Einführung
L-Carnosin ist eine natürlich vorkommende Verbindung, die aus den Aminosäuren Beta-Alanin und L-Histidin besteht. Es kommt hauptsächlich in Muskelgewebe, Gehirn und anderen Geweben vor. Carnosin hat antioxidative Eigenschaften und spielt eine Rolle bei der Regulierung des pH-Werts in den Muskeln. Es wird auch mit potenziellen Vorteilen für die Gehirnfunktion und den Alterungsprozess in Verbindung gebracht. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkung von L-Carnosin auf das Gehirn und fasst die Ergebnisse relevanter Studien zusammen.
Was ist L-Carnosin?
Carnosin ist ein Dipeptid, das heißt eine Substanz, die aus zwei Aminosäuren besteht: β-Alanin und L-Histidin. Methylierte Carnosin-Formen sind Anserin und Ophidin (auch bekannt als: Balenin). Zusätzlich gibt es nicht-methylierte Carnosin-Formen, etwa Acetylcarnosin und Homocarnosin - zusammen nennt man diese Gruppe „Histidin-enthaltenden Dipeptide“ (engl. Histidine-containing dipeptides, HCD). Carnosin und seine methylierten Formen („HCDs“) finden sich ausschließlich im Fleisch - weder in Pflanzen noch in Pilzen wurde Carnosin oder davon abgeleitete Substanzen (Anserin und Co.) entdeckt.
Grundsätzlich kann der Körper Carnosin selbst herstellen, nämlich aus den Vorstufen ß-Alanin und Histidin, umgesetzt durch ein Enzym namens Carnosin-Synthase (CS). Es zeigt sich allerdings, dass die endogen gebildeten ß-Alanin-Mengen nicht ausreichen, um die Carnosin-Synthese optimal zu speisen. Gleichzeitig lässt sich der Carnosin-Gehalt der Muskulatur dosisabhängig steigern. Das bedeutet, dass Menschen Carnosin oder die Vorstufe ß-Alanin über die Nahrung zu sich nehmen müssen, damit die Carnosin-Speicher in den Geweben größer werden.
Vorkommen von Carnosin im Körper
Carnosin kommt hauptsächlich in Muskelgewebe, Gehirn und anderen Geweben vor. Da sich Carnosin fast ausschließlich im Skelettmuskel findet (bis 99 % des Gesamtvorkommens im Organismus), wurde die Grundlagenforschung hauptsächlich daran durchgeführt. Bezogen auf die Carnosin-Konzentration in Geweben, weist - neben der Skelettmuskulatur - nur noch der Riechkolben ähnliche Werte auf.
Bei Menschen ist das Carnosin-abbauende Enzym Carnosinase sehr aktiv im Blut. Zum einen ändert das allerdings nichts, da das Abbauprodukt ß-Alanin von den jeweiligen Geweben aufgenommen werden kann. Carnosin findet sich möglicherweise deshalb so hochkonzentriert in der Muskulatur, da es ein starker Säurepuffer ist.
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Funktionen von L-Carnosin
L-Carnosin hat verschiedene Funktionen im menschlichen Körper. Es wirkt als Antioxidans und hilft so dabei, die Zellen vor Schäden durch freie Radikale zu schützen. Durch die antioxidative Wirkung kann L-Carnosin dazu beitragen, oxidativen Stress wirksam zu reduzieren und das Altern der Zellen zu verlangsamen. Darüber hinaus ist es auch an der Regulierung des pH-Werts beteiligt. Es kann das Säure-Basen-Verhältnis in den Muskelzellen ausgleichen und so die Muskelermüdung verzögern.
Carnosin bindet zweiwertige Metalle, allen voran Kupfer, Zink, Kobalt, Nickel, Cadmium. Carnosin wirkt gegen Radikale (= antioxidativ): Es neutralisiert Superoxid-Anionen (das typische Sauerstoffradikal) ungefähr so gut wie Vitamin E und Vitamin C, entgiftet ganz passabel die extrem giftigen Hydroxyl-Radikale und zeigt sich als effektiver Schutz vor „nitronativem Stress“ in Form von Peroxynitrit. Ähnliches wurde für Anserin beschrieben. Sehr potent wirkt Carnosin gegen sogenannte AGEs (advanced glycation end-products) und ALEs (advandced lipoxidation end-products) - hierbei reagieren beispielsweise Fette und vor allem Zucker mit Proteinen.
