Lähmung durch Bandscheibenvorfall HWS: Ursachen, Symptome und Behandlung

Ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS) kann zu einer Kompression von Nerven führen, was sich in Symptomen wie tauben Fingern äußern kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten eines solchen Bandscheibenvorfalls, um Betroffenen ein umfassendes Verständnis der Erkrankung zu ermöglichen.

Anatomie der Halswirbelsäule und Funktion der Bandscheiben

Die Halswirbelsäule besteht aus sieben Wirbeln, die von C1 bis C7 bezeichnet werden. Zwischen dem zweiten und siebten Wirbelkörper befindet sich jeweils eine Bandscheibe. Diese Bandscheiben sind wie flüssigkeitsgefüllte Kissen, die Drehbewegungen in alle Richtungen ermöglichen und Erschütterungen abfedern. Sie bestehen aus einem weichen Gallertkern (Nucleus pulposus), der von einem festen Faserring (Anulus fibrosus) umgeben ist.

Ursachen eines Bandscheibenvorfalls in der HWS

Ein Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS) tritt auf, wenn Material aus dem inneren Gallertkern einer Bandscheibe im Halsbereich durch den umhüllenden Faserring nach außen dringt. Dieser Vorfall drückt dann auf das Rückenmark oder die Rückenmarksnerven (Spinalnerven) in einem bestimmten Abschnitt der Halswirbelsäule.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig:

  • Degenerative Veränderungen: Mit zunehmendem Alter verliert der Faserring an Elastizität und es bilden sich Risse. Der Gallertkern kann dann leichter austreten. Bei den meisten Patienten mit einem Bandscheibenprolaps der Halswirbelsäule (HWS) finden sich degenerative Verschleißerscheinungen, die mit einem geschwächten Bindegewebe einhergehen. Der Faserring wird mit dem Alter weniger stabil und elastisch und kann dem Druck des inneren Gallertkerns nicht mehr ausreichend standhalten. Stabilisierende Bänder im Bereich der Bandscheiben werden porös, womit die Wirbel nicht mehr stabil übereinander orientiert sind.
  • Fehlbelastungen: Berufliche oder sportliche Fehlbelastungen der Halswirbelsäule über einen längeren Zeitraum können zu Abnutzungsprozessen an Bandscheiben und Wirbelkörpergelenken (Facettengelenken) führen.
  • Trauma: In seltenen Fällen kann es als Folge von Unfällen mit abrupten Drehbewegungen des Kopfes zu einem akuten HWS-Bandscheibenvorfall kommen. Erfahrungsgemäß ist es unwahrscheinlich, dass bei Menschen ohne Vorschädigungen sich durch einen Unfall ein Bandscheibenvorfall der HWS ausbildet.

Am häufigsten ist der untere Teil der Halswirbelsäule betroffen, insbesondere die Bandscheiben zwischen den Halswirbelkörpern C5 und C6 bzw. C6 und C7.

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Symptome eines Bandscheibenvorfalls in der HWS

Die Symptome eines Bandscheibenvorfalls in der HWS können vielfältig sein und hängen davon ab, welcher Nerv betroffen ist und wie stark er komprimiert wird. Nicht jeder im MRT oder Röntgen erkennbare Bandscheibenvorfall verursacht Beschwerden beim Patienten. Wenn der Druck des ausgetretenen Gallertkerns aber die Wurzeln der Spinalnerven reizt, kann dies neben starken Nackenschmerzen auch Schmerzen in der Schulter, Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Lähmungen der Muskulatur von Arm oder Hand auslösen. Die Schmerzqualität wird von den Patienten unterschiedlich beschrieben und reicht von grell einschießend über klopfend bis hin zu dumpf.

