Eine Lähmung der Hand kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Der Verlust der Muskelkraft oder Bewegungsfähigkeit in einem oder beiden Armen kann teilweise oder vollständig sein, abhängig davon, wie stark die Muskeln betroffen sind. Typische Anzeichen sind Muskelschwäche, Taubheitsgefühl oder ein vollständiger Verlust der Bewegungsfähigkeit. Die bewusste Steuerung der Bewegungen ist eingeschränkt oder gar nicht möglich.
Was ist eine Lähmung?
Eine Lähmung (Parese bei unvollständiger Lähmung) beschreibt den Verlust der Muskelkraft oder Bewegungsfähigkeit in einem Körperteil oder Organsystem. Der Funktionsverlust kann im Ausmaß der Beeinträchtigung und der Dauer der Einschränkung variieren.
Formen von Lähmung
Die Medizin unterscheidet bei einer unvollständigen Armlähmung zwischen einer Armparese und einer Armplexusparese.
- Armparese: Eine teilweise Lähmung oder Schwäche eines Arms, die sich auf die eingeschränkte Muskelkraft oder Bewegungsfähigkeit im gesamten Arm oder einem Teil davon bezieht. Zusätzlich kann es zu einer erhöhten Muskelspannung (Spastik) kommen.
- Armplexusparese: Eine spezifische Art der Parese, die durch eine Schädigung des Plexus brachialis verursacht wird und typischerweise nur in dem vom Plexus brachialis versorgten Bereich auftreten kann.
Ursachen
Die Ursachen für eine Lähmung der Hand sind vielfältig. Häufige Ursachen sind:
- Schädigungen des Nervensystems: Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks oder der Nerven, die die Arme versorgen. Eine Armlähmung kann entstehen, wenn der motorische Kortex im Gehirn oder die Nervenleitbahnen, die vom motorischen Kortex zum Rückenmark verlaufen, geschädigt werden.
- Neurologische Erkrankungen: Liegt der Bewegungsstörung eine neurologische Erkrankung zugrunde, ist die Lähmung häufig irreversibel.
- Entzündungen: Wenn eine Lähmung durch eine Entzündung der Nerven und Muskeln infolge einer Infektion verursacht wird, ist es ratsam, die ursächliche Erkrankung durch Medikamente zu behandeln.
- Tumore: Ist die Ursache ein Tumor, so kann sich die Lähmung nach der Beseitigung der Geschwulst zurückbilden.
- Funktionelle Störungen: Funktionelle Gefühls- und Bewegungsstörungen wie Lähmungserscheinungen (Paresen) oder Taubheitsgefühle treten meist unerwartet auf - oft in Situationen hoher seelischer Belastung. Ursache ist nicht eine strukturelle Schädigung des Nervensystems.
- Karpaltunnelsyndrom: Das Karpaltunnelsyndrom entsteht durch eine Einengung des Mittelarmnerven (Nervus medianus) und löst vor allem bei Frauen Handschmerzen und ein Taubheitsgefühl im Bereich von Daumen, Zeige- und Mittelfingern aus. In schweren Fällen kann es zu Lähmungserscheinungen der Hand kommen.
- Kubitaltunnelsyndrom: Die Knochenrinne am Ellenbogen stellt eine natürliche Engstelle für den Ellennerv dar, an der es anlagebedingt zur Einklemmung kommen kann.
- Radialisparese: Die Radialisparese beruht auf einer Nervenschädigung mit gestörter Impulsübertragung. Die Läsion kann an verschiedenen Stellen des Nervens auftreten.
Spezifische Ursachen und Syndrome
- Karpaltunnelsyndrom (KTS)
- Ursachen: Einengung des Nervus medianus im Karpaltunnel, oft durch verdickte Sehnenscheiden oder das Karpalband.
- Symptome: Handschmerzen, Taubheitsgefühl, Kribbeln in Daumen, Zeige- und Mittelfinger, nächtliche Beschwerden, Muskelschwund am Daumenballen, Lähmungserscheinungen in schweren Fällen.
- Risikofaktoren: Alter (40-70 Jahre), weibliches Geschlecht, Übergewicht, mangelnde körperliche Aktivität, Grunderkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Diabetes mellitus.
- Kubitaltunnelsyndrom (Ulnarisnerv-Kompression)
- Ursachen: Einklemmung des Ellennervs (Nervus ulnaris) in der Knochenrinne am Ellenbogen.
- Symptome: Kraftverlust des Armes, Druckschmerz des Unterarmes, Ungeschicklichkeit, Einschlafen des Kleinfingers und des hälftigen Ringfingers, Taubheit des ellenseitigen Handrückens, Muskelschwund an der Hand.
- Radialisparese (Fallhand)
- Ursachen: Schädigung des Nervus radialis, z.B. durch Einklemmung, ungünstige Schlafposition, Knochenbrüche, Druck durch Armbänder oder Handschellen.
- Symptome: Fallhand (Handgelenk und Finger können nicht mehr gestreckt werden), Störung der Gefühlswahrnehmung im seitlichen Ober- und Unterarm sowie dem Handrücken.
- Spezifische Formen: Schlaf- oder Parkbanklähmung (durch Druck im Tiefschlaf), Arrestantenlähmung oder Fesselungslähmung (durch zu enge Armbänder oder Handschellen).
- Funktionelle Lähmungen
- Ursachen: Nicht-strukturelle Schädigung des Nervensystems, oft in Verbindung mit seelischer Belastung, Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
- Symptome: Plötzlicher Beginn, wechselhafter Verlauf, motorische Paresen (Schwäche/Kraftlosigkeit) bis hin zu schweren Lähmungen, funktionelle Gefühlsstörungen (Taubheitsgefühle), oft eine Körperhälfte betroffen.