L-Carnosin und die Gehirnfunktion
Es gibt auch einige Hinweise darauf, dass die Peptidbindung positiv auf die Gesundheit des Gehirns wirken kann. Es wird angenommen, dass die Substanz neuroprotektive Eigenschaften besitzt und vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson schützen könnte. Es wird jedoch noch weiterführende Forschung auf diesem Gebiet benötigt, um genau zu verstehen, wie L-Carnosin konkret wirkt.
Die Carnosin-Synthese ist an einem Ort im Gehirn bzw. im Nervensystem besonders ausgeprägt: im Riechkolben ist die Carnosin-Synthase-Konzentration ca. 10 mal höher als im Muskel und 50 bis 100 mal höher als in anderen Gehirnstrukturen. Aus diesem Grund wurde spekuliert, dass Carnosin an der Neurotransmission dieser sensorischen Nervenzellen beteiligt ist. In anderen Gehirnbereichen kommt Carnosin auch vor, allerdings niedriger konzentriert - es wurde vermutet, dass Carnosin dort als Antioxidans wirkt, unter anderem dadurch, dass es Metalle binden kann. Darüber hinaus könnte es das Gehirn vor Verzuckerung (=> AGEs) schützen. Dieses Szenario ist deshalb realistisch, weil Glutathion, Vitamin C und Vitamin E, also klassische Antiox-Systeme, weniger stark im Gehirn vertreten sind.
Man geht davon aus, dass viele neurodegenerativen Erkrankungen einhergehen mit einer Fehlregulation von Metalltransporten im Gehirn. Zwar handle es sich bei Carnosin um eine Substanz mit „pleiotropen Effekten“ - das heißt: eine Substanz ist die Lösung vieler Probleme. Trotzdem wisse man derzeit relativ wenig. Aus diesem Grund wollen Wissenschaftler die Arbeit miteinander verbessern und ein „Carnosin Konsortium“ ins Leben rufen. Einer der ersten Schritte: Forscher wollen Stoffe entwickeln, die den Carnosin-Abbau im Blut verhindern. Denn - und das ist der große Haken - es ist unklar, inwieweit sich Effekte von Tiermodellen bei Carnosin auf den Menschen übertragen lassen. Der Mensch baut Carnosin im Blut sehr schnell ab und es wird immer noch spekuliert, warum das so ist.
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Schutz vor Alzheimer
In den späten 90er Jahren zeigten In-vitro-Studien, dass Carnosin die Amyloid-Polymerisation hemmte und Zellen vor der Giftigkeit dieser Amyloide schützte. Dieser schützende Effekte des Carnosins vor Alzheimer-typischen Amyloiden, wurde in vielen anderen In-vitro-Studien bestätigt. Auf der anderen Seite gibt es allerdings nur wenige In-vivo-Studien - also Studien an Lebewesen. Bestimmte Mäuse, die man genetisch so verändert, dass sie Alzheimer-typische Erscheinungen entwickeln (Amyloid- und Tau-Akkumulation), zeigen ebenfalls mitochondriale Dysfunktionen. Carnosin kann die Mitochondrien wieder fit machen und die Amyloid-Aggregation stoppen - in diesem Modell schützt es allerdings nicht vor den negativen Effekten der Tau-Akkumulation und kann die kognitiven Beeinträchtigungen, die sich daraus ergeben, nur leicht verbessern. In einem ähnlichen Modell konnte Carnosin die kognitiven Beeinträchtigungen umkehren - allerdings waren diese Mäuse zusätzlich mit Fett gemästet worden.
Weitere gesundheitliche Vorteile von L-Carnosin
Carnosin scheint Einfluss auf den Blutdruck zu haben, indem es die Arterien weitstellt („Vasodilatation“). Da Carnosin diesbezüglich ziemlich stark wirkt, wird angenommen, dass auch endogen gebildetes Carnosin an der normalen Regulation der Hämodynamik beteiligt ist. Dies könnte beispielsweise durch Zink-Carnosin-Komplexe möglich sein, die mit Histamin-Rezeptoren wechselwirken. Auch andere Mechanismen kommen infrage, etwa via Modulation des NO-Haushalts.
