Ein Schlaganfall kann das Leben der Betroffenen von einem Moment auf den anderen verändern. Häufige Folgen sind körperliche Einschränkungen, die die Mobilität erheblich beeinträchtigen. Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle, um die verlorenen Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Lauftrainings nach einem Schlaganfall und gibt einen Überblick über aktuelle Therapieansätze.
Ursachen und Folgen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall (Apoplex) wird meist durch den Verschluss einer Gehirnarterie (Arteriosklerose) verursacht, kann aber auch durch eine Hirnblutung ausgelöst werden. Die Folgen sind vielfältig und hängen davon ab, welches Hirnareal betroffen ist und wie schnell der Betroffene medizinisch behandelt wurde. Je schneller die Behandlung erfolgt, desto besser sind die langfristigen Aussichten.
Bedeutung der Rehabilitation
Nach einem Schlaganfall ist es entscheidend, so schnell wie möglich mit der Rehabilitation zu beginnen. Ziel ist es, die Bewegungsfähigkeit und Selbstständigkeit der Betroffenen schrittweise zurückzugewinnen. Die Rehabilitation umfasst verschiedene Phasen, die je nach Schweregrad des Schlaganfalls und den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst werden.
Phasen der Rehabilitation
- Akutphase: In dieser Phase, die in einer Spezialklinik stattfindet, liegt der Fokus auf lebenserhaltenden Maßnahmen und der Vorbeugung weiterer Komplikationen.
- Frührehabilitation (Phase B): Hier beginnt man mit der Therapie der Folgeschäden. Ziel ist die Wiederherstellung elementarer Körperfunktionen.
- Rehabilitation (Phase C): In dieser Phase werden motorische und körperliche Abläufe trainiert und weiter gestärkt.
- Anschlussbehandlung (AHB): Die Bekämpfung der Langzeitfolgen wird ins häusliche Umfeld verlagert.
Lauftraining als wichtiger Bestandteil der Rehabilitation
Das Wiedererlangen der Gehfähigkeit ist eines der wichtigsten Ziele der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Denn gehen zu können bedeutet für die Patienten einen Gewinn an Lebensqualität und erleichtert ihnen den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Viele Patienten leiden nach einem Schlaganfall an Gehstörungen. Von den Betroffenen, welche die Gehfähigkeit wieder erlangen, erreichen etwa 70% keine adäquate Gehgeschwindigkeit und sind somit vor allem außer Haus, beispielsweise beim Überqueren von Ampelanlagen, gefährdet. Dadurch sind die Patienten in ihren Partizipationsmöglichkeiten eingeschränkt, was die Lebensqualität negativ beeinflusst.
Neuroplastizität und frühe Mobilisation
Das Wiedererlangen der Gehfähigkeit wird möglich durch die Neuroplastizität. Die durch den Schlaganfall geschädigten Areale können ihre Aufgabe mitunter nicht mehr aufnehmen, doch Funktionen, die vom geschädigten Gehirnareal bedient wurden, können von anderen Bereichen übernommen werden. Während man noch bis in die 1990er Jahre glaubte, eine zu frühe Rehabilitation schade den Patienten, weiß man heute, dass die beste Rehabilitation die frühe Mobilisation der Patienten ist. So wird die Neuroplastizität positiv gefordert und gefördert.
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Therapieansätze zur Verbesserung der Gehfähigkeit
Um die Gehleistung zu verbessern, wurden in den letzten Jahren Interventionen wie das Laufbandtraining sowie das elektromechanisch-assistierte Gehtraining eingeführt. Beim Laufbandtraining wird der Patient durch ein Gurtsystem gesichert, wobei ein Teil des Körpergewichts entlastet wird. Ein weiterer Ansatz ist das Laufbandtraining mit systematischer Steigerung der Gehgeschwindigkeit. Elektromechanisch-assistierte Gangtherapie bedeutet, dass der Gangzyklus teilautomatisiert ist. Dies erleichtert die Arbeit der Therapeuten. Mit dieser Methode sind höhere Schrittzahlen in der Therapie möglich und bei schwerer betroffenen Patienten kann das Gehen frühzeitiger und intensiver geübt werden als bisher. Beispiele für elektromechanische Endeffektormodelle ist der Gangtrainer GT-I und für Exoskelettmodelle der Lokomat und der LOPES. Darüber hinaus werden gerade in den letzten Jahren mobile Exoskelette und spezielle „Gliedmaßen-Roboter“ in der Literatur beschrieben.
Intervalltraining versus Ausdauertraining
Eine Studie verglich hochintensives Intervalltraining (HIIT) mit einem Ausdauertraining mit moderater Intensität (MAT) bei Patienten, deren Schlaganfall mindestens sechs Monate zurücklag. Beide Gruppen absolvierten ein Gangtraining von 45 Minuten dreimal pro Woche über einen Zeitraum von 12 Wochen. Die Ergebnisse zeigten, dass HIIT die Gehstrecke über die Zeit deutlich stärker verbesserte als MAT. Zudem verbesserten sich durch HIIT auch die Ganggeschwindigkeit und Fatigue.
Bedeutung der Trainingsintensität und -dauer
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Gangrehabilitation auch längere Zeit nach einem Schlaganfall positive Effekte für die Patienten haben kann. Dabei sind eine höhere Trainingsintensität und das Trainieren über einen längeren Zeitraum (mindestens 8 Wochen) besonders förderlich für Gehfähigkeit, zurückgelegte Gehstrecke und Ganggeschwindigkeit der Patienten.
Aktuelle Herausforderungen in der Gangrehabilitation
Eine Herausforderung besteht darin, dass die meisten Schlaganfall-Patienten nur einen geringen Teil ihrer Physiotherapiezeit mit Aktivitäten zur Wiedererlangung der Gehfähigkeit verbringen. Dies deutet auf eine Unterdosierung in der Rehabilitation hin.
Weitere Therapieansätze und Hilfsmittel
Neben dem Lauftraining gibt es weitere Therapieansätze und Hilfsmittel, die die Rehabilitation unterstützen können:
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- Physiotherapie: Sie unterstützt die Betroffenen dabei, ihre Bewegungsfähigkeit und Selbstständigkeit schrittweise zurückzugewinnen.
- Ergotherapie: Sie übt mit den Patienten wichtige alltägliche Bewegungen, die durch den Schlaganfall beeinträchtigt sind.
- Logopädie: Sie hilft Schlaganfall-Patienten, das Sprechen teilweise oder komplett wieder neu zu lernen.
- Myo-Orthesen: Sie haben sich bei Patienten mit einer Fußheberschwäche bewährt, die das Laufen neu erlernen mussten.
- Peroneusschiene: Sie wird bei einer Peroneusparese (Lähmung) vom Arzt verschrieben.
- Sensomotorische Einlagen: Durch Druckpunkte an der Einlage können spezielle Rückmeldungen an die Muskulatur des Unterschenkels gesendet werden, so dass hierbei auch ein positiver Effekt zum Wiedererlernen des Laufens erzielt werden kann.
- Sprachcomputer: Sie können Schlaganfall-Patienten mit Sprachproblemen unterstützen.
Apraxie: Eine spezielle Herausforderung
Eine Apraxie tritt etwa bei jedem vierten Schlaganfall-Patienten auf. Die Betroffenen können komplexe Bewegungsabläufe, insbesondere, wenn dabei Gegenstände gebraucht werden - wie Zähne putzen oder eine Tür aufschließen - nicht mehr korrekt ausführen. Obwohl sie nicht gelähmt und die zuständigen Muskeln und Nerven intakt sind, gelingt ihnen die Bewegung nicht. Ursache ist eine Störung in übergeordneten Hirnzentren, die Bewegungen steuern und koordinieren.
Individuelle Reha-Pläne bei Apraxie
Patienten mit einer Apraxie benötigen einen individuellen Reha-Plan. Die Rehabilitation soll die Patienten die Bewegungen durch Imitation wieder erlernen. Das Gehirn muss dazu die Bewegung korrekt wahrnehmen, speichern, planen und schließlich ihre Ausführung koordinieren.
Armlähmung nach Schlaganfall
Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung, wie zum Beispiel nach einem Schlaganfall. Die Armlähmung kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Häufig beobachtet werden leichtere Lähmungen und auch sehr schwere Lähmungen. Patienten mit einer schweren Armlähmung können ihren Arm oft im Alltag gar nicht oder nur sehr eingeschränkt einsetzen. Diesen Patienten fällt es schwer, einzelne Abschnitte im Arm willentlich zu bewegen. Zu dem Problem der stark beeinträchtigten willentlichen Bewegungsfähigkeit kommt oft noch eine erhöhte Muskelanspannung („Spastik“) hinzu. Betroffene mit leichten Armlähmungen können ihren Arm zwar bewegen und im Alltag einsetzen. Die Bewegungen sind dabei aber oftmals noch verlangsamt und „ungeschickt“.
Therapieansätze bei Armlähmung
In der Arm-Rehabilitation können sehr unterschiedliche therapeutische Ansätze gewählt werden. Einerseits gibt es verschiedene Therapieformen ohne technische Geräte, um in der Ergo- oder Physiotherapie den betroffenen Arm aktiv zu trainieren. Hinsichtlich der Dauer und Intensität der Therapie sollte die Rehabilitation der Armmotorik früh nach einem Schlaganfall beginnen. Insbesondere in der frühen Phase nach dem Schlaganfall wird empfohlen, dass eine zusätzliche spezifische Armrehabilitation für mindestens 30 Minuten jeden Werktag erfolgt. In der späten Krankheitsphase (zum Beispiel ein Jahr und später nach einem Schlaganfall) können spezifische Maßnahmen der Armrehabilitation empfehlenswert sein, wie zum Beispiel 90-270 Minuten pro Woche ein strukturiertes, sich wiederholendes Training.
Spezifische Therapieformen
- Arm-Basis-Training: Hier übt man jeden Tag die Bewegungsfähigkeit wiederholt und einzeln in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern.
- Arm-Fähigkeits-Training: Hier trainiert man täglich Präzision und Geschwindigkeit („Geschicklichkeit“) bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen an der individuellen Leistungsgrenze.
- Bewegungsinduktionstherapie (CIMT): Diese Therapie ist für Schlaganfall-Betroffene mit einem „erlernten Nicht-Gebrauch“ geeignet.
- Spiegeltherapie: Hier betrachtet der Patient im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand.
- Mentales Training: Eine Verbesserung der Armfunktion ist auch durch das mentale Training denkbar.
- Neuromuskuläre Elektrostimulation: Hier werden Nerven und Muskel am Arm elektrisch stimuliert.
- Arm-Therapie-Roboter: Sie können je nach Bauart Schulter- und Ellenbogen-Bewegungen, Unterarm- und Handgelenksbewegungen oder Fingerbewegungen mechanisch unterstützen.
- Sensible Stimulation: Als Zusatztherapie zur Behandlung von Armlähmungen können verschiedene Formen der sensiblen Stimulation erwogen werden.
Heimtraining mit Therapiegeräten
Patienten, die wegen eines Schlaganfalls oder einer inkompletten Querschnittlähmung nur eingeschränkt gehen können, sollten auch nach der Entlassung aus der Klinik ihre Gehfähigkeit intensiv weiter trainieren. Bisher existieren aber keine effektiven Therapiegeräte für den Einsatz zu Hause. Um Patienten in Zukunft eine effektive und selbstständige Bewegungstherapie zu Hause zu ermöglichen, haben Wissenschaftler Therapiegeräte für das häusliche Training entwickelt.
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MoreGait: Ein Gehtrainer für das häusliche Umfeld
Der Gehtrainer „MoreGait“ ermöglicht es Patienten, sicher und eigenständig in sitzender oder halb-liegender Position zu trainieren. Wird mit dem MoreGait trainiert, wirken ähnliche Kräfte auf den Bewegungsapparat wie beim normalen Gehen. Die Gelenkbewegung wird von sogenannten künstlichen Muskeln unterstützt, deren Wirkprinzip den biologischen Muskeln nachempfunden ist. MoreGait erkennt, wie viel Kraft der Trainierende selbst aufbringt und gibt nur die erforderliche Unterstützung. Gleichzeitig kann der Patient auf einem Display verfolgen, an welcher Schrittphase das Gerät ihn stärker unterstützen muss.
Netzwerk-Metaanalyse verschiedener Gangtherapieansätze
Eine Netzwerk-Metaanalyse untersuchte die relative Effektivität verschiedener Interventionen zur Verbesserung der Gehgeschwindigkeit, der Gangausdauer, der Gehfähigkeit und der Sicherheit nach einem Schlaganfall. Die Auswertung zeigte, dass ein von distal das Bein führender elektromechanisch-assistierender Ansatz (Endeffektorprinzip) die Gehgeschwindigkeit nach einem Schlaganfall im Vergleich zur konventionellen Gangrehabilitation verbessert. Für die Gangausdauer ergab sich, dass ein Endeffektor-assistierter Ansatz sowie das Laufbandtraining mit Körpergewichtsentlastung im Vergleich zur konventionellen Gangrehabilitation Vorteile zur Erweiterung der Gehstrecke erwarten lässt.
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