Häufige Symptome sind:

  • Nackenschmerzen: Diese können bis in die Schultern und Arme ausstrahlen. Schmerzen im Nacken weisen immer auf eine gereizte Nervenwurzel hin, die direkt durch den Bandscheibenvorfall oder indirekt durch die Umgebungsreaktion z.B. eines verspannten Muskels betroffen sein kann.
  • Taubheitsgefühl und Kribbeln: Besonders häufig treten diese Symptome in den Fingern auf. Besonders bei einem Bandscheibenvorfall in Höhe der HWK C6/7 treten die Schmerzen entlang des Versorgungsgebietes der durch das Nervenloch ziehenden Nervenwurzel auf. Es handelt sich um das Versorgungsgebiet C7. Bei einem Bandscheibenvorfall C7/Th1 ist der Kleinfinger (kleiner Finger) und tw.
  • Kraftverlust: In manchen Fällen kann es zu einer Schwächung bestimmter Muskeln im Arm oder der Hand kommen. Ist die Kraft in den Armen zur Nervenwurzelschädigung passend vermindert und besteht ein Taubheitsgefühl, ist ein Bandscheibenvorfall sehr wahrscheinlich.
  • Einschränkung der Beweglichkeit: Die Halswirbelsäule kann in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sein.
  • Kopfschmerzen und Schwindel: Diese Symptome können ebenfalls auftreten.
  • Myelopathie: Bei Druck auf das Rückenmark kann es zu Gangunsicherheit, Feinmotorikstörungen der Hand, Blasenentleerungsstörungen und sogar Lähmungen kommen.

Jeder vom Rückenmark abzweigende Spinalnerv besitzt motorische und sensible Anteile, die Reize in definierte Segmente von Schulter, Arm und Fingern leiten. Aus diesem Grund kann der Wirbelsäulenspezialist sensible Missempfindungen auf der Hautoberfläche und motorische Ausfallerscheinungen einem ganz bestimmten Halswirbelabschnitt zuordnen. Empfindet der Patient zum Beispiel Schmerzen über den gesamten Arm bis in den Daumen hinein, weist dies den Arzt auf eine Beteiligung des 6. Spinalnerven hin. Zeige- und Mittelfinger sind dagegen bei Wurzelkompression des 7. Spinalnerven beteiligt. Starke Nackenschmerzen werden durch eine Reizung des 3. und 4. Spinalnerven verursacht und das Heben des Arms wird für Patienten unmöglich, bei denen die Wurzel des 5.

Diagnose eines Bandscheibenvorfalls in der HWS

Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls in der HWS umfasst in der Regel folgende Schritte:

  1. Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und die genauen Beschwerden.
  2. Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Beweglichkeit der Halswirbelsäule, die Reflexe, die Muskelkraft und die Sensibilität.
  3. Bildgebende Verfahren:
    • MRT (Magnetresonanztomographie): Die MRT ist das geeignetste bildgebende Verfahren, um einen Bandscheibenvorfall der HWS zu diagnostizieren und das Rückenmark sowie die Nervenwurzeln darzustellen.
    • Röntgen: Ein Röntgenbild ist bei einem Bandscheibenvorfall mit tauben Fingern nicht sehr aussagekräftig, da die Bandscheibe keine röntgendichte Struktur ist. Sie wäre besser in einer Computertomographie zu erkennen. Durch das Röntgenbild können jedoch knöcherne (oft degenerative) Ursachen ausgeschlossen werden.
    • CT (Computertomographie): Sie wäre besser in einer Computertomographie zu erkennen.
    • EMG (Elektromyographie): Das EMG misst die Nervenfunktion durch die Muskeln, indem es die elektrischen Ströme aufzeichnet, die die Aktivität im Muskel darstellen. So kann festgestellt werden, ob ein Taubheitsgefühl in den Händen tatsächlich von der Wirbelsäule ausgeht oder ob es sich um eine Schädigung eines Nervs in der Peripherie handelt, wie zum Beispiel beim Karpaltunnelsyndrom.
    • Myelographie: Es kann auch eine so genannte Myelographie durchgeführt werden.

Außerdem sollten die Skalenusmuskeln zwischen Schlüsselbein und seitlichem Hals abgetastet werden und es sollte geprüft werden, ob sich die Beschwerden bei Druck auf diese Muskeln verschlimmern, so dass ein Skalenussyndrom als Ursache ausgeschlossen werden kann.

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Die Wirbelsäulenvermessung stellt den gesamten Verlauf der Wirbelsäule und ihre Symmetrie über die gesamte Länge dar. So kann sie als 4D-Modell rekonstruiert werden und Fehlhaltungen aufzeigen. Diese wirken sich häufig auf den Nackenbereich aus, so dass es dort zu erhöhtem Verschleiß und so öfter zu Bandscheibenvorfällen kommen kann.

Behandlung eines Bandscheibenvorfalls in der HWS

Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls in der HWS richtet sich nach der Schwere der Symptome und dem Ausmaß der Nervenkompression.

