Die Lyme-Borreliose, auch bekannt als Lyme-Krankheit oder Lyme-Disease, ist eine durch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit, die durch den Stich infizierter Zecken übertragen wird. Benannt wurde sie nach dem Ort Lyme in den USA, wo in den 1970er-Jahren auffällig viele Fälle von Gelenkentzündungen nach Zeckenstichen auftraten. Die Borreliose ist die am häufigsten durch Zecken übertragene Krankheit und kann, wenn sie unentdeckt bleibt, ernste Spätfolgen haben. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind daher entscheidend.
Was ist Lyme-Borreliose?
Die Lyme-Borreliose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung, deren Erreger, Borrelia burgdorferi, durch Zecken übertragen wird. Laut Robert Koch-Institut (RKI) tragen bis zu 30 Prozent der Zecken in Deutschland diese Bakterien in sich. Die Zecken nehmen die Borrelien bei einer Blutmahlzeit von infizierten Tieren wie Mäusen oder Vögeln auf und können sie bei der nächsten Mahlzeit auf den Menschen übertragen. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Die Hauptsaison für Zeckenstiche und damit für Infektionen ist von Frühjahr bis Herbst, aber auch in milden Wintern besteht ein Risiko. Infizierte Zecken kommen in ganz Deutschland vor, ihre Häufigkeit variiert jedoch regional. Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich zwischen 60.000 und 200.000 Menschen an Lyme-Borreliose.
Symptome der Lyme-Borreliose
Viele Infektionen mit Borrelien verlaufen unbemerkt, da nur ein Teil der Infizierten überhaupt Krankheitszeichen spürt. Die Lyme-Borreliose kann sehr unterschiedlich verlaufen und verschiedene Organe betreffen. Die Symptome können einzeln, gleichzeitig oder nacheinander auftreten.
Frühe Symptome
- Wanderröte (Erythema migrans): Das bekannteste und häufigste Symptom ist die sogenannte Wanderröte. Dabei bildet sich Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich eine kreisrunde Rötung, die zunächst einen Durchmesser von mindestens fünf Zentimetern hat und sich dann weiter vergrößern kann. Oft verblasst sie in der Mitte, sodass ein Ring um die Einstichstelle entsteht. Die Hautveränderung kann allerdings so unauffällig sein, dass sie übersehen wird oder atypisch sein.
- Unspezifische, grippeähnliche Symptome: Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen oder leichtes Fieber können nach der Infektion auftreten.
- Hautknoten (Borrelien-Lymphozytom): Es kann sich ein blauroter und schmerzloser Hautknoten unabhängig von der Stichstelle bilden, bevorzugt am Ohr, an Brustwarzen oder im Genitalbereich.
Spätere Symptome
Wenn sich die Borrelien im Körper ausbreiten, können sie verschiedene Organe befallen.
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- Befall des Nervensystems (Neuroborreliose): Bei etwa drei bis 15 Prozent der Infektionen kommt es zu einer Neuroborreliose. Sie äußert sich oft durch brennende Nervenschmerzen, die vor allem nachts auftreten. Sie können an verschiedenen Körperstellen vorkommen, zum Beispiel gürtelförmig am Rumpf oder in Armen oder Beinen. Auch weitere Symptome sind möglich, wie Taubheitsgefühle, Seh- oder Hörstörungen sowie Lähmungen im Gesicht oder an Armen oder Beinen. Eine Hirnhautentzündung kann ebenfalls auftreten. Seltene späte Folgen sind zum Beispiel Gangstörungen.
- Herzentzündung (Lyme-Karditis): Sie kommt eher selten vor und kann sich zum Beispiel durch Herzrhythmusstörungen bemerkbar machen.
- Gelenkentzündung (Lyme-Arthritis): Als mögliche Spätfolge können Gelenkschwellungen oder Gelenkschmerzen auftreten. Meistens sind große Gelenke betroffen, wie das Knie.
