Die faszinierende Verbindung: Wie die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite steuert

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen steuert. Es besteht aus zwei Hälften, den sogenannten Hemisphären, die durch den Balken miteinander verbunden sind. Eine der grundlegendsten und faszinierendsten Eigenschaften des Gehirns ist die kontralaterale Steuerung: Die linke Gehirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Diese überkreuzte Verbindung ist bei Wirbeltieren weit verbreitet, doch die Gründe dafür sind noch nicht vollständig geklärt.

Die überkreuzte Verbindung: Ein evolutionäres Rätsel

Die Tatsache, dass die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite steuert und umgekehrt, ist ein seit langem bekanntes Phänomen. Auch die Sehnerven kreuzen sich auf ihrem Weg von den Augen ins Gehirn im optischen Chiasma. Es gibt verschiedene Theorien, die versuchen, diese kontralaterale Anordnung zu erklären.

Eine ältere Erklärung, die von dem spanischen Mediziner Santiago Ramón y Cajal stammt, bezieht sich auf die Kreuzung der Sehnervenfasern. Er argumentierte, dass ohne diese Kreuzung die Außenwelt im Gehirn nicht korrekt repräsentiert werden könnte. Diese Erklärung hat sich jedoch als falsch herausgestellt.

Eine heute eher herangezogene wissenschaftliche Erklärung führt uns zurück zu den frühen Wirbeltieren im Wasser. Diese Tiere hatten einen wurmförmigen Körper und ein primitives Gehirn, das kaum mehr als ein Rückgrat und ein Hirnstamm war. Sie besaßen primitive Augen, mit denen sie vermutlich nur Licht und Schatten wahrnehmen konnten. Wenn sich ein Feind näherte, wurde der Schatten größer. Um sich abzuwenden, musste das Tier auf der gegenüberliegenden Seite der stimulierten "Augen" den Körper verkürzen. Wenn also der visuelle Reiz von der rechten Seite kam, musste es die Muskeln auf der linken Seite zusammenziehen, um die Fluchtbewegung einzuleiten. Dies erforderte eine Sehnervenkreuzung, um die kürzeste Verbindung zwischen dem rechten rudimentären Auge und den Muskelgruppen der linken Seite herzustellen.

Ein urzeitlicher Fisch als Erklärung?

Eine weitere interessante Theorie besagt, dass sich ein urzeitlicher Fisch vor mindestens 450 Millionen Jahren um 90 Grad gedreht hat. Dies könnte es dem Tier ermöglicht haben, sich wie eine Flunder auf dem Meeresboden zu verstecken. Um die ursprüngliche symmetrische Anordnung wiederherzustellen, verschoben sich im Laufe der Evolution einzelne Körperteile, zum Teil im Uhrzeigersinn, zum Teil gegen den Uhrzeigersinn. Augen, Nasenlöcher und das Vorderhirn verschoben sich demnach in Richtung der ursprünglichen Drehung, weiter schwanzwärts gelegene Regionen des Gehirns und des Körpers genau entgegensetzt. So entstanden zum Teil Kreuzungen der Nervenbahnen zwischen den Körperregionen, beispielsweise das optische Chiasma.

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Diese Hypothese wird unter anderem mit Beobachtungen aus der Embryonalentwicklung bei Zebrafischen und Hühnern untermauert. In den frühesten Embryonalstadien finden asymmetrische zelluläre Bewegungen statt, für die es bislang keine Erklärung gab. Eine bilateral-symmetrische Anordnung von Sinnesorganen und Extremitäten bietet Tieren einen evolutionären Vorteil. Beispielsweise kann es für einen Fisch erforderlich sein, rechts und links Steuerflossen zu haben. Daher wurde diese Anordnung trotz der Drehung auf die Seite beibehalten.

Die Zusammenarbeit der Gehirnhälften

Obwohl die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite steuert und umgekehrt, arbeiten beide Hemisphären eng zusammen. Jede Gehirnhälfte hat ihre eigenen Spezialisierungen. Vereinfacht lässt sich sagen, dass die rechte Gehirnhälfte eher für emotionale, intuitive und kreative Prozesse zuständig ist, während die linke Gehirnhälfte sich überwiegend um logische, rationale und analytische Aufgaben kümmert.

Die linke Gehirnhälfte ist für die motorische Sprachsteuerung, die Verarbeitung von abstrakten Begriffen, die Wahrnehmung von Details und zeitlichen Details zuständig. Die rechte Gehirnhälfte ist eher für das Erkennen von Mustern und Gesichtern, räumliches Denken, Bild-, Farb- und Symbolsprache sowie die Wahrnehmung komplexer Informationen zuständig.

In der Realität gibt es jedoch eher eine Mischung aus beiden Hemisphären. Je harmonischer beide Gehirnhälften miteinander arbeiten, desto stärker erweitert sich unser Bewusstsein. Wir denken ganzheitlicher und kombinieren Intuitives mit Logischem.

Eine Studie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat das Zusammenspiel der beiden Gehirnhälften beim Sprechen untersucht und ist zu neuen Erkenntnissen gekommen. Es konnte festgestellt werden, dass die linke Gehirnhälfte zeitliche Aspekte wie den Übergang von Sprachlauten kontrolliert, während die rechte Hirnhälfte dafür zuständig ist, dass die Laute, die unser Mund formt, auch so klingen wie sie klingen sollen. Des Weiteren wurde herausgefunden, dass die linke Hemisphäre bevorzugt zum Steuern schneller Bewegungen genutzt wird, während die rechte Seite besser langsame Abläufe kalibrieren kann.

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Die Auswirkungen eines Ausfalls der linken Gehirnhälfte

Wenn die linke Gehirnhälfte ausfällt, beispielsweise aufgrund eines Schlaganfalls, kann dies zu einer Lähmung der rechten Seite des Körpers (Hemiplegie) und einer Wortfindungsstörung führen.

Gehirntraining für beide Hemisphären

Da beide Gehirnhälften eng zusammenarbeiten, ist es nicht sinnvoll, nur die linke Gehirnhälfte zu trainieren. Ein ganzheitliches Gehirntraining ist effektiver. Es gibt verschiedene Übungen, die die Fähigkeiten der linken Gehirnhälfte trainieren, wie z.B. Übungen zum schlussfolgernden Denken, die Logik, Deduktion und Induktion trainieren. Da die linke Gehirnhälfte die rechte Hand kontrolliert, können gerade Linkshänder davon profitieren, einfache Aufgaben wie das Zähneputzen mit der rechten Hand zu erledigen.

Das Gehirn: Ein Leben lang lernfähig

Das Gehirn ist ein dynamisches Organ, das sich ständig anpasst und verändert. Neue Kontakte zwischen Nervenzellen können sich über das gesamte Leben ausbilden, und alte Verknüpfungen können sich verändern. Daher ist es wichtig, das Gehirn durch kontinuierliches Lernen und Herausforderungen aktiv zu halten.

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