Gefühle wie Wut oder Stress werden kanalisiert. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, die Stoffe, die unser Körper bei Stress ausschüttet, werden im Sport gezielt genutzt.

Psychohygienische Wirkung von Sport

Sport hat bei Stress und Reizüberflutung eine psychohygienische Wirkung. Gedanken kommen zur Ruhe, und die kognitiven Bereiche können regenerieren. Auch bei Traurigkeit und Depression kann Sport helfen. Bewegung wird in der Therapie eingesetzt, allerdings bringt eine Depression ja auch einen großen Mangel an Motivation mit sich. Für Betroffene ist es daher nicht leicht, überhaupt mit dem Sport anzufangen. Aber wenn sie es einmal geschafft haben, ist Bewegung wirklich ein sehr wirksames Mittel.

Das Runners High

Beim intensiven Training kann das Phänomen des "Runners High" auftreten, bei dem sich der Körper leicht anfühlt und wir uns unheimlich gut fühlen. Dies geschieht, wenn der Körper Endorphine oder Endocannabinoide produziert, um Schmerzen zu lindern. Es ist eine tolle Einrichtung der Natur und per se auch nicht ungesund. Aber Achtung, wenn Sie es erleben, sind Sie schon an eine gewisse Belastungsgrenze gelangt.

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Sport und Lernfähigkeit

Denken, lernen und Probleme lösen funktionieren dann am besten, wenn die dafür zuständigen Hirnareale ausgeruht sind. Weil unser Gehirn nur begrenzt Ressourcen zur Verfügung hat, werden während intensiver körperlicher Arbeit die hierfür irrelevanten Areale quasi in einen Standby-Modus gebracht. Nach dem Sport stehen dann wieder alle Ressourcen zur Verfügung - ähnlich wie ein Rechner, den man bei Überlastung herunterfährt. Anschließend kann die Energie dann ganz in die kognitive Leistung fließen.

Bestimmte Wachstumshormone (die sogenannten neurotrophen Faktoren) werden durch Sport vermehrt gebildet und passieren dann die Blut-Hirn-Schranke. Im Tier-Experiment wurde das bereits nachgewiesen. Am Menschen aber noch nicht. Im Gehirn führen die Stoffe dazu, dass neue Nervenzellen ausgebildet werden oder dass sie sich stärker miteinander vernetzen. Wenn dann also nach dem Sport Wissen aufgenommen wird, wirken die neurotrophen Faktoren wie ein Dünger für unsere Lernfähigkeit.

Ältere Menschen, die sich mehr bewegen, haben auch ein geringeres Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Sport und Bewegung vermitteln körperliches Selbstvertrauen. Damit ausgestattet sind wir aktiver und agiler. Die selbstständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben - Freunde treffen, mit den Enkeln spielen, Reisen usw. - ist das beste Training für unser Gehirn, weil es alle Bereiche trainiert. Grundlage dafür ist aber körperliche Fitness. Eine indirekte Wirkung von Sport und Bewegung also. Wer rausgeht, einkauft, Sport an der frischen Luft treibt, trifft Leute, sieht und erfährt Neues. So bleibt das Gehirn fit!

Sport-Hirn-Missverständnisse

Sport sorgt zwar für eine bessere Durchblutung des Gehirns, aber für die kognitive Leistung hat das keine Bedeutung. Wenn die Durchblutung allein entscheidend wäre, würde Schule im Kopfstand stattfinden. Sport ist eine Belastung. Auch wenn wir uns heutzutage viel weniger bewegen müssen, ist es tief in uns eingespeichert, dass körperliche Aktivität Energie verbraucht. Die Evolution hat uns gelehrt, Energie zu sparen, die wir für die Jagd oder die Flucht benötigen. Daher kommt der innere Schweinehund. Wichtigste Regel, um also die Lust am Sport zu behalten: Er muss Spaß machen! Wer sich quält, wird sicher die Freude am Sport verlieren.

Wie Krafttraining das Gehirn stärkt

Regelmäßiges Krafttraining stärkt nicht nur die Muskeln, sondern auch das Gehirn. Dies geschieht durch verschiedene Mechanismen:

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  1. Neurotrophine: Während des Trainings werden Neurotrophine freigesetzt, wie der Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF).
  2. Angiogenese: Krafttraining stimuliert die Bildung neuer Blutgefäße im Gehirn (Angiogenese).
  3. Neurotransmitter: Die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin wird durch körperliche Aktivität beeinflusst.
  4. Reduktion chronischer Entzündungen: Chronische Entzündungen können die Gehirnfunktion beeinträchtigen. Krafttraining hilft dabei, Stress abzubauen und die Stimmung zu verbessern.

Prinzipiell sind alle Übungen, die die großen Muskelgruppen ansprechen, gut für das Gehirn. Dazu gehören beispielsweise Kniebeugen, Liegestütze, Kreuzheben und Schulterdrücken.

Die Plastizität des Gehirns und die Rolle des Trainings

Das Gehirn ist ein plastisches Organ, das sich durch Lernen und Erfahrungen verändern kann. Körperliches Training stellt eine solche Herausforderung dar und fördert das Wachstum neuer Neuronen sowie die Bildung von Verbindungen zwischen ihnen. Krafttraining hat den zusätzlichen Vorteil, dass es die Produktion von Wachstumshormonen im Gehirn anregt. Diese Hormone fördern die Bildung von Myelin, einer Substanz, die die Neuronen im Gehirn schützt und verbessert. Ausdauertraining hingegen verbessert die Durchblutung des Gehirns und sorgt somit für eine ausreichende Sauerstoff- und Nährstoffversorgung, die für eine optimale Gehirnfunktion unerlässlich ist.

Empfehlungen für ein gehirnfreundliches Training

Ein guter Ansatz ist es, sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining in deinen Trainingsplan zu integrieren. Beim Krafttraining geht es darum, die Muskeln durch Widerstandstraining zu stärken. Das kann zum Beispiel mit Hanteln, Kettlebells oder dem eigenen Körpergewicht erfolgen. Wichtig ist, dass du deine Muskeln mit der richtigen Intensität beanspruchst. Das Ausdauertraining hingegen verbessert die Durchblutung des Gehirns und sorgt somit für eine optimale Sauerstoff- und Nährstoffversorgung. Du kannst Ausdauertraining in Form von Laufen, Radfahren, Schwimmen oder anderen kardiovaskulären Aktivitäten durchführen.

Körperliche Fitness und Hirnvolumen: Eine Studie

Eine Studie des DZNE und der Universitätsmedizin Greifswald analysierte Daten von mehr als 2.000 Erwachsenen und stellte fest: je besser die körperliche Fitness, umso größer das Hirnvolumen. Die maximale Sauerstoff-Aufnahme, die im Rahmen eines Belastungstests auf dem Fahrrad-Ergometer ermittelt wurde, stand in positivem Zusammenhang mit dem Hirnvolumen. Der Effekt betraf nicht nur das Gesamtvolumen, sondern auch einzelne Hirnbereiche, die für das Gedächtnis sowie für emotionales und belohnungsbezogenes Verhalten wichtig sind. Mit dem sogenannten Hippocampus ist auch eine Hirnregion dabei, die bei einer Alzheimer-Erkrankung involviert ist.

Die Daten stützen die Hypothese, dass die kardiorespiratorische Fitness zu einer verbesserten Gehirngesundheit und einem verlangsamten altersbedingten Abbau der Hirnmasse beitragen könnte. Um die kardiorespiratorische Fitness zu verbessern, wird körperliche Aktivität dringend empfohlen und sollte Teil von Präventionsprogrammen sein, um einen gesunden Lebensstil zu führen.

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Einschränkungen der Studie

Der statistische Zusammenhang zwischen Fitness und Hirnvolumen sagt nichts über die Ursachen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Größe mancher Hirnareale in der Weise auf die Hirnfunktion auswirkt, dass die Betreffenden besonders motiviert sind, Sport zu treiben und deshalb körperlich fitter sind. Andere Studien legen gleichwohl nahe, dass regelmäßiges körperliches Training das Hirnvolumen vergrößern kann. Durch Sport werden erwiesenermaßen körpereigene Substanzen freigesetzt, die dem Verlust von Nervenzellen entgegenwirken können. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass körperliche Aktivität die Neubildung von Nervenzellen anregen kann. Die Studie fand einen Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness und Hirnvolumen nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei älteren Erwachsenen.

Intervalltraining (HIIT) und seine Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit

Hochintensives Intervalltraining (HIIT) verbessert nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch zentrale geistige Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und mentale Flexibilität. Eine Studie, die im Magazin Scientific Reports veröffentlicht wurde, analysierte 20 randomisierte kontrollierte Studien und fand heraus, dass HIIT die Informationsverarbeitung, exekutive Funktionen und das Gedächtnis verbessert. Interessanterweise profitierten verschiedene Altersgruppen unterschiedlich:

  • Informationsverarbeitung: Verbesserungen traten hauptsächlich bei Personen über 60 Jahren auf.
  • Mentale Steuerungsfunktionen: Bei den geistigen Fähigkeiten, die uns helfen, Dinge zu planen, unsere Aufmerksamkeit zu lenken, uns zu konzentrieren und flexibel auf neue Situationen zu reagieren, zeigten alle Altersgruppen positive Effekte.
  • Gedächtnis: Der positive Effekt war bei Personen zwischen 30 und 60 Jahren am größten.

Eine weitere Meta-Analyse, die 2025 in Frontiers in Physiology veröffentlicht wurde, untersuchte speziell die Wirkung von hochintensivem Intervalltraining (HIIT) bei älteren Erwachsenen und Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Im Vergleich zu moderatem Ausdauertraining schnitt HIIT deutlich besser ab, wenn es um die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und exekutive Funktionen ging.

HIIT als nicht-medikamentöse Möglichkeit zur Stärkung kognitiver Reserven

Die Forscherinnen und Forscher kommen zu dem Schluss, dass HIIT eine wirkungsvolle, nicht-medikamentöse Möglichkeit darstellt, kognitive Reserven zu stärken - besonders bei Risikogruppen wie älteren Menschen oder Personen mit beginnender geistiger Beeinträchtigung. Entscheidend ist dabei, Trainingsprogramme individuell anzupassen, um sowohl biologische als auch mentale Ressourcen optimal zu fördern.

Bewegung im Alltag integrieren

Neben gezieltem Sport hält auch Bewegung im Alltag Körper und Geist fit. Ein Spaziergang, Treppensteigen oder Gartenarbeit - jede Bewegung bringt den Kreislauf in Schwung, versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und stärkt die geistige Fitness.

Tipps für mehr Aktivität im Alltag:

  • Öfter zu Fuß gehen oder das Rad nehmen - kurze Strecken aktiv zurücklegen hält in Schwung.
  • Die Treppe nehmen statt den Aufzug - das kräftigt Muskeln und verbessert das Gleichgewicht.
  • Freizeit aktiv gestalten - mit Freunden spazieren, im Garten werkeln oder draußen Zeit verbringen.

Der Einstieg fällt leichter mit kleinen Schritten.

Bewegung bei Demenz

Bewegung hält das Gehirn aktiv und kann helfen, den Krankheitsverlauf von Menschen mit Demenz zu verlangsamen. Auch depressive Symptome, die oft als Begleiterscheinung einer Demenz auftreten, können durch Bewegung positiv beeinflusst werden. Wer sich bewegt, fühlt sich sicherer, spürt seinen Körper und bleibt besser in Kontakt mit seiner Umgebung. Besonders in Gruppen kann Aktivität Lebensfreude schenken und das Gefühl stärken, dazuzugehören.

Empfehlungen für Menschen mit Demenz:

  • Kraft- und Ausdauertraining verbessert die Durchblutung des Gehirns und kann helfen, kognitive Fähigkeiten länger zu erhalten.
  • Sanfte Bewegungsformen wie Yoga oder Tai-Chi fördern Balance und Konzentration und geben innere Ruhe.
  • Musik und Bewegung - etwa Tanzen oder im Takt klatschen - können Erinnerungen wecken und helfen, sich leichter zu bewegen.

Menschen mit Demenz müssen keine neuen Sportarten erlernen - wer schon immer gerne spazieren gegangen ist, sollte dies auch weiterhin tun. Es muss nicht perfekt sein - Hauptsache, es fühlt sich gut an. Ein kurzer Spaziergang, ein paar Tanzschritte in der Küche oder gemeinsames Gärtnern: Oft sind es die vertrauten Bewegungen, die Sicherheit geben und Freude machen. Wer sich früh mit dem Thema Bewegung und Demenz auseinandersetzt, kann viel für seine eigene Gesundheit tun.

Gehirntraining jenseits von Sport

Neben körperlicher Aktivität gibt es auch andere Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren. Prof. Emrah Düzel, Direktor am Institut für kognitive Neurologie und Demenzforschung, betont, dass es wichtig ist, eine bestimmte Fertigkeit zu trainieren, zum Beispiel, sich Telefonnummern zu merken. Alles, was neu ist, weckt das Gehirn auf. Versuchen Sie zum Beispiel einmal, einen Text zu lesen, wenn Sie ihn falsch herum halten. Oder eine Handvoll Zeilen darauf durchgehen, wie oft der Buchstabe „n“ auf ein „e“ folgt. Das Gehirn mag keine Routine.

Tipps für Gehirntraining im Alltag:

  • Lesen Sie Bücher oder Artikel zu Themen, die Sie interessieren.
  • Lernen Sie eine neue Sprache oder ein neues Instrument.
  • Spielen Sie Denkspiele wie Schach oder Sudoku.
  • Nehmen Sie an Kursen oder Workshops teil, um neue Fähigkeiten zu erlernen.
  • Pflegen Sie soziale Kontakte und führen Sie anregende Gespräche.

Gehirntraining ist eine Hilfe, wenn man im Alltag zu wenig gefordert ist. Das kann zum Beispiel Menschen betreffen, die länger in eine Reha müssen oder Ältere, die nicht mehr so mobil sind. Für ältere Menschen eignen sich Übungen mit einem großen Blatt Papier und einem Stift gut. Ein Beispiel: auf einem Blatt verteilt stehen viele Buchstaben, sie müssen in alphabetischer Reihenfolge durchgestrichen werden. Mit solchen einfacheren Übungen geht es los. Danach darf es auch etwas anstrengender werden, wenn etwa eine einfache Skizze aus dem Gedächtnis nachgezeichnet wird. Auch gegenseitiger Kontakt aktiviert das Gehirn. Letztlich ist ein interessantes Gespräch das beste Gehirntraining. Man hört hin und reagiert auf das Gesagte. Das erfordert Kreativität, Flexibilität, Merkfähigkeit.

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