Kryptogener Schlaganfall: Leitlinie und aktuelle Therapieansätze

Ein kryptogener Schlaganfall stellt eine besondere Herausforderung in der Neurologie dar. Die Diagnose "kryptogener Schlaganfall" betrifft häufig jüngere Patientinnen und Patienten, bei denen ein Hirninfarkt in diesem Alter eher selten auftritt. Etwa 30 Prozent aller Schlaganfälle bleiben trotz moderner Diagnoseverfahren ungeklärt. Um diese Patientinnen und Patienten optimal zu versorgen, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kompetenzzentren

In spezialisierten Zentren arbeiten Kliniken für Kardiologie, Neurologie, Hämatologie und Onkologie sowie Gefäßzentren eng zusammen. Diese Kompetenzzentren haben sich zum Ziel gesetzt, neurologische Störungen im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sorgfältig zu analysieren und effektive Therapien zu entwickeln.

Ursachen und Diagnose

Bei angeborenen oder erworbenen Defekten der Vorhofscheidewand, wie dem persistierenden Foramen ovale (PFO) oder Atrium-Septum-Defekten (ASD), können Schlaganfälle entstehen. Insbesondere bei jüngeren Patienten erhöht ein PFO das Risiko für einen ESUS (Embolic Stroke of Undetermined Source).

Persistierendes Foramen Ovale (PFO)

Ein PFO ist eine Verbindung zwischen rechtem und linkem Herzvorhof, die sich nach der Geburt normalerweise verschließt. Dieser Defekt kommt bei etwa 25 Prozent der Bevölkerung vor und hat meist keinen Krankheitswert. Beim Husten oder Pressen kann es jedoch zu einem kurzzeitigen Blutübertritt von der venösen in die arterielle Strombahn kommen.

Findet sich keine andere Ursache für einen Schlaganfall, kann mittels einer transösophagealen Echokardiografie (TEE) mit Kontrastmittel festgestellt werden, ob ein PFO vorliegt. Der Übertritt von sogenannten "Bubbles" vom rechten in den linken Vorhof innerhalb von 3 Herzzyklen nach Füllung des rechten Vorhofs mit Kontrastmittel ist beweisend für einen Rechts-Links-Shunt.

Lesen Sie auch: Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Katzen

Atriumseptumdefekt (ASD)

Ein ASD ist ein Loch in der Vorhofscheidewand, das neben einem erhöhten Schlaganfallrisiko auch zu Herzschwäche führen kann. Etwa ein Drittel aller ASD werden erst im Erwachsenenalter entdeckt. Ob ein ASD relevant ist, wird mittels Herzultraschall- und Rechtsherzkatheter-Untersuchung bestimmt. Grundsätzlich ist ein ASD-Verschluss sinnvoll, wenn Blut in größerer Menge durch das Loch fließt (Shunt).

Therapieansätze

Die Therapie von kryptogenen Schlaganfällen zielt darauf ab, weitere Ereignisse zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Interventioneller PFO-Verschluss

In Fällen, in denen ein PFO als mögliche Ursache identifiziert wird, empfehlen Experten einen interventionellen Verschluss des PFO mittels eines kleinen "Schirmchens" via Herzkatheter. Nachdem das PFO sondiert wurde, wird ein Schirmchen zunächst auf der linken Vorhofseite entfaltet und an das PFO herangezogen. Im zweiten Schritt wird das Gegenschirmchen auf der rechten Vorhofseite des Defekts entfaltet, wodurch der Defekt geschlossen wird (Sandwich-Technik).

Nach dem Eingriff ist eine kurze Nachbehandlungszeit erforderlich, und die Patientinnen und Patienten können in der Regel wieder entlassen werden. In den Folgemonaten ist eine Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten notwendig. Danach werden regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen, um die korrekte Lage des "Schirmchens" zu überprüfen.

Neuere Studien, wie REDUCE, CLOSE, RESPECT extended follow-up und DEFENSE-PFO, belegen, dass der interventionelle Verschluss des PFO einer alleinigen antithrombotischen Therapie bei Patienten mit ESUS im Alter unter 60 Jahren überlegen ist, insbesondere bei Patienten mit großem Shunt oder Vorhofseptumaneurysma (ASA).

Lesen Sie auch: Gesundheitliche Rückschläge und politische Leistungen von Lafontaine

Die Okkluder werden in der Regel in Analgosedierung mit Lokalanästhesie im Bereich der Leistengefäße unter angiografischer und TEE-Kontrolle nach Vollheparinisierung implantiert. Die dreidimensionale TEE ist hierbei besonders hilfreich, um die Freisetzung des Okkluders zu beurteilen und die Sicherheit der Prozedur zu erhöhen.

Nach einem interventionellen PFO-Verschluss wird regelhaft eine duale Plättchenhemmung mit 100 mg ASS plus 75 mg Clopidogrel für 1-3 Monate empfohlen, gefolgt von einer 12- bis 24-monatigen Monotherapie mit ASS 100 mg oder Clopidogrel 75 mg.