In Tiermodellen schützt Carnosin vor Diabetes und hemmt dosisabhängig die negativen Effekte. Dies liegt möglicherweise zum einen daran, dass Carnosin das autonome Nervensystem regulieren kann, zum anderen aber auch daran, dass es die Insulin-produzierenden Bauchspeicheldrüsen-Zellen schützt und sogar eine Vermehrung anregt.
In Tiermodellen schützt Carnosin auch vor Krebs - es vermag das Krebswachstum zu hemmen. Zudem wurde anhand von Zellversuchen gezeigt, dass Carnosin selektiv Tumorzellen angreift. Es hat keinen Einfluss auf normale menschliche Zellen. Carnosin scheint hierbei vor allem die ATP- sprich Energie-Produktion der Tumorzellen zu hemmen.
An Nagern wurde gezeigt, dass Carnosin die Wundheilung beschleunigt, indem es die Bildung der dafür nötigen Wachstumsfaktoren stimulierte. Ähnliches wurde an menschlichen Zellkulturen der Haut gezeigt, die in Zucker gebadet wurden.
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1994 wurde von McFarland und Holliday zum ersten Mal beschrieben, dass Carnosin die Fähigkeit zur Zellteilung bei menschlichen Fibroblasten steigert und alte Fibroblasten wieder „jung“ macht. Einige Jahre später zeigten dieselben Wissenschaftler, dass Carnosin wie ein „Schalter“ wirkt - die Zugabe von Carnosin polte Zellen auf jung, während der Entzug dafür sorgte, dass Zellen alt werden.
L-Carnosin und sportliche Leistungsfähigkeit
Wie bereits geschrieben, weist die Skelettmuskulatur die höchsten Carnosin-Werte überhaupt auf. Es liegt nahe zu glauben, dass eine Steigerung der Carnosin-Werte auch Einfluss auf hochintensive sportliche Belastungen hat. Grundsätzlich können die Carnosin-Gehalte der Muskulatur von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein und sich um den Faktor 4 unterscheiden. Die schnellen Typ-2-Fasern enthalten beispielsweise bis zu 100 % mehr Carnosin im Vergleich zu Typ-1-Fasern. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Carnosin Androgen-abhängig gebildet wird: Männer können bis zu 100 % mehr Carnosin in ihrer Muskulatur enthalten als Frauen und in Tiermodellen konnte die Testosteron-Gabe auch die Carnosin-Werte erhöhen. Zudem fällt Carnosin-Gehalt der Muskulatur mit dem Alter ab. Vegetarier haben bis zu 20 % weniger Carnosin in ihrer Muskulatur - das endogen gebildete ß-Alanin reicht nicht aus, um die Carnosin-Speicher zu füllen. Daraus folgt, dass der Carnosin-Gehalt der Muskulatur streng davon abhängt, wie viel Carnosin, Anserin und Co. über die Nahrung zugeführt wird. Die stärkste bisher gezeigte Erhöhung der Carnosin-Menge in Muskel beläuft sich auf etwa 100 % - hier wurde 10 bis 12 Wochen lang ß-Alanin supplementiert.
2007 wurde von Hill und Kollegen gezeigt, dass die chronische ß-Alaningabe die Leistung bei untrainierten Probanden um etwa 15 % erhöhen kann - hier durften die Probanden bei 110% der Maximalpower (Wmax) radeln. Ähnliches wurde später auch in gut trainierten Athleten gezeigt. Nicht alle Studien zeigen leistungsfördernde Effekte durch die ß-Alanin-Gabe.