Diagnose
Die Diagnose einer Handlähmung erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung.
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- Anamnese: Der Arzt erfragt die genauen Beschwerden, den zeitlichen Verlauf und mögliche Auslöser.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt prüft die Muskelkraft, die Sensibilität und die Reflexe. Bei Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom können spezielle Tests wie der Phalen-Test durchgeführt werden.
- Neurologische Untersuchung: Mittels Elektroneurografie (ENG) kann die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen und Nervenschädigungen erkannt werden.
- Bildgebende Verfahren: Bei Verdacht auf eine knöcherne Ursache oder zur weiteren Abklärung können Röntgenaufnahmen, MRT oder CT durchgeführt werden.
- Funktionelle Lähmung: Eine funktionelle Schwäche oder Lähmung wird üblicherweise am charakteristischen klinischen Erscheinungsbild erkannt. Gelegentlich werden zusätzliche bildgebende oder elektrophysiologische Verfahren angewandt, um eine Schädigung des Nervensystems auszuschließen.
Therapie
Die Behandlung einer Handlähmung richtet sich nach der Ursache. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die auch miteinander kombiniert werden können:
- Medikamentöse Behandlung:
- Bei Entzündungen: Medikamente zur Behandlung der ursächlichen Erkrankung.
- Bei Tumoren: Chemo- oder Strahlentherapie.
- Bei spastischen Lähmungen: Muskelrelaxantien wie Boklofen oder Botulinumtoxin-Injektionen.
- Beim Karpaltunnelsyndrom: Kortison-Injektionen in den Karpaltunnel.
- Physiotherapie:
- Erhaltung oder Verbesserung der Mobilität.
- Verhinderung von Muskelabbau (Atrophie).
- Senkung des Muskeltonus bei Spastik (beispielsweise Bobath, Vojta, PNF, Feldenkrais Methode).
- Individuelle Behandlungspläne mit passiven (Dehnung, Wärme) und aktiven Übungen (Krankengymnastik am Gerät, Wassertherapie).
- Wärmebehandlung (beispielsweise Fango oder heiße Rolle) und Massagen zur Muskelentspannung.
- Nach Operationen zur Wiederherstellung der Handsehnen spielt die Ergotherapie eine wichtige Rolle im Rehabilitationsprozess.
- Ergotherapie:
- Training alternativer Muskelgruppen zur Kompensation des Funktionsverlusts.
- Förderung des Zusammenspiels von Gehirn, Nerven und Muskulatur.
- Operative Behandlung:
- Tumorentfernung.
- Dekompression von Nerven bei Engpass-Syndromen (z.B. Karpaltunnelsyndrom, Kubitaltunnelsyndrom).
- Nervenrekonstruktion bei Nervenverletzungen.
- Sehnenverlagerung zur Wiederherstellung der Handfunktion.
- Weitere Maßnahmen:
- Schienen und Orthesen: Stabilisierung des Handgelenks, Reduzierung des Drucks auf die Nerven (z.B. beim Karpaltunnelsyndrom).
- Hilfsmittel: MyoPro® Orthese zur Unterstützung bei Hand- und Armlähmung nach Schlaganfall oder anderen neuromuskulären Erkrankungen.
- Verhaltensanpassung: Anpassung der Arbeitsumgebung, Vermeidung von ungünstigen Haltungen.
- Alternative Therapien: Yoga kann bei Karpaltunnelsyndrom hilfreich sein.
- Behandlung funktioneller Lähmungen: Zur Behandlung motorischer und sensibler funktioneller Störungen haben sich sowohl physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Verfahren bewährt.
Spezifische Behandlungen
- Karpaltunnelsyndrom:
- Konservative Therapie: Handgelenksschienen, Kortison-Injektionen, Ergotherapie, Übungen zur Dehnung und Kräftigung der Muskulatur, physikalische Behandlungen (Kälte).
- Operative Therapie: Karpaltunnelspaltung (Neurolyse) zur Entlastung des Nervus medianus.
- Kubitaltunnelsyndrom:
- Konservative Therapie: Handgelenksschiene, lokale Infiltrationen, Anpassung der Arbeitsumgebung.
- Operative Therapie: Entlastung des Nervs durch Durchtrennen der Hauptengstelle über der Ulnarisrinne (offen-chirurgisch oder endoskopisch).
- Radialisparese:
- Konservative Therapie: Schiene zur Stabilisierung des Handgelenks, Physiotherapie.
- Operative Therapie: Nervennaht bei Nervendurchtrennung, Nerventransplantation, Muskel- und Sehnenverlagerung.
- Funktionelle Lähmungen:
- Physiotherapie und Psychotherapie.
Prognose
Die Prognose einer Handlähmung hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung können viele Ursachen erfolgreich behandelt werden. In manchen Fällen, insbesondere bei irreversiblen neurologischen Schädigungen, kann die Lähmung jedoch dauerhaft bestehen bleiben. Funktionelle Lähmungen haben ohne spezifische Behandlung in etwa der Hälfte der Fälle einen chronischen Verlauf.
Zusammenfassung
Eine Lähmung der Hand kann verschiedene Ursachen haben und unterschiedliche Formen annehmen. Eine frühzeitige Diagnose und eine individuelle Therapie sind entscheidend für den Behandlungserfolg. Neben medikamentösen und operativen Maßnahmen spielen Physiotherapie, Ergotherapie und Hilfsmittel eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation.
Autoren:
- PD Dr. Stoyan Popkirov, Uniklinik Essen
- PD Dr.
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