- Chronische Hautentzündung (Acrodermatitis chronica atrophicans): Sie zeigt sich vor allem an Armen und Beinen. Zunächst schwillt die Haut an, verfärbt sich bläulich und wird dann dünner.
Es ist wichtig zu beachten, dass hinter den geschilderten Symptomen auch andere Ursachen stecken können. Grundsätzlich gilt: Wer Krankheitszeichen bemerkt, sollte sie ärztlich abklären lassen. Zecken können auch andere Krankheiten übertragen, zum Beispiel die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Dagegen kann man sich impfen lassen.
Diagnose der Lyme-Borreliose
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose basiert in erster Linie auf den klinischen Symptomen, insbesondere der Wanderröte. Es ist wichtig, die Ärztin oder den Arzt über den Zeckenstich zu informieren.
Ärztliche Untersuchung
Der Arzt oder die Ärztin erkundigt sich normalerweise nach Zeckenstichen und konkreten Symptomen oder fragt nach, ob der oder die Betroffene in Zecken-Risikogebieten unterwegs war. Eine Borreliose kann bereits durch die körperliche Untersuchung festgestellt werden, wenn sich ein typischer Hautfleck gebildet hat.
Labordiagnostik
In unklaren Fällen kann eine Blutuntersuchung weiterhelfen. So kann das Screening ELISA dabei helfen, nach Borrelien-Antikörpern zu suchen. Wichtig ist, dass der Körper oft erst nach ein bis zwei Wochen Antikörper bildet. Deshalb kann ein Test gegen Borrelien negativ ausfallen, wenn die Erkrankung noch im Anfangsstadium ist. Auch eine erst kürzlich aufgetretene Wanderröte ist im Antikörpertest häufig negativ. Hinzu kommt, dass eine Antikörper-Testung nur bedingt aussagefähig ist, da viele Menschen bereits unbemerkt von einer Zecke gestochen und infiziert worden sind, ohne krank zu werden. Sie haben dann ebenfalls Antikörper im Blut. Dennoch kann die Untersuchung im Einzelfall sinnvoll sein.
Die serologische Diagnostik folgt dem Prinzip der Stufendiagnostik. Ein serologischer Suchtest in Form eines ELISA stellt die erste Stufe dar, bei positivem Ergebnis wird eine stattgehabte, ausgeheilte oder floride Infektion durch einen spezifischen Immunoblot bestätigt. Es wird betont, dass eine positive serologische Untersuchung ohne typische Klinik keine behandlungsbedürftige Erkrankung anzeigt. Auch kann mit hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass bei unauffälligem Befund in der Antikörperdiagnostik eine Spätform einer klinisch relevanten Lyme-Borreliose nicht vorliegt. Ebenso kann keinesfalls ein isolierter IgM-Antikörper-Nachweis langjährige Beschwerden (z. B. Arthralgien) erklären.
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Behandlung der Lyme-Borreliose
Die Lyme-Borreliose wird mit Antibiotika behandelt. Die Therapie dauert in der Regel zwischen zehn und 30 Tagen. Vor allem, wenn sie frühzeitig erfolgt, führt sie meist zu einer vollständigen Heilung und kann Komplikationen wie Herz- oder Gelenkentzündungen verhindern.
Damit die Bakterien sicher abgetötet werden, ist es wichtig, die Antibiotika genau nach ärztlicher Vorschrift und bis zum Ende der verordneten Zeit einzunehmen. Therapie der ersten Wahl sind Doxycyclin oder Amoxicillin. Die Cochrane Netzwerkanalyse zur Therapie des Erythema migrans hat gezeigt, dass neben Doxycyclin und Amoxicillin auch Penicillin V oral eine gleichwertig gute Wirksamkeit hat.