L-Carnosin spielt eine Rolle bei der Regulierung des pH-Werts in den Muskeln. Während intensiver körperlicher Aktivität können sich Milchsäure und andere Stoffwechselprodukte ansammeln, was zu einem Absinken des Werts führt und die Muskelermüdung beschleunigen kann. Es kann das Säure-Basen-Verhältnis in den Muskeln regulieren und so die Ermüdung verzögern, was zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit während des Trainings oder Wettkampfs führen kann. Durch die Verzögerung der Muskelermüdung kann L-Carnosin die Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern. Es ermöglicht den Sportlern, länger und intensiver zu trainieren, bevor sie erschöpft sind. Dies ist insbesondere bei Aktivitäten mit hoher Intensität und kurzer Dauer, wie zum Beispiel beim Sprinten oder beim Krafttraining, von Vorteil. Es kann auch bei der Erholung nach dem Training helfen, da es als Antioxidans dazu beitragen kann, oxidativen Stress zu reduzieren und die Regeneration von Muskelgewebe zu unterstützen.
L-Carnosin als Anti-Aging-Mittel
Es gibt einige Hinweise darauf, dass L-Carnosin einen positiven Effekt auf den Alterungsprozess haben kann. L-Carnosin hat antioxidative Eigenschaften, was bedeutet, dass es dazu beitragen kann, Zellen vor Schäden durch freie Radikale zu schützen. Freie Radikale sind reaktive Moleküle, die im Körper gebildet werden und oxidativen Stress verursachen können, der wiederum mit dem Alterungsprozess in Verbindung gebracht wird. Durch den Schutz vor oxidativem Stress kann L-Carnosin dazu beitragen, das Auftreten von altersbedingten Beschwerden und Krankheiten zu verringern. Darüber hinaus gibt es einige Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass L-Carnosin andere Anti-Aging-Eigenschaften haben könnte. Es wird angenommen, dass es eine Rolle bei der Regulierung der Telomerlänge spielt. Telomere sind die schützenden Enden der DNA-Stränge in den Chromosomen und verkürzen sich mit jeder Zellteilung. Ein längeres Telomer wird mit einer längeren Lebensdauer der Zellen in Verbindung gebracht.
L-Carnosinmangel
Ein Mangel an Carnosin im Körper kann sich auf verschiedene Weisen zeigen. Da Carnosin in verschiedenen Geweben und Organen vorkommt, können die Symptome eines Mangels je nach betroffenem Bereich unterschiedlich sein. So kann ein Mangel dazu führen, dass die Muskeln schneller übersäuern und so die sportliche Leistungsfähigkeit verringern; es spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Regeneration von Gewebe und ein Mangel kann zu einer verlangsamten Wundheilung führen sowie den Zellschutz reduzieren.
L-Carnosin in Lebensmitteln und als Nahrungsergänzungsmittel
Obwohl die Peptidverbindung hauptsächlich vom Körper selbst hergestellt wird, kann es auch über die Ernährung aufgenommen werden. Die Hauptquellen in der Nahrung sind tierischen Ursprungs, insbesondere Fleisch und Fisch. Schweinefleisch enthält ca. 250 mg bis 350 mg pro 100 g, rotes Fleisch, Geflügel und Makrele enthalten in der Regel etwa zwischen 70 mg und bis zu 200 mg L-Carnosin. In pflanzlichen Lebensmitteln kommt Carnosin nur in Spuren vor, Vegetarier und Veganer könnten daher einem höheren Risiko eines Mangels ausgesetzt sein.
Die empfohlene Tagesdosis kann je nach Quelle und Zweck der Einnahme variieren. Es gibt jedoch keine offiziellen empfohlenen Tagesmengen (Recommended Daily Allowance, RDA) oder festgelegten Richtlinien, da es kein essentieller Nährstoff ist. Im Allgemeinen liegt die typische tägliche Dosierung zwischen 500 mg und 2000 mg.
Mögliche Nebenwirkungen einer Überdosierung
Bisher gibt es nur begrenzte Informationen über mögliche Nebenwirkungen einer Überdosierung, da es sich um eine natürliche Verbindung handelt, die im Körper vorkommt und normalerweise gut vertragen wird. In der Regel gilt Carnosin als sicher und hat ein geringes Risiko für Nebenwirkungen. Dennoch ist es wichtig, die empfohlenen Dosierungen einzuhalten. Obwohl keine schwerwiegenden Nebenwirkungen bekannt sind, können hohe Dosen gelegentlich zu leichten Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Bauchschmerzen oder Durchfall führen.
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