Künstliche Gehirne gezüchtet: Fortschritte, Potenziale und ethische Überlegungen

Die Forschung an künstlichen Gehirnen, auch bekannt als Hirnorganoide, hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Diese dreidimensionalen Zellstrukturen, die aus Stammzellen gezüchtet werden, bieten Forschern neue Möglichkeiten, die Entwicklung des Gehirns zu studieren, Krankheiten zu simulieren und Medikamente zu testen. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen, das Potenzial und die ethischen Aspekte dieser aufstrebenden Technologie.

Fortschritte in der Züchtung künstlicher Gehirne

Transplantation menschlicher "Mini"-Gehirne in Ratten

Ein bedeutender Fortschritt wurde im Oktober 2022 von US-Forschern der Stanford University erzielt. Sie implantierten humane Hirnorganoide, die sie aus einzelnen Stammzellen gezüchtet hatten, in das Gehirn von neugeborenen Ratten. Die Ergebnisse, die in Nature veröffentlicht wurden, zeigten, dass sich die menschlichen "Mini"-Gehirne in das neuronale Netzwerk der Nagerhirne integrierten.

Künstliche Embryonen aus Maus-iPS-Zellen

Zwei bahnbrechende Studien haben gezeigt, dass es möglich ist, vollständige Mausembryonen aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) in vitro zu züchten. Diese synthetischen Embryonen entwickelten alle Gehirnregionen, ein Neuralrohr, ein schlagendes Herz und sogar einen Darm. Sie konnten sich bis in die mittlere Schwangerschaft der Maus (etwa acht bis neun Tage) entwickeln. Die Arbeitsgruppe von Jacob Hanna unterstützte die Arbeitsgruppe von Zernicka-Goetz aktiv bei der Etablierung der ex vivo Kultur von synthetischen Embryonen.

Die Studien basieren auf einer vorherigen Arbeit von Jacob Hanna, in der es erstmals gelang, Mausembryonen außerhalb des Körpers bis in die mittlere Schwangerschaft in einem künstlichen Uterus zu züchten. Mittels rotierender Reagenzgläser und künstlicher Medien konnten diese Embryonen bis Tag 11,5 am Leben erhalten werden.

Die Charakterisierung der synthetischen Embryonen erfolgte in den beiden Studien auf unterschiedliche Weise. Während Hanna sich auf etablierte Fluoreszenzmarker konzentrierte, verwendete Zernicka-Goetz die Einzelzell-Sequenzierung. Dabei zeigte sich eine erstaunliche Ähnlichkeit mit normalen Mausembryonen. Alle 26 Zelltypen, die in normalen Embryonen vorkommen, konnten auch in den synthetischen Embryonen nachgewiesen werden, wobei lediglich Teile der Plazenta fehlten.

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Nachahmung des menschlichen Gehirns durch K.I.

Ein australisches Start-up hat menschliche Hirnzellen auf Elektroden in einer Petrischale gezüchtet, um das menschliche Gehirn für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (K.I.) zu kopieren.

Potenziale der Forschung mit künstlichen Gehirnen

Alternativmethode zu Tierversuchen

Die Anwendung von synthetischen Embryonen als Alternativmethode zum Tierversuch an frühen Embryonen birgt ein enormes wissenschaftliches Potenzial. Durch diese Methode könnten potenziell Tausende von Tierversuchen jährlich eingespart werden.

Züchtung von Organen für die Organspende

Ein weiteres zentrales Potenzial liegt in der möglichen synthetischen Züchtung von Organen, die potenziell für die Organspende eingesetzt werden könnten. Hierzu müssen jedoch noch wesentliche Hürden überwunden werden, um die Methode auch für menschliche Embryonen zu etablieren. Der Grundstein für diese Anwendung wurde jedoch durch die genannten Arbeiten gelegt.

Untersuchung der Gehirnentwicklung und von Krankheiten

Hirnorganoide ermöglichen es Forschern, die Entwicklung des Gehirns und die Entstehung von neurodegenerativen und psychiatrischen Erkrankungen zu untersuchen. Sie bieten ein Modellsystem für Krankheiten und können zum Test von Medikamenten verwendet werden.

Entwicklung von Transplantaten

Frühe Blutzellen konnten in den Arbeiten bereits identifiziert werden, die das Potenzial für Transplantationen bieten könnten. Es ist zu erwarten, dass zumindest einzelne Organe synthetisch gezüchtet werden können, die für mögliche Organtransplantationen dann zur Verfügung stehen könnten.

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Ethische Überlegungen

Forschung mit Hirnorganoiden ethisch verantwortbar

Eine Expertengruppe hält die Forschung mit Hirnorganoiden für ethisch verantwortbar, da künstliches Hirngewebe aus dem Labor weder denken noch lernen kann und kein Bewusstsein entwickelt.

Keine Mini-Gehirne

Es ist wichtig zu betonen, dass Hirnorganoide keine Mini-Gehirne sind. Sie können weder ein Bewusstsein entwickeln noch denken, lernen, empfinden oder sich erinnern. Im Labor fehlen dem Zellverbund Blutgefäße, was zu einer schlechten Nährstoffversorgung und dem Absterben von Bereichen führt.

Fortschritt in der Forschung

Trotzdem ist es ein Fortschritt, dass man mehr Licht in schwierige und schwer zugängliche Gebiete der Gehirnforschung bringen kann.

Herausforderungen und Einschränkungen

Gastrulation als kritischer Punkt

Eines der wesentlichsten Hindernisse besteht darin, die synthetischen Embryonen über das kritische Stadium von 8,5 Tagen, der sogenannten Gastrulation, hinaus zu entwickeln. Erst wenn auch die anschließende Phase der Organogenese bei synthetischen Embryonen möglich ist, könnte das Potenzial für künstliche Organe voll ausgeschöpft werden.

Komplexität der Züchtung menschlicher Embryonen

Die Züchtung menschlicher Embryonen ist um ein Vielfaches komplizierter als die von Mausembryonen. Zudem stellt die Organogenese nach der Gastrulation ein weiteres, enormes Hindernis dar.

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Unterschiede zu normalen Embryonen

Synthetische Embryonen weisen Unterschiede zu normalen Embryonen auf. Makroskopisch sind sie unterschiedlich groß, und nicht alle entwickeln sich zu reifen Embryonen. Mikroskopisch, immunhistochemisch und mittels Einzelzellanalyse zeigen sich jedoch erstaunliche Ähnlichkeiten in Bezug auf alle Zelltypen bis auf einen der Plazenta.

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