Konservative Therapie

In den meisten Fällen ist eine konservative Therapie ausreichend. Sie umfasst:

  • Schmerzmittel: Gegen die Schmerzen werden zunächst meist rezeptfreie Medikamente nach WHO-Stufe I verabreicht. Das sind nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac, Ibuprofen oder Naproxen. Sie alle haben zusätzlich eine entzündungshemmende Wirkung. Kortison wirkt ebenfalls schmerzlindernd, birgt aber auch starke Nebenwirkungen.
  • Physiotherapie: Gezielte Übungen zur Entspannung und Lockerung der Muskulatur spielen dabei eine zentrale Rolle. Nach Entspannungs- und Aufwärmübungen der Muskulatur können vorsichtige Dehnübungen in alle Richtungen des Halses durchgeführt werden.
  • Wärme: Wärmebehandlungen können Verspannungen lösen.
  • Kortisoninjektion: Die Kortisoninjektion ist bei einem akuten Bandscheibenvorfall sinnvoll. Dabei wird Kortison gezielt lokal in den Bereich der betroffenen Nervenwurzel gespritzt. Kortison wirkt schnell schmerzstillend und stark entzündungshemmend.
  • Vitamin B: Für eine optimale Funktion der Nerven sind verschiedene B-Vitamine unentbehrlich. So ist Vitamin B12 wichtig für den Schutz und die Regeneration der Nervenhülle (Myelinscheide). Vitamin B1 schützt die Nervenzelle vor oxidativem Stress, bei dem Sauerstoffradikale das Gewebe angreifen.
  • Halskrause: In der Akutphase kann sogar eine Ruhigstellung angezeigt sein. Für die ersten Tage nach einem HWS-Bandscheibenvorfall kann das Tragen einer Halskrause (Zervikalstütze) helfen, die Muskelverspannungen aufzulösen.

Belastende Tätigkeiten sollten anfangs vermieden werden. Stoßbelastungen wie Reiten oder auch Joggen sowie schnelle Kopfbewegungen sollten vermieden werden. Nach dem Vorfall, wenn die akuten Beschwerden abgeklungen sind, sollte die Rückenmuskulatur gestärkt werden, um einem weiteren Verschleiß der Wirbelsäule entgegenzuwirken.

Operative Therapie

Eine Operation ist notwendig, wenn:

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  • das Rückenmark eingeklemmt ist und z.B.
  • neurologische Ausfälle wie Lähmungen auftreten.
  • die konservative Therapie nicht ausreichend wirkt.

In der Regel entfernt der Operateur von vorne über einen Hautschnitt nahe dem Kehlkopf die geschädigte Bandscheibe. Selten erfolgt der Eingriff von der Rückenseite (dorsal). Anstelle der Bandscheibe setzt der Orthopäde entweder eigenes Knochenmaterial (z. B. Der Einsatz einer Bandscheibenprothese erhält die komplette Beweglichkeit der Halswirbelsäule und verhindert zusätzlich eine übermäßige Belastung der benachbarten Segmente. Dieser Eingriff ist bei einer umfangreichen Bandscheibendegeneration auch in mehreren Wirbelsegmenten möglich. Dagegen schränkt die Verblockung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts mit Knochenmaterial die Flexibilität der HWS in unterschiedlich starkem Maß ein.

Bereits am Tag der Operation dürfen die Patienten sich im Bett aufsetzen und kurze Strecken mit Begleitung gehen. In den ersten Tagen schützt eine Halskrause vor unbedachten Halsbewegungen. Die Stütze kann für die Körperpflege jederzeit entfernt werden. Die Patienten der Gelenk-Klinik verlassen je nach körperlicher Konstitution nach 2 bis 4 Tagen die Klinik. Bereits während ihres stationären Aufenthalts leitet unser interner Sozialdienst die Rehabilitationsmaßnahmen in die Wege.

Prognose

Ein Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule dauert in der Regel maximal einige Monate bis zur vollständigen Heilung. Die Prognose ist in der Regel gut, hängt aber sehr vom Einzelfall ab. Nach einer Operation liegen die Patienten 3 bis 5 Tage im Krankenhaus, nach 4 bis 6 Wochen ist der Vorfall vollständig ausgeheilt.

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