Die Diagnose von Demenz, insbesondere der Alzheimer-Krankheit (AD), ist ein komplexer Prozess, der verschiedene diagnostische Methoden umfasst. Eine davon ist die Liquoruntersuchung, auch bekannt als Nervenwasseruntersuchung. Diese Methode hat sich als wertvolles Instrument etabliert, um Alzheimer frühzeitig zu erkennen und von anderen Demenzformen abzugrenzen. Angesichts der bevorstehenden Zulassung von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf von Alzheimer verlangsamen sollen, gewinnt die Liquordiagnostik zunehmend an Bedeutung.
Die Rolle von Beta-Amyloid und Tau-Protein bei Alzheimer
Die Alzheimer-Krankheit ist durch pathologische Veränderungen im Gehirn gekennzeichnet, bei denen Beta-Amyloid und Tau-Protein eine zentrale Rolle spielen. Beta-Amyloid-Peptide lagern sich extrazellulär in Form von Plaques ab, während Tau-Proteine intrazellulär zu Neurofibrillenbündeln aggregieren. Insbesondere veränderte Beta-Amyloid-Peptide, sogenannte Pyroglutamat-Abeta-Peptide (pyroGlu Aβ), scheinen den Prozess der Neurodegeneration zu initiieren. Abnormes, überphosphoryliertes Tau-Protein zerstört durch Aggregation die intrazellulären Strukturen der Mikrotubuli.
Neurodegenerationsmarker im Liquor
Die Liquoruntersuchung ermöglicht die Bestimmung verschiedener Neurodegenerationsmarker, die Aufschluss über die Veränderungen im Gehirn geben können. Zu diesen Markern gehören:
- Gesamt-Tau-Protein (hTau): Erhöhte Konzentrationen von hTau-Protein werden typischerweise bei Alzheimer gefunden.
- Phospho-Tau: Eine bestimmte Form des Tau-Proteins, die als besonders aussagekräftig gilt.
- Beta-Amyloid (1-42): Bei Alzheimer finden sich in der Regel deutlich erniedrigte Aβ(1-42)-Konzentrationen im Liquor.
- Neurofilament Light Chain (NfL): Dieser Marker weist auf Nervenzellschädigungen hin, ist aber nicht spezifisch für Alzheimer.
Die Konzentrationen dieser Neurodegenerationsmarker und deren Verhältnis zueinander können wichtige Hinweise auf neurodegenerative Veränderungen im Gehirn geben. Erniedrigte Werte von Amyloid-beta im Nervenwasser deuten auf Amyloid-Ablagerungen im Gehirn hin, während erhöhte Tau-Protein-Werte anzeigen, dass Nervenzellen geschädigt sind und sich Alzheimer-typische Ablagerungen gebildet haben.
Wie läuft eine Liquorpunktion ab?
Um Liquor zu gewinnen, ist eine Lumbalpunktion erforderlich. Dabei führt der Arzt eine dünne Nadel meist zwischen den vierten und fünften Lendenwirbelkörper ein. Eine lokale Betäubung ist nur selten nötig, denn die Methode ist in der Regel nicht besonders schmerzhaft. Das Rückenmark wird nicht beschädigt, da es oberhalb der Punktionsstelle endet.
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Nach der Entnahme einiger Milliliter Liquor, der im natürlichen Zustand farblos und klar erscheint, ist die Lumbalpunktion bereits nach wenigen Minuten abgeschlossen. Meistens nimmt der Arzt zusätzlich noch etwas Blut ab. Patienten sollten sich im Anschluss ein wenig ausruhen und vor allem viel Wasser trinken, um Kopfschmerzen und Schwindel vorzubeugen.
Die Analyse im Labor
Gemäß aktuellen Empfehlungen sollte der Arzt die Liquorprobe zügig an ein Labor versenden. Dort messen die Experten unter anderem, wie viele Zellen der Liquor enthält und wie hoch die Eiweiß- und Zuckerkonzentrationen sind. Außerdem stellen sie fest, ob bestimmte Krankheitserreger im Liquor nachweisbar sind und ob die Blut-Liquor-Schranke gestört ist, die den Blutkreislauf vom Zentralen Nervensystem trennt. Der wichtigste Test widmet sich allerdings der Bestimmung der Neurodegenerationsmarker.
Abgrenzung von anderen Krankheiten
Besonders für Patienten mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, die als Risikogruppe für die Entwicklung einer Demenzerkrankung angesehen werden kann, ist die Liquordiagnostik eine sinnvolle ergänzende diagnostische Methode. Auch wenn eine Demenzerkrankung bereits diagnostiziert wurde, kann sie nützlich sein - etwa zum Nachweis einer im Gegensatz zu Alzheimer-Demenzen meist rasch verlaufenden Creuzfeldt-Jakob-Erkrankung. Aktuelle Studien zeigen zudem, dass sich mittels der Liquordiagnostik auch Depressionen von Demenzerkrankungen besser abgrenzen lassen.
Die Bedeutung der Liquordiagnostik heute
Die Liquordiagnostik liefert Klarheit, wenn es darum geht, Alzheimer sicher von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Sie trägt zu einer verlässlichen Diagnose bei und schafft damit die Grundlage für die richtige Behandlung und Beratung. Gerade seit neue Medikamente zugelassen sind, die nur bei gesicherter Alzheimer-Demenz eingesetzt werden dürfen, ist diese Untersuchung wichtiger denn je.