Eine antibiotische Behandlung der Lyme-Borreliose sollte möglichst rasch nach Diagnosestellung eingeleitet werden. So kann der Erkrankungsverlauf abgekürzt werden und zudem die Entwicklung weiterer Manifestationen verhindert werden. Die Therapie erfolgt stadien- und symptomorientiert, Doxycyclin, Amoxicillin und Ceftriaxon sind die Mittel der Wahl. Die von allen europäischen Fachgesellschaften genannte Ersttherapie des Erythema migrans stellt Doxycyclin in einer Dosis von 200 mg täglich dar. Die Dauer dieser Therapie sollte bei 10 bis 21 Tagen liegen. Alternativ kommt eine Behandlung mit Amoxicillin (500 mg, in einigen Empfehlungen 1000 mg) dreimal täglich zur Anwendung, Dauer ebenfalls 10 bis 21 Tage. Cefuroxim, 500 mg zweimal täglich über 10 bis 21 Tage, und Azithromax, 500 mg einmal täglich über 5 bis 10 Tage, stellen weitere Alternativen dar. Auch bei der Behandlung der Lyme-Arthritis ist eine orale Therapie meist ausreichend. Die Erfolgsquote der Ersttherapie liegt bei über 80%. Bei der Lyme-Arthritis ist die Gabe von Doxycyclin, 1 x 200 oder 2 x 100 mg täglich über 30 Tage, die übliche Option. Als oral applizierbare Alternative kommt das Amoxicillin, 3 x 500 bis 1000 mg, in Frage, ebenfalls über 30 Tage. Die pädiatrischen Dosierungen sind analog denen bei Erythema migrans empfohlen. Zusätzlich können antiphlogistische Maßnahmen (in erster Linie NSAR) eingesetzt werden. Vor dem Abschluss der ersten Antibiotika-Therapie wird von einer zusätzlichen intraartikulären Glukokortikoid-Therapie abgeraten.
Sind Patienten auch mehrere Wochen nach Therapie nicht beschwerdefrei, wird ein Therapieversuch mit einem parenteralen Antibiotikum empfohlen. Hierbei ist unverändert Ceftriaxon in einer Dosis von 2 g einmal täglich als Infusion, gegeben über 14 bis 21 Tage, das am häufigsten angewandte Antibiotikum. Weitere Therapiezyklen, Langzeittherapien über Monate, Pulstherapien, Einsatz alternativer Antibiotika, Kombinationstherapien mit mehreren Antibiotika oder Kombinationen mit Hydroxychloroquin haben sich als ineffektiv erwiesen oder wurden nicht in kontrollierten wissenschaftlichen Studien untersucht.
Zur Therapie der Borreliose in der Schwangerschaft gibt es keine kontrollierten Untersuchungen. Der Einsatz von Doxycyclin ist hier kontraindiziert, als Mittel der ersten Wahl gilt Amoxicillin in üblicher Dosierung. Bei Unverträglichkeit dagegen und dringender Indikation stehen als Alternativen oral Cefuroxim und parenteral Ceftriaxon zur Verfügung.
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Post-Lyme-Syndrom
Der Begriff Post-Lyme-Syndrom wird verwendet, wenn Patientinnen und Patienten anhaltende Beschwerden haben, obwohl die Lyme-Borreliose bereits ärztlich behandelt wurde und keine Infektion mehr nachweisbar ist.
Treten nach einer behandelten Borreliose Symptome wie andauernde Müdigkeit (Fatigue), Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme („brain fog“), Schlafstörungen oder Kopfschmerzen auf, kann das auf ein Post-Lyme-Syndrom hindeuten. Es gibt unterschiedliche Schätzungen, wonach bis zu zehn Prozent der Borreliose-Patientinnen und -patienten ein Post-Lyme-Syndrom entwickeln.
Die genauen Ursachen von Post-Lyme sind noch unklar. Allerdings stehe mittlerweile fest, dass Antibiotika-Langzeittherapien in diesem Fall nicht helfen, sondern, im Gegenteil, sogar schaden können. Da sich die Behandlung nach den jeweiligen Beschwerden richtet, ist es wichtig, dass der Therapieplan individuell auf die Patientinnen und Patienten zugeschnitten ist.
Schutz vor Lyme-Borreliose
Die Vermeidung von Zeckenstichen ist die einzige Möglichkeit, eine Lyme-Borreliose sicher zu verhindern. Daher sollten zeckendurchseuchte Gebiete gemieden werden.
Verhaltensmaßnahmen
- Lange Kleidung, geschlossene Schuhe und geeignete Zeckenabwehrmittel für unbedeckte Hautstellen senken das Risiko für einen Zeckenstich und damit auch für eine Lyme-Borreliose.
- Auf heller Kleidung kann man Zecken gut erkennen.
- Die Strümpfe am besten über die Hosenbeine ziehen: Dann laufen die Zecken nach oben und sind leichter zu sehen.
- Im Wald auf den Forstwegen bleiben und nicht über Wiesen oder durch das Unterholz laufen.
- Hunde nach jedem Spaziergang sorgfältig absuchen, ebenso den eigenen Körper.
- Lange, helle Kleidung tragen und Insektenschutzmittel (Repellentien) gegen Zecken verwenden. Zum Beispiel Sprays mit Icaridin und Citriodiol, die auch auf die Kleidung aufgetragen werden können.
- Zecken lauern vor allem im hohen Gras.
- Nach dem Ausflug in die Natur Kleidung direkt wechseln und den Körper gründlich nach Zecken absuchen, vor allem in Hautfalten, etwa unter den Achseln.
Zeckenentfernung
Das Risiko einer Ansteckung mit Borreliose steigt, je länger eine Zecke saugt. Deshalb sollte eine Zecke so rasch wie möglich entfernt werden. Dabei die Zecke nicht quetschen, da sie sonst verstärkt Krankheitserreger in die Wunde abgeben könnte. Bewährt haben sich Zeckenzangen - damit kann man sie gut greifen und unter einer Drehung vorsichtig herausziehen. Wichtig: Nach dem Entfernen sollte man die Zecke töten, indem man sie zum Beispiel mit einem Stein zerquetscht.
Hierzu wird die Zecke mit einer stabilen, spitzen Pinzette (Zeckenzange) möglichst flach über der Haut gefasst und langsam, ggf. mit Hin- und Herdrehen, herausgezogen. Nach Entfernung der Zecke sollte die Wunde desinfiziert werden; ein kleiner Rest in der Wunde entspricht meist dem Stechapparat und kann ohne Steigerung des Infektionsrisikos entfernt oder belassen werden. Keine Vorbehandlung mit Öl oder Klebstoff. Das Quetschen des Zeckenkörpers vermeiden. Wenn ein Rest des Stechapparates („Kopf“) in der Haut bleibt: Mit einer sterilen Nadel oder Kürette entfernen oder von einem Arzt entfernen lassen.
Nachsorge
Anschließend sollte man die Einstichstelle bis zu sechs Wochen lang auf Rötungen kontrollieren. Wenn sich eine Wanderröte (Erythema migrans) zeigt, ärztlichen Rat einholen.
Eine vorbeugende Antibiotika-Behandlung nach einem Zeckenstich wird aktuell nicht empfohlen, da das Risiko für Nebenwirkungen wäre höher als ein möglicher gesundheitlicher Nutzen.
Eine durchgemachte Lyme-Borreliose hinterlässt keine bleibende Immunität, man kann sich also erneut anstecken. Anders als gegen die ebenfalls von Zecken übertragene Infektionskrankheit FSME gibt es in Deutschland derzeit keine Schutzimpfung gegen die Lyme-Borreliose. Das Biotechnologieunternehmen Valneva hat in Zusammenarbeit mit dem Pharmaziekonzern Pfizer einen Impfstoff gegen Borreliose entwickelt. Dieser soll gegen die sechs häufigsten in Europa und Nordamerika vorkommenden Borreliose-Typen wirken. Durch die Impfung soll das Oberflächenprotein A (OspA) des Borreliose-Erregers Borrelia burgdorferi durch Antikörper blockiert werden. In klinischen Studien zeigte der Impfstoff mit dem Namen VLA15 erste positive Ergebnisse.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz ist Borreliose nicht flächendeckend meldepflichtig, aber in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Fälle von Lyme-Borreliose an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
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