ASD-Verschluss

Als Behandlungsverfahren für einen ASD kann entweder ein chirurgischer Verschluss mit einer Patchplastik oder ein interventioneller Verschluss mit einem selbstexpandierenden Schirmchen (Okkluder) durchgeführt werden. Die Intervention wird mittels Schluckultraschall-Bildgebung überwacht.

Medikamentöse Therapie

Bei Patienten mit einem kryptogenen ischämischen Insult und PFO, die einen Verschluss ablehnen, gibt es keine Hinweise auf eine Überlegenheit einer oralen Antikoagulation gegenüber einer Behandlung mit einem Thrombozytenfunktionshemmer.

Aktuelle Leitlinienempfehlungen

Eine gemeinsame S2e-Leitlinienempfehlung von Neurologen, Kardiologen und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft empfiehlt: "Bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit einem kryptogenen ischämischen Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt soll ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden."

Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall

Diese Empfehlung wird mit maximalem Empfehlungsgrad A und der höchsten Evidenzebene I ausgesprochen.

Kritische Betrachtung der Leitlinienempfehlung

Trotz der klaren Empfehlung gibt es auch kritische Stimmen. Einige Studien konnten keinen klaren Vorteil des PFO-Verschlusses zeigen. Zudem besteht ein möglicher Bias durch unverblindete Untersucher. Die Anzahl der im Follow-up verlorenen Patienten war in einigen Studien höher als die Anzahl derer, die den Endpunkt erreichten.

Die Indikationsstellung für einen PFO-Verschluss sollte sorgfältig erfolgen. In den positiven Studien wurden die Patienten sehr sorgfältig ausgewählt. Entscheidend ist die Definition des "kryptogenen Schlaganfalls". Es sollten andere Ursachen wie Mikroangiopathie, Stenosen der hirnversorgenden Gefäße, Aortenplaques, andere kardiale Emboliequellen und unkontrollierte Schlaganfall-Risikofaktoren ausgeschlossen werden.

Nach Ausschluss anderer Ätiologien kann der RoPE-Score ("risk of paradoxical embolism") herangezogen werden, um die ursächliche Bedeutung des PFO einzuschätzen.

Ein Schwachpunkt aller PFO-Verschlussstudien ist die unzureichende Suche nach Vorhofflimmern. Patienten mit transitorischer ischämischer Attacke (TIA) wurden in den positiven Studien ausgeschlossen.

Die Kriterien für die Graduierung des PFO waren in den Studien nicht einheitlich.

Komplikationen des PFO-Verschlusses

Die periprozedurale Komplikationsrate lag in den Studien zwischen 2 und 10 %. Die häufigste Komplikation war Vorhofflimmern, das signifikant häufiger als in den konservativen Armen auftrat. Die periprozedurale Komplikationsrate steigt erheblich mit dem vaskulären Risikoprofil der Patienten.

Behandlungsergebnisse

Die Schlaganfallrezidive waren bereits in den konservativen Studienarmen mit Raten zwischen 0,6 -1,7 %/Jahr selten. Die absolute Risikoreduktion beträgt laut einer Metaanalyse 0,57 %/Jahr entsprechend einer NNT von 175 pro Jahr bzw. 18 pro zehn Jahre. Im Vergleich mit Antikoagulanzien konnte kein Vorteil für den PFO-Verschluss bezüglich Schlaganfallrezidiven gezeigt werden.

Fazit für die Praxis

Der Schlüssel zum Behandlungserfolg mittels PFO-Verschluss liegt in der sorgfältigen Auswahl der Patienten. Die neue deutsche Leitlinie hilft bei der Patientenselektion, setzt aber eine kryptogene Ätiologie bereits voraus. Wichtige Ausschlusskriterien sind neben einer Reihe von Differenzialätiologien Zeichen von Arteriosklerose, unkontrollierte kardiovaskuläre Risikofaktoren und in der Regel transitorische ischämische Attacken. Des Weiteren sollte nach intermittierendem Vorhofflimmern ausführlich gesucht werden. Die Implantation eines Herzmonitors vor eventuellem PFO-Verschluss sollte daher erwogen werden.

Jungen Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren, einem RoPE-Score ≥ 7 und weitgehendem Ausschluss von Vorhofflimmern sollte ein PFO-Verschluss angeboten werden. Sie sollten gleichzeitig über die Komplikationen des Eingriffs, das niedrige Rezidivrisiko auch unter medikamentöser Behandlung und über die möglicherweise genauso wirksame Behandlung mit Antikoagulanzien aufgeklärt werden. Bei konservativer Behandlung sind orale Antikoagulanzien möglicherweise besser wirksam als Plättchenhemmer. Hier sind weitergehende Studien notwendig.

tags: #kryptogener #schlaganfall #leitlinie