Krampf unter dem Kinn: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

«Krisenmodus» war das Wort des Jahres 2023. Ein Begriff, der sich in erster Linie auf das Weltgeschehen bezog, aber auch auf politische Entscheidungen im eigenen Land und für viele auch auf den persönlichen Mikrokosmos. Den Menschen bleibt nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeissen und sich in ihrem Alltag zu arrangieren, ungeachtet neuer Vorschriften, finanzieller Einschränkungen und einer globalen Unsicherheit.

Kieferschmerzen sind jedoch keine Seltenheit und können viele Ursachen haben. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, die Ursachen von Krämpfen unter dem Kinn zu verstehen und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Bruxismus: Ursache für Krämpfe unter dem Kinn

Wer die Zähne aufeinanderbeisst, spannt dazu zahlreiche Muskeln an, nicht nur die Kiefermuskulatur, sondern auch die Hals- und Nackenmuskeln. Besonders bei Scherbewegungen der Zähne gegeneinander, dem nächtlichen Zähneknirschen, auch Bruxismus genannt, entstehen durch die muskuläre Dauerkontraktion Verspannungen der Kiefer-, Hals- und Nackenmuskulatur sowie oft weitere Beschwerden.

Bruxismus ist definiert durch ungewollte episodische und repetitive Kiefermuskelkontraktionen. Charakteristisch ist dabei das nächtliche Reiben der Zähne gegeneinander, wodurch es zu Zahnschmelzschäden und Schäden der Zahnhartsubstanz bei unbewusster Aktivität der Kiefermuskulatur kommen kann. Die Prävalenz des nächtlichen Bruxismus beträgt beim Kind bis zu 20%, beim Erwachsenen 3%. Die Lebenszeitprävalenz liegt allerdings bei bis zu 50%, das heisst, jeder zweite Erwachsene erlebt Phasen von nächtlichem Knirschen, meist im Zusammenhang mit Stress, Ängsten etc. Bei Kindern ist das nächtliche Zähneknirschen bis zum Durchbrechen der ersten bleibenden Zähne in der Regel unbedenklich. Der physiologische Zahnkontakt beschränkt sich auf 20 Minuten am Tag: den Kauvorgang beim Essen. Ansonsten sind bei geschlossenem Mund die Zähne geöffnet. Bruxismus ist ein komplexes medizinisches Phänomen, das nicht auf eine Handvoll Ursachen reduziert werden kann. Seine Ursachen setzen sich aus dem individuellen Befinden, dem Lebensstil und dem Umfeld des Betroffenen zusammen. Bruxismus gilt als eines der ersten Symptome von Kiefergelenkserkrankungen.

Ursachen und Zusammenhänge bei Krämpfen unter dem Kinn

Ein wichtiger Aspekt ist das Verständnis der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Körperbereichen. Da die Hals- und Kiefermuskulatur über sogenannte Muskelketten mit der Rücken- und Hüftmuskulatur verbunden ist, wirken sich Verspannungen des einen Bereichs auch negativ auf den jeweils anderen aus.

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Natürliches Gebiss und Bisslage

Bei einem fehlerhaften Biss oder einer Non-Okklusion der Kiefer wird die Entstehung von Bruxismus gefördert, indem die obere und untere Zahnreihe gegeneinander reiben, weil die Zähne nicht genügend Platz haben, um sich korrekt einzufügen. Daraus resultiert ein erhöhter Muskeltonus, der an das Kiefergelenk übertragen wird und die Kaumuskulatur fehlbe- bzw.

Wenn ein einheitlicher Zusammenbiss zwischen Ober- und Unterkiefer nicht möglich ist, liegt die Ursache unter Umständen im natürlichen Gebiss, z.B. bei verlagerten Weisheitszähnen, die gegen die Zahnreihe drücken und die Bisslage verändern. Bereits eine Abweichung von 0,01mm kann vom Kiefergelenk wahrgenommen werden. Bruxismus ist ein Frühsymptom einer Dysfunktion des kraniomandibulären Systems. Der Begriff «System» soll unterstreichen, dass es sich um eine Störung handelt, die den Kauapparat im komplexen Zusammenwirken mit seinem umgebenden System, dem Muskel-Faszien-Apparat, den Kopfgelenken und der Halswirbelsäule betrifft. Daher sind auch die Symptome vielschichtig.

Neurologische und psychogene Faktoren

Insbesondere für Wachbruxismus werden Zusammenhänge mit neurodegenerativen Erkrankungen beschrieben. Ursache können auch zerebrale Durchblutungsstörungen oder zerebrale Blutungen sein.

Ursächlich für Bruxismus können auch zentralneurologische und psychogene Faktoren sein, wie beispielsweise starke seelische und geistige Anspannung, körperlicher und emotionaler Stress, Depressionen oder Angstzustände. Diese werden während des Schlafs, in der Zeit, in der das Bewusstsein ruht, verarbeitet. Auch Reize aus der Umwelt (z.B.

Kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Eine häufige Ursache für Kiefergelenkschmerzen ist eine Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). CMD bezieht sich auf eine Fehlfunktion des Kiefergelenks und der umliegenden Muskulatur. Die Ursachen sind vielfältig, gehen aber alle auf Verspannungen der Kau-, Kopf- und Gesichtsmuskulatur zurück. Diese treten zum Beispiel auf, wenn der Zahnersatz schlecht sitzt oder mit den Zähnen geknirscht wird.

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Bei der craniomandibulären Dysfunktion (auch als Myoarthropathie bezeichnet) sind das Kiefergelenk oder die Kaumuskulatur betroffen, insbesondere der Masseter-Muskel (gut tastbar beim Zubeißen und Entspannen am Kieferwinkel schräg unter dem Ohrläppchen) und der Schläfenmuskel. Das Kiefergelenk besteht aus Ober- und Unterkiefer sowie einem dazwischen liegenden Knorpelscheibchen, auf dem der Gelenkanteil des Unterkiefers bei Unterkieferbewegungen entlanggleitet. Veränderungen des Knorpelscheibchens können zu Knackgeräuschen des Unterkiefers führen, die jedoch häufig nicht schmerzhaft sind und nicht behandelt werden müssen. Anhaltende Schmerzen können einerseits durch Verschleiß oder entzündliche Veränderungen des Kiefergelenks verursacht werden, andererseits durch Verspannungen der Kaumuskulatur, z.B. durch Zähnepressen oder -knirschen, was häufig stressbedingt ist. Dabei kann es auch zu ausstrahlenden Schmerzen in andere Gesichtsbereiche und die Zähne kommen. Häufig ist dieser Kopfschmerz am Morgen am stärksten ausgeprägt (da das Knirschen sehr häufig in der Nacht geschieht) und schläfenbetont. Er kann einseitig betont sein.

Weitere mögliche Ursachen

  • Verspannungen der Kiefermuskulatur: Diese können durch Stress, eine schlechte Körperhaltung oder andere Faktoren verursacht werden.
  • Entzündungen: Zahnfleischentzündungen, Mittelohrentzündungen, Nasennebenhöhlenentzündungen oder Kieferhöhlenentzündungen können Kieferschmerzen verursachen.
  • Krankheiten: In seltenen Fällen können Kieferschmerzen ein Hinweis auf Krebs im Kiefer- oder Mundbereich, Trigeminusneuralgie oder Osteomyelitis sein.
  • Unfälle: Verletzungen im Gesicht oder Kieferbereich können zu Kieferschmerzen führen.
  • Zahnspangen: Das Tragen einer Zahnspange kann Kieferschmerzen verursachen, insbesondere wenn die Spange neu eingesetzt oder justiert wird.
  • Alkohol: Beim Alkoholkonsum entspannt sich die Muskulatur im Kiefer, was zu Schmerzen führen kann.

Symptome und Diagnose

Die Symptome von Krämpfen unter dem Kinn können vielfältig sein:

  • Schmerzen: Die Schmerzen können einseitig oder beidseitig auftreten und von unterschiedlicher Intensität sein. Sie können bis zum Ohr ziehen oder vom Ohr ausgehen.
  • Verspannung der Kaumuskulatur: Dies ist oft ein Hinweis auf Stress oder Fehlbelastung.
  • Kiefergelenkgeräusche: Knacken oder Knirschen im Kiefergelenk.
  • Einschränkungen der Mundöffnung: Schwierigkeiten beim Öffnen des Mundes, insbesondere beim Gähnen.
  • Kopfschmerzen: Oftmals morgens am stärksten ausgeprägt.
  • Ohrenschmerzen: Insbesondere bei Entzündungen in der Nähe des Ohres.
  • Schluckbeschwerden: Können auf eine Verspannung oder Blockade des Kiefergelenks hindeuten.
  • Verspannung der Schulter-Nackenmuskulatur: Ein weitverbreitetes Symptom.
  • Tinnitus und Schwindel: In manchen Fällen.

Diagnose

Um die Ursache der Kieferschmerzen zu ermitteln, ist eine sorgfältige Diagnostik erforderlich. Diese umfasst in der Regel:

  • Ärztliche Befragung (Anamnese): Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
  • Körperliche Untersuchung: Abtasten der Kaumuskulatur, Überprüfung der Mundöffnung und der Kiefergelenkbeweglichkeit.
  • Zahnärztliche Untersuchung: Beurteilung des Gebisses, der Bisslage und des Zustands der Zähne.
  • Röntgenaufnahmen: Zur Beurteilung der Kiefergelenke und des Knochenbaus.
  • Manuelle Strukturanalyse: Zur genauen Abklärung von Kiefergelenkgeräuschen.
  • Weitere Untersuchungen: In einigen Fällen können weitere Untersuchungen wie eine Kernspintomografie (MRT) oder eine Computertomografie (CT) erforderlich sein.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung von Krämpfen unter dem Kinn richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.

Konservative Behandlung

  • Aufbissschienen: Am häufigsten werden individuell vom Zahnarzt oder Kieferorthopäden angepasste, herausnehmbare Knirscherschienen aus festem Kunststoff nachts getragen. Sie tragen dazu bei, dass eine natürliche Okklusion wiederhergestellt und die Zahnsubstanz geschützt wird. Ausserdem werden die Kiefergelenke und die umgebende Muskulatur entlastet.
  • Manuelle Therapie und Osteopathie: Für die Behandlung der kraniomandulären Dysfunktion (CMD) gibt es im Bereich der manuellen Medizin, der manuellen Therapie und der Osteopathie Zusatzausbildungen, die den Therapeuten auch kompetente und wirkungsvolle intraorale Behandlungen ermöglichen. Diese sind in Verbindung mit Aufbissschienen sehr effektiv.
  • Automobilisationstechniken: Es gibt einfach zu erlernende Automobilisationstechniken, die den Gelenkbinnendruck des Kiefergelenks reduzieren, damit der Druck auf die Zähne und die absteigende Muskel-Faszien-Kette reduziert wird.
  • Physiotherapie (Krankengymnastik): Bewirkt bei muskulären Beschwerden sehr häufig eine Besserung, ebenso wie Eigenmassage der Kaumuskulatur durch den Patienten. Wichtig ist dabei, dass gezielte Eigenübungen erlernt werden, die dann täglich vom Betroffenen selbst durchgeführt werden.
  • Wärme- oder Kälteanwendungen: Wärme wird als eine Wohltat bei Kieferschmerzen empfunden und hilft, die Muskeln im Kieferbereich zu entspannen. Hierfür eignen sich zum Beispiel warme Wickel oder eine Wärmflasche, die auf die betroffene Stelle gelegt werden. Auch ein warmes Bad sorgt für Entspannung. Kälte hingegen kann mögliche Schwellungen reduzieren.
  • Entspannungstechniken: Empfehlenswert sind auch das Erlernen der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson sowie ein gezielter Umgang mit Stress. Bei besonderen Belastungsfaktoren ist die Inanspruchnahme einer psychologischen Beratung, ggf. auch eine psychotherapeutische Betreuung, sinnvoll.
  • Schmerzmittel: Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol oder Aspirin können eine wirksame Möglichkeit zur Linderung der Kieferschmerzen sein. In einigen Fällen kann eine kurzfristige Behandlung mit Cortisonpräparaten zur Schmerzbekämpfung beitragen.

Medikamentöse Behandlung

  • Muskelrelaxanzien: Zur Entspannung der Kaumuskulatur.
  • Antidepressiva: In niedriger Dosierung können trizyklische Antidepressiva als Nebeneffekt etwas entspannen, aber auch müde machen.
  • Botox-Injektionen: In schwerwiegenden Fällen von Kieferschmerzen kann auch eine Behandlung mit Botox in Betracht gezogen werden. Durch die Injektion von Botox in die betroffene Muskulatur wird diese gelähmt, was für eine Linderung der Beschwerden sorgt. Diese Methode kann besonders effektiv bei Fällen von Bruxismus (Zähneknirschen) oder unkontrolliertem Zähneknirschen während des Schlafes sein.

Operative Behandlung

  • Kiefergelenkspülung (Arthroskopie): Bei Kiefergelenkserkrankungen kann eine Kiefergelenkspülung helfen, Entzündungen zu reduzieren und die Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern.
  • Chirurgische Eingriffe: In seltenen Fällen, z.B. bei Tumoren oder schweren Kieferfehlstellungen, kann eine Operation erforderlich sein.

Prävention

Einige Massnahmen können helfen, Krämpfen unter dem Kinn vorzubeugen:

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  • Stressreduktion: Stress ist ein häufiger Auslöser für Bruxismus und Kieferverspannungen. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist wichtig für die Gesundheit der Zähne und des Kiefergelenks. Vermeiden Sie übermässigen Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln und Getränken.
  • Regelmässige Bewegung: Bewegung hilft, Verspannungen abzubauen und die Muskulatur zu stärken.
  • Gute Körperhaltung: Eine gute Körperhaltung entlastet das Kiefergelenk und die Kaumuskulatur.
  • Zahnärztliche Kontrollen: Regelmässige zahnärztliche Kontrollen sind wichtig, um Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
  • Vermeidung von Parafunktionen: Vermeiden Sie übermässiges Kaugummikauen, Zähneknirschen und andere Parafunktionen.

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