Aktuelle Forschungsergebnisse
Eine neue Studie von Medizinern des LMU Klinikums liefert Antworten auf die Frage, wie man sicher und kosteneffizient die Präsenz von Amyloid-Ablagerungen bei Patienten nachweisen kann, die sich mit leichten kognitiven Störungen oder einer milden Demenz in der Gedächtnissprechstunde vorstellen. Grundsätzlich gibt es zwei zugelassene Möglichkeiten, um die gefährlichen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten nachzuweisen: die Untersuchung der Liquor-Flüssigkeit und ein spezielles bildgebendes Verfahren des Gehirns, die PET (Positronen-Emissions-Tomographie).
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Die Studie hat herausgefunden, wie aussagekräftig die Ergebnisse der Liquor-Untersuchung im Verhältnis zum Goldstandard PET-Bildgebung sind. Wer im Nervenwasser einen Amyloid-Wert von über 7,1 aufwies, war in der PET zumeist nicht auffällig - Alzheimer-Befund mithin negativ. Patienten mit einem Amyloid-Wert von weniger als 5,5 im Liquor waren auch in der PET überwiegend auffällig - Alzheimer-Befund mithin höchstwahrscheinlich positiv. Doch besonders wichtig ist, dass es eine Grauzone zwischen 5,5 und 7,1 im Nervenwasser gab - bei etwa 15 bis 20 Prozent der Patienten. Die Hälfte dieser Studienteilnehmer hatte im PET einen auffälligen Amyloid-Befund.
Liquoruntersuchung versus Amyloid-PET
Die Liquoranalyse ist ein indirekter, nicht-quantitativer Nachweis der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn. Die Amyloid-PET ermöglicht den direkten und semiquantitativen Nachweis der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und ist nicht-invasiv, aber mit höheren Kosten verbunden.
Sobald die neuen Medikamente gegen Amyloid-Ablagerungen zugelassen sein werden, könnten die Erkenntnisse der Studie in die Diagnostik einziehen. Wo sie etabliert ist, böte sich direkt die Amyloid-PET als diagnostisches Mittel der Wahl an. Je nach Expertise und Ausstattung am Standort werden in Deutschland viele Patienten in der derzeitigen Situation aber eher Zugang zur Liquoranalyse als zur Amyloid-PET haben. Aus medizinischer und aus ökonomischer Sicht erscheint es gut vertretbar, bei diesen Patienten zur Therapieauswahl eine Liquoruntersuchung zu machen, sofern keine medizinischen Gründe dagegensprechen. Eine zusätzliche PET-Untersuchung würden von diesen Patienten dann nur diejenigen noch benötigen, die sich in der Liquoruntersuchung in der Grauzone zwischen 5,5 und 7,1 bewegen.
Standardwerte und ihre Bedeutung
Die Analysebezeichnung im Liquor umfasst verschiedene Parameter, die bei der Diagnose von Demenz berücksichtigt werden:
- Beta-Amyloid 1-42: Ein Wert über 599 pg/ml deutet auf einen normalen Befund hin.
- Beta-Amyloid 1-40: Dieser Wert wird ausschließlich zur Berechnung des Beta-Amyloid (1-42)/(1-40)-Quotienten verwendet.
- Quotient aus Beta-Amyloid 1-42/ Beta-Amyloid 1-40: Ein Wert über 0,069 deutet auf einen normalen Befund hin.
- Tau-Protein: Die Referenzbereiche sind altersabhängig (<50 Jahre: <300 pg/ml; 50-70 Jahre: <450 pg/ml; >70 Jahre: <500 pg/ml).
- Phospho-Tau: Ein Wert unter 57 pg/ml deutet auf einen normalen Befund hin.
- Quotient aus Tau-Protein/ Phospho-Tau: Ein Wert unter 25 deutet auf einen normalen Befund hin (gilt erst ab einem Tau-Protein >1400 pg/ml).
Die Rolle der Liquordiagnostik in der klinischen Praxis
In der klinischen Praxis kommt der Liquordiagnostik eine wesentliche Funktion bei der ätiologischen Zuordnung demenzieller Syndrome zu. Sie dient dem Ausschluss entzündlicher Ursachen und von Prionenerkrankungen und unterstützt die Diagnosestellung einer (frühen) Alzheimer-Erkrankung und anderer neurodegenerativer Demenzätiologien. Gemäß konsentierten Leitlinienempfehlungen sollten Zellzahl, Gesamtprotein, Laktat und Glukose, der Albuminquotient sowie die intrathekale IgG-Produktion inkl. oligoklonaler Banden bestimmt werden.
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Die Grenzen der Liquordiagnostik
Die Daten zeigen, dass ein negativer Liquorbefund zwar mit großer diagnostischer Sicherheit eine Alzheimer-Erkrankung ausschließt, ein positiver Liquorbefund das Vorliegen einer Alzheimer-Demenz jedoch nicht zwingend bestätigt. Dies ist auf die altersabhängig hohe Prävalenz einer Amyloidpathologie zurückzuführen, sodass eine neurodegenerative Komorbidität auch bei Alzheimer-typischer Liquorkonstellation möglich ist. Vor diesem Hintergrund erfolgt die ätiologische Zuordnung des Demenzsyndroms in erster Linie nach klinischen Kriterien und kann liquordiagnostisch gestützt